Zur Ausgabe
Artikel 15 / 17

Dynamische Unternehmen nutzen die Informationstechnologie Mit dem Computer Kunden gewinnen

Die Informationstechnologie hat ihre Kinderkrankheiten hinter sich. Sie ist nicht nur schneller und flexibler geworden, sondern auch billiger und leichter zu handhaben. Damit wird sie auch für das Management interessant. Moderne Computer bieten den Unternehmen ganz neue Optionen zum Sammeln, Organisieren und vor allem zum Nutzen von Daten. Traditionelle Kontrollsysteme können sie in effektive Managementinstrumente verwandeln. An Fallbeispielen führen die Autoren vor, wie Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen die neue Technologie genutzt haben und welche Vorteile sie daraus ziehen. Wenn Manager heute ihre Informationswünsche und -bedürfnisse neu formulieren, sind ihrer Phantasie fast keine Grenzen gesetzt. Bedenken müssen sie aber auch, daß die Informationstechnologie die Strukturen m ihrem Unternehmen tiefgreifend verändern kann.
aus Harvard Business manager 2/1988

WILLIAM J. BRUNS Jr. und F. WARREN McFARLAN lehren als Professoren an der Harvard Business School. Während Bruns vor allem über Rechnungswesen gearbeitet hat, ist McFarlan besonders mit der HBR-Artikelreihe "Information Archipelago" hervorgetreten.

Die moderne Informationstechnologie - Computer, Telekommunikation und Datenmanagement-Software - hat mehr gebracht, als nur bestehende Prozesse zu beschleunigen. Sie bietet heute ein ganzes Bündel von Optionen für das Sammeln, Organisieren und Nutzen von Informationen. Das erweiterte Angebot an Möglichkeiten hat fortschrittliche Unternehmen dazu angefeuert, ihre Informationsbedürfnisse und -wünsche neu zu überdenken. Offensichtlicher Vorteil eines schnellen, flexiblen Datenmanagements zu annehmbaren Preisen ist, daß die drei traditionellen Ziele wiederbelebt werden, denen Kontrollsysteme im Unternehmen dienen sollen: Es hilft Managern, Ressourcen effektiver zu nutzen, Abweichungen in der Organisation in Einklang zu bringen mit den allgemeinen Zielen des Unternehmens und Daten für strategische und operative Entscheidungen zu sammeln. Die Resultate sind erstaunlich. Manager, bisher vom langwierigen Fluß der Informationen aus der Produktion oder dem Kreis der Kunden mattgesetzt, können nun in wenigen Augenblicken auf Daten aus den hintersten Winkeln ihres Unternehmens zurückgreifen. Entscheidende Veränderungen - vom sinkenden Lagerumschlag in einer entlegenen Fabrik bis zu einer plötzlichen Explosion der Verkäufe in einem entfernten Gebiet -, die bisher ausgesiebt wurden oder untergingen, können nun in der Form dargestellt werden, die für eine Entscheidungsfindung am geeignetsten ist. Die neuen Computersysteme erlauben den Unternehmen, jedwede Wechsel in der Unternehmensstrategie zu beschleunigen. Denn revidierte Finanzpläne oder neue Incentive-Programme gelangen schnell zu den Mitarbeitern. Und Manager können auch die Wechseltaktik der Zukunft testen, indem sie ein Dutzend ,,Was-wäre-wenn-Situationen" schnell durchlaufen lassen und vergleichen. Unternehmen, die vorausschauend aus der neuen Liste von Optionen die für sie geeignetsten ausgewählt haben, konnten erleben, wie sich ihre Kontrollsysteme und -Strukturen verwandelten. Sie haben gelernt, die Kraft der Information in Stärken ihrer Firma umzusetzen. Im Ergebnis verbesserten sie so ihre Effektivität und ihre allgemeine Wettbewerbsposition. Bisher haben nur phantasiebegabte Unternehmen die neue Technologie voll anwenden können, weil nur sie die Lücke zwischen Controlling und Datenverarbeitung überbrücken konnten. Die folgenden Beispiele zeigen Vorteile, die eine Firma gewinnen kann, wenn sie die Informationstechnologie nutzt, um ihre Kontrollprozesse zu überholen. Jedes der beschriebenen Unternehmen hat sich die Technologie auf die Weise zu Nutze gemacht, daß es den Informationsfluß auf eine von drei Arten organisierte: durch Konsolidieren, Zentralisieren oder Dezentralisieren ihrer Daten.

Frische Informationen
aus alten Daten

Neue Systeme liefern Managern wichtige Informationen nicht nur schneller, sondern geben ihnen auch die Möglichkeit, Datenunterlagen auf eine neue, brauchbare Form zu trimmen. Wenn sich die Spielregeln im Markt ändern, kann das Management das Material in die Form bringen, die den neuen Anforderungen gerecht wird. Durch die Konsolidierung von Berichten und Statistiken kreieren Unternehmen neue Informationen aus den alten, und neue Daten können die Lösung drängender Probleme stimulieren oder auf noch ungenutzte Möglichkeiten hinweisen. Genau diese Erfahrung hat auch eine große Versicherungsgesellschaft gemacht, als sie damit begann, ihre Computerunterlagen von Policennummern auf Kunden umzuorganisieren. Das alte Ablagesystem war eng verzahnt gewesen mit dem langjährigen Provisionssystem der Firma. Die Vertreter wurden bezahlt auf der Grundlage jeder Leistung, die sie verkauften. Auf der anderen Seite gab es keinen Abzug für die Versicherungsvertreter, wenn ein Kunde einen Vertrag schon nach kurzer Zeit wieder kündigte. Den Versicherungsvertretern fehlte sowohl ein Anreiz, langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen, als auch ein Mechanismus, um den gesamten Versicherungsbestand eines Kunden regelmäßig zu erfassen und nach dem jeweils richtigen Produktmix zu suchen. Die Gesellschaft hatte für ihre Versicherungsregister unterschiedliche Kennzeichnungen für jeden Kunden benutzt - manchmal die Initialen, manchmal den vollen Namen und so weiter. Selbst wenn Verkäufer sich durch Berge von Vertragsunterlagen gewühlt hätten, um Informationen über bestimmte Kunden zu bekommen, wäre es fraglich gewesen, ob sie jede Vertragsvariation gefunden hätten. Nach dem neuen System kann die Verkaufsmannschaft regelmäßig das gesamte Portfolio jedes Kunden überblicken. Sie können diese Informationen benutzen, um Vorschläge für den Ersatz von überholten Versicherungen zu machen oder Tips für andere Finanzinstrumente zu geben. Die Versicherungsgesellschaft verhindert so, daß Kunden zu anderen Firmen wechseln und generiert gleichzeitig ein ständiges Neugeschäft. Ein neues Prämiensystem belohnt außerdem die Agenten, die langfristige Beziehungen zu den Kunden aufbauen anstatt kurzfristige Verkäufe zu tätigen. Somit decken sich die Ziele des Verkaufs mit denen des Versicherers insgesamt.

Notrufe an die Zentrale

Ein anderer Weg ist die Zentralisierung des Datenflusses. Die Hauptverwaltungen der Unternehmen können danach umgehend Informationen aus den Zweigstellen zu niedrigen Kosten sammeln, gleichsam einen Blick aus der Vogelperspektive auf die entferntesten Betriebseinheiten werfen, um rechtzeitig korrigierend eingreifen zu können. Das erlaubt eine direkte Erfolgskontrolle und verhindert das Auftreten von Problemen in entfernten operativen Einheiten. So benutzte eine Firma, die Personenaufzüge baut, die Informationstechnologie, um ihr dezentralisiertes Servicesystem durch ein zentrales zu ersetzen, von dem aus jetzt alle Notrufe an die örtlichen Reparaturdienste weitergeleitet werden. Da Wartungsverträge im Geschäft mit Fahrstühlen hochprofitabel, andererseits aber die Kosten für einen Firmenwechsel beim Kunden niedrig sind, ist der Wettbewerb um solche Verträge groß. Deshalb waren ein exzellenter Service und das Aufspüren von Schwierigkeiten, bevor sie außer Kontrolle gerieten, oberste Firmenziele. Nach dem alten System hatten die einzelnen Zweigstellen Kundenanrufe festgehalten. Aber die monatlichen Berichte, die sie an die Zentrale schickten, faßten ihre Tätigkeit nur zusammen. Schlimmer, wichtige Beschwerden kamen oft nicht beim Topmanagement an, weil sie zuvor vier verschiedene Berichtsebenen durchlaufen mußten. Tatsächlich hatten die Manager des Unternehmens einige Zweigstellen im Verdacht, daß sie ihre Probleme regelmäßig vertuschten. Das neue System liefert nun wöchentliche Serviceberichte aus einer zentralen Datenbank direkt an das Management. Bis dahin unentdeckte Probleme lassen sich nun eliminieren. Zum Beispiel stellte die Führungsmannschaft fest, nachdem die ersten Serviceleistungen in der Zentrale eingelaufen waren, daß bestimmte Liftmodelle zwischen 18 und 30mal im Vierteljahr ausfielen. Das Problem hatte seit Jahren bestanden, war aber in den Unterlagen der Zweigstellen untergegangen. Ob solche Probleme von der Unaufmerksamkeit des Personals herrühren oder eine Schwäche der Produktkonstruktion sind, können die Manager nun schnell feststellen. Die weitere Analyse solcher Probleme mag das Management dazu veranlassen, Abteilungen umzuorganisieren, die Servicemannschaft besser zu schulen oder - falls die Ursache ein Konstruktionsfehler ist - das Produkt noch einmal zu überarbeiten. Das neue System dokumentiert das Besondere jedes Wartungs- oder Reparaturauftrags. Die Datenbank in der Zentrale der Gesellschaft speichert die Daten jedes Aufzugs, den die Firma installiert hat. Bevor die Zentrale jetzt einen Monteur zu einem Kunden schickt, wird er kurz mit der Servicegeschichte des betreffenden Aufzugs bekanntgemacht. Er erfährt, ob der Fahrstuhl ohnehin zu einer regulären Wartung anstünde, und spart so eine spätere Extrafahrt. Nach dem alten System mußte sich die Firma auf das Gedächtnis des Monteurs verlassen oder auf die oft unvollständigen Unterlagen in der Zweigstelle. Resultat: Das verbesserte System hat den Marktanteil der Firma erhöht, während gleichzeitig die Servicekosten sanken. Andere Gesellschaften haben die Informationstechnologie dazu genutzt, ihre Fühler nach neuen Kunden auszustrecken und die Verbindung zu alten zu festigen, ohne die Koordinierung und Kontrolle durch die Topetage aufgeben zu müssen. Banken und Reisebüros zum Beispiel nutzen Computersysteme, um selbst im entferntesten Büro Transaktionen am Bildschirm durchzuführen und sie im selben Moment in den zentralen Unterlagen festzuhalten. Datenterminals in Flughäfen und Bahnhöfen etwa erlauben diesen innovativen Gesellschaften, den Verkauf näher zum Kunden zu bringen und gleichzeitig Unterlagen zur Verfügung zu haben, zu denen das Topmanagement leichten Zugang hat.

Neue Ordnung im Lager

Fortschrittliche Kontrollsysteme geben auch den Mitarbeitern notwendige Informationen, die sie brauchen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Voraussetzung ist allerdings, daß tatsächlich alle relevanten Daten aus der Zentrale weitergeleitet werden. Eine große Supermarktkette hat deshalb die Schnelligkeit und Flexibilität der neuen Technologie für ein dezentrales Bestandserfassungssystem genutzt. Nach alter Methode mußten die Mitarbeiter die Lagerbestände zählen und anschließend die erfaßten Werte in Ein- und Verkaufspläne übertragen. Wenn der Verkauf eines Artikels plötzlich sprunghaft anstieg, bemerkten die Manager der einzelnen Geschäfte das meist erst zu spät. Und - weit wichtiger - da die Lieferanten die einzigen aktuellen Daten darüber hatten, was wo verkauft wurde, verhielten sie sich wie Berater und spornten die einzelnen Geschäfte bisweilen dazu an, sich mehr als notwendig mit schlechtverkäuflichen Produkten zu bevorraten. Diese Funktion verhalf den Lieferanten außerdem zu mehr Spielraum bei den Preisverhandlungen. Nach dem neuen System erfassen nun Scanner an den Kassen jeden verkauften Artikel. Über Scanner wird jede Bestandsveränderung augenblicklich verbucht, und das geschieht weitaus genauer als mit den früheren Methoden. Im Ergebnis konnten die Geschäftsführer der einzelnen Läden die Lagerbestände senken, den Umsatz kräftig steigern und den Produktmix besser an den sich wandelnden Verbrauchergeschmack anpassen. Jeder Laden kann nun selbständig und zum richtigen Zeitpunkt mit Sonderangeboten herauskommen. Und zudem haben die Manager der Geschäfte nun, da sie aktuellste Informationen haben, mehr Verhandlungsmöglichkeiten mit den Lieferanten. Mit den neuen Lagerbestandssystemen können die Unternehmen einen Auftrag kontinuierlich verfolgen, Rechnungen aktualisieren und den Bestand darstellen. Produktion und Lieferanten können auf anstehende Bestellungen umgehend reagieren. Verschiedene Unternehmen haben solche Systeme für sehr unterschiedliche Kontrollmethoden genutzt. So hat ein Hersteller von elektrischen Signalanlagen ein ausgeklügeltes Produktionskontrollsystem installiert, das Aufträge direkt an die Fertigung weitergibt. Nach der alten Regelung brauchten Aufträge länger als eine Woche, um in die Fabrik zu tröpfeln. Der Produktionschef wußte nie, was anstand, so daß er sich auch nicht mit Material und Personal darauf einstellen konnte. Flaschenhalssituationen in der Produktion und riesige Lager waren die Folge. Das neue System hat die Bestandskosten heruntergefahren, weil der Zwang entfiel, teures Material übermäßig vorzuhalten. Und es hat sichergestellt, daß die Kapazitäten in dem 22 Schritte umfassenden Herstellungsprozeß besser ausgelastet wurden. Einige Systeme erweitern die Vorteile niedriger Lagerhaltung, indem sie den Auftragseingang direkt beim Lieferanten anbinden. So hat ein Automobilhersteller eine Datenverbindung zu seinen Zulieferern aufgebaut, die nun zeitgleiche Informationen vom Auftragseingangssystem des Herstellers erhalten. Der Lieferant kann sicherstellen, daß das notwendige Material rechtzeitig ankommt. Das System hat sich als so erfolgreich erwiesen, daß der Automobilhersteller seine Investitionen in Bestände und Lagerhäuser kräftig gesenkt hat - die Ersparnis ist weit höher als die Kosten des Systems. Automatisierter Auftragseingang und Bestandskontrolle können den Firmen helfen, ihre Verkaufsund Preisstrategien für einzelne Regionen oder Kundentypen zu variieren und ihre Verkäufer über Preisveränderungen auf dem laufenden zu halten. So hatte ein landesweit operierender Lebensmittelkonzern mit eigener Lastwagenflotte folgendes Problem zu lösen: Jede Ver¬ kaufsregion brauchte ihre eigene Preisstrategie, jeder Laden seinen eigenen Produktmix. Was noch wichtiger war: Die Firma wollte ihre Strategie für jeden Laden auf einer Kombination von verkauften Artikeln und den vom Vortag übriggebliebenen Waren aufbauen. Selbstverständlich konnten die Auslieferungsfahrer nicht jede Nacht durch die Kundenlisten schauen oder jeden Morgen die neuen Preise aus dem Hauptquartier abfragen und gleichzeitig ihre Runden machen. So installierte die Gesellschaft Mikrocomputer in mehr als 1000 Auslieferungsfahrzeugen. Jeder Fahrer bekommt nun per PC jeden Morgen vom Großrechner der Zentrale die Preise für die Region und den erforderlichen Warenmix übermittelt. Jede Nacht erhält die Gesellschaft von den Fahrern die Informationen, welche Artikel ausgeliefert und welche alten Waren aus den Regalen zurückgenommen worden sind.

Umorganisieren
statt reparieren

Herkömmliche Kontrollsysteme versagen oft bei der Erfüllung des von ihnen erwarteten Nutzens. Das hat für gewöhnlich einen der folgenden drei Gründe: Die Arbeitnehmer verstehen die Ziele des Unternehmens nicht; sie verstehen sie, aber es fehlt ihnen an den Mitteln, um sie zu erfüllen; oder sie sind einfach nicht motiviert. Manchmal wissen Mitarbeiter nicht, was von ihnen erwartet wird, weil sich die Unternehmensplanung geändert hat: Es wurde versäumt, diese Neuerung an alle weiterzugeben. Zum Beispiel könnte ein akuter Liquiditätsengpaß den Finanzvorstand dazu veranlaßt haben, das Budget zu kürzen. In einem großen Konzern, der sich noch auf veraltete Technologien verläßt, kann es Wochen dauern, bis das Mittelmanagement die Budgetpläne überarbeitet und neue Finanzrichtlinien an alle operativen Einheiten weitergegeben hat. In der Zwischenzeit können weitere Summen an Barmitteln bereits abgeflossen sein. Selbst nachdem eine Nachricht den langen Weg von der Hauptverwaltung in die einzelnen Niederlassungen und Abteilungen hinter sich gebracht hat, kann es den einzelnen Angestellten an den nötigen Informationen fehlen, um danach zu handeln. Erinnern wir uns an die Versicherungsgesellschaft, die ihre Vertreter angewiesen hatte, das gesamte Versicherungenportfolio jedes Kunden zu betreuen. Hätte die Firma ihnen keine kundenbezogenen Daten geliefert, hätten die Vertreter nicht diesem Unternehmensziel entsprechen können. Neue Kontrollsysteme geben Managern die Werkzeuge an die Hand, die sie brauchen, um bestehende Probleme zu lösen. Und - wichtiger - sie erlauben ihnen, noch einmal darüber nachzudenken, was sie von einem Kontrollsystem erwarten, zum Beispiel im Falle des Budgets. Da Budgets individuelle und gemeinschaftliche Anforderungen im Detail festlegen, benutzen Manager sie, um ihren Mitarbeitern zu erklären, was von ihnen erwartet wird. Und da Menschen sie entwerfen, binden Budgets diese an organisatorische Ziele. Jede Position in einem Budgetplan zwingt einen Manager zur Beantwortung einer Frage. Aber mit der alten Technologie kostete es die reine Zeit, um eine derartige Position zu füllen, so daß Manager keine Gelegenheit hatten, eine Reihe von Antworten auszuprobieren und deren Folgen zu testen. Die neue Art der Datendarstellung beschleunigt nicht nur den Prozeß des Budgetierens, indem sie Managern erlaubt, die entsprechenden Zahlen schneller zu ermitteln, sondern sie verbessert gleichzeitig die Qualität dieser Budgets, da sie Managern die Möglichkeit gibt, eine Reihe von "Was-wäre-wenn-Szenarios" auszuprobieren und die Ergebnisse zu vergleichen. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel den Ertrag eines Projekts erfassen will, kann es verschiedene Möglichkeiten ausprobieren, die etwa auf alternativen Marktveränderungen basieren. Manager können sorgfältiger über Pläne und die damit verbundenen Ausgaben nachdenken, wenn sie Computermodelle benutzen, um verschiedene Situationen zu testen. Auf diese Art bringt die Technologie das Management dazu, sich besser auf zukünftige Anforderungen einzustellen. Auch kann dieser Prozeß den Firmen helfen, verschiedene Aktivitäten zu koordinieren, seit die individuellen Budgets einzelner Unternehmenszweige fast augenblicklich mit den gesamten Finanzplänen des Unternehmens konsolidiert werden können. Dazu kommt, daß die neue Technologie Managern erlaubt, die Budgets beständig aufgrund der aktuellen Leistung zu aktualisieren. Die Firmen sind nicht länger auf Dokumente angewiesen, die längst überholt sind. Somit verwandelt die Informationstechnologie das Budget in eine bedeutsame Sammlung von Instruktionen, die die Leistung eines Unternehmens unter wechselnden Bedingungen optimiert. Der Controller eines großen US-Konzerns ist der Ansicht, daß schnell konsolidierte Statistiken für jede Abteilung und Geschäftseinheit die Fähigkeit seiner Firma verzehnfacht haben, unter verschiedenen Alternativen die richtige herauszusuchen. Er braucht sogar weniger Arbeitskräfte, um die Budgetziele zu erfüllen. Weil Kontrollsysteme alle Bereiche eines Unternehmens betreffen, erfordern Veränderungen bei ihnen ebenso Änderungen in der Strategie und der organisatorischen Struktur. Deshalb sollten Manager gründlich darüber nachdenken, wie sie die Informationstechnologie in die Kontrollfunktionen einbeziehen wollen, und sie sollten sich zwingen, an alle Folgen zu denken. Technologie ist organisatorisch neutral, sie zieht die Zentralisierung nicht der Dezentralisierung vor oder umgekehrt. Sie bietet Topmanagern lediglich Möglichkeiten an, die sie vorher nicht hatten. Bei dem Fahrstuhlhersteller etwa hat die Technologie den "Besitz" von Reparaturunterlagen aus den Zweigstellenbüros in das Hauptquartier verlagert. Das führte auch dazu, daß die Manager vor Ort etwas von ihrer Autonomie einbüßten. Andererseits hat das automatisierte Kontrollsystem der Supermarktkette den einzelnen Geschäftsführern mehr Kompetenz gegeben, die ihnen dazu verhalf, bessere Entscheidungen auf Geschäftsebene zu treffen. Es besteht die Gefahr, daß solche Entscheidungen nicht in aller Klarheit getroffen werden, wenn die Firmenchefs übersehen, wie jeder Wechsel die Berichtsbeziehungen verändern kann. Entscheidungsbefugnis zu verringern oder zu vergrößern kann bedeuten, daß in manchen Positionen ein anderer Managertyp gebraucht wird. Und das Ineinanderfließen von operativer und strategischer Kontrolle kann ebenso eine Umstrukturierung und Neudefinition der Rollen bedeuten. Es besteht gleichfalls die Gefahr, daß nicht alle strategischen Vorteile bedacht werden, die sich gewinnen lassen, wenn Informationen kreativ genutzt werden. So hat ein Wettbewerber des erwähnten Liftherstellers dessen Methode zur Zentralisierung seiner Serviceberichte kopiert. Aber die Nachahmerfirma ging noch einen Schritt weiter: Sie filterte diejenigen Fahrstühle heraus, die chronisch defekt waren und wandte sich dann an die Kunden mit dem Vorschlag, diese zu ersetzen. Mit diesem Schritt hatte die zweite Gesellschaft zumindest zeitweise einen ganz neuen Markt für sich. Teure Datenarchive, aufwendige Datensuche und komplexe Systeme, die ihren möglichen Benutzern über den Kopf wachsen, sind Relikte der Vergangenheit. Es gibt nun eine Technologie, die die internen Beziehungen verändern kann. Heute ist ein guter Zeitpunkt, darüber nachzudenken, ob die Strukturen im eigenen Unternehmen noch zeitgemäß sind. Copyright: © 1988 by the President and Fellows of Harvard College; ursprünglich veröffentlicht in "Harvard Business Review" Nr. 5, September/Oktober 1987, unter dem Titel: "Information technology puts power in control Systems"; Übersetzung: Brigitta Schulte.

William J. Bruns
Zur Ausgabe
Artikel 15 / 17
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren