Die Auswirkungen der Computerisierung aus der Sicht des Unternehmens Mikroelektronik in der Informationsgesellschaft
PROF. DR. ERICH ZAHN ist Ordinarius am Betriebswirtschaftlichen Institut der Universität Stuttgart.
Die Entwicklungen auf den interdependenten Gebieten der Computertechnologie und der Mikroelektronik sind gekennzeichnet durch das Zusammenfassen von immer mehr elektronischen Funktionen beziehungsweise Computerstrukturen auf kleinster Grundfläche, einem Siliziumkristall von etwa 30 Quadratmillimetern. Sie haben mit dem Mikroprozessor einen programmierbaren Informationsverarbeiter hervorgebracht, der als standardisierte und in Großserien hergestellte Hardware zum Schlüssel für das Tor zur Informationsgesellschaft geworden ist. Intel war es 1976 erstmals gelungen, einen vollständigen Mikrocomputer mit 20 000 Transistoren und einer Kapazität von acht Bit auf einem einzigen Chip unterzubringen. Heute existieren bereits 16-Bit-Mikrocomputer und 64 K RAM Chips (K = Kilobit oder 1024 Bits, RAM = Random Access Memory) mit 65 536 Bits Speicherkapazität und ungefähr 128 000 Bauelementen. Da wir erst am Beginn des Zeitalters der sogenannten "Very Large Scale Integration" (VLSI) stehen, dürften in nicht allzu ferner Zukunft 32-Bit-Mikrocomputer und 256 K RAM Chips Realität werden. 1) Mit der ständigen Erhöhung des Integrationsgrads ist eine ähnlich imponierende Reduktion der Kosten für elektronische Funktionen einhergegangen; die jeweiligen Verbesserungen weisen zwischen 1970 und 1980 dreistellige Faktoren auf. 2) Diese Trends in Richtung Leistungssteigerung und Kostensenkung werden in absehbarer Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit noch anhalten, wenn auch auf dem Wege zu weiteren Fortschritten gewisse technische und wirtschaftliche Hindernisse nicht zu übersehen sind. 3) Die Forschungsanstrengungen werden jedenfalls nach wie vor unter dem Leitwort "small ist beautiful" stehen, denn klein bedeutet hier besser, zuverlässiger und billiger. Mit zunehmender Computerisierung unseres Lebens im Sinne einer Informationsgesellschaft werden sich die wissenschaftlichen Bemühungen aber mehr von Fragen der Hardware hin zu den Aspekten der Programmierung, der Benutzerfreundlichkeit und der Anwendung verlagern.
Die Auswirkungen
sind noch nicht überschaubar
Die Mikroelektronik hat die Bedeutung einer Basisinnovation. Ihre bereits realisierten und noch zu erwartenden Fortschritte sowie die dadurch beschleunigte Computerisierung implizieren - wie für Basisinnovationen typisch - tiefgreifende Umwälzungen. Diese betreffen nicht nur den Bereich der Wirtschaft, wo sie eine neue industrielle Revolution verheißen, sondern das gesamte sozio-ökonomische Gefüge, und zwar in seinen Mikro- wie auch in seinen Makrostrukturen. Das Spektrum möglicher Auswirkungen ist in Abbildung 1 angedeutet. Die verbreitete Einführung der neuen Informationstechnologien in die Systeme der Kommunikation, der Planung und Entscheidung, der Administration sowie der Produktion verspricht Veränderungen in der Art und Weise, wie wir leben, arbeiten und lernen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß dadurch auch unser Denken beeinflußt wird sowie überhaupt das Verständnis des Menschen von sich selbst. Dabei wissen wir noch nicht, ob uns dies alles zum Guten gereichen wird."
Angesichts solcher Erwartungen kann es nicht verwundern, wenn der Computerisierung mit Hoffnungen und Ängsten begegnet wird. Allerdings können diese, wenn unkritisch reflektiert und artikuliert, leicht zu einer Gefahr werden, indem sie einer Desorientierung in Fragen des technischen und sozialen Wandels Vorschub leisten. Das trifft gleichermaßen für überzogenen Pessimismus und Optimismus zu. Die Alternative zu derartigen Haltungen, die oft aus vordergründigen Kurzfristüberlegungen erwachsen und deren Folgen einen mehr oder weniger zufälligen und deshalb kaum kontrollierten Charakter haben, ist der Versuch einer zielbewußten Beeinflussung des Wandels durch Planung auf der Grundlage von nüchternen Lagebeurteilungen in Verbindung mit systematischen Technologiefolgenabschätzungen sowie mit interessenpluralistischen Technologiebewertungen. Dabei ist zu fragen nach den Veränderungen, die die neuen Informationstechnologien bewirken können oder sollen, sowie nach dem gesellschaftlichen Wandel, der zur Realisierung der Vorteile des technischen Fortschritts bei gleichzeitiger Minimierung seiner Nachteile erforderlich sein wird.
Die Unternehmen tragen
die Last der Umsetzung
Die Notwendigkeit zu einem planvollen Vorgehen ergibt sich in der Hierarchie sozialer Handlungssysteme vor allem auf der Ebene der Wirtschaftsunternehmen. Sie sind es, die die Prozesse der Innovation und Diffusion tragen und die daraus - je nach Ausmaß und Güte ihrer Leistungen - Wettbewerbsvorteile erzielen können. Sie sind es aber auch, die durch den technischen Fortschritt in ihrer Existenz bedroht sind, falls sie sich diesem nicht oder nicht rechtzeitig anpassen können. Die Mikroelektronik wird die sozio-ökonomischen Bedingungen der 80er Jahre entscheidend prägen; sie bedeutet deshalb eine Herausforderung für jede Art von Wirtschaftsunternehmen schlechthin. Ihre zum Teil radikalen Konsequenzen werden sich nicht nur auf Unternehmen der einschlägigen Industrie beschränken, die elektronische Komponenten oder Endprodukte herstellen; sie werden überall dort wirksam werden, wo die Mikroelektronik in der Produktion, in der Verwaltung und/oder in der Planung Einzug hält. Den Einflüssen der Mikroelektronik werden sich auch jene Unternehmen und Organisationen schlecht entziehen können, die sie ablehnen. Dazu ist ihre Verbreitung bereits zu weit fortgeschritten, und die den Diffusionsprozeß treibenden Kräfte sind viel zu vital, als daß dieser noch entscheidend gebremst, geschweige denn gestoppt werden könnte.
Für das einzelne Unternehmen in einer hochentwickelten und von Außenbeziehungen stark abhängigen Volkswirtschaft, wie im Falle der Bundesrepublik Deutschland, stellt sich vielmehr die Frage, wie den durch die Mikroelektronik verursachten Herausforderungen möglichst wirkungsvoll begegnet werden kann. Eine Antwort hierauf setzt zunächst die umfassende Kenntnis und die realistische Einschätzung von Chancen und Gefahren voraus, die von der Mikroelektronik - unter Berücksichtigung verschiedener Formen und Grade der Anpassung - ausgehen können. Dazu sind wiederum eine systematische und weitsichtige Betrachtung erforderlich, die über einseitige und vordergründige Überlegungen hinausgeht, sowie ein Beurteilungsrahmen, der die verschiedenen unternehmenspolitischen Zielaspekte - entsprechend der Verantwortung nach innen und nach außen - umfaßt. In Abbildung 2 ist ein solcher Rahmen für die betriebswirtschaftliche Beurteilung und Behandlung der neuen Informationstechnologien skizziert.
Die Computerisierung verspricht
neue Wachstumsmärkte
Die Auswirkungen der Mikroelektronik auf das Unternehmen sind vielfältig. Sie betreffen die gesamte Strategie/Strukturproblematik. Ihren Niederschlag finden sie in der Fertigung ebenso wie in der Verwaltung, in den materiellen und immateriellen Ressourcen ebenso wie in den Produkten und Dienstleistungen, in der Planung ebenso wie in der Organisation. Die größten Chancen im Produkt/ Marktbereich dürften sich den Herstellern von elektronischen Komponenten und Endprodukten eröffnen. Nach allgemeiner Einschätzung wird die gesamte informationsverarbeitende Industrie in den 80er Jahren am stärksten expandieren und wahrscheinlich zum bedeutendsten Wirtschaftsbereich avancieren. Günstige Erwartungen dürfen auch solche Unternehmen hegen, denen es durch die Integration von Elektronik in Investitions- und Konsumguter (wie in Büromaschinen, Haushaltsgeräte und so weiter) gelingt, ihre Produktpalette in Preis und Qualität attraktiver zu machen, zu erweitern und neue Märkte zu erobern. Die Computerisierung ermöglicht auch neue Dienstleistungen, so zum Beispiel die elektronische Post, das Teleshopping, die Telekommunikation und die Verwendung einer einzigen Maschine zu verschiedenen Leistungen der Informationsverarbeitung (zum Beispiel zum Schreiben, zum Rechnen und zum Übertragen von Daten).
Die Probleme
der Anpassung sind nicht gering
Bei allem Optimismus, der hier angebracht erscheint, kann die Existenz einer ganzen Reihe von Problemen jedoch nicht übersehen werden. Hierzu zählen unter anderem: die enormen finanziellen Belastungen durch die notwendigen F + E-Anstrengungen und Anlageninvestitionen, die durch die Verkürzung der Produktlebenszyklen und die damit verbundene Wettbewerbsdynamik bedingt sind; die aufgrund der stark rückläufigen Leistungspreise sinkenden Umsätze in der Computerindustrie sowie die hier durch die fortschreitende Miniaturisierung entstehenden Schwierigkeiten in der Fertigung; die Probleme in der Software-Produktion, die das Entwicklungstempo bezüglich neuer Anwendungen verlangsamen; das Auftreten von PCMs (Plug Compatible Manufacturers), die die Computerhersteller zu kürzeren Innovationsfolgen zwingen; die Veränderung im Wettbewerb durch die Tendenzen zur vertikalen Integration sowohl seitens der Hersteller von Endprodukten als auch der Produzenten von Komponenten.
Die bundesdeutsche Wirtschaft
ist besonders gefordert
Im Einzelfall mögen diese Probleme schwerwiegend und unlösbar scheinen. So manches Unternehmen wird dabei auf der Strecke bleiben; auch ganze Branchen werden Federn lassen müssen. Insgesamt stellen sie jedoch keine Hindernisse dar, die die weitere Verbreitung der Mikroelektronik entscheidend behindern könnten. Aus einzelwirtschaftlicher Sicht verspricht eine Partizipation an diesem Prozeß des technisch-ökonomischen Wandels neue Entwicklungschancen und damit eine Festigung beziehungsweise eine Verbesserung der Wettbewerbsposition. Dagegen bedeutet der Verzicht auf eine Anpassung an die Mikroelektronik sicher den mehr oder weniger schnellen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Das gilt in besonderem Maße für die Unternehmen der bundesdeutschen Wirtschaft. Angesichts sinkender Wachstums- und Produktivitätsraten, steigender Lohn- und Energiekosten und der dadurch verschlechterten Ertragslagen und Finanzierungspielräume besteht ein erhöhter Bedarf an innovativen Veränderungen. Die Unternehmen werden sich demzufolge vermehrt aus angestammten Produkt/ Marktbereichen, wo sie kostenmäßig nicht mehr mithalten können, zurückziehen und sich statt dessen zunehmend der Erstellung von Leistungen mit einem "höheren Intelligenzgrad" und einem höheren Gehalt an "spezifischen Mehrinformationen" zuwenden müssen. Die Anwendung der Mikroelektronik, deren eigentliche Vorzüge etwas mit der Menge und Güte von Informationen zu tun haben, ist auf diesem Wege zwangsläufig. Ihre strategische Bedeutung für die Unternehmen in ihrem Wettlauf um die Aufteilung der internationaler werdenden Absatzmärkte sowie auch für die Nationen in ihrem Bemühen um Erhaltung oder Verbesserung wirtschaftlicher Vormachtstellungen ist unbestritten. In diesem Rennen droht die bundesdeutsche Wirtschaft, ebenso wie die der anderen westeuropäischen Länder, gegenüber der japanischen und der amerikanischen Wirtschaft noch mehr an Boden zu verlieren. Nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft übertrafen "zwischen 1975 und 1979 (in der Bundesrepublik) die Importe von integrierten Schaltungen die heimische Produktion um etwa das Dreifache" 5); seither hat sich das Verhältnis eher noch verschlechtert. Eine Trendwende zeichnet sich nicht ab. Als erschwerendes Wettbewerbsmoment kommt noch hinzu, daß die Anpassung an die neuen Technologien in Westeuropa offenbar problematischer verläuft und zwar vermutlich deshalb, weil hier gegenüber den USA und Japan eine Know-how- Lücke besteht, die Diffusion technischer Neuerungen langsamer verläuft und die Förderung sogenannter "high technology industries" weniger intensiv erfolgt. In den EG-Ländern werden in unterschiedlichem Maße auch Sonnenaufgangsindustrien gefördert Gleichzeitig besteht aber die nach wie vor starke Tendenz zur Subventionierung von Sonnenuntergangsindustrien. Dies hat zur Folge, daß mögliche Produktivitätsfortschritte ausbleiben und die Wettbewerbspositionen sich weiter verschlechtern.
Das Unternehmen,
das sich anpaßt, handelt sozial verantwortlich
Unternehmen, die sich internationale Konkurrenzvorteile erarbeiten, stärken auch die Wettbewerbsfähigkeit und die wirtschaftliche Solidität ihres Landes. Sie praktizieren damit soziale Verantwortung. Gleiches gilt, wenn sie mit Hilfe der Mikroelektronik zur Einsparung von Energie und zur Schonung von knappen Rohstoffen beitragen. Das Energiesparpotential durch Anwendung der Mikroelektronik kann etwa bei 15 Prozent der gegenwärtigen Verluste der gesamten gelieferten Energie (50 bis 60 Prozent) angesiedelt werden. Darüber hinaus verspricht die Symbiose von Energietechnik und Elektronik das Entstehen neuer Produktfelder. Rohstoffverbrauch läßt sich reduzieren bei Substitutionen von Mechanik durch Elektronik und mit Innovationen wie der papierlosen Zeitung oder der elektronischen Post. Problematischer erscheint die Rolle des Unternehmens als "soziale Veranstaltung", wenn es um die Frage der Einführung von Mikroelektronik in Produktion und Verwaltung geht. Hier ergibt sich ein deutlicher Konflikt zwischen der Verantwortung nach innen (zum Beispiel für Produktivität und Kostenwirtschaftlichkeit) und der Verantwortung nach außen (zum Beispiel für die Erhaltung von Arbeitsplätzen). Dieser Konflikt überträgt sich auch auf die gesamtwirtschaftliche Ebene. Die Automation der Produktion und die Computerisierung der Administration haben tendenziell - weil sie produktivitätsfördernd wirken - einen positiven Entwicklungseffekt einerseits, aber einen negativen Beschäftigungseffekt andererseits. Insgesamt dürften jedoch die Vorteile die Nachteile überkompensieren. Anders dagegen muß die Situation bei einem Verzicht auf Mikroelektronik in beiden Bereichen beurteilt werden. Hier wären ökonomische Rückständigkeit und noch höhere Arbeitslosigkeit wahrscheinliche Folgen.
Die Automation
wird zur Überlebensfrage
Angesichts eines wachsenden Lohnkostendrucks im Inland bei gleichzeitiger Zunahme des Wettbewerbsdrucks aus Niedriglohnländern wird die Automation der Produktion in verschiedenen Branchen (zum Beispiel der Automobilindustrie) zur Überlebensfrage. Sie verspricht enorme Vorteile vor allem im Sinne von Kostenreduzierungen, Produktivitätssteigerungen, erhöhter Flexibilität der Fertigung und humaneren Arbeitsbedingungen. Durch den Einsatz von Industrierobotern an sich, aber noch mehr im Verbund mit "flexiblen Fertigungssystemen" auf der Grundlage der neuen CAD/CAM-Technologien ("Computer aided design" und "Computer aided manufacturing") können menschliche Arbeit eingespart, Maschinen besser ausgelastet, Anlagensysteme schneller umgestellt und gesteuert, Qualitätskontrollen sorgfältiger durchgeführt und stark gesundheitsschädigende Arbeiten von Maschinen übernommen werden. Darüber hinaus ermöglicht die Anwendung der Mikroelektronik in der Fertigung einen neuen Typ von Wertschöpfung, indem die als Nebenprodukte der automatisierten Prozesse anfallenden Informationen dazu benutzt werden, die Produktion mit anderen Unternehmensprozessen (wie der Konstruktion, der Materialdisposition, der Auftragsabwicklung, der Lagerhaltung und so weiter) zu koppeln. Das Ergebnis solcher Integrationen sind nicht nur automatische Fertigungszellen, sondern ganze "automatische Fabriken", die von einem hierarchischen System aus Mikro-, Midi- und Makrocomputern gesteuert werden. Ein wesentlicher und vielleicht der entscheidende Vorteil der Automation durch Mikroprozessorensysteme besteht darin, daß sie nicht nur Kostensenkungs-, sondern auch Flexibilitätspotentiale eröffnet. Sie impliziert - im Gegensatz zur traditionellen technologiebedingten Rationalisierung - nicht zwangsläufig Großserienfertigung und starre Produktionsverfahren. Es handelt sich hier vielmehr um Technologien einer höheren Elastizität, die auch für die Fertigung von mittleren und kleineren Serien wirtschaftlich attraktiv sind. Die Existenz von Flexibilitätspotentialen ist aus zwei Gründen bedeutsam. Erstens erleichtert sie schnelle Produktionsumstellungen, was in einer Zeit häufig und überraschend auftretender Marktveränderungen wettbewerbsrelevant ist, und zweitens verbessert sie die Anpassungsfähigkeit mittlerer und kleiner Unternehmen, was ihre Konkurrenzposition zu den großen Unternehmen stärkt. Der zunächst augenscheinliche Nachteil der Automatisierung in der Produktion wie auch der Computerisierung in der Administration ist das Freisetzen von Arbeitskräften, was die ohnehin bestehende Beschäftigungsproblematik noch verschärft. So wird von Beispielen 6) b berichtet, wo etwa in einem Automobilunternehmen heute 30 Roboter mit einem Investitionsvolumen von rund 17 Millionen Mark die Arbeit leisten, die früher von 70 Arbeitskräften in zwei Schichten verrichtet wurde, oder wo in einer Bank heute 50 Angestellte mit Computerterminals eine Arbeit bewältigen, für die vor zehn Jahren noch über 400 Mitarbeiter notwendig waren. Andere Erfahrungen aus breiter angelegten Untersuchungen sind weniger dramatisch. Sie zeigen, daß durch die Automation Arbeitsplätze nicht nur vernichtet, sondern auch neue geschaffen werden. 7) Per saldo dürfte sich jedoch ein signifikanter arbeitskräfteeinsparender Effekt ergeben, wovon in erster Linie das nicht qualifizierte Personal betroffen sein wird.
Der Bedarf
an qualifiziertem Personal wird steigen
Eine andere beachtenswerte Auswirkung der Mikroelektronik in Produktion und Administration ist die Veränderung der Anforderungen an den arbeitenden Menschen. Im Produktionsbereich zeichnet sich ein steigender Bedarf nach Ingenieuren und Technikern ab, vor allem mit besonderen Fähigkeiten auf den Gebieten der Elektronik, der Softwareprogrammierung sowie der Informationsverarbeitung überhaupt. Neben Aufwertungen sind aber auch Abwertungen von Arbeitsplätzen zu erwarten. Die Nachfrage nach dem traditionellen Facharbeiter wird eher zurückgehen. Für den Produktionsbereich insgesamt muß jedoch von der Notwendigkeit einer allgemeinen Höherqualifizierung ausgegangen werden. Dies gilt auch für den Verwaltungssektor, wo vorwiegend repetitive, formalisierbare Tätigkeiten computerisiert werden. Von den Mitarbeitern in beiden Anwendungsbereichen wird neben einem besseren Wissen gleichfalls eine höhere Flexibilität erwartet. Dies erfordert von Seiten der Unternehmen größere Anstrengungen bei der Personalentwicklung und von Seiten der Mitarbeiter die Bereitschaft, sich entsprechenden Aus- und Weiterbildungsprogrammen zu unterziehen. Ein höher qualifiziertes und motivationsfähiges Personal wird eher in der Lage sein, die Mikroelektronik in ihren gesamten Auswirkungen zu verstehen sowie ihre Vorteile bei möglichst geringen wirtschaftlichen und sozialen Störungen zu nutzen. In diesem Zusammenhang ist die klare und frühzeitige Information der Mitarbeiter und ihrer Vertretungen über die Merkmale einer neuen Technologie sowie über die Ziele ihrer Anwendung im Verein mit einer auf Partizipation und Kooperation abgestellten Entscheidungsfindung kardinale Voraussetzung für eine erfolgreiche Technologieeinführung.
Der Computer
kommt zum Benutzer
Die Fortschritte auf dem Gebiet der Informationstechnologie verursachen nicht zuletzt Veränderungen im Führungssystem. Sie machen organisatorische Anpassungen erforderlich, und sie nehmen Einfluß auf Entscheidungs- und Planungsprozesse. Richtig verstanden und adäquat genutzt tragen sie dazu bei, schneller bessere Informationen zur Beurteilung gegenwärtiger und zukünftiger Lagen sowie für flexible Reaktionen bereitzustellen. Die Revolution in der Informationstechnologie hat dazu beigetragen, daß der Computer - in Gestalt von Tischterminals und Minicomputern - zum Benutzer kommt. Bislang wurden Computer vorwiegend bei administrativen Tätigkeiten eingesetzt. Das Problem ihrer Nutzung bestand überwiegend darin, für eine gewünschte Anwendung eine adäquate Technologie zu erhalten und die oft großen Projekte zu beherrschen. In aktuellen Entscheidungsprozessen haben Computerunterstützungen aber kaum eine wesentliche Rolle gespielt; sie wurden hierfür als zu aufwendig, wenn nicht gar als zu riskant erachtet. Einen Wandel in dieser Hinsicht versprechen die modernen computerbasierten Entscheidungsunterstützungssysteme8), weil sie nicht mehr von der Technologie, sondern vom Entscheidungsprozeß ausgehen. Sie erlauben dem Manager, seinen Datenbedarf selbst zu definieren 9) und dann direkt auf Informationen und Modelle in entsprechenden Daten- und Modellbanken zurückzugreifen. Dabei können die Systeme so gestaltet werden, daß sie das Denken der Manager wirklich unterstützen. Dies ist der Fall, wenn die Unterstützungssysteme auf dem detaillierten Verständnis des Managers über seine Probleme und Entscheidungssituationen aufbauen.
Die Computerisierung ist
kein Allheilmittel
Die Beurteilung neuer Technologien wäre - auch aus der Sicht des Unternehmens - unvollkommen, würden nicht ihre Auswirkungen auf den Einzelnen und die Gesellschaft mitbetrachtet werden. Hier zeigt sich, daß neben vielen positiven eine große Anzahl negativer Effekte möglich ist. 10) Um letztere in erträglichen Grenzen zu halten, sind sicher auch die Unternehmen - durch sorgfältige Überwachung der Technologiefolgen - aufgerufen, Flagge zu zeigen. Die Gesellschaft und ihre Individuen können erwarten, daß die Unternehmen im Rahmen ihrer "sozialen Verantwortung" einen Beitrag zum "sozialen Fortschritt" liefern. Hierzu sind sie jedoch auf eine hinreichende soziale Innovationsbereitschaft der Bevölkerung und auf entsprechende Handlungsspielräume, die durch staatliche Rahmenbedingungen und (gezielte) Aktivitäten zu garantieren sind, angewiesen. Im übrigen muß bei der Wahl der Strategie zur Bewältigung des sozio-ökonomischen Wandels aufgrund technischer Fortschritte immer davon ausgegangen werden, daß es so etwas wie einen "sauberen" oder "gefahrlosen" Weg nicht gibt. Welche Entwicklung mit welchen Folgen letztendlich eintreten wird, hängt allein von den Entscheidungen der Menschen in den verschiedenen Institutionen ab. Die modernen Informationstechnologien sind mit Sicherheit kein Allheilmittel gegen die Probleme unserer Zeit und sie nehmen uns bestimmt nicht das Denken ab. Dennoch darf vermutet werden, daß sich die Menschheit hier ein Instrument geschaffen hat, mit dessen Hilfe sie bei sorgfältiger Anwendung viele ihrer Probleme besser angehen kann. Dazu muß sie allerdings die Atempause, die ihr durch die neuen Technologien gewährt zu sein scheint, nutzen und darf nicht in alte Verhaltensmuster zurückfallen. Je länger notwendige Anpassungen hinausgezögert werden, desto schwieriger wird ihre Realisierung. Dies gilt auch in bezug auf die Adaption der neuen Informationstechnologien. Die 80er Jahre müssen in diesem Zusammenhang als Phase des Übergangs angesehen werden, in der die Infrastruktur für neue, auf der Informationstechnologie basierende Wirtschaftszweige aufgebaut werden muß. Die wesentlichen Vorteile - im Sinne von neuen Märkten für "Informations"-Güter und Dienstleistungen und damit für neue produktive Arbeitsplätze - werden sich wohl erst in den 90er Jahren ernten lassen. In der Zwischenzeit gilt es, den Übergang zur neuen Technologiegeneration systematisch und behutsam zu betreiben, damit die hier entstehenden Probleme, vor allem die der Arbeitslosigkeit, möglichst gering gehalten werden. Dazu sind soziale Innovationen unerläßlich. Was die Mikroelektronik betrifft, so wird den durch sie entstehenden Herausforderungen unzureichend begegnet, wenn sich die Anpassungsanstrengungen lediglich auf die Automation bestehender Produktionsprozesse konzentrieren. Hierdurch werden zwar die Kosten reduziert und die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt, aber noch keine zusätzliche Nachfrage und Arbeit geschaffen. Die vorrangige Aufgabe der Unternehmenspolitik und der Wirtschaftspolitik muß es deshalb sein, solche technischen Innovationen zu beschleunigen, die neue Produkte und Dienstleistungen hervorbringen.
Literatur
1) Ide, Th. R.: "Die Technologie"; in: Friedrichs, G. und Schaff, A. (Hrsg.): "Auf Gedeih und Verderb - Mikroelektronik und Gesellschaft", Wien u. a. 1982, S. 49-100, hier S. 62/63. 2) Lorenz, G.: "Automatisierung durch Mikroelektronik - eine technisch-ökonomische Herausforderung"; in: Biethahn, J. und Staudt E. u.a. (Hrsg.): "Automation in Industrie und Verwaltung", Berlin 1981, S. 35-53, hier S. 38f. 3) Rideout, V. L.: "IEEE COMPCON 80 Technical Digest"; Institute of Electrical and Electronic Engineers, New York, February, 1980. 4) Weizenbaum, J.: "Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft", 2. Aufl., Frankfurt 1980; eine eindrucksvolle Analyse der Möglichkeiten und Grenzen der Computerisierung. 5) Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft, Jg. 7, Nr. 35, 3. Sept. 1981, S. 5. 6) Lamborghini, B.: "Die Auswirkungen auf das Unternehmen"; in: Friedrichs, G. und Schaff A. (Hrsg.): a. a. O., S. 131-167. 7) Zum Beispiel das Battelle Institut, Genf, und das Institut der deutschen Wirtschaft, Köln, und das DIW, Berlin. 8) Keen, P. G. W. and Scott Morton, M. S.: "Decision Support Systems - An Organizational Perspective", London et al. 1978. 9) Rockart, J. F.: "Topmanager sollten ihre Datenbedarf selbst definieren"; in: HARVARDmanager 1980/II, S. 45ff. 10) Friedrichs, G. und Schaff A. (Hrsg.): a. a. O.