Dialogmarketing Die perfekte Botschaft im richtigen Moment
Marketingbotschaften laufen ins Leere, wenn sie den Kunden nicht interessieren. Damit die Chancen steigen, auf offene Ohren zu stoßen, stellen sich Marketingfachleute gewöhnlich Fragen zu ihrer Zielgruppe: Wer soll die Botschaft erhalten? Wie soll der Inhalt der Botschaft aussehen? Wie können wir die Botschaft vermitteln?
Die einzige Frage, die sie sich selten stellen ist: Wann soll die Botschaft übermittelt werden? Doch der richtige Zeitpunkt ist für das Marketing wohl die wichtigste Variable. Werbeaktionen sind wie Wetterberichte und Kurznachrichten - die Menschen brauchen sie zur rechten Zeit. Kommen sie zu früh, werden sie vergessen. Kommen sie zu spät, werden sie nicht beachtet.
In der Regel will fast niemand Post von Unternehmen bekommen. In einer Zeit der Werbeflut, geprägt durch Belanglosigkeit und Masse, kann unerbetene Kommunikation Apathie und im schlimmsten Fall Groll hervorrufen. Die Fachpresse beschrieb vor Kurzem ein "Chaos-Szenario", in dem traditionelle Medien (Fernsehen und Print) und etablierte Formate (der 30-Sekunden Spot) an Bedeutung verlieren, aber neue und effektivere Medien und Formate noch in ihrer Entwicklung stecken. In der chaotischen Zwischenzeit müssen Werbefachleute zusehen, wie ihre Botschaften verpuffen oder gar nicht beachtet werden.
Es gibt jedoch Momente, in denen sich Kunden einen Austausch mit dem Unternehmen wirklich wünschen, ihn sogar brauchen. Es ist etwas passiert: Ihr Leben hat sich verändert; ihre Wünsche haben sich verändert, ihre Wahrnehmung des Unternehmens hat sich verändert. Wenn Unternehmen den Kunden mit der richtigen Botschaft im richtigen Format und genau in diesem Moment ansprechen, steigen ihre Chancen auf einen herzlichen Empfang. Nur wenige Unternehmen stimmen ihre Kommunikation jedoch auf Meilensteine oder Veränderungen bei ihren Kundenbeziehungen ab. Und noch weniger berücksichtigen Ereignisse im Leben ihrer Kunden.
Fluggesellschaften sind dafür ein lehrreiches Beispiel. Sie sind wirklich gut darin, Sitzplätze zu verkaufen. Dann verschicken sie im Rahmen von Kundenbindungsprogrammen teures Werbematerial an ihre wertvollsten Kunden. Aber was passiert, wenn ein Kunde plötzlich nicht mehr mit der Fluggesellschaft fliegt, bei der er bis dahin so häufig gebucht hatte? Dieser offensichtliche Treuebruch signalisiert eine grundlegende Verhaltensänderung. Wenn die Fluggesellschaft diese Geschäftsbeziehung erhalten will, muss sie handeln. Leider kann es sich weder eine Fluggesellschaft noch irgendein ein anderes Unternehmen leisten, das Verhalten jedes einzelnen Kunden zu beobachten und darauf zu reagieren. Eine derartige Wachsamkeit wäre unverhältnismäßig.
Dialogmarketing erzielt in verschiedenen Branchen gute Erfolge, einschließlich Einzelhandel, Gastronomie, Reise, Finanzdienstleistungen, Medien, Verbrauchsgüter und Telekommunikation. Mit zunehmender Ausweitung kann die Methode dem Unternehmen die neue Basis geben, nach der die legendären amerikanischen Werbeagenturen entlang der Madison Avenue suchen. Der folgende Artikel erklärt die Grundlagen des Dialogmarketings und beschreibt kurz die dafür erforderlichen Technologien. (Anm. d. Red.: Eine Vielzahl von Anbietern, darunter das Unternehmen des Koautors, bieten Systeme an, die die Funktionen des Dialogmarketings durchführen. IT-Abteilungen eines Unternehmens können auch eigene entwickeln.)
Zeit zu reden
Die moderne Marketinglehre beruht auf der Vormachtstellung von Datenbanken. Sie ermöglichen es den Unternehmen, ihre Kunden in demografische und psychografische Gruppen einzuteilen. Beim klassischen, nach wie vor quicklebendigen Database-Marketing starten Analysten auf Geheiß von Marketingmitarbeitern Datenbankabfragen und erstellen Kundenlisten in verschiedenen Untergruppen. Die Firma verschickt an die Kunden in diesen Untergruppen schubweise in nicht zu häufigen Abständen entsprechend dem Unternehmenszeitplan nahezu identische Werbebotschaften. Meist sollen mit Hilfe dieser Nachrichten die Produkte verkauft werden.
In den 80er Jahren entstand aus dem Database-Marketing das Beziehungsmarketing, das seinen Schwerpunkt auf Kundenbindung und -pflege legte. Die Segmentierung ging weiter, als die Unterschiede in der Kundenprofitabilität untersucht und der Customer Lifetime Value (Kundenwert bezogen auf die Dauer der Geschäftsbeziehung) berechnet wurde. Ein Jahrzehnt später wollten sich Marketingexperten ein vollmundiges Versprechen im Zusammenhang mit dem Internet zu Nutze machen: zu wissen, wer der Kunde ist. Sie begannen, einzelnen Kunden personalisierte Mitteilungen zu schicken. Das war die Geburt des One-to-One-Marketings. Aber diese Methode kommt kaum über die Grenzen des Internets hinaus. Und obwohl hier gefragt wird, wie der Inhalt dieser Botschaft beschaffen sein sollte, handelt es sich nur um eine notwendige, nicht aber hinreichende Verbesserung.
Das Dialogmodell ist auch ein Produkt aus der Verbindung von Datenbanktechnologie und Personalisierungsphilosophie. Obwohl Dialogmarketing nur ein Softwaresystem ist, hat es die Seele eines Verkäufers. Gute Verkäufer wissen: Kundenbeziehungen können nur über solche Gespräche aufgebaut, erhalten und erweitert werden, die aus mehreren Schritten bestehen und sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Ein Dialog ist, einfach ausgedrückt, eine Reihe von Ansprachen und Antworten zwischen einer Firma und einem Kunden. Idealerweise provoziert er eine Reaktion des Kunden. Die Person oder die Software, die den Dialog führt, erkennt die Bedürfnisse des Kunden und wählt Inhalt und Kommunikationsform gemäß den Aussagen und Handlungen des Kunden.
So ein Gespräch kann zum Beispiel damit beginnen, dass das Computersystem eines Unternehmens eine E-Mail an den Kunden verschickt. Es ist eine Einladung, die Internetseite des Unternehmens zu besuchen, um Informationen zu erhalten. Wenn eine Woche vergangen ist, ohne dass der Kunde auf den eingefügten Link klickt, leitet sein Schweigen die nächste Stufe im Dialog ein: den Hinweis an einen Vertriebsmitarbeiter, mit dem Kunden zu telefonieren. Nach dem Telefonat lässt das System eine weitere Woche verstreichen und verschickt dann eine Erinnerungs-E-Mail an den Kunden. Jetzt nutzt der Kunde den Link und besucht die Internetseite des Unternehmens. Die Auswahl, die er dort trifft, steuert die Art der künftigen Kommunikationsmuster, die das System auswählt.
Dieser Ansatz, Schritt für Schritt vorzugehen, abzuwarten und zu antworten, unterscheidet
Veränderungen sagen mehr über Kundenbeziehungen aus als Käufe, weil sie sich auf die Entwicklung der Kundenbeziehung beziehen. Käufe liefern eine Reihe einzelner Bilder, Veränderungen hingegen einen durchgängigen Film. Im Einzelhandel ist es üblich, Rohdaten zu sammeln und sie für das RFM-Scoring (eine Methode der Kundenwertanalyse) umzuwandeln. Das heißt, die Kunden werden nach den Kriterien Aktualitäts- (Recency), Häufigkeits- (Frequency) und Geldwert (Monetary) eingestuft. Diese Ein-ordnung nach Punkten, wie sie seit Beginn des Database-Marketings durchgeführt wird, dokumentiert, wann Kunden zuletzt etwas gekauft haben, was sie gekauft haben, wie oft sie derartige Transaktionen durchgeführt und wie viel Geld sie dabei ausgegeben haben. Die Unternehmen unterteilen RFM-Scorings oft nach Segmenten, Marken oder Produktgruppen. Ein Einzelhändler kann beispielsweise für seine Schuhabteilung dokumentieren:
n wann zuletzt Schuhe gekauft wurden,
n wie oft Schuhe gekauft werden,
n die durchschnittliche Höhe eines Einkaufs,
n wann eine bestimmte Schuhmarke zuletzt gekauft wurde,
n wie oft eine bestimmte Schuhmarke gekauft wurde,
n die durchschnittliche Höhe eines Einkaufs bezogen auf eine bestimmte Schuhmarke.
Üblicherweise sammelt der Einzelhändler diese Daten über einen längeren Zeitraum. Dann versendet er gelegentlich Infobriefe an alle Kunden, die im Jahr zuvor mehr als 1000 Dollar für eine bestimme Marke ausgegeben haben.
Im Gegensatz dazu beobachtet der Einzelhändler beim Dialogmarketing direkt Veränderungen beim RFM-Scoring einzelner Kunden und stellt das System so ein, dass es den Dialog beginnt, sobald es bedeutsame Veränderungen feststellt. Das System reagiert umgehend auf individuelle anstatt auf kumulierte Daten. So kann der Einzelhändler den Kunden ansprechen, wenn er sich gerade der Freude an neuen Sandalen hingibt oder wenn die Kundin sich, was noch nie vorgekommen ist, sechs Monate lang keine neuen Pumps gekauft hat. Dialoge gehen aber nicht nur Veränderungen nach. Sie führen zu einer neuen Transaktion, einer tieferen Bindung oder einfach zu mehr Kundenwahrnehmung.
Die Natur von Veränderungen
Kein Unternehmen sammelt dieselben Daten und wird daher ganz spezifische Übergänge definieren, die Kundendialoge auslösen. Allgemein zeigen solche Übergänge eine Veränderung im Leben des Kunden oder in seinem Verhältnis zum Unternehmen an. Sie sind besonders wertvoll für Aufbau und Einsatz komplexer Kundenbindungsprogramme. Ein Unternehmen kann festsetzen, dass ein Dialog mit dem Kunden aufgenommen werden soll, wenn dieser
n etwas aus einer neuen Produktgruppe kauft (erster Anzug, erstes Mal in unserer neuen Schuhabteilung),
n eine Marke so häufig kauft, dass er zu den extrem treuen Anhängern gezählt werden kann,
n einen gewissen Geldwert innerhalb eines Jahres überschreitet, was ihn zu einer VIP macht,
n eine Schwelle in einem Treueprogramm überschreitet,
n einen Antrag auf Adressänderung stellt, wodurch ein Umzug angezeigt wird,
n ein Produkt kauft, das auf eine größere Veränderung im Leben des Kunden hindeutet, (ein Kinderautositz) oder auf ein großes Projekt (eine Spüle, ein Schrank).
Dialogsysteme können ebenso Daten von Drittanbietern über die Aufnahme von Hypotheken, die Eröffnung eines Schüler- oder Studenten-Sparkontos oder andere verfügbare kommerzielle Daten enthalten.
Sobald eine Veränderung einen Dialog auslöst, führt dieser den Kunden oft zu einer weiteren Änderung.
Andere Veränderungen stellen keine Chance, sondern vielmehr eine Bedrohung dar. Meistens droht der Kunde abzuspringen. So ein Fall könnte bei einer Fluggesellschaft eintreten, deren besonders wertvolle Kunden plötzlich einfach woanders ihre Tickets kaufen. Stellen wir uns vor, das Unternehmen betreibt Dialogmarketing. Das Computersystem zeigt an, dass ein Kunde über mehrere Monate keinen Flug mehr gebucht hat und fordert einen Kundenberater auf, den Kunden anzurufen, um das Problem zu beheben. Wenn sich der Kunde über schlechten Service beklagt, gibt der Kundenbetreuer die Einzelheiten in das System ein, das dann eine schriftliche Entschuldigung erstellt, die von einem Geschäftsführer unterschrieben wird und die ein Incentive enthält, um den Kunden zurückzugewinnen. Solche Incentives könnten zum Beispiel automatische Upgrades oder Vielfliegermeilen sein. Wenn der Kunde weiterhin keine Buchungen vornimmt, verschickt das System an ihn im nächsten Monat eine Erinnerung an das Incentive. Wenn daraufhin ein weiterer Monat verstreicht, erhält der Kunde einen Anruf vom Senior-Manager der Abteilung Kundenbetreuung. Wenn der Kunde schließlich ein Ticket kauft, leitet das System einen speziellen Dialog ein, um den zurückgewonnenen Kunden bei Laune zu halten.
Dieses Beispiel zeigt, dass Dialogmarketing nicht nur berücksichtigt, wann, sondern auch wie kommuniziert werden muss: Dialoge finden mit Hilfe unterschiedlicher Kommunikationsformen
Der Kundenwert spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Auswahl der Kommunikationsmittel. Vor einem ressourcenintensiven Dialog, mit dem ein Kunde gehalten werden soll, sollte zunächst geprüft werden, ob es sich um einen besonders wertvollen Kunden handelt. Das System der Fluggesellschaft stellt dafür die Daten über frühere und zu erwartende Verkäufe zur Verfügung. Wenn sich herausstellt, dass der Kunde nur einen mittleren Wert hat, könnte das System an ihn eine Nachricht versenden, entweder elektronisch oder in Form von Direktwerbung in Verbindung mit einem persönlichen Anschreiben. Ein Kunde mit niedrigem Wert könnte eine E-Mail erhalten oder auch gar nichts, wenn er nicht profitabel ist oder nicht über einen E-Mail-Account verfügt. Diese verschiedenen Ansätze sind ein weiterer Pluspunkt, den Dialogmarketing gegenüber den meisten One-to-One-Initiativen hat.
Daten richtig einsetzen
Es überrascht nicht, dass Unternehmen, die massenweise Daten sammeln und dabei Informationen auf jede erdenkliche Art herausfiltern, sehr früh wahre Meister des Dialogmarketings geworden
n nachlassend: Anzahl und Aktualität der Besuche nehmen ab,
n wachsend: Anzahl und Aktualität der Besuche nehmen zu,
n inaktiv: keine Besuche über einen langen Zeitraum,
n Neuzugänge: nur ein Besuch, der noch nicht lange zurückliegt,
n überfällig: über eine bestimmte Zeitspanne keine Besuche, aber noch nicht in der Kategorie "nachlassend",
n fällig: noch nicht "nachlassend", aber sie brauchen einen Anstoß, um das Casino wieder zu besuchen,
n ad hoc: alle anderen.
Das Unternehmen nutzt Dialoge, um das für das Unternehmen negative Verhalten des Kunden (wie in der Kategorie "nachlassend") in ein für das Unternehmen positives (wie in der Kategorie "wachsend") umzuwandeln. In erster Linie werden Spielerbetreuer informiert, die beim ersten Anzeichen einer Veränderung einschreiten. Nachdem Harrah's 2003 begonnen hatte, Dialogmarketing zu nutzen, stiegen die Einnahmen des Unternehmens um 30 bis 69 Prozent, je nach Kundensegment. Die Kontakte, auf die erneute Besuche folgten, stiegen um 20 bis 25 Prozent. Die Anzahl der VIP-Kunden stieg insgesamt stark.
Nicht alle Unternehmen verfügen über eine solche Fülle von Daten. Einige Geschäfte zeichnen sich durch unregelmäßige Transaktionen mit individuellen Kunden aus. Diese kaufen zwar jeden Tag eine Tasse Kaffee, ein Haus aber nur einmal in zehn Jahren. Obwohl Luxusmarken Gelegenheitskäufer dafür begeistern können, ihnen treu zu bleiben, finden die meisten Unternehmen es schwierig, die Kunden nach einem Kauf an das Unternehmen zu binden.
Ein Unternehmen, das über relativ wenige Kundendaten verfügt, ist Logitech, eine Firma, die Zubehör für Computer, Mobiltelefone und MP3-Player plant und herstellt. Aber obwohl die Kunden so selten Logitech-Produkte kaufen, entwickelte das Unternehmen ein Treueprogramm auf Grundlage des Dialogmarketings. Das System basiert auf einer Datenbank, die Informationen zu registrierten Kunden enthält. Bei der Anmeldung tauschten die Kunden ihre demografischen Angaben gegen Informationen über Software- Upgrades und neue Produkte. Logitech sammelte diese Informationen über mehrere Jahre hinweg von Kunden, die online bestellten oder sich an das Supportteam des Unternehmens wandten.
Da Logitech nicht genügend Daten von Kunden sammelt, um effektiv individuelle Veränderungen aufzuspüren, konzentrierte sich das Unternehmen darauf, bereits vorhandene Informationen in der Registrierungsdatenbank zusammenzuführen. Ein Hauptziel des Treueprogramms liegt darin, Kunden, die zum ersten Mal kaufen oder die ein einzelnes Produkt kaufen, dazu zu bringen, ein weiteres Produkt zu kaufen. Das System entscheidet über den Beginn eines Nachfassdialogs mit dem Kunden, indem es die Zeitspanne zwischen Erstkauf und Folgekauf eines vergleichbaren Kunden prüft. Stellt das System fest, dass der Vergleichskunde das zweite Produkt fast unmittelbar nach dem ersten kaufte, beginnt das System kurz nach dem ersten Kauf mit dem Nachfassdialog. Werden Kaufbotschaften so schnell verschickt, riskiert das Unternehmen jedoch, diejenigen Kunden zu verschrecken, die diese aggressive Verkaufsstrategie nicht schätzen. Daher verbindet Logitech solche Dialoge mit Ratschlägen: zum Beispiel, wie die tragbaren Geräte auf Reisen eingesetzt werden.
Ein Dialog, der zu einem Folgekauf anregen soll, beginnt mit einer Reihe informativer E-Mails, auf
Ein Schema für jede Gelegenheit
Kundenbeziehungen sind reich an Veränderungen und Ereignissen. Von Zeit zu Zeit müssen Unternehmen ihre Kunden an sich binden oder vom Treuebruch abhalten, ihnen helfen, eine konzeptionelle Hürde zu nehmen oder sie in einem
1. Basisdialoge
Mit Basisdialogen werden die Grundlagen eines Kundenlebenszyklus verwaltet. Sie sind eine Marketingversion der sieben Lebensalter in Shakespeares Stück "Wie es Euch gefällt". Die Dialoge erfordern nur Basisdaten wie den Namen des Kunden und Kontaktinformationen. Sie erfordern keine signifikanten Prozessveränderungen oder funktionsübergreifende Koordination. Zu den Basisdialogen zählen:
Akquisition. Mit Hilfe von Akquisitionsdialogen sollen neue Kunden gewonnen werden. Sie beginnen mit Massenbriefen bei einer Zielgruppe und werden spezialisierter, je mehr potenzielle Kunden antworten.
Service. Solche Nachfassaktionen können schlicht einen Dank für den letzten Einkauf enthalten, eine Benachrichtigung, dass ein Produkt abgeholt werden kann, oder eine einfache Überprüfung der Kundenzufriedenheit. Sie werden dann zu zusätzlichen Hilfsangeboten ausgeweitet.
Rückgewinnung. Ein Rückgewinnungsdialog ist die Antwort auf einen Treuebruch, wenn ein Kunde zum Beispiel seinen Mobiltelefonvertrag oder sein Zeitschriftenabonnement kündigen möchte.
2. Dialoge der Stufe I
Jeder dieser produkt- oder ereignisorientierten Dialoge ist nach seinem Zweck benannt (siehe auch Kasten Seite 49). Differenzierter als Basisdialoge, nutzen sie Informationen über Preisoder Geschäftssensibilität aus den Kaufdaten der Kunden. Die Abstimmung mit dem Warenwirtschaftssystem oder anderen Systemen erfordert eine größere IT-Beteiligung. Beispiele für Dialoge der Stufe I sind:
Ankündigung. Dieses Schema stützt sich auf geografische Daten oder zurückliegende Käufe, um ausgewählte Kunden zu Marketingevents einzuladen.
Erinnerungen. Derlei Botschaften sind sanfte Anstöße für Käufer von Verbrauchsgütern, dass es an der Zeit ist, für Nachschub zu sorgen. Das können Laserdruckerpatronen, Papier, Turnschuhe, aber auch Bohreinsätze, Öl und Glühbirnen sein. Dialogmarketingsysteme können so programmiert werden, dass das System bei jedem gekauften Produkt auch die Lebensdauer dieses Produkts kennt.
Informationen. Hinweise zum Warenangebot informieren über neue Wareneingänge und Werbeartikel, die den Kunden voraussichtlich interessieren. Eine Lieferung von CDs mit keltischer Folk-Musik an einen Musikhändler würde zum Beispiel automatisch zum Versand entsprechender Mitteilungen an diejenigen Kunden führen, in deren Kaufhistorien die CDs von "Clannad" und "Chieftains" häufig auftauchen. Treue Kunden können Vorabinformationen zu Preisänderungen erhalten und als erste von Preissenkungen oder Schlussverkäufen profitieren.
Aktionen. Diese Dialoge werden begonnen, wenn Überschussprodukte im Preis reduziert werden sollen. Bevor die Preise reduziert werden, wählt das System Kunden aus, die die betreffenden Produkte bereits gekauft haben und sie erneut kaufen könnten, weil sie dadurch vielleicht die nächste Stufe des Treueprogramms erreichen oder weil das zuletzt gekaufte Produkt sich dem Ende zuneigt.
3. Dialoge der Stufe II
In dieser Phase geht es um Kaufmuster einzelner Kunden oder um vorbeugende Maßnahmen, um das Verhältnis zu einem Kunden zu verbessern. Dialoge der Stufe II erfordern umfassendes Wissen zur Kundengeschichte und beachtliche funktionsübergreifende Koordination. Jeder im Unternehmen muss eingebunden werden, vom Einkäufer bis hin zur Führungskraft. Beispiele hierfür sind:
Anti-Treuebruch. Diese Dialoge beginnen, wenn das System erste Warnsignale entdeckt, etwa eine sinkende Kaufhäufigkeit. Sie unterscheiden sich von Rückgewinnungsdialogen, indem sie sich nur auf vorbeugende Maßnahmen konzentrieren. Die Rückgewinnung beginnt erst, wenn sich der Kunde bereits vom Unternehmen abgewandt hat.
Produktgruppen-Alarm. Diese Dialoge beziehen sich auf Ereignisse, die durch eine Veränderung des Kundenwerts (RFM-Score) angezeigt werden. Produktgruppenmanager, Warenmanager, Einkäufer und Produktmanager können so auf Veränderungen innerhalb ihrer Produktgruppen reagieren.
Markenalarm. Mit Hilfe dieser Dialoge können Markenmanager auf Veränderungen im individuellen RFM-Scoring der Kunden innerhalb ihrer Marken reagieren.
4. Dialoge der Stufe III
Auf der Stufe III bekommen die Dialoge ein physisches Element. Aktionen vor Ort werden weit verbreitet sein, sobald Kunden RFID-Karten im Portemonnaie haben oder schicke Einkaufskarten Informationen über ihre persönlichen Daten enthalten. Wenn sie einkaufen, werden die Kunden über ihr Telefon, ihre Minicomputer oder über im gesamten Laden verstreute Bildschirme auf sie persönlich zugeschnittene Botschaften erhalten. Diese Informationen basieren auf denselben Daten, die Dialogmarketinganwendungen nutzen. Jemand, der ein Buch kaufen möchte und die Abteilung mit den Kochbüchern durchquert, würde sehen, dass ihn nur noch 20 Dollar von einer Mitgliedschaft im Premiumclub des Ladens trennen - dessen Mitglieder 25 Prozent Rabatt bekommen. Diese letzte, noch futuristische Dialogkategorie ist deshalb so besonders attraktiv, weil sie über die Frage nach dem "Wann" hinaus auch die Frage nach dem "Wo" beantwortet - in jedem Gang, den der Kunde durchquert. Derzeit müssen sich Marketingleute auf das Timing konzentrieren, wenn sie versuchen, Kunden enger zu binden.
Fazit
Dialogmarketing ist heutzutage technisch machbar und wird immer besser werden. Marketingunternehmen werden mit ihren IT-Abteilungen zusammenarbeiten müssen, um diese Systeme zu entwickeln und zu installieren. Doch wenn sie erst einmal im Einsatz sind, werden die Anforderungen an die IT deutlich zurückgehen, da die Dialoge automatisch ablaufen, ohne zusätzlich notwendige Datenbankabfragen. Schlussendlich werden diese Systeme kostengünstiger sein als Bemühungen, ein ausreichend großes Serviceteam zu beschäftigen, das den komplexen Gegebenheiten und den ständigen Veränderungen von Kundenbeziehungen gerecht wird.
Es ist einfach, eine traditionelle Marketingstrategie in ein Dialogmarketingprogramm umzuwandeln: Finden Sie heraus, welche Kommunikationsformen Sie bisher nur gelegentlich einsetzen. Überlegen Sie, welche Ereignisse diese Arbeitsweise auslösen, um sie zu verbessern. Integrieren Sie in jede Nachricht eine Frage oder eine Aufforderung zum Handeln, und bereiten Sie unterschiedliche Möglichkeiten vor, auf die Antworten zu reagieren. Erstellen Sie schließlich eine Reihe von zunehmend dringenden Handlungsaufforderungen, die sie einsetzen, wenn auf eine Nachricht nicht geantwortet wird.
Unternehmen, die ihre Kunden häufig mit belanglosen Botschaften bombardieren, schwächen ihre Marke. Kunden wollen guten Service und durchgängig gute Erfahrungen auf allen Kommunikationswegen. Aus diesem Grund gehen wir davon aus, dass viele Elemente des Dialogmarketings in fünf Jahren allgegenwärtig sein werden. Unternehmen, die das Dialogmodell frühzeitig einsetzen, werden die Werbestimme sein, die der Kunde wahrnimmt und auf die er auch hört. n
Unternehmen, die ihre Kunden häufig mit belanglosen Botschaften bombardieren, schwächen ihre Marke. Denn gelangweilte oder gar verärgerte Kunden werden zur Konkurrenz wechseln. Die Autoren gehen davon aus, dass mit Hilfe des Dialogmarketings viele Probleme der konventionellen Marketingstrategie gelöst werden können.
Der Indikator: Datenbanken registrieren kontinuierlich, was, wann und wie viel Kunden kaufen. Bucht ein Vielflieger zum Beispiel keine Flüge mehr oder ist bei einem verkauften Produkt das voraussichtliche Ende der Lebensdauer erreicht, ist der Zeitpunkt gekommen, maßgeschneiderte Dialoge mit dem Kunden zu beginnen.
Das Schema: Die Dialoge bestehen aus einer Kombination von zuvor definierten Anschreiben, Anrufen oder anderen Kommunikationsmethoden. Für jede mögliche Kundenreaktion gibt es adäquate Antworten. Diese werden einmal entwickelt, dann übernimmt das Dialogmarketingsystem die Initiative. Es verschickt Informationen an Mitarbeiter, fordert Callcenter-Kollegen zur Kontaktaufnahme mit Kunden auf und verschickt Dankes-Mails, Einladungen oder Kaufempfehlungen an Kunden - immer angepasst an deren Reaktionen.
Werbe-Smalltalk mit dem Kunden
Das Ablaufdiagramm zeigt ein Dialogschema, das zu einem typischen Kundenverhalten passt. Ein Kunde sucht ein Produkt - in diesem Fall ein Buch eines bestimmten Autors. Je nach Situation erzeugt das Dialogmarketingsystem entsprechende Kommunikationsvorgaben.
Aus Einladungen Dialoge machen
Jeden Tag erhalten zig Millionen Verbraucher E-Mails oder Postkarten mit Werbung für einen Do-it-yourself-Workshop im Baumarkt oder für Preisnachlässe auf Gourmetlebensmittel eines Onlinehändlers. Diese Mitteilungen basieren auf demografischen Daten und der Kaufgeschichte der Kunden. Nur verpuffen sie meist ohne Reaktion.
Es sind folglich keine Dialoge.
Eine einfache Mitteilung kann jedoch Kernstück eines Dialogs werden, wenn die Beziehung durch erwünschte Zusatzinformationen weiterentwickelt wird. Darüber hinaus müssen dem Kunden verschiedene Wege und Gründe für eine Antwort geboten werden, und es müssen neue Informationen folgen. Ein Beispiel: Ein Designer verschickt eine Einladung zu einer Modenschau per E-Mail. Die Adressdaten werden ermittelt auf Grund früherer Käufe und anderer Hinweise, die darauf schließen lassen, dass der Kunde sich für diesen Designer interessiert. Die Einladung enthält die Einzelheiten der Veranstaltung und eventuell Fotos der Designerstücke, die vorgeführt werden.
Vorbereiten. Um aus dieser E-Mail einen Dialog zu machen, müsste der Händler eine Aufforderung mit verschiedenen Optionen einfügen. Diese Optionen können sein:
a. Ich werde teilnehmen.
b. Ich werde teilnehmen und bitte Sie, einige Stücke in meiner Größe zur Anprobe bereitzuhalten. (Das Dialogsystem ist kundenbewusst und kennt die Kleidergröße des Kunden.)
c. Ich werde nicht teilnehmen, aber ich bin an einem Termin interessiert, um mich über folgende Ware zu informieren. (Dieser Option kann ein Link auf die Internetseite des Händlers folgen, die das gesamte Sortiment zeigt, aus dem der Kunde wählen kann.)
d. Ich kann nicht teilnehmen, weil ich verhindert bin.
e. Danke, ich habe an diesem Designer kein Interesse.
Handeln. Das System würde sich an der Auswahl, die der Kunde unter diesen Optionen getroffen hat, orientieren und eine entsprechende Antwort verschicken. Kunden, die (a) oder (b) gewählt hätten, erhielten eine Reservierungsbestätigung und weitere Informationen zum Ablauf. Darüber hinaus würde ein paar Tage vor der Veranstaltung eine Erinnerung an sie verschickt. Kunden, die (c) gewählt hätten, erhielten eine Anfrage, welche Termine ihnen passen würden. Kunden, die (d) gewählt hätten, würden eine Anfrage erhalten, ob sie ihre Wünsche neu angeben möchten (Größe oder Stil) und ob sie zu zukünftigen Veranstaltungen eingeladen werden möchten. Kunden, die (d) gewählt hätten, würden im Zuge eines Rückgewinnungsdialogs angesprochen. Oder der Händler ginge einfach davon aus, dass diese Kunden nicht richtig eingeschätzt worden sind und würde die Datenbank entsprechend überarbeiten.
Lernen. Zu einem Benachrichtigungsdialog gehört auch ein Ablaufdatum: Wenn der Kunde bis zu diesem Zeitpunkt nicht geantwortet hat, erhält er eine Folgebenachrichtigung. In diesem Beispiel könnte ein besonders wertvoller Kunde, der bereits mehrere Modenschauen des Designers besucht hat, einen Anruf von einem Vertriebsmitarbeiter erhalten. Das Dialogmarketingsystem würde einen Mitarbeiter benachrichtigen und ihn mit den entsprechenden Informationen versorgen.
Unabhängig davon, ob Kunden auf diese Benachrichtigungsdialoge antworten oder nicht, der Händler lernt aus ihnen. Kunden, die (b) wählen, zeigen größeres Interesse als die, die (a) wählen. Wenn viele Kunden (c) wählen, sollte der Händler möglicherweise eine zweite Veranstaltung planen. Und natürlich fließen all diese Daten wieder in das System ein, um zukünftige Dialoge zu bereichern, wenn die Dialogkette weitergeführt wird.
Service
Literatur
Loveman, G.: Diamonds in the Data Mine, in: Harvard Business Review Nr. 5, Mai 2003, Seite 109 - 112
HBm Online
Ledingham, D; Rigby, D. K.: CRM-Systeme profitabel einsetzen, in: Harvard Businessmanager, Mai 2005, Seite 38 - 57, Produktnummer 200505038.
Reichheld, F. F.: Mundpropaganda als Maßstab für den Erfolg, in: Harvard Businessmanager, März 2004, Seite 22 - 35, Produktnummer 200403022. (zu beziehen über: www.harvardbusinessmanager.de)
Kontakt
kkalyanam@scu.edu
zweben@bluemartini.com
KIRTHI KALYANAM
ist J.-C.-Penney-Research-Professor und Direktor des Bereichs Internethandel am Handelsmanagement-Institut an der Santa Clara University in Kalifornien.
MONTE ZWEBEN
ist Gründer, Chairman und CEO des Softwareunternehmens Blue Martini mit Sitz in San Mateo, Kalifornien.
© 2005 Harvard Business School Publishing