Entscheidungen Lasst mir keine Wahl!

Illustration: Rose Wong
Angenommen, Sie sind krank und warten auf Testergebnisse, die Ihnen bei der Entscheidung helfen sollen, ob Sie sich operieren lassen. Ein Wert von vier oder höher wäre eindeutig: Sie haben ein hohes Risiko; eine OP ist medizinisch unbedingt notwendig. Ein Wert unter vier dagegen deutet auf ein mittleres Risiko hin. Sie müssten also selbst über eine OP entscheiden. Hätten Sie lieber einen Wert von 3,5 oder 4,5? Als diese Frage kürzlich in einem Laborexperiment gestellt wurde, sagte ein überraschend großer Teil der Probanden – 38 Prozent –, sie würden den höheren Wert bevorzugen.
In insgesamt neun Feldstudien und randomisierten Experimenten haben zwei Forscherinnen der Harvard Business School verschiedene medizinische Situationen entworfen, darunter das Beispiel eines Athleten mit angerissener Sehne, der sich nur dann zwingend einer OP unterziehen müsste, wenn der Riss eine bestimmte Größe überschreitet. Anderenfalls kann er sich zwischen Operation und Physiotherapie entscheiden. Viele der Probanden bevorzugten hier tatsächlich die relativ schlechtere Nachricht.
Andere sollen uns die Entscheidung abnehmen
Wenn eine schwierige Entscheidung ansteht, so erklären es die Wissenschaftlerinnen, möchten viele Menschen, dass andere ihnen die Entscheidung abnehmen. Eindeutig schlechte Nachrichten tun genau dies – und bewahren uns vor dem Gefühl, persönlich für das Ergebnis verantwortlich zu sein. Je schwieriger die Probanden die Entscheidung fanden, desto mehr hofften sie daher auf schlechte Nachrichten, die ihnen keine Wahl mehr ließen.
"Der von uns festgestellte Effekt lässt sich wahrscheinlich weit über den medizinischen Bereich hinaus verallgemeinern", schreiben die Forscherinnen. So könnte ein Autofahrer nach einem Unfall erleichtert sein, wenn er hört, dass sein Wagen einen Totalschaden hat. In diesem Fall muss er die Kosten für eine Reparatur nicht abwägen. Ebenso könnte eine Studentin, die sich bei zwei Unis beworben hat, gar nicht so ungern von einer der beiden abgelehnt werden.
Weil sie Fehler scheuen, orientieren sich Manager gern an Methoden und Kennzahlen. Doch die führen oft in die Irre. Wie sich typische Fallstricke umgehen lassen, wie es gelingt, die Strategie nicht aus den Augen zu verlieren und wie Sie die richtigen Entscheidungen treffen, wenn gerade alles unsicher ist.
Solche Situationen zu identifizieren ist auch für diejenigen nützlich, die Menschen in einem Dilemma beraten. So können sie erkennen, wann jemand eher eine klare Führung braucht statt Entscheidungsfreiheit – und dass auch Empfänger weniger schlimmer Nachrichten oft umfangreiche Unterstützung benötigen.
Quelle: Kate Barasz, Serena F. Hagerty: "Hoping for the Worst? A Preference for Bad News", Journal of Consumer Research, August 2021

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Dieser Artikel erschien in der Dezember-Ausgabe 2021 des Harvard Business managers.