Psychologie Extrovertierte hören schlecht zu

Gesellig und kontaktfreudig: Extrovertierte sollten deutlicher signalisieren, dass sie auch richtig zuhören können.
Foto:Britt Erlanson / Getty Images
Sie mögen auf Partys beliebte Gäste sein, doch am Arbeitsplatz werden Extrovertierte oft als unecht und egozentrisch angesehen. Denn ihre Kollegen und Kolleginnen unterstellen ihnen, dass sie schlechte Zuhörer sind. Das hat eine aktuelle Studie ergeben, die Harvard-Assistenz-Professor Julian Zlatev gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern durchgeführt hat.
Extrovertierte werden zudem häufig als wenig authentisch wahrgenommen. "Wenn man sich mit einem extrovertierten Menschen unterhält, kann er gesellig und kontaktfreudig sein – er kann aber auch den Eindruck erwecken, dass er nicht sehr konzentriert am Gespräch teilnimmt," erklärt Zlatev. Das liege nicht zuletzt daran, dass sich Extrovertierte ihres Umfelds übermäßig bewusst seien und versuchten, positiv auf andere zu wirken. "Und genau das wird ihnen oftmals als Schauspielerei ausgelegt", so der Forscher.
Für ihre Studie führten Zlatev und seine Kollegen sechs Experimente mit fast 2.500 Probanden durch. Im ersten Experiment sollten 150 MBA-Studierende einschätzen, wie gut ihre Kommilitonen zuhören könnten. Nachdem sie sie auf einer Persönlichkeitsskala eingestuft hatten, wurden sie gebeten, vier Fragen zu beantworten, darunter: "Wenn Sie ein Gespräch mit X führen würden, inwieweit würde er oder sie: Zuhören, was Sie zu sagen haben? Ihnen die Chance geben zu sprechen? Sich beim nächsten Treffen an das Gesagte erinnern? Sich auf andere Dinge als das aktuelle Gespräch konzentrieren? Die Antworten zeigten eine signifikante negative Beziehung zwischen der geschätzten Extrovertiertheit einer Person und der Bewertung ihres Zuhörverhaltens.
In einem anderen Experiment untersuchten die Forscher, ob die gleiche Wahrnehmung auch zwischen Fremden vorkommt. Sie baten 655 Teilnehmer an einen "vertrauten Fremden" zu denken – jemanden, den sie ein paar Mal gesehen, aber noch nie gesprochen hatten, wie etwa ein Mitreisender im Zug. Dann sollten sie angeben, für wie extrovertiert sie diese Person hielten und sich ein Gespräch mit ihr vorstellen. Dabei sollten sie vorhersagen, inwieweit der Fremde aufmerksam zuhören oder das Gespräch auf sich selbst lenken würde. Das Ergebnis: Je extrovertierter der Fremde eingeschätzt wurde, desto schlechter wurden seine Qualitäten als Zuhörer beurteilt.
"Extrovertierte Menschen sollten ein bisschen deutlicher signalisieren, dass sie zuhören", sagt Zlatev. Vor allem in virtuellen Meetings sei dies entscheidend. Er rät deshalb, klare Signale zu setzen. Dazu gehören verbale Zeichen des Zuhörens wie "richtig", "ja" und "mm-hmm"; Augenkontakt, Nicken und Lächeln während des Gesprächs; eine offene Körperhaltung mit auseinander gelegten Händen und die Körperhaltung des Gesprächspartners zu spiegeln. "Im Allgemeinen nutzen Menschen diese Signale viel zu wenig – und zwar unabhängig davon, ob sie intro- oder extrovertiert sind", so Julian Zlatev.
Quelle: Julian Zlatev et al.: "Are You Listening to Me? The Negative Link Between Extraversion and Perceived Listening", Personality and Social Psychology Bulletin, im Druck

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