Fallstudie Tauziehen um das Supply-Chain-Management
Jack Emmons, dem CEO von Voici Brands, blieb vor Staunen der Mund offen stehen, als er den hell erleuchteten Produktionsbereich der "Supply Chain City" in Shanghai betrat. Er blickte auf nicht endende Reihen von Chinesinnen, die in einheitlichen Kitteln und mit gleichen Kopftüchern über Nähmaschinen gebeugt waren. Es mussten tausende sein.
"Jeder Arbeitsbereich darf maximal 15 Zentimeter hohe Stoffstapel verarbeiten", erklärte Xao Li, der Verkaufsrepräsentant, in fließendem Englisch. "Hier befinden sich drei Abteilungen für drei verschiedene Kunden. Wie Sie sehen, arbeiten unsere Angestellten unter den bestmöglichen Bedingungen. Wer einen Job in der Privatwirtschaft bekommt, hat keinen Grund zur Klage."
Xao Li führte Jack Emmons und Robert Dodds, den Finanzchef von Voici, einen Gang entlang, vorbei an Reihen eifriger Arbeiterinnen. Fasziniert sah Jack Emmons zu, wie die Näherinnen Unmengen Stoff und Faden durch ihre Maschinen laufen ließen. Etwas weiter weg bemerkte Robert Dodds eine Europäerin, die durch die Gänge einer anderen Abteilung schritt.
"Wer ist das?", fragte er.
"Ah", sagte Xao Li und blickte Dodds über den Rand seiner Designerbrille hinweg an, "das ist eine Inspektorin von Marquise. Sie ist hier, um die Qualität der Fertigung zu überwachen. Marquise stellt hohe Ansprüche."
Die Erwähnung des Hauptkonkurrenten von Voici Brands verfehlte ihre Wirkung nicht. Jack Emmons wurde sogleich hellhörig.
Vor zwei Jahren hatte Marquise seine Lieferketten konsolidiert, indem das Unternehmen sämtliche Produktlinien nach "Supply Chain City" auslagerte. Damit konnte es die Zeitspanne zwischen Entwurf und Ankunft der fertigen Produkte in den Läden von 50 Wochen auf 60 Tage reduzieren sowie den Gewinn um 20 Prozent steigern. Und diese Steigerung war nur zu einem kleinen Teil den niedrigeren Lohnkosten in China zu verdanken. Der größte Teil war auf die verkürzten Produktions- und Lieferzeiten zurückzuführen, die Marquise in die Lage versetzten, schneller auf die Launen seiner modebewussten Kunden reagieren zu können.
Als Jack Emmons und Robert Dodds mit ihrem Gastgeber aus der Halle traten, stellte Emmons fest, dass die Näherei nur ein kleiner Teil der
"Unsere Leute können Sie über sämtliche Fertigungsstufen Ihrer Produktlinien begleiten", erklärte Xao Li. "Wir kümmern uns hier um alles, vom Design bis zur Lieferung. Und dabei kommen Ihnen alle Vorteile der Massenproduktion zugute. Bei uns sind die Wege vom Konzept zur Produktion und von dort zum Vertrieb kürzer als irgendwo sonst, was für Sie eine reduzierte Time-to-Market und einen besseren Service für Ihre Marken bedeutet. Und als Großkunde können Sie sich unserer besonderen Aufmerksamkeit sicher sein. Sie haben nichts weiter zu tun, als Kleider zu verkaufen."
Jack Emmons lachte. "Bei Ihnen hört sich das alles so einfach an." Gerade das Kleiderverkaufen bereitete ihm zusehends Sorge. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre hatte Voici Brands den Einzelhandelsvertrieb über die USA hinaus auf Kanada, Mexiko und Großbritannien ausgeweitet und nebenher den Katalog- und Internethandel eingeführt. Doch seit zwei Jahren machte die Firma Verluste. Die Konkurrenz konnte Voici Brands überholen, weil sich Lieferprobleme in den Umsätzen niederschlugen.
Auf der Rückfahrt ins Hotel dachte Emmons über das Debakel bei der Teenie-Marke "Jacquie" während der letzten Weihnachtssaison nach. Der Renner war ein lederverzierter Jeansminirock gewesen, der in einem Fernsehspot von der Popsängerin Jeni James beworben worden war. Der Rock war praktisch sofort ausverkauft gewesen, doch leider waren die Nachbestellungen nicht mehr rechtzeitig vor Weihnachten in die Geschäfte gekommen, und zu allem Überfluss hatte ein Lokalsender auch noch Bilder von Teenagern gezeigt, die sich um die letzten Röcke prügelten.
Margie Rosen, Abteilungsdirektorin und zuständig für Jacquie, hatte umgehend für weitere Nachschublieferanten gesorgt. Sie hatte sogar zusätzliches Personal eingestellt, das ausschließlich diese Lieferanten koordinierte. Dennoch hatten mehrere Warensendungen
zurückgeschickt und nachgebessert werden müssen.
Nach den Feiertagen hatten die Teenies das Interesse an dem Mini verloren, und die Bestände waren in die Höhe geklettert. Die verbliebenen Teile waren mit einem gewaltigen Preisnachlass verkauft worden. Etwa zeitgleich hatte ein bekannter Branchenanalyst die mangelnde Koordination der einzelnen Abteilungen bei Voici Brands kritisiert, woraufhin der Aktienwert nachgegeben hatte. Margie Rosen hatte natürlich ganz und gar professionell reagiert und die volle Verantwortung für das Rockdesaster übernommen; doch Emmons hatte erkannt, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelte. Die lange Zeitspanne vom Entwurf zum Markt machte genaue Vorhersagen unmöglich. Und als Lieferprobleme zu Bestandslücken bei "Harry and Sally" geführt hatten, Voici Brands Kinderbekleidungslinie, war Emmons endgültig klar geworden, dass er sich die Koordination in allen Bereichen genauer ansehen musste.
Der Wagen fuhr die Hotelauffahrt hinauf, und Emmons gähnte. "Ich bin völlig erledigt", sagte er und lehnte den Kopf in die weichen Lederpolster des Mercedes. Der Wagen hielt vor dem Eingang, und ein Hotelbediensteter öffnete die Türen. Emmons, Dodds und ihr Gastgeber stiegen aus.
"Es war uns ein Vergnügen, Sie hier empfangen zu dürfen", sagte Xao Li und verbeugte sich tief. "Ich wünsche Ihnen eine angenehme Heimreise."
Eine bequeme Beziehung
Während des Rückflugs haderte Emmons mit der Erkenntnis, dass Verhandlun -gen
mit "Supply Chain City" für ihn überhaupt nicht in Frage kamen. Dazu war Voici viel zu dezentral organisiert.
Bei seiner Gründung im Jahr 1970 hatte Voici Brands aus einer einzigen Bekleidungsmarke bestanden. Im Laufe der folgenden 35 Jahre hatte das Unternehmen vier weitere Marken zugekauft, wobei jede wie eine Tochtergesellschaft agierte - mit eigenem Management und eigenen Lieferanten. Margie Rosen war die Managerin einer dieser Tochtermarken und eine sehr traditionelle Managerin dazu. Im ganzen Unternehmen wurde sie wegen ihrer Kenntnis der Modewelt, des Einzelhandels und der Feinheiten im Einkauf geschätzt. Emmons hatte sogar ein bisschen Angst vor ihr.
Über die Jahre hatte Margie Rosen - wie alle anderen Markenmanager auch - Verträge mit den Lieferanten ausgehandelt, von Webereien bis zu Nähereien, von Zollspediteuren bis zu Lagerverwaltern, von Technologieberatern bis hin zu Speditionen. Ihre Mitarbeiter arbeiteten eng mit diesen Lieferanten zusammen, verfolgten die einzelnen Abläufe und
Emmons erinnerte sich gut, wie mulmig ihm gewesen war, als er Rosen auf die Lederknappheit angesprochen hatte. Wie sich herausgestellt hatte, war bei ihrem Hauptlieferanten, einer Firma in Australien, gestreikt worden.
"Ist das nicht die Firma, bei der es vor ein paar Jahren schon einmal Manage- mentprobleme gab?", hatte Emmons gefragt.
"Ja, das ist sie", hatte Margie Rosen darauf gesagt. "Aber sie haben die Führung ausgewechselt, und seitdem gibt es keine Probleme mehr."
"Na ja, jetzt schon, und deshalb frage ich mich, warum wir immer noch mit ihnen zusammenarbeiten", hatte Jack Emmons zu bemerken gewagt.
"Weil sie eine Spezialmethode anwenden, die das Leder besonders geschmeidig macht, wie wir es mögen", hatte Rosen geantwortet. "Wir arbeiten seit Jahrzehnten mit ihnen, und bis zu diesem Streik waren sie stets verlässlich."
Da er selbst einen Unternehmensbereich geleitet hatte, hatte Emmons Margie Rosen sogar verstanden. Sie und die anderen Manager hatten über Jahre Beziehungen zu ihren Lieferanten aufgebaut, und würde man sie auffordern, einen ihrer Lieferanten aufzugeben - und weiterhin für die Produktion verantwortlich zu sein -, so würde die Antwort gewiss lauten: "Nur über meine Leiche."
Ich kann ihnen keine Konsolidierung aufzwingen, dachte Emmons. Dann wird Margie Rosen wütend und kündigt. Auch einige der anderen Manager wären wenig begeistert, was zu jeder Menge Ärger und bösen Intrigen führen könnte. Damit wäre jede Konsolidierungsmaßnahme von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Jack Emmons dachte an die schillernden Produktionshallen, an die hunderte von Nähmaschinen, die konzentriert arbeitenden Frauen mit ihren Einheitskopftüchern - und an den Konkurrenten Marquise, der sich langsam, aber sicher Voicis Marktanteile schnappte. "Wer sich nicht verändert, geht unter. Also bleibt nur die Veränderung, aber wie?"
Er schlug seine Zeitschrift auf, in der ein langer Artikel über Supply-Chain-Management abgedruckt war. Darin wurde beschrieben, welche Erfolge eine große Telekommunikationsfirma vor allem dank eines erfahrenen Managers verzeichnen konnte, dem die Kontrolle über Logistik und Einkauf übertragen worden war. In dem Artikel wurde er als hartgesottene Führungskraft dargestellt, die ein eigenes Unternehmen aufgebaut hatte, das sich ausschließlich um die Lieferkette des Unternehmens kümmerte. Da dieser Manager nur bei wenigen ausgewählten Anbietern kaufte, war er einer ihrer größten Kunden. Dies wiederum zwang die Lieferanten, besondere Rücksicht auf seine Wünsche zu nehmen. Die Telekommunikationsfirma jedenfalls konnte auf Grund des effizienten Managements Millionen einsparen.
Genau so jemanden brauche ich auch, beschloss Emmons. Jemanden, der den Stier bei den Hörnern packt. Da Margie Rosen gewiss alles andere als froh wäre über die Zusammenarbeit mit einem ihr vorgesetzten Fachmann, musste Emmons zunächst sie und die anderen Manager von der Maßnahme überzeugen, und das erforderte einiges an Finesse. Am besten, er fing klein an.
"Als Erstes bitte ich die Abteilungsleiter, freiwillig Teile ihrer Lieferketten einer Überprüfung zu unterziehen", überlegte Emmons. "Wenn eine Einheit herausfindet, dass sie in bestimmten Bereichen Geld sparen kann, ziehen die anderen vielleicht nach." Zufrieden mit dieser Lösung, griff er nach den Kopfhörern.
Der Rottweiler
Das "Grigio", Emmons' Lieblingsrestaurant für längere Geschäftsessen, war in goldenes Nachmittagslicht getaucht, welches von den Weingläsern und den kupferfarbenen Bodenfliesen reflektiert wurde. Emmons bestellte die Empfehlung des Tages, Wildlachs. Sein Gast, Ravi Chandry, wählte Scampi. Der Kellner bedankte sich für die Bestellung und verschwand.
Mike Coverdale, Emmons' Mentor im Board, hatte Chandry empfohlen, weil der bereits erfolgreich eine Lieferkettenkonsolidierung für T. M. Solden durchgeführt hatte, das zweitgrößte Snack- und Getränkeunternehmen weltweit. Laut Mike Coverdale sah Chandry aus, als wäre er in den 50ern, doch es hieß, er habe sich kürzlich in den Ruhestand zurückgezogen und verbringe seine Zeit mit Golfen und gelegentlicher Beratertätigkeit.
"Ich gehe davon aus, dass er es im Ruhestand nicht allzu lange aushält", hatte Coverdale zu Emmons gesagt. "Er hat zwar finanziell ausgesorgt, aber er ist einfach zu gut. Er wird garantiert bald wieder aktiv werden wollen, und deshalb ist der Zeitpunkt günstig, ihm eine neue Herausforderung zu bieten."
Emmons erzählte Chandry von seiner China-Reise und sprach dabei einige der Probleme mit den Voici-Lieferanten an. Chandry hörte ihm aufmerksam zu und stellte einige Fragen. Zunächst wollte er alles über Marquise und andere Voici-Konkurrenten wissen und wie es um deren Rentabilität, Schnelligkeit am Markt und Kundenzufriedenheit im Vergleich zu Voici bestellt war. Emmons gab so gut er konnte Auskunft. Er war beeindruckt vom professionellen Auftreten Chandrys.
Als Ravi Chandry alle Informationen hatte, die er brauchte, um sich ein
"Dass Sie Ihre Lieferkette in puncto Schnelligkeit und Effizienz verbessern müssen, steht wohl außer Frage", begann er. "Erstens versickert bei Ihnen überall Geld. Sie müssen damit anfangen, wirklich alles nachzurechnen. Haben Sie erst einmal alle Zahlen beisammen, überlegen Sie, welche Abläufe sich verschlanken lassen. Wie es sich anhört, ist Ihnen Marquise auf diesem Gebiet bereits um Längen voraus." Todernst blickte er Emmons an. "Angesichts Ihrer Wettbewerbssituation würde ich empfehlen, dass Sie sofort anfangen."
Als Emmons ihm seine Bedenken bezüglich der Kooperationsbereitschaft von Margie Rosen und den anderen Managern schilderte, lächelte Chandry und zeigte dabei seine großen Zähne.
"Verstehe", sagte er. "Diese Leute fühlen sich massiv bedroht, wenn man ihre Macht beschneidet. Aber betrachten Sie es mal so: Ihre Konkurrenten eilen mit Riesenschritten voran, und nach den jüngsten Verlusten schrillen die Alarmglocken. Wenn Sie nicht umgehend etwas unternehmen, werden sich die Verluste ausweiten, und das bedeutet, dass Sie bald an einen Punkt kommen, an dem Sie mit den Chinesen keine guten Konditionen mehr aushandeln können, weil die natürlich auch merken werden, wie verzweifelt Sie sind." Er machte eine kurze Pause. "Dann ist das gesamte Unternehmen in Gefahr."
Emmons wusste, dass es Zeit war, die Karten auf den Tisch zu legen. "Ich habe mit dem Board und dem Finanzchef gesprochen", sagte er, "und ich bin sicher, dass wir Ihnen ein Angebot machen können, mit dem Sie zufrieden sind."
Chandry schien gänzlich unbeeindruckt. "Emmons, Sie brauchen einen Rottweiler für den Job, und ich werde nur bereit sein, die Rolle zu übernehmen, wenn Sie Ihren Managern unmissverständlich klar machen, dass sie mitziehen müssen. Sie haben keine Zeit, einen Konsens zu erarbeiten. Die Sache wird schneller in Gang kommen und Gewinne abwerfen, wenn Sie kein Jahr darauf verschwenden, interne Überzeugungsarbeit zu leisten. So einfach ist das."
Ein zahmerer Hund
Kaum war Emmons wieder in seinem Büro, machte er sich daran, eine Organisationsskizze zu entwerfen. Diese enthielt ein neues Kästchen für den Leiter des globalen Einkaufs, der Herstellung und Logistik, in den Emmons den Namen Chandry eintrug. Gleich daneben zeichnete er fünf Felder, in welche er die Namen der Manager der einzelnen Marken einsetzte. Er schrieb gerade den Namen Tony Rini in das erste Kästchen, als er innehielt.
Tony Rini leitete "Harry and Sally", die Kinderbekleidungsmarke. Sie war ein festes Standbein des Unternehmens, wenn auch nicht die größte oder am schnellsten wachsende Marke. Rini war ein fähiger Manager, der bereits zehn Jahre in der Firma war und alle Abteilungen durchlaufen hatte. Und er beteiligte sich nie an irgendwelchen Intrigen, zumindest nicht soweit Emmons das beurteilen konnte. Von all seinen Markenmanagern schien Rini ihm der geradlinigste und vertrauenswürdigste. Außerdem verstand er es, Leute für sich einzunehmen.
Emmons radierte den Namen Chandry aus und setzte stattdessen Rini ein. Das war eine interessante Idee. Rini besaß zweifellos das Vertrauen der anderen Manager. Er konnte andere nicht nur für eine Idee begeistern, sondern verstand es auch, diese durchzusetzen. Andererseits hatte er noch nie vor der Aufgabe gestanden, seine eigene Lieferkette zu konsolidieren. Konnte er den nötigen Anstoß liefern? Würde er es überhaupt wollen? Emmons bat seinen Assistenten, ein Treffen mit Rini auszumachen.
Am darauf folgenden Nachmittag kam Rini in Emmons' Büro. "Tony, ich möchte dir eine Idee vorstellen - im Vertrauen", sagte Emmons. Rini schien neugierig. "Dann mal raus mit der Sprache."
Tony Rini überlegte, dann stand er auf und ging ans Whiteboard. Er listete alle Teile der Lieferkette seiner Abteilungen und die dazugehörigen Vertragslieferanten auf. "Schau dir allein die Speditionen an", sagte er. "Von diesen zehn Firmen bekommen wir Ware, und alle haben ihre eigene Logistikabteilung." Einige dieser Firmen lieferten direkt an die Voici-Lager in New York und Los Angeles; andere hatten Verträge mit Speditionen, welche die Ware auslieferten, und wieder andere brachten die Ware direkt in die Geschäfte.
"Meine Abteilung wird neue Konditionen mit den Vertragspartnern aushandeln müssen." Rini fuhr fort, indem er die Subunternehmer und die Sub-Subunternehmer weiter seitlich auflistete, wobei er Kreise um und Verbindungslinien zwischen einzelne Gruppen zeichnete. Inzwischen sah es auf dem Whiteboard reichlich chaotisch aus, und Rinis Handschrift wurde auch nicht eben leserlicher. "Du siehst, was ich meine? Wir reden hier über komplizierte Zusammenhänge, und es sind eine Million Details zu berücksichtigen. Die Lieferanten auch nur in einer einzigen Abteilung zusammenzufassen wird eine Aufgabe, die sich nicht über Nacht bewerkstelligen lässt."
Emmons starrte auf die Tafel.
"Wenn du so etwas tatsächlich machen willst", sagte Rini, "würde ich vorschlagen, dass du es langsam angehst. Fang mit den weniger wichtigen Posten an, die sich nicht so sehr auf das laufende Geschäft auswirken. Da bieten sich zum Beispiel die IT-Abteilungen an. Hier lassen sich schnell Gewinne erzielen, und die können wir dann als Argument nutzen, um das Konzept auf die übrigen Bereiche auszuweiten."
Tony weiß, wovon er spricht, dachte Emmons. "Ich sag dir was, Tony. Ich möchte, dass Margie, du und die anderen Abteilungsleiter Einzelgespräche mit mir und Robert Dodds führen, damit wir die Geschäfte prüfen können. Ich denke, wir brauchen unseren Finanzchef, um uns durch all diese Details zu kämpfen."
Köpfe rasseln aneinander
Margie Rosen erklärte Emmons und Robert Dodds, wie ihr Stofflieferantennetzwerk funktionierte. Als sie anfing, die einzelnen Kostenarten zu erläutern, unterbrach Dodds sie.
"Warum, um alles in der Welt, dauert es immer noch fast ein Jahr, bis aus einem Entwurf ein Kleidungsstück geworden ist, obwohl wir so viel in die IT investiert haben?", fragte er.
"Wir nehmen grundsätzlich nur die besten Lieferanten", entgegnete sie gereizt, "und jeder dieser Lieferanten greift nur auf die besten Zulieferer zurück. Das bedeutet eben, dass wir eine ziemlich weit verzweigte Supply- Chain haben. Aber die Entwürfe sind toll und die Qualität ist es ebenfalls. Und wir dürfen nicht vergessen, dass sich viele andere um die Leute reißen, mit denen wir zusammenarbeiten, was natürlich hier und da zu Verzögerungen führen kann."
Als Robert Dodds sie auf die hohen Luftfrachtausgaben ihrer Abteilung ansprach, war sie fassungslos.
"Entschuldige bitte, Robert, aber ich muss mich doch sehr wundern, dass du mich auf die Luftfrachtausgaben ansprichst. Ich habe 20 Jahre Erfahrung auf diesem Gebiet und kenne mich da aus wie kaum ein anderer. Unsere Vorhersagen mögen bisweilen nicht ganz exakt sein, eine Vorlaufzeit von 50 Wochen ist unvermeidlich, wenn wir die Qualität halten wollen, zu der wir uns verpflichtet haben. Also ehrlich, ich würde es nicht wagen, dich danach zu fragen, wie du deinen Jahresbericht zusammenbastelst. Ich finde, wir verschwenden hier unsere Zeit."
"Tut mir Leid, Margie, aber ich mache nur meinen Job."
"Machst du nicht, du versuchst, meinen zu machen."
"Okay", mischte sich Emmons ein, "ich würde sagen, das reicht für heute. Margie hat ihren Standpunkt dargelegt, Robert. Wir sollten ein anderes Mal an dieser Stelle weitermachen."
Als Margie Rosen hinausmarschierte, sagte Dodds zu Jack Emmons: "Unsere Manager haben alle Schwächen. Wenn wir die zusammenaddieren, kosten sie uns nicht nur jede Menge Geld - sie gefährden die Zukunft des Unternehmens."
Wie kann Jack Emmons die Manager von Voici überzeugen?
Vier Experten beurteilen den Fall und geben Rat.
SHAKEEL MOZAFFAR
(shakeel_mozaffar@ici.com) ist Group Vice President der Global Supply Chain von ICI London.
Es ist außerordentlich sinnvoll, dass sich Jack Emmons die Hilfe eines versierten Lieferkettenspezialisten wie Ravi Chandry holt. Ein solch erfahrener Manager kann ihm gewiss helfen, die Zukunft von Voici Brands zu sichern. Allerdings sollte Ravi Chandry die berühmten drei "P" berücksichtigen, wenn er Erfolg haben will - Personen, Prozesse und Programme.
Lassen Sie mich mit den Personen anfangen. Die Einstellung, die die Abteilungsleiter von Voici Brands haben, ist in großen, dezentral organisierten Unternehmen häufig anzutreffen. Sie lässt sich am besten so beschreiben: Wir verfechten leidenschaftlich einen kurzsichtigen Protektionismus. Ravi Chandry hat Recht, wenn er sagt, dass er die volle Unterstützung von oben benötige.
Jack Emmons muss ihm helfen, die Hindernisse innerhalb des Unternehmens zu überwinden. Aber die Unterstützung des CEOs allein wird nicht reichen. Ravi Chandry braucht die uneingeschränkte Rückendeckung des gesamten Boards. Ohne die ist der Rottweiler zahnlos.
Der Board muss die Lieferkettenstrategie prüfen, besprechen und seine Zustimmung geben, damit Chandrys Autorität für alle Beteiligten sichtbar wird. Nur mit dem Segen des Boards lässt sich die Supply-Chain-Strategie mit der Gesamtstrategie des Unternehmens auf eine Linie bringen.
Außerdem helfen Feedback und Empfehlungen aus dem Board Ravi Chandry, die angestrebten Ziele zur richtigen Zeit und innerhalb des Budgets zu erreichen. Sobald der Board für die neue Strategie gewonnen wurde, sollte überlegt werden, ein formelles Kommunikationsprogramm einzuführen, um auf allen Ebenen für die Initiative zu werben.
Sollte der Board Chandry einstellen, muss dieser zunächst einmal Einblick in die Beschaffungsprozesse bekommen, bevor er überhaupt anfangen kann, diese zu optimieren.
Wie Chandry ja schon im Gespräch mit Emmons ausgeführt hat, ist die Voraussetzung für eine Verbesserung der Prozesse, die Zahlen ganz genau zu prüfen. Unternehmen, die ein hocheffizientes Lieferkettenmanagement anstreben, können gar nicht genug messen. Chandry und die anderen Topmanager müssen es zur obersten Priorität machen, verlässliche Zahlen zu den gegenwärtigen Abläufen zusammenzutragen.
Voici Brands wird wahrscheinlich noch mehr in seine Informations- und Kommunikationstechnologie investieren müssen. So wäre zu überlegen, ob das Unternehmen seine Verkäufer mit Handheld-Computern ausstattet, damit diese ihre Zahlen direkt an das Lager und die Produktion übermitteln können. Auf diese Weise würden die richtigen Informationen zur richtigen Zeit bei den richtigen Leuten ankommen, und sie wären zugleich messbar und transparent.
Darüber hinaus sollte Voici Brands seine Informationstechnik auf Integrationsmöglichkeiten hin überprüfen. Das Lagermanagement beispielsweise muss mit den Mitarbeitern in der Produktion, der Logistik, der Planungsabteilung und der Finanzabteilung zusammenarbeiten.
Hat das Management erst einmal genau erfasst, was es das Unternehmen kostet, einen Rock auf einen Kleiderständer im Laden zu bringen, kann es anfangen, alle überflüssigen Posten aus der Lieferkette zu streichen.
Das Ziel in der Umsetzungsphase des Programms muss sein, die Lieferanten auf eine Hand voll strategisch ausgewählter und zuverlässiger zu reduzieren. In diesem Zusammenhang wird sich Voici Brands von den kleineren Firmen trennen und sich größeren Service- und Materialanbietern zuwenden müssen, wie eben der "Supply Chain City" in Shanghai. Statt mit örtlichen Speditionen zusammenzuarbeiten, sollte das Unternehmen einen globalen Logistikanbieter nutzen.
Emmons, Chandry und die Abteilungsleiter sollten sich zusammensetzen und entscheiden, welche Verträge neu zu verhandeln und welche zu kündigen sind. Tony Rini hat Recht, wenn er sagt, dass es am besten ist, dort anzufangen, wo sich schnell Erfolge erzielen lassen.
Wie lange wird es dauern, die Änderungen umzusetzen und Verbesserungen zu erzielen? Vorausgesetzt, Emmons gelingt es, nicht nur die Abteilungsleiter, sondern alle Mitarbeiter davon zu überzeugen, dass sie keine andere Wahl haben, dann kann das Unternehmen innerhalb von drei bis fünf Jahren deutliche Einsparungen realisieren.
So viel Zeit wird Voici brauchen, bis die Firma ihr Ziel erreicht und den Konkurrenten Marquise eingeholt hat. Das klingt nach einem langen, schmerzhaften Prozess, doch die Qual wird sich lohnen.
ROBERT W. MOFFAT
(moffat@us.ibm.com) ist Senior Vice President von Integrated Supply Chain, der viertgrößten Sparte von IBM in Armonk, New York.
Mein Rat an Emmons lautet, Tony Rini zu bitten, zusätzlich zu "Harry and Sally" das Management der Supply-Chain für das ganze Unternehmen zu übernehmen. Rini genießt bereits das Vertrauen seiner Kollegen, und er versteht, welche Einschnitte für sie schmerzlich werden.
Wenn Rini die Reorganisation der Lieferkette leitet, kann Emmons darüber hinaus sicher sein, dass sich alle auch weiterhin in erster Linie auf die Kunden konzentrieren, die die Voici-Marken kaufen - und nicht nur auf Zyklus-Zeiten und dergleichen.
Um das zu veranschaulichen, möchte ich beschreiben, wie wir die Lieferkette bei IBM integriert haben. Bis zum Jahr 2002 hatte jede Abteilung des Unternehmens ihre eigene Lieferkette. Ich leitete drei der IBM-Bereiche: Personalcomputer, Drucksysteme und Einzelhandelslösungen.
2001 begann Sam Palmisano, der damals noch Chief Operating Officer war, mit den Abteilungsleitern darüber zu sprechen, dass wir eine integrierte Lieferkette bräuchten. Als er uns erstmals während eines Meetings darauf ansprach, war mein spontaner Gedanke genau der, den Emmons bei seinen Abteilungsleitern vermutet: "Nur über meine Leiche."
Schließlich glaubte ich ja, die Lieferanten meiner Abteilungen im Griff zu haben. Ich dachte, wenn jetzt jemand aus der Firmenzentrale kommt und sie mir wegnimmt, bricht alles zusammen. Ich wollte niemandem Rechenschaft schuldig sein, der sich ausschließlich für das Verkürzen von Zyklen interessiert, denn ich fühlte mich meinen Kunden verpflichtet. Also meldete ich meine Bedenken an.
Ein paar Tage später sagte Sam Palmisano zu mir, dass er nicht nur beschlossen hätte, unsere Lieferketten zu konsolidieren, sondern außerdem noch, mich mit der Leitung zu betrauen - ohne mich von der Leitung meiner drei Abteilungen zu entbinden.
Ich war zunächst skeptisch, übernahm aber die neue Position. Ich sorgte dafür, dass mir außerordentlich fähige Leute bei der Leitung meiner bisherigen Abteilungen und in verschiedenen Funktionen des Supply-Chain-Managements halfen.
Ich wusste, dass die Leiter der anderen IBM-Einheiten viele meiner Bedenken teilten. Zum Glück sahen sie in mir nicht bloß den Konsolidierer, denn ich war ja wie sie auch Abteilungsleiter. Sie wussten, dass ich tagtäglich mit den gleichen Dingen zu kämpfen hatte wie sie. Und deshalb gaben sie mir einen gewissen Vertrauensvorschuss.
Der schwierige Teil war, die Verantwortlichen aus den unterschiedlichen Bereichen der Lieferkette zusammenzubringen. Ich erinnere mich an ein großes Meeting, kurz nach der Einrichtung eines eigenen Supply-Chain-Management-Teams. Die Leute saßen mir in Cliquen gegenüber. Die Einkäufer aus der einen Niederlassung hockten an dem einen Tisch, die aus der anderen an ihrem, und die Mitarbeiter der jeweiligen Funktionen innerhalb der Versorgungskette saßen ebenfalls für sich. Integriert waren wir bloß auf dem Papier.
Also setzte ich darauf, sie zu provozieren. Ich sagte ihnen: "Lasst uns einen Weg finden, Milliarden von Dollar zu sparen, indem wir alles wegstreichen, was überflüssig ist."
Ein Vorschlag war, unsere Verträge mit den Lieferanten zu prüfen. Wir hatten beispielsweise diverse Einzelverträge mit einem Lieferanten in Korea - mit individuell ausgehandelten und entsprechend unterschiedlichen Konditionen. Am Ende kamen wir zu einer Reihe von Servicevereinbarungen, die für eine bessere IBM-übergreifende Preisgestaltung sorgten und die Zahl der Lieferanten auf weniger als die Hälfte reduzierten.
Letztlich half uns das Beseitigen solcher Redundanzen, unsere Betriebsabläufe deutlich reibungsloser zu gestalten. Im ersten Jahr konnten die Gesamtkosten durch die integrierte Supply-Chain um 5,6 Milliarden Dollar reduziert werden. Und am Ende des zweiten Jahres waren die IBM-Lagerbestände die niedrigsten seit 20 Jahren.
In den vergangenen drei Jahren haben wir circa 20 Milliarden Dollar eingespart. Jetzt, da IBM zu einem Serviceunternehmen geworden ist, wenden wir viele der Grundsätze an, nach denen wir auch bei der Lieferkettenoptimierung im Hardwarebereich vorgingen.
Tony Rini wird die größeren Zusammenhänge zwischen den Voici-Unternehmenszweigen schnell begreifen und im Stande sein, Entscheidungen zu treffen, von denen das Unternehmen langfristig profitiert. Es wird nicht lange dauern, bis die einzelnen Manager wesentliche Verbesserungen erkennen.
JOHN D. BLASCOVICh
(john.blascovich@atkearney.com) ist Direktor der Chicagoer Beratungsfirma A. T. Kearney und Leiter für Sourcing Practice in Nordamerika.
Ich stimme Ravi Chandry zu. Voici Brands steckt in Schwierigkeiten, und Jack Emmons kann es sich nicht leisten, die Probleme langsam und schrittweise anzugehen. Unter ihm brennt der Boden - er sollte erkennen, dass er darauf steht, und schleunigst das Feuer löschen. Andernfalls könnte Voici zu Asche zerfallen.
Emmons muss allen klar machen, was oberste Priorität hat und dass es auf keinen Fall so weitergehen kann wie bisher. Als Erstes sollte er klare Leistungsziele formulieren. Die Beschaffungskosten während der nächsten 18 bis 24 Monate um 20 bis 25 Prozent zu reduzieren wäre ein guter Anfang.
Aber Voicis Probleme beschränken sich nicht auf die Kosten. Die Zeit, die Marquise braucht, um ein Produkt auf den Markt zu bringen, ist sechsmal kürzer als bei Voici. Und die Lieferverzögerung bei der Marke Jacquie hat zu Umsatzrückgängen und enormen Preisnachlässen geführt. Schneller zu werden ist unter Umständen genauso wichtig, wie Kosten zu reduzieren. Wie auch immer die Prioritäten gesetzt werden, die Ziele müssen zu den Strategien passen, und zwar in allen Abteilungen.
Als Nächstes muss Emmons jemanden bestimmen, der die Maßnahmen leitet. Ich würde Tony Rini diese Position nicht geben: Das wäre ungefähr so, als würde man den besten Buchhalter für Innovation verantwortlich machen. Auch einen Außenseiter wie Chandry ins Spiel zu bringen, um eine neu geschaffene Stelle zu besetzen, könnte riskant sein. Vielleicht braucht er zu lange, um in Fahrt zu kommen, oder aber er stürzt kopfüber ins kalte Wasser, macht Fehler und ist wieder draußen, ehe er überhaupt eine Chance hatte, sein Können zu beweisen.
Meine Erfahrungen mit ähnlichen Veränderungsmaßnahmen zeigen, dass gute Ergebnisse Unternehmen in Schwung bringen, nicht umgekehrt. Mit anderen Worten: Emmons sollte seine Zeit besser dazu verwenden, eben diese Resultate anzustreben, damit sein neues Modell akzeptiert wird, als dazu, ein akzeptables Modell zu entwerfen und dann das Unternehmen davon zu überzeugen, dass es Resultate bringen wird.
Emmons sollte außerdem darüber nachdenken, wie er Margie Rosen bestmöglich einsetzt. Sie scheint innerhalb des Unternehmens geachtet (oder gefürchtet) zu werden, und sie ist diejenige, die mit den Maßnahmen am unglücklichsten ist. Jack Emmons kann sie an die Spitze eines Lenkungsausschusses stellen, der die Maßnahmen überwacht. Auf diese Weise ist sie an den notwendigen Veränderungen beteiligt und kann dafür sorgen, dass die Bedürfnisse ihrer Abteilung angemessen berücksichtigt werden.
Emmons kann ihr auch die Unterstützung eines Beraters wie Chandry anbieten, zumindest zu Beginn der Initiative. Sobald sich erste Erfolge einstellen und die Abteilungsleiter selbst Ideen äußern, wie sie langfristig erfolgreich arbeiten wollen, kann Emmons Ravi Chandry zum Leiter der Lieferkette ernennen. Wir reden hier also von einem Ansatz, bei dem erst ausprobiert und dann gekauft wird.
Emmons muss die ganze Zeit über Steine beiseite räumen, die ihm andere in den Weg legen werden. Die Widerstände werden in allen möglichen Formen auftreten - angefangen von expliziten Weigerungen bis hin zu passiv-aggressivem Verhalten.
Beispielsweise werden ihm Leute erzählen, sie wären dabei, und sie würden sogar schweren Herzens Ressourcen für das Projekt herausrücken, aber am Ende würden sie doch versuchen, sämtliche Änderungsvorschläge zu torpedieren. Eine gängige Ausrede für das Nichthandeln ist: "Das haben wir schon versucht." Häufig werden damit Lieferanten oder Verfahren abgeschmettert, die in der Vergangenheit versagt haben, unter den gegenwärtigen Umständen aber durchaus richtig sein können.
Eine Möglichkeit, mit etwaigen Blockierern umzugehen, ist die, sie als Sponsoren oder "Champions" für Teile des Programms einzusetzen. Eine gute Idee wäre auch, Margie Rosens Lenkungsausschuss wenigstens mit einigen der anderen Abteilungsleiter zu besetzen.
Und Emmons sollte die Abteilungen motivieren. Ich stimme zum Beispiel dem Vorschlag zu, die Hälfte der eingesparten Kosten in die einzelnen Abteilungen zurückfließen zu lassen, damit sie dort für Wachstumsinvestitionen genutzt werden, und den Rest in die Gewinnoptimierung zu stecken. Das würde den anfänglichen Widerstand schwächen und für die nötigen Aha-Erlebnisse sorgen, wenn die ersten Resultate sichtbar werden. Dadurch entsteht ein Umfeld, das offen für Veränderungen ist.
NICK LaHOWchic
(nlahowchic@limitedbrands.com) ist Generaldirektor von Limited Brands in Columbus, Ohio, sowie CEO von Limited Logistics Services.
Jack Emmons hat Recht, wenn er das Fett aus Voicis Lieferkette wegschneiden will. Die Abteilungsleiter mit einem "Rottweiler" einzuschüchtern ist jedoch nicht der richtige Weg. So weit ich es beurteilen kann, ist Voici Brands nach wie vor ein gesundes Unternehmen, auch wenn sich einige Wolken am Horizont zeigen. Emmons darf nicht nur auf die Kosten achten. Er sollte überlegen, wie das profitable Wachstum gesteigert werden kann, wenn die Einheiten von Voici auf eine interne Serviceeinheit für das Supply-Chain-Management zugreifen könnten, die auf Weltklasseniveau arbeitet.
Der beste Weg, damit zu beginnen, ist, die Spartenleiter als aktive und engagierte Partner für die Erfolgsvision der Marke Voici insgesamt zu gewinnen. Derjenige, der mit dem Management der Lieferketten betraut wird, muss nicht nur ein überzeugender Verkäufer sein, sondern er muss auch zügig erfüllen, was sich alle von den Maßnahmen versprechen.
Ich weiß das, weil mein eigenes Unternehmen, Limited Brands, genau die Veränderung durchgemacht hat, die Emmons vorschwebt. Vor einigen Jahren bestand Limited Brands aus 13 verschiedenen Unternehmenszweigen. Jeder hatte seine eigenen Mitarbeiter, Prozesse und Technologien für die Logistik, die Normprüfung, den Einkauf und so weiter. Meine Abteilung, Limited Logistic Services, wurde eingerichtet, um sämtliche Beschaffungsprozesse von Limited Brands zu integrieren.
Wie jede andere interne Serviceeinheit auch, mussten wir zunächst einmal die einzelnen Abteilungsleiter überzeugen, dass unsere Leistungen für sie sehr nützlich sein konnten. Wir haben uns mit jedem zusammengesetzt, denn unsere Verbesserungen in der Lieferkette sollten ihnen ja schließlich helfen, ihre Pläne für Gewinnwachstum umzusetzen. Unser Ziel dabei war, ihnen zu zeigen, dass ein zentrales Serviceunternehmen schlagkräftiger sein kann als einzelne Abteilungen, die mit eigenen externen Lieferanten arbeiten.
Wir haben mit jeder Abteilung eine detaillierte Servicevereinbarung entwickelt. Diese beschrieb die Art der Dienstleistungen, die wir zu erbringen hatten - Transport, Prozessgestaltung, technische Verbesserungen in der Lieferkette, Normen- und Qualitätsüberwachung, strategischer Einkauf und so fort -, sowie die Rollen, die wir und die Abteilungen erfüllen mussten. Die Vereinbarungen sollten zeigen, dass wir bereit waren, unsere Ziele an die unserer Partnereinheiten zu knüpfen und gemeinsam mit ihnen nach immer anspruchsvolleren Zielen zu streben.
Da die Abteilungsleiter von Versprechen allein nicht leben konnten, mussten wir frühzeitig einige Fortschritte vorweisen. Wir leiteten ein paar Maßnahmen ein, die sich relativ schnell durchsetzen ließen und messbare Resultate brachten. So haben wir zum Beispiel ein Lagermanagementsystem entworfen und eingeführt, das die Produktivität um 20 bis 30 Prozent steigerte. Und wir haben die Lieferprozesse umgestaltet, sodass unsere 4000 Einzelhandelsniederlassungen ihre Waren mit 97-prozentiger Verlässlichkeit innerhalb von zwei Stunden bekamen. Durch diese Verbesserungen gelangten die Produkte schneller in die Läden, und die Verkaufskosten wurden gesenkt. Im strategischen Einkauf nutzten wir die besten verfügbaren Prozesse und Techniken, was zu Einsparungen im zweistelligen Millionenbereich führte und sogar eine Qualitätsverbesserung brachte. Weil wir im Stande waren, schnell konkrete Ergebnisse zu liefern, gewannen wir die Abteilungsleiter als bereitwillige Partner für die Konsolidierung.
Wo soll Emmons anfangen? Ich würde ihm raten, die notwendigen Veränderungen in seinem Versorgungskettenmanagement mit profitablem Wachstum zu verknüpfen. Außerdem sollte die Führungskraft an der Spitze seines Supply-Chain-Management-Teams zum anerkannten Partner der Abteilungen werden. Er sollte außerdem sowohl intern als auch extern Leistungsvergleiche anstellen. Eine erste Erhebung sollte nach maximal vier Monaten abgeschlossen sein.
Als Nächstes wird das neue Supply-Chain-Management beweisen müssen, dass es die Abteilungen uneingeschränkt unterstützt und sich ganz auf deren Ziele abstimmt. Wenn eine solche interne Serviceeinheit für größtmögliche Transparenz sorgt, regelmäßige Meetings zum Fortschritt abhält und die Erfolge ganz den Abteilungen zurechnet, ist das einer guten und erfolgreichen Beziehung nur zuträglich. So kann Voici bald wieder so wettbewerbsfähig sein, wie es sein möchte. n
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Harvard-Fallstudien greifen typische Probleme des Manageralltags auf und bieten konkrete Lösungsvorschläge von Experten. Diesen Fall entwickelte
YOSSI SHEFFI, Professor für Ingenieurwesen am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge.