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Gesine Braun

Editorial Pause im System

Immerzu möglichst busy zu sein gilt als Statussymbol. Dabei machen zu volle Terminkalender nicht nur krank – sie sind auch wenig effektiv. Darum müssen Chefs und Chefinnen umdenken – und am besten selbst vorleben, dass es auch ohne Dauereinsatz geht.
aus Harvard Business manager 6/2023

Als ich anfing, Rennrad zu fahren, wusste ich noch nicht, wie sehr man in der norddeutschen Tiefebene den Wind verfluchen kann. Er macht den Unterschied. Steht er gut, gleitet man wie schwerelos durch die Welt. Erwischt er einen von vorn oder von der Seite, zählt man jeden Kilometer. Besonders gnadenlos wird es, wenn die Windräder stillstehen. Dann bläst nämlich so viel Wind, dass sich die Anlagen auch Sicherheitsgründen automatisch abschalten und ihre Rotoren so ausrichten, dass sie dem Wind möglichst wenig Angriffsfläche bieten.

Daran musste ich denken, als ich das spannende Stück von Adam Waytz  gelesen habe, das wir in dieser Ausgabe zur Titelgeschichte  erkoren haben. Der Buchautor und Managementprofessor von der Kellogg School of Management der Northwestern University erzählt in "Mehr Sein als Schein" von einem Zuwanderer, der in die USA zieht und sich wundert, dass es in seiner neuen Heimat offenbar zum guten Ton gehört, beim Kennenlernen hervorzuheben, wie wahnsinnig beschäftigt man sei.

Wann haben Sie das letzte Mal bei einer Begegnung über Ihre nicht enden wollende To-do-Liste geschimpft? Immer mehr Menschen in der Arbeitswelt klagen über eine Verdichtung ihrer Aufgaben. Die Digitalisierung hat viele Prozesse enorm verbessert, doch ihre disruptive Kraft führt auch dazu, dass die Belastung in vielen Branchen und Berufsfeldern wächst.

Das hinterlässt tiefe Spuren, wie die Zahlen einer aktuellen Erhebung der US-Arbeitsorganisation Future Forum  zeigen: 37 Prozent aller Deutschen fühlen sich durch ihren Job ausgebrannt. Weil aber chronisch erschöpfte Arbeitnehmende nicht nur sich selbst, sondern auch den Unternehmen schaden, plädiert Waytz für eine neue Kultur der Arbeit. Er fordert mehr Puffer in Prozessen, Zeit für konzentriertes Arbeiten und vor allem Führungskräfte, die wissen und vorleben, dass eine E-Mail nach Feierabend nur in den seltensten Fällen die Störung wert ist. Denn sonst ist irgendwann der Druck – wie bei den Windrädern im Sturm – so hoch, dass die Arbeit eingestellt wird.

Viel Freude bei der Lektüre und mehr Luft zum Innehalten wünscht:

Gesine Braun
Stellvertretende Chefredakteurin des Harvard Business managers

Ausgabe Juni 2023

Busy is the new stupid

Warum wir eine neue Kultur der Arbeit brauchen

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