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Wer schon strategisch paktieren muß, sollte wenigstens die Spielregeln solcher Allianzen beherrschen Mit Marktrivalen zusammenarbeiten und dabei gewinnen

Immer häufiger gehen selbst scharfe Konkurrenten gemeinsame Wege. General Motors und Toyota bauen miteinander Autos, Thomson und JVC Videorekorder. Siemens und Philips entwickeln zusammen Halbleiter, Canon liefert Photokopierer an Kodak. Aber die wachsende Zahl der Fälle weckt auch Befürchtungen, ob diese Formen von "konkurrierender Zusammenarbeit "auf Dauer nicht nur der einen Seite zum Nutzen gereichen. Geben westliche Unternehmen in ihren Allianzen mit fernöstlichen Partnern mehr, als sie bekommen, und verlieren sie darüber am Ende sogar globale Wettbewerbsfähigkeit? Offenbar lassen sich manche Europäer und Amerikaner auf strategische Partnerschaften ein, ohne genau zu wissen, wie diese geführt werden müssen. Dabei steht außer Frage: Nicht nur die Rivalen aus Asien können von den Kooperationen mit der Konkurrenz profitieren. Die westlichen Partner müssen allerdings für den Erfolg einige einfache Regeln beherzigen.
aus Harvard Business manager 3/1989

GARY HAMEL ist Dozent für Unternehmensführung an der London Business School. YVES L. DOZ arbeitet als Professor für Unternehmensstrategie bei INSEAD, Fontainebleau. C. K. PRAHALAD, ebenfalls Professor für Unternehmensstrategie (Schwerpunkt Internationale Wirtschaftsbeziehungen), arbeitet an der Universität Michigan; zusammen mit Doz veröffentlichte er 1987 das Buch" The Multinational Mission" (Free Press).

Bündnisse mit Konkurrenten einzugehen ist in Mode gekommen; nicht zuletzt bietet diese Form der Zusammenarbeit Newcomern die Möglichkeit eines kostengünstigen Technologie- und Markteinstiegs. Doch der Umfang solch "konkurrierenden Zusammenwirkens" - in Form von Joint Ventures, Zulieferungsabkommen, Lizenzvergaben, gemeinsamen Forschungsprojekten - schafft auch ernstliche Probleme. Denn eine strategische Allianz kann beide Unternehmen gegen Dritte stärken, gleichzeitig aber den einen Partner zugunsten des anderen schwächen. Besonders Kooperationen zwischen asiatischen und westlichen Unternehmen sind in den Geruch gekommen, daß im Schnitt der westliche Partner die Verliererrolle erhält. Aber die Zeichen der Zeit stehen nun einmal auf Zusammenarbeit. Das Entwickeln neuer Produkte und das Durchdringen neuer Märkte erfordern so viel an Kapital, wie es nur wenige Unternehmen, auf sich allein gestellt, aufbringen können. ICL, die britische Computerfirma, hätte ihre derzeitige Mainframe-Generation nicht ohne Fujitsu entwickeln können. Motorola benötigt Toshibas Vertriebskapazität, um den Durchbruch auf dem japanischen Halbleitermarkt zu schaffen. Zeit ist ein weiterer entscheidender Faktor. Zusammenschlüsse können westlichen Unternehmen also helfen, beim Wettlauf um verbesserte Produktionseffizienz und Qualitätskontrolle den Weg abzukürzen. Wir haben mehr als fünf Jahre lang das Binnengeschehen in 15 strategischen Allianzen näher verfolgt und das Abschneiden anderer beobachtet. Unsere Untersuchungen (siehe Kasten Seite 88) galten Gemeinschaftsgründungen von Unternehmen aus den Vereinigten Staaten und Japan, Europa und Japan und den USA und Europa. Den Erfolg oder Mißerfolg jeder Partnerschaft beurteilten wir nicht nach ihrer Lebensdauer - ein häufig zu unrecht benutzter Bewertungsmaßstab -, sondern danach, inwieweit sich die Wettbewerbsfähigkeit auf beiden Seiten veränderte, wie

Unternehmen die Zusammenarbeit mit Rivalen nutzen, um ihre internen Fähigkeiten und Technologien zu verbessern, während sie sich zugleich gegen die Weitergabe von Wettbewerbsvorteilen an begierige Partner schützen. Keinerlei unabänderliches Gesetz besagt, daß strategische Allianzen immer ein Glückstreffer für die japanischen oder koreanischen Partner sein müssen. Doch viele westliche Unternehmen bringen mehr ein als sie empfangen, und das nur deshalb, weil sie sich auf Partnerschaften einlassen, ohne recht zu wissen, wie man sie mit Gewinn nutzt. Dabei existieren eine Reihe einfacher, aber erfolgverheißender Regeln: * Zusammenarbeit ist Wettbewerb in anderer Gestalt. Erfolgreiche Unternehmen verlieren nie die Möglichkeit aus dem Blick, daß ihre neuen Partner darauf aus sein könnten, sie völlig auszuschalten. Sie gehen daher mit klaren strategischen Zielen in solche Bündnisse, und sie achten darauf, wie die Ziele ihrer Partner das eigene Vorankommen beeinflussen. * Harmonie ist nicht der wichtigste Erfolgsmaßstab. Tatsächlich können gelegentliche Konflikte der beste Beweis für eine wechselseitig fruchtbare Zusammenarbeit sein. Nur selten werden Bündnisse jedenfalls Gewinnspiele für beide Partner. Einer von ihnen mag ganz zufrieden sein, obwohl er unmerklich Schlüsselfertigkeiten abgibt. * Zusammenarbeit hat ihre Grenzen. Besonders gegen Einbußen an Wettbewerbsfähigkeit müssen sich die Unternehmen wehren. Eine strategische Allianz stellt einen sich ständig wandelnden Pakt dar, dessen faktische Folgen über den rechtlich vereinbarten Rahmen oder die Absichten der Unternehmensleitungen hinausgehen. Was an Information weitergegeben wird, wird täglich neu bestimmt, häufig abhängig davon, welche Techniker oder Linienmanager beteiligt sind. Erfolgreiche Unternehmen lassen die Mitarbeiter auf allen Ebenen wissen, welche Kenntnisse und Technologien den Partner nichts angehen und verfolgen genau, was der Partner wünscht und was er erhält. * Lernen von den Partnern ist oberstes Gebot. Erfolgreiche Unternehmen sehen jedes Bündnis als ein Fenster, durch das sie Einblicke in das Leistungsvermögen ihrer Partner bekommen. Sie nutzen die Bündnisse, um Kenntnisse auf Bereichen zu gewinnen, die außerhalb der formalen Absprachen liegen, und sie verbreiten das neue Wissen systematisch quer durch ihre Organisationen.

Warum mit Konkurrenten
zusammenarbeiten?

Die Allianz mit einem Mitbewerber zu benutzen, um neue Technologien oder Fertigkeiten zu erwerben, ist nicht abwegig. Das Vorgehen steht für die Entschlossenheit und Qualifikation beider Partner, Fertigkeiten des anderen zu übernehmen. Wir konnten feststellen, daß in allen Fällen, in denen ein japanisches Unternehmen aus einem Bündnis mit dem westlichen Partner gestärkt hervorging, die Japaner mit dem größeren Willen zum Lernen angetreten waren. Strategische Intention beeinflußt die Lernbereitschaft erheblich. So verrät die Neigung asiatischer Unternehmen, in Partnerschaften einzutreten, zwar einen Wandel in ihrer Wettbewerbstaktik, nicht aber in ihren Wettbewerbszielen. NEC beispielsweise benutzte eine Reihe von Gemeinschaftsgründungen, um seine Kompetenz bei Technologie und Produktgestaltung zu vergrößern. Weltweit ist NEC das einzige Unternehmen mit einer führenden Stellung bei Telekommunikation, Rechnern und Halbleitern - obwohl es (prozentual zum Umsatz gerechnet) weniger in F + E steckt als Konkurrenten wie Texas Instruments, Northern Telecom und L. M. Ericsson. Seine Partnerschaften, insbesondere mit Honeywell, ermöglichten es NEC, die eigene F + E in den vergangenen zwei Jahrzehnten jeweils gezielt als Hebel einzusetzen. Westliche Unternehmen hingegen treten häufig in Bündnisse ein, um Investitionen, Kosten oder Markteintrittsrisiken zu vermeiden, weniger aus dem Grund, neue Fertigkeiten zu erwerben. Ein hochgestellter US- Manager gab uns diese Kurzanalyse des Zusammengehens seiner Firma mit einem japanischen Rivalen: "Wir ergänzen uns sehr gut - unsere Stärke im Vertrieb und ihr Fertigungsgeschick. Ich sehe keinen Grund, warum wir uns auf der Vorstufe engagieren sollten, wo wir doch eine sichere Bezugsquelle für das Produkt haben. So ist das aus unserer Sicht eine angenehme Geschäftsbeziehung." Ein Leitender der japanischen Partnerfirma sah die Sache aus einem anderen Blickwinkel: "Wenn eine Zusammenarbeit unumgänglich ist, dann gehe ich zu meinen Mitarbeitern und sage: 'Das ist schlecht, ich wünschte, wir würden selber über die nötigen Fähigkeiten verfügen. Zusammenarbeit ist nur die zweitbeste Lösung. Aber ich werde mich noch schlechter fühlen, wenn wir nach vier Jahren nicht selbst machen könnten, was unser Partner schon jetzt kann.' Wir müssen einfach sein Können in uns aufnehmen." Das Problem besteht in diesem Fall nicht darin, daß das US-Unternehmen das Investitionsrisiko geteilt sehen möchte, das wollen die Japaner ebenfalls; problematisch ist, daß das US-Unternehmen bestrebt ist, darüber nicht hinauszugehen. Wo es um die Lernbereitschaft so einseitig bestellt ist, da führt eine Zusammenarbeit unweigerlich zu nachlassender Wettbewerbsfähigkeit. Viele der sogenannten strategischen Alliancen zwischen westlichen Unternehmen und ihren fernöstlichen Rivalen sind nicht mehr als ausgefeilte Abkommen über Produktionsverlagerungen (siehe Kasten "Der Wettbewerb um Kompetenz", Seite 90). General Motors kauft Fahrzeuge und Teile von Daewoo aus Korea; Siemens kauft Computer von Fujitsu; Apple kauft Laserdrucker von Canon. Es ist fast immer eine Einbahnstraße. Diese Abreden über Fabriklieferungen eröffnen den fernöstlichen Partnern einen Weg, die Initiative zum Investieren den westlichen Konkurrenten abzunehmen und die nun als Abnehmer auftretenden Konkurrenten von den Wertschöpfungsaktivitäten zu verdrängen. In vielen Fällen verstrickt sich dieses Ziel mit dem der westlichen Partner, die schnell Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen möchten, unter minimalem Einsatz. Nehmen wir das Joint Venture zwischen Rover und Honda. Vor mehr als 25 Jahren waren die Vorgängermodelle der Briten führend im Kleinwagenbau. Honda hatte sich noch gar nicht einmal mit Automobilen befaßt. Nachdem Rover aber der Sprung auf ausländische Märkte mißlang, wandte es sich Mitte der 70er Jahre an Honda um Unterstützung bei Technik und Produktentwicklung. Rover nutzte dieses Bündnis, um eigene Investitionen für den Entwurf und den Bau neuer Automobile zu vermeiden. Honda indes verfeinerte seine Könnerschaft in europäischem Styling und Marketingtechniken sowie einer multinationalen Fertigung. Es gibt wenig Zweifel, wer aus dieser Allianz auf Dauer als der Stärkere hervorgehen wird. Von Sorgen geplagte, fußkranke Unternehmen wie Rover gehen häufig Bündnisse mit aufstrebenden Spätzündern wie Honda ein. Wankt ein Unternehmen erst einmal bei einer seiner bisher zentralen Stärken (im Rover-Fall der Herstellung von Kleinwagen), dann versucht es in der Vergangenheit begangene Fehler wettzumachen. Der Nachzügler jedoch nutzt das Bündnis, um eine spezifische Lücke in seinem eigenen Können zu schließen (in diesem Fall lernt Honda, Autos für einen Regionalmarkt zu bauen) und drängt den Partner, der bereits kurzfristig Vorteile einzuheimsen hofft, rasch in eine Spirale wachsender Abhängigkeit. Und indem das vertrödelte Unternehmen weniger und weniger eigenständige Kenntnisse einbringen kann, muß es mehr und mehr seine internen Betriebsabläufe offenlegen, um das Interesse des Partners wachzuhalten. Für den schwächeren Partner verändert sich die Fragestellung fortlaufend: zunächst ein "Sollten wir zusammenarbeiten mit jemand anders?", dann ein "Mit wem sollten wir zusammenarbeiten?" und schließlich hin zu einem "Wie erhalten wir uns das Interesse unseres Partners an einer Zusammenarbeit, nachdem wir Stück um Stück jene Vorteile einbüßten, um derentwegen wir ursprünglich für ihn attraktiv waren?" Zweifellos einigermaßen paradox: Falls beide Partner zugleich darauf aus sind, sich die Fertigkeiten des anderen anzueignen, können Mißtrauen und Konflikte die Partnerschaft erschüttern und ihr faktisches Fortbestehen gefährden. Aus diesem Grund gab es bislang nur wenige Arbeitsgemeinschaften zwischen japanischen und koreanischen Unternehmen - und die verliefen jedesmal stürmisch, denn keine Seite mochte "den Kimono aufschlagen". Am reibungslosesten scheinen Allianzen dann zu funktionieren, wenn ein Partner interessiert ist zu lernen und der andere nicht - im Kern also, wenn ein Partner einverstanden ist, zunehmend vom anderen abhängig zu werden. Aber Reibungslosigkeit sollte nicht den Ausschlag geben; vielmehr sollte einem Unternehmen daran gelegen sein, wettbewerbsfähiger aus einem Bündnis hervorzugehen, als es hineinging. Nicht immer braucht ein Partner mehr aufzugeben, als er dazugewinnt, um den Fortbestand einer Allianz zu gewährleisten. Es gibt bestimmte Bedingungen, unter denen ein Vorteil zugunsten beider Seiten herauskommen kann, zumindest für eine Weile: * Die strategischen Ziele der Partner passen zusammen, während ihre Wettbewerbsziele auseinanderliegen. Das ist der Fall, wenn jeder Partner dem anderen anhaltenden Erfolg in einem geteilten Geschäft zugesteht. Philips und Du Pont kooperieren bei der Entwicklung und Produktion von Compact Discs, aber jede Seite respektiert den Markt des anderen. Die Gemeinschaftsanstrengungen sind eindeutig in zwei Fertigungsstufen aufgespalten. * Die Größe und die Marktstärke beider Partner sind im Vergleich mit den Branchen führern bescheiden. Das zwingt beide Seiten anzuerkennen, daß die wechselseitige Abhängigkeit noch auf Jahre andauern wird. Langfristige Zusammenarbeit kann für beide Partner so entscheidend sein, daß keiner von ihnen riskieren wird, den anderen durch ein offensichtliches Konkurrenzangebot

herauszufordern, sei es mit Hilfe neuerworbenener Fähigkeiten oder Sachkenntnisse. Fujitsu, das gegenüber IBM im Verhältnis 1:5 benachteiligt ist, wird lange Zeit brauchen, um sich - wenn überhaupt - von seinen ausländischen Partnern trennen und allein marschieren zu können. * Jeder Partner glaubt, er könne vom anderen lernen und gleichzeitig den Zugriff auf die eigenen Fähigkeiten begrenzen. JVC und Thomson, die beide Videorecorder herstellen, wissen, daß sie mit Fähigkeiten handeln. Die beiden Unternehmen haben aber ganz unterschiedliche Prioritäten. Thomson benötigt mehr an Produkttechnologie und Fertigungskönnen; JVC muß lernen, wie man sich auf dem aufgesplitterten europäischen Markt erfolgreich betätigt. Jede Seite glaubt daran, eine gleiche Chance zu haben, bei der Partnerschaft zu gewinnen.

Wie lassen sich
Schutzvorkehrungen treffen?

Zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit muß jeder Partner irgend etwas Eigenständiges einbringen: Grundlagenforschung, Erfahrung in der Produktentwicklung, Produktionskapazität oder Vertriebswege. Die Herausforderung besteht darin, sich in genügend Kenntnisse zu teilen, um gegenüber Unternehmen außerhalb des Bündnisses einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, während gleichzeitig verhütet wird, daß der eine Partner die Kernfähigkeiten des anderen in Bausch und Bogen erhält. Ein Bewegen auf sehr dünnem Eis, denn die Unternehmen müssen sorgfältig auswählen, welche Fähigkeiten und Technologien sie an ihren Partner weiterreichen. Sie müssen Sicherheitsschranken errichten gegen den unbeabsichtigten, formlosen Informationstransfer. Ziel ist es, der Durchsichtigkeit der eigenen Betriebsabläufe Grenzen zu setzen. Die Art des Könnens, das ein Unternehmen einbringt, ist wichtig bei der Frage, wie leicht der Partner sich dieses Können aneignen kann. Die Gefahr ungewollter Übertragung ist dann am größten, wenn der spezifische Beitrag eines Partners leicht befördert (in Form von Konstruktionszeichnungen, Magnetbändern oder Köpfen einiger weniger technischer Experten), leicht erklärt (reduzierbar auf verständliche Formeln oder Symbole) sowie einfach aufgenommen werden kann (sofern nämlich Geschick oder Kompetenz von keiner bestimmten Kultur abhängen). Aus der Tatsache, daß ihre Kenntnisse im allgemeinen leichter übertragbar sind, erwächst westlichen Unternehmen ein inhärenter Nachteil. Auf viele von ihnen wirkt die Fertigungsleistung asiatischer Konkurrenten wie ein Magnet - doch ist das auch eine Art von Kompetenz, die sich weniger übertragen läßt als das meiste andere. Just-in-time-Lagerhaltung und Quality Circles können imitiert werden, aber das ist so, als würde man aus einem Orientteppich einige Fäden herausziehen. Exzellente Fertigung folgt aus einem komplexen Gewebe von Mitarbeiterschulung, Integration von Zulieferern, statistischer Prozeßkontrolle, Engagement der Mitarbeiter, hochklassiger Ingenieursleistung und fertigungsgerechter Konstruktion. Einem so subtil gewirkten Kompetenzteppich kommt man höchstens stückweise näher. Hinsichtlich Technologie und Kompetenz gibt es einen schwerwiegenden Unterschied. Eine einzelne Technik, wie beispielsweise die Konstruktion eines Halbleiterchips, läßt sich leichter übertragen als eine bestimmte Verfahrenskompetenz, die häufig eng mit dem sozialen Geflecht des Unternehmens verwoben ist. Fernöstliche Unternehmen lernen oft mehr von ihren westlichen Partnern als diese umgekehrt von ihnen, weil sie nur schwer aus dem ganzen herauslösbare Stärken einbringen, wohingegen die westlichen Partner leicht kopierbare Technologie beisteuern. Die westlichen Unternehmen müssen daher Maßnahmen ergreifen, um die Transparenz zu begrenzen. Eine Vorgehensweise wäre, das Ausmaß der förmlichen Absprache einzuschränken. So sollte es etwa nur um eine einzige Technik gehen anstelle eines ganzen Fächers von Technologien, einen Teil der Produktgruppe anstelle der Gruppe insgesamt, das Vertriebsrecht nur bei einer bestimmten Zahl von Märkten für eine begrenzte Zeit gelten. Zielsetzung sollte sein, die Lernmöglichkeiten eines Partners genau festzuschreiben. Außerdem sollten die Vereinbarungen spezifische Leistungsanforderungen begründen. Motorola geht beispielsweise beim Technologietransfer in seinem Gemeinschaftsprojekt mit Toshiba nach schrittweisen, anreizorientierten Verfahren vor. Die Vereinbarung verlangt von Motorola, daß es seine Mikroprozessor- Technologie in dem Maß stufenweise freigibt, wie Toshiba sein Versprechen einlöst, Motorolas Marktanteile auf dem japanischen Halbleitermarkt zu steigern - je größer Motorolas Marktanteil, desto mehr Zugang zu Motorolas Technologie für Toshiba. Vieles, was an Kenntnissen zwischen den Unternehmen hin- und herwandert, ist nicht abgedeckt durch formale Regelungen des Bündnisvertrages. Die Unternehmensleitungen schließen strategische Allianzen und legen dabei die rechtlichen Parameter des Austausches fest. Was aber wirklich weitergegeben wird, entscheidet sich im alltäglichen Wechselspiel zwischen den Technikern, Marketingspezialisten und Produktentwicklern: Wer sagt was zu wem, wer erhält Zugang zu den Anlagen, und wer sitzt in welchen gemeinsamen Ausschüssen? Die wichtigsten Abreden ("Ich lasse Dich an meinen Informationen teilhaben, wenn Du mir das für Deine gewährst") werden womöglich vier bis fünf Organisationsebenen unterhalb jener Ebene getroffen, auf der Allianz abgezeichnet wurde. Hierin lauert die größte Gefahr einer unbeabsichtigten Weitergabe von Schlüsselkenntnissen. Nehmen wir den Fall eines Bündnisses zwischen einem europäischen und einem japanischen Konkurrenten zwecks Technologieaustausch. Die Europäer sahen in dieser Partnerschaft einen Weg zum Erwerb einer ganz bestimmten Technologie. Das japanische Unternehmen betrachtete sie als Chance, Einblick in das gesamte Kompetenzspektrum des Partners zu bekommen. Also nahmen die Japaner enge Tuchfühlung zu vielen Leuten aus den Bereichen Marketing und Produktentwicklung auf und nutzten jeden Kontakt, um soviel an Informationen zu gewinnen wie möglich. Jedes Mal, wenn das europäische Unternehmen eine neue Spezifikation für das von seinem fernöstlichen Partner gelieferte Produkt wünschte, bat dieses um die detaillierten Kunden- und Konkurrenzanalysen, die dieses Verlangen rechtfertigten. Im Laufe der Zeit gewannen die Japaner daraus ein abgerundetes Bild des europäischen Marktes, das ihre eigene Markteroberungsstrategie stützen mußte. Die Technologie, die der europäische Partner durch die formale Vereinbarung erwarb, besaß einen Lebenszyklus von drei bis fünf Jahren. Die Wettbewerbserkenntnisse, die sich das japanische Unternehmen auf informelle Weise aneignete, werden ihm wahrscheinlich weit länger von Nutzen sein. Um unbeabsichtigten Informationsabflüssen auf der operativen Ebene zu steuern, muß große Sorgfalt auf die Auswahl der Wächter verwandt werden, jene Mitarbeiter also, die kontrollieren, welche Informationen an den Partner weitergehen. Ein solcher Wächter kann nur erfolgreich sein, wenn die Anzahl der Tore, durch die der Partner Zugang zu Mitarbeitern und Anlagen bekommt, sehr begrenzt bleibt. Die vielen Partner von Fujitsu haben alle mit einem einzigem Büro zu tun, der "Abteilung für Zusammenarbeit"; nur dort können sie Informationen oder Hilfe von den verschiedenen Unternehmensbereichen anfordern. Auf diese Weise kann Fujitsu den Zugang zu entscheidenden Kenntnissen und Technologien überwachen und unter Kontrolle halten. Wir untersuchten auch die Partnerschaft zwischen einem europäischen und einem amerikanischen Konkurrenten, an der mehrere Unternehmensbereiche beider Seiten beteiligt waren. Während dem US-Unternehmen nur ein einziger Zugang zu seinem Partner offenstand, fand der Partner ungehindert Zugang zu allen beteiligten Bereichen. Das europäische Unternehmen wußte diese Großzügigkeit zu nutzen. Weigerte sich ein Unternehmensbereich, eine bestimmte Information herauszurücken, wandte man sich mit der gleichen Bitte an den nächsten. Kein einzelner Manager des US-Unternehmens konnte uns sagen, wieviel an Information weitergegeben worden war, oder sah sich in der Lage, die Wege nachzuzeichnen, auf denen das gelaufen war. Kollegialität ist eine Grundvoraussetzung für erfolgreiche Zusammenarbeit. Zuviel Kollegialität jedoch sollte bei den Spitzenmanagern die Alarmglocken klingeln lassen. Unternehmenschefs wie Bereichsleiter sollten mit gelegentlichen Beschwerden ihrer Kollegen vom Partnerunternehmen rechnen, die sich über die mangelnde Bereitschaft der nachgeordneten Mitarbeiter beklagen, Informationen freizugeben. Das ist ein Zeichen dafür, daß die Wächter ihre Aufgabe richtig versehen. Die Unternehmensführung sollte auch regelmäßig mit der Belegschaft erörtern, welche Informationen verlangt und gegeben werden. Unbeabsichtigte Wissenstransfers klein zu halten ist letztlich eine Frage der Loyalität und der Selbstdisziplin der Mitarbeiter. Dies kam als entscheidender Punkt bei vielen der von uns untersuchten westlichen Unternehmen heraus. Begeistert und stolz auf ihre technischen Leistungen, gaben die Techniker manchmal Informationen preis, die für die Unternehmensführung als sensibel galten. Japanische Ingenieure neigten weit weniger dazu, ihre Kenntnisse mitzuteilen. Es gibt zahlreiche kulturelle und berufliche Gründe für diese relative Offenheit westlicher Techniker. Ingenieure und Wissenschaftler in Japan fühlen sich mehr ihrem Unternehmen als ihrem Beruf verpflichtet. An den Universitäten fanden sie wenig Gelegenheit, sich in die übliche Forschungsmentalität des Gebens und Nehmens zu gewöhnen, denn einen Großteil ihrer Ausbildung empfingen sie von ihren Arbeitgebern. Sie verstehen sich eher als Mitglieder eines Teams denn als Erbringer individueller wissenschaftlicher Leistungen. Ein japanischer Manager drückte das so aus: "Wir empfinden keinerlei Bedürfnis zu zeigen, was wir wissen. Denn Wissen ist keine Frage des persönlichen Stolzes für uns. Wir sind zufrieden, dabeizusitzen und zuzuhören. Mit einiger Geduld lernen wir meist alles, was wir wissen möchten." Um den unbeabsichtigten Informationsfluß zu kontrollieren, muß unter Umständen nicht nur der Zugang zu den Anlagen, sondern auch zu bestimmten Mitarbeitern eingeschränkt werden. Die Unternehmen sollten sensible Versuchslabore und Werksanlagen zu Sperr zonen erklären. Noch besser wäre es, das Gemeinschaftsunternehmen unter getrenntem Dach unterzubringen. IBM baut gerade eine spezielle Fabrik in Japan, wo Fujitsu seine künftige Mainframe-Software überprüfen kann, bevor es über Lizenzen entscheidet. IBM hat auf diese Weise genaue Kontrolle darüber, was Fujitsu zu sehen bekommt und welche Informationen das Werk verlassen. Welches Land dem Bündnis als "Heimat" dient, kann sich letztlich auch auf die Transparenz auswirken. Wenn das gemeinschaftliche Team nahe dem Hauptsitz eines der Partner angesiedelt ist, wird der andere größere Lernchancen haben - aber weniger Einfluß darauf, welche Informationen ausgetauscht werden. Wenn der eine Partner die Ingenieure und die Betriebsmanager unterbringt, versorgt und sich um ihre Bedürfnisse kümmert, besteht die Gefahr, daß sie "zu heimisch werden". Im Ausland stationiertes Personal muß deshalb häufig aus der eigenen Firmenzentrale Besuch und regelmäßig Heimaturlaub bekommen.

Die Lernbereitschaft entwickeln

Ob eine Zusammenarbeit zum Verlust oder zu einer Revitalisierung der Wettbewerbsfähigkeit führt, hängt hauptsächlich davon ab, was die Mitarbeiter als Zweck des Bündnisses ansehen. Es ist ganz klar: Um zu lernen, muß man lernen wollen. Westlichen Unternehmen wird sich der volle Nutzen einer konkurrierenden Zusammenarbeit nicht erschließen, solange sie in ihrer Arroganz verharren, Folge jahrzehntelang ungefährdeter Marktvorherrschaft. Kurz gesagt: Westliche Unternehmen müssen lernwilliger werden. Wir befragten eine erfahrene Führungskraft eines japanischen Elektronikkonzerns zu dem Eindruck, daß japanische Unternehmen mehr von ihren ausländischen Partnern lernen als umgekehrt. "Unsere westlichen Partner begegnen uns mit der Haltung von Lehrern", sagte er uns. "Wir sind ganz glücklich damit, weil wir die Einstellung von Lernenden haben." Das Lernen beginnt an der Spitze. Die oberen Führungskräfte sind darauf verpflichtet, sowohl die Fähigkeiten ihrer Unternehmen auszubauen als auch finanzielle Risiken zu vermeiden. Am meisten gelernt aber wird im Falle von Partnerschaften auf den unteren Unternehmensebenen. Das Personal im Betrieb stellt nicht nur die vorderste Verteidigungslinie dar, sondern hat auch wichtige Aufgaben beim Erwerb von Wissen. Es muß umfassend in die Stärken und Schwächen des Partners eingewiesen werden und begreifen, wie sehr die Wettbewerbsposition des eigenen Unternehmens durch die Aneignung besonderer Kenntnisse gestärkt wird. Das ist in fernöstlichen Unternehmen bereits gängige Praxis. Wir begleiteten einen japanischen Entwicklungsingenieur bei seinem Rundgang durch das Unternehmen des Partners. Der Ingenieur machte sich pflichtgetreu Notizen über die Gestaltung der Anlage, die Anzahl der Produktionsschritte, die Fließbandgeschwindigkeit und die Anzahl der Beschäftigten. Er notierte sich all das, obwohl er im eigenen Unternehmen keine Produktionsverantwortung trug und gemeinsame Fertigung nicht zum Bündnis gehörte. Solch ein Engagement aber fördert das Lernen ungemein. Eine Zusammenarbeit bietet nicht immer die Möglichkeit, sich die Fertigkeiten des Partners voll und ganz anzueignen. Doch schon allein der Erwerb der Fähigkeit, die Leistung des Partners besser beurteilen zu können, kann von großem Vorteil sein. Ein neuer Bezugsfaktor kann eine Untersuchung des internen Leistungsniveaus auslösen und eine ganze Reihe wettbewerbswirksamer Innovationen auslösen. Fragen wie: "Warum hat die logische Struktur der Halbleiter von denen weniger Fehler als unsere?" oder "Warum investieren die in diese Technologie und wir nicht?" können Impulse für ein geballtes Aufholprogramm darstellen. Das Herstellen vergleichender Bezüge hat bei den meisten von uns untersuchten japanischen Unternehmen Tradition. Es erfordert ähnliche Fähigkeiten wie die Analyse der Mitbewerber: systematisches Abgleichen der Leistung anhand externer Maßgaben; Lernen, Grobschätzungen einzusetzen, um herauszufinden, wo der Konkurrent (oder Partner) besser, schneller oder billiger ist; Umsetzen dieser Schätzungen in neue interne Maßgaben; Neubemessen der Steigerungsrate der Leistung bei Konkurrenten. Ein großer Vorteil konkurrierender Zusammenarbeit besteht darin, daß aufgrund der größeren Nähe vergleichende Merkmale leichter gewonnen werden können. Manche Analytiker behaupten denn auch, eines der Motive für Toyota, mit GM bei dem reichlich beschriebenen NUMMI-Unternehmen zusammenzuarbeiten, sei gewesen, die Qualität der Fertigungstechnologie von GM zu beurteilen. Die Produktionsleiter GMs bekamen einen guten Einblick bei Toyota, aber das Umgekehrte trifft ebenfalls zu. Möglicherweise kriegt Toyota so heraus, ob der US-Gigant in der Lage ist, die Produktivitätslücke zu Japan zu schließen. Konkurrierende Zusammenarbeit ermöglicht es auch, so nahe an den Rivalen heranzukommen, um voraussagen zu können, wie er sich wohl verhalten wird, wenn das Bündnis zerfällt oder fristgerecht beendet wird. Wie reagiert der Partner auf Preisveränderungen? Wie bewertet und entlohnt er seine Führungskräfte? Wie bereitet er die Einführung neuer Produkte vor? Durch Vertrautwerden mit den Gewohnheiten der Führungskräfte beim anderen kann eine Zusammenarbeit die Erfolgsaussichten für künftige Auseinandersetzungen Kopf-an-Kopf verbessern. Wissen, das von einem konkurrierenden Partner erworben wurde, kann erst dann Nutzen stiften, wenn es die ganze eigene Organisation durchdrungen hat. Mehrere von uns untersuchte Firmen hatten interne Clearingstellen eingerichtet, um Informationen zu sammeln und auszuwerten. Der für die Zusammenarbeit zuständige Manager eines japanischen Unternehmens suchte regelmäßig alle Mitarbeiter auf, die an der Zusammenarbeit beteiligt waren. Er stellte fest, welche Informationen von wem gesammelt worden waren, und leitete diese dann an die entsprechenden Abteilungen weiter. Ein anderes Unternehmen führte regelmäßige Sitzungen durch, in denen das neue Wissen ausgetauscht und entschieden wurde, wer am ehesten an weitere Informationen kommen konnte.

Vorsichtig zu Werke gehen -
doch ans Werk

Nach dem Zweiten Weltkrieg schlössen japanische und koreanische Unternehmen zunächst Allianzen mit westlichen Rivalen aus einer schwachen Position heraus. Aber sie arbeiteten beharrlich auf Selbständigkeit hin. Anfang der 60er Jahre machte das Computergeschäft von NEC nur ein Viertel von dem Honeywells aus, seinem wichtigsten Auslandspartner. NEC brauchte zwei Jahrzehnte, um größer als Honeywell zu werden, das schließlich seinen Geschäftsbereich Rechner an eine Partnerschaft zwischen NEC und der französischen Bull-Gruppe verkaufte. Die Erfahrung von NEC beweist, daß Abhängigkeit von einem ausländischen Partner ein Unternehmen nicht automatisch zu einem Schattendasein verurteilt. Zusammenarbeit ist manchmal unabdingbar, bedeutet aber nicht Kapitulation. Manager sind allzu häufig fixiert auf die Eigentumsverhältnisse in einem Gemeinschaftsunternehmen. Doch ob man 51 oder 49 Prozent kontrolliert, kann von weit geringerer Bedeutung sein als die Geschwindigkeit, mit der ein Partner vom anderen lernt. Unternehmen, die ganz auf ihre Lernfähigkeit setzen, werden sogar einer gewissen Ambivalenz in der Vertragsgestaltung den Vorzug geben. Uneindeutigkeit schafft nämlich größere Chancen, Kenntnisse und Technologien zu erwerben. Die Herausforderung für westliche Unternehmen liegt nicht darin, wasserdicht abgefaßte rechtliche Vereinbarungen zu treffen, sondern darin, endlich bessere Schüler zu werden. Vor einer Zusammenarbeit zurückzuschrecken ist keine Lösung. Selbst die größten westlichen Konzerne können ihre globalen Konkurrenten nicht mehr durch höhere Investitionen übertreffen. Da sich die Führerschaft in vielen Industriezweigen gen Fernosten verlagert, müssen die Unternehmen in Europa und den Vereinigten Staaten lernen, Anleihen zu machen - ähnlich wie es die Asiaten während der 60er und 70er Jahre taten. Die Wiederbelebung der Wettbewerbsstärke hängt von der Entwicklung neuer Verfahrenskenntnisse ab und davon, bei den Marktschlachten um neue Produkte und Technologien Siege zu erringen. Zusammenarbeit kann eine kostengünstige Strategie zur Erreichung beider Ziele sein. Literatur Robert B. Reich, Erich D. Mankin: Die Entindustrialisierung Amerikas, in: HARVARDmanager 3/1986, S. 56 - 63. Copyright: © 1989 by the President and Fellows of Harvard College; ursprünglich veröffentlicht in "Harvard Business Review" Nr. 1 , Januar/Februar 1989, unter dem Titel "Collaborate with Your Competitors - and Win"; Übersetzung: Henriette Holtz.

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