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Auch anonyme Massengüter sind differenzierbar, obwohl sie sich scheinbar durch nichts unterscheiden Marketingerfolg durch Differenzierung

Auf dem Bildschirm können wir tagtäglich Produktdifferenzierung verfolgen. Dabei ist es gleichgültig, ob der Gegenstand des Werbespots ein leicht identifizierbares Produkt wie ein Auto oder ein kaum unterscheidbares Produkt wie ein Waschmittel ist. Waschmittel sind immer noch verpackte klassische Konsumgüter. Wie aber differenziert ein Anbieter offensichtlich homogene Waren - wie Isopropylalkohol oder Bandstahl in der Industrie, wie die Dienstleistungen einer Bank oder gar einer Rechtsberatung? Der Autor geht in diesem Beitrag auf die Produktattribute ein, die dem Anbieter Möglichkeiten eröffnen, Kunden von der Konkurrenz für sich zu gewinnen und die einmal gewonnenen Abnehmer auch zu halten. Zudem beschreibt er einfallsreiches Management, das für erfolgreiche Produktdifferenzierung nötig ist. Sein Fazit: "Selbst die Art, in der ein Manager seine Aufgabe angeht, ist Bestandteil der Produktdifferenzierung."
aus Harvard Business manager 3/1982

THEODORE LEVITT ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Harvard Business School. In der "Harvard Business Review" sind von Levitt nahezu zwei Dutzend Beiträge veröffentlicht worden; HARVARDmanager-Lesern ist er durch den Beitrag "Marketing-Kurzsichtigkeit" (Ausgabe 1979/11) bekannt.

Homogene Massengüter gibt es nicht. Alle Güter und Dienstleistungen können differenziert werden. Zwar gilt für gewöhnlich die Annahme, daß dies bei Konsumgütern eher möglich ist als bei industriellen Gebrauchsgütern und Dienstleistungen - in Wahrheit liegen die Dinge aber genau umgekehrt. Am Markt selbst ist Differenzierung allgegenwärtig. Jeder Beteiligte - ob Produzent, Fabrikant, Verkäufer, Makler, Vertreter oder Händler - ist ständig bemüht, sein Angebot von allen anderen abzuheben. Dieser Satz trifft sogar für diejenigen zu, die Rohmetalle, Getreide, Chemikalien, Kunststoffe oder Geld herstellen beziehungsweise mit diesen Gütern handeln. Die Produzenten von Konsum- und Industriegütern trachten danach, sich mit Hilfe bestimmter Produktmerkmale vom Angebot des Wettbewerbs abzuheben. Die Differenzierungspalette ist umfangreich: Einige dieser Merkmale kann man sehen oder messen, einige sind kosmetischer Natur, andere werden, rhetorisch behauptet, indem auf reale oder versteckte Attribute, deren speziellen Wert und deren Resultate Bezug genommen wird. Dasselbe gilt auch für Dienstleistungen des Konsum- wie des Industriesektors - Angebote am Markt, die ich, um präzise zu sein, als "immateriell" bezeichnen möchte. An den Warenbörsen etwa werden Metalle, Getreide und Schweinehälften als völlig undifferenzierte, generische Produkte gehandelt. Was die Börsenhändler wirklich "verkaufen", sind vorgebliche Serviceunterschiede: Effizienz ihrer namens des Kunden durchgeführten Transaktionen, Reaktionsgeschwindigkeit bei Anfragen, Klarheit und Schnelligkeit von Auftragsbestätigungen und ähnliches. Kurz gesagt: Das angebotene Produkt wird differenziert, wenngleich die zugrundeliegende generische Ware identisch ist. Wenn das generische Produkt nicht differenziert ist, liegt der Unterschied in der Kundenakquisition für das angebotene Produkt und beim Kundenerhalt. Als der versierte Seniorpartner einer bekannten Chicagoer Brokerfirma einem Bankinstitut in New York einen Besuch abstattete, um Terminkontrakte zu verkaufen, hatte er für seinen Auftritt einen lindgrünen Kunstfaseranzug gewählt, zu dem er Modeschuhe von Gucci trug. Seinem Bemühen war, leicht voraussehbar, nur wenig Erfolg beschieden. Das unbeabsichtigte Angebot, das er mit seinem Aufzug bewirkte, stand in krassem Gegensatz zu dem beabsichtigten seriösen Angebot, das er in einer sorgfältig vorbereiteten Präsentation unterbreitete. Kein Wunder, daß Thomas Watson senior so kompromißlos darauf bestand, seine Verkäufer hätten sich stets in den berühmten IBM-"Uniformen" zu präsentieren. Vielleicht machen Kleider keine Leute, beim Verkauf können sie durchaus hilfreich sein. Die sogenannten homogenen Massengüter stehen in dem Ruf, übermäßig preissensitiv zu sein. Mit anderen Worten: Ein nur wenig niedrigerer Preis gibt den Ausschlag. Das stimmt jedoch nur selten, wenn man einmal von der Vorstellungswelt absieht, die in den Lehrbüchern der Wirtschaft verbreitet wird. In der realen Welt des Marktes gibt es nichts, das sich von allen anderen Bewertungsmomenten befreien könnte, auch nicht im scharfen Preiswettbewerb. In Zeiten anhaltenden Überangebots, exzessiver Kapazitäten und eines endlosen Preiskriegs, wenn die Aufmerksamkeit aller anscheinend auf nichts als den Preis gerichtet ist, sind es gerade die Offenkundigkeit und Meßbarkeit des Preises und seine potentiell zerstörerische Wirkung, die dazu führen, daß der Faktor Preis die Aufmerksamkeit von Wegen und Möglichkeiten ablenkt, das Produkt dem unerbittlichen Verdrängungswettbewerb zu entziehen. Selbst kurzfristig gesehen, erschöpfen sich diese Möglichkeiten nicht einfach in außerpreislichen Wettbewerbsstrategien, wie etwa härterem persönlichen Verkaufseinsatz, intensiverer Werbung oder in dem, was sich hinter der saloppen Aussage von mehr oder besserem "Service" verbirgt. Um den vollen Umfang dieser Möglichkeiten zu erkennen, ist es zweckmäßig, zunächst für den Begriff "Produkt" eine exakte Definition zu finden.

Was ist ein Produkt?

Produkte sind fast immer eine Kombination aus Materiellem und Immateriellem. So ist ein Automobil nicht etwa bloß ein Fortbewegungsmittel, durch Design, Größe, Farbe, Zubehör, PS-Zahl oder Kraftstoffverbrauch sichtbar beziehungsweise meßbar differenziert. Es ist darüberhinaus ein komplexes Symbol, das Status, Geschmack, soziale Stellung, Leistung, Erwartung und (in heutiger Zeit) auch "Gewitztheit" des Käufers - den Entschluß nämlich, ein Auto nach wirtschaftlichen statt nach rein äußerlichen Gesichtspunkten zu kaufen - widerspiegelt. Doch geht es beim Autokauf um noch mehr als die hier genannten Gesichtspunkte. Die gewaltigen Anstrengungen der Automobilhersteller, Lieferzeiten zu verkürzen, Händler und Händlerpersonal sorgfältig auszuwählen, zu schulen, zu überwachen und zu motivieren, zeigen zweifelsfrei, daß auch dies integrale Bestandteile des Produktes sind, das der Autokäufer erwirbt, und mithin gleichzeitig auch Faktoren, nach denen das Produkt differenziert werden kann. Was für die Automobilbranche gilt, gilt auch für andere. So ist ein Computer nicht einfach eine Maschine, in der Daten gespeichert und verarbeitet werden, sondern auch ein Betriebssystem mit ganz spezieller Software für bestimmte Anwendungsbereiche und mit versprochenen Service-, Wartungs- und Reparaturleistungen. Karbonfasern sind chemische Stoffe, die größere Flexibilität und Festigkeit verleihen, das Gewicht reduzieren, Korrosion und Materialermüdung entgegenwirken und in Verbindung mit bestimmten anderen Materialien die Fertigungskosten senken. Ohne die Design- und Anwendungshilfe, die nur der erfahrene Verkäufer leisten kann, sind Karbonfasern für den unerfahrenen Verbraucher jedoch wertlos. Ob in tausendseitigen Vertragsangeboten von Firmen an staatliche Stellen, ob im fünfseitigen Beratungsangebot für Industriekundschaft beschrieben - das Produkt ist ein Versprechen, dessen kommerzielle Substanz genauso sehr auf der sorgsam gepflegten Substanz, genauso sehr auf der sorgsam gepflegten Reputation (oder dem "Image") des Anbieters beruht wie auf dem peinlich genau ausgearbeiteten Angebot und dem tatsächlichen physischen Inhalt. Wenn sich die Produktangebote von Wettbewerbern in ihrem substantiellen Inhalt kaum unterscheiden lassen, erfolgt eine Verlagerung des Verkaufsimpulses auf differenzierende Unterschiede, mit deren Hilfe die Käuferschaft beeinflußt werden kann. In dieser Hinsicht gibt es nur geringfügige substantielle Unterschiede zwischen den Waren, die Unternehmen wie Morgan Stanley & Co., Lockheed, McKinsey & Co. oder Revlon anbieten. Wenn auch jede dieser Firmen mit Nachdruck entscheidende generische Unterschiede gegenüber den Produkten der Konkurrenz betont, sind sie doch alle grundsätzlich mit der Aufgabe der .Angebotsverpackung" beschäftigt, das heißt mit der Frage, wie sie sich selbst als unverwechselbar darstellen können. Und in der Tat mag auch jede dieser Firmen an sich unverwechselbar sein, nur beruht diese Unverwechselbarkeit in erster Linie auf Dingen, die über die jeweiligen generischen Angebote weit hinausgehen. Nehmen wir als Beispiel das Geschäft mit Geldanlagen. Vom Anleihenkonsortium wird den Emittenten Geld versprochen, und ein ähnliches Versprechen wird auch den Käufern bedeutet. Wie diese Versprechen jedoch zu einem Angebotspaket verschnürt sind, hat auf Emittenten und Käufer gleichermaßen profunden Einfluß, wie das Zitat eines genauen Kenners der Investmentszene erhellt: "Ein großes Investmenthaus hat Eingänge zu zwei Straßen hin; für das Geschäft hinter jedem der beiden Eingänge gibt es verschiedene Briefköpfe. Der eine Eingang ist exklusiver als der andere; denn es wird angenommen, daß ein Besucher die Bedeutung, die das Haus seiner Person beimißt, bereits daran ablesen kann, welche Adresse auf dem Briefkopf vermerkt ist." Ganz offenkundig handelt es sich bei den Unterschieden, die hier gemacht werden, um Verkaufsinstrumente beruhend auf der Annahme, daß VIP-Behandlung bestimmter Besucher beim Empfang in der späteren Geschäftsrealität auch zu VIP- Resultaten führen wird. Für den potentiellen Käufer ist ein Produkt eine komplexe Ansammlung zu befriedigender Wertvorstellungen. Der generische Gegenstand an sich ist noch kein Produkt, sondern wie beim Pokerspiel nur der erste Einsatz - das zu Beginn erforderliche Minimum, das dem Produzenten erst die Chance gibt, sich am Spiel zu beteiligen. Die Resultate stellen sich dann im Spielverlauf ein. Auf das Geschäft übertragen heißt dies: Kunden gewinnen und Kunden halten. Der Wert, den ein Kunde einem Produkt beimißt, steht im direkten Verhältnis zu der von ihm angenommenen Fähigkeit des Produktes, seine Probleme zu lösen beziehungsweise seinen Bedarf zu decken. Alles andere wird davon abgeleitet. "Das Produkt", erklärt ein Fachmann des Industriemarketing, "ist das ganze Paket von Nutzen, das der Kunde beim Kauf erhält." Hierher gehört auch der Pragmatismus, mit dem die Detroiter Automobilhersteller Stahlblech kaufen. Die technischen Anforderungen, die Detroit vorschreibt und nach denen gekauft wird, werden ständig höher. Gleichzeitig wird aber weit mehr spezifiziert als nur das Stahlblech selbst. Verlangt werden darüber hinaus bestimmte Lieferkonditionen, günstige Preis- und Zahlungsbedingungen sowie Reaktionsfähigkeit bei Nachbestellungen. Von Jahr zu Jahr verlagern die Detroiter Automobilkonzerne den proportionalen Anteil ihres Stahlblechbedarfs, den sie bei verschiedenen Lieferanten decken. Das geschieht auf der Basis fein ausgeklügelter Bewertungssysteme, mit deren Hilfe das Leistungsvermögen jedes Lieferanten in bezug auf die vorgeschriebenen Konditionen gemessen wird, einschließlich der Art und der Qualität unaufgefordert beigesteuerter Hilfen wie neue Materialideen, Designvorschläge für Einzelteile und selbst Anregungen zum Einkaufs- und Beschaffungsverfahren. Es liegt auf der Hand, daß Detroit ein ganzes Bündel befriedigter Wertvorstellungen kauft, wovon das generische Produkt Stahlblech nur einen kleinen Teil ausmacht. Falls etwa Lieferkonditionen und Flexibilität nicht erfüllt oder eingehalten würden oder wenn die Erfüllung nur unregelmäßig, unwillig oder nur teilweise erfolgte, würde der Kunde nicht das von ihm erwartete Produkt erhalten. Falls sich einer der Lieferanten außerdem noch mit neuen Ideen oder Verbesserungs- beziehungsweise Vereinfachungsvorschlägen sowie durch größere Aktivität und Effektivität hervortut, dann ist sein "Produkt" eben besser als das seiner Wettbewerber. In Detroit sieht man scharfsichtig, daß warmgewalztes, unlegiertes 72-Zoll-Stahlblech vom Typ 302 eben keine allgemeine, nicht unterscheidbare Massenware ist, sondern vielmehr ein meßbar differenziertes Produkt. Ein Kunde kauft niemals nur ein "generisches" Produkt wie Stahl oder Weizen, Bausätze oder Investmentberatung, Aspirin oder technische Hilfestellung, Golfbälle oder Wartung für Fertigungsanlagen, Zeitungspapier, Kosmetika oder sogar 99prozentigen Isopropylalkohol. Vielmehr kauft er etwas, das über diese Bezeichnungen hinauswächst, und das, was dieses "gewisse Etwas" ausmacht, hilft bei der Entscheidungsfindung darüber, von wem der Kunde kauft, was er zahlt, und entscheidet darüber, ob er sich aus der Sicht des Verkäufers als "treuer" oder "wankelmütiger" Abnehmer entpuppt. Was dieses gewisse Etwas in seiner kundengewinnenden und kundenbefriedigenden Gesamtheit ausmacht, läßt sich durchaus managen. Führungskräfte müssen sich nur dessen bewußt werden, daß sich ein Produkt aus einer Reihe von Möglichkeiten zusammensetzt.

Das generische Produkt

Die fundamentale, aber rudimentäre, substantielle "Sache", die den Pokereinsatz des Geschäftes ausmacht - das also, was als Minimum erforderlich ist, um in das Marktspiel einsteigen zu können -, ist das generische Produkt. Für den Stahlproduzenten ist das der Stahl selbst - im oben angeführten Detroit- Beispiel warmgewalztes 72-Zoll-Stahlblech vom Typ 302 oder ein ähnlich spezifiziertes technisches Äquivalent. Für eine Bank sind es die ausleihbaren Mittel. Für den Grundstücksmakler die zum Verkauf anstehenden Immobilien. Für den Einzelhändler das Ladengeschäft mit einem bestimmten Sortimentmix verkaufsfähiger Waren. Für den Rechtsanwalt die Absolvierung des Examens und die Zulassung. Dabei sind nicht alle generischen Produkte gleich. In Amerika ist es beispielsweise nicht dasselbe, ob ein Rechtsanwalt die Zulassungsprüfung der Anwaltskammer des Staates New York oder des Staates Colorado bestanden hat. Und weil es von einem Werk der Automobilindustrie zum anderen geringfügige Unterschiede in den Fertigungsprozessen gibt, könnte das von einem Lieferanten angebotene Stahlblech Typ 302 in der Tat besser sein als das eines anderen. Das Stahlblech 302 des einen Stahlwerks könnte beispielsweise lackierfreundlicher sein als das eines anderen. Ein Lieferant könnte alle zu einer Bestellung gehörenden Stahlblechpartien aus der Produktion eines einzigen Werkes zusammenstellen, ein anderer aus der verschiedener Werke. In diesem Fall könnte der Glanz oder Schimmer des generischen Produktes von Walzwerk zu Walzwerk geringfügig differieren, was jedoch bei der Edelstahlverarbeitung zu Zierleisten oder anderen Teilen einen großen Unterschied ausmacht. Diese Unterschiede sind meist jedoch nicht von herausragender Bedeutung; wichtiger sind die Charakteristika der Komponenten, die vom Produkt erwartet werden.

Das erwartete Produkt

Das erwartete Produkt setzt sich aus vielerlei Faktoren beim Kunden, einschließlich des generischen Produkts, zusammen. Zusammengenommen entsprechen sie den vom Käufer geforderten Mindestkonditionen. Welche Faktoren erachtet zum Beispiel der Kunde beim Kauf von Bandstahl als absolut essentiell? 1. Lieferung: Anlieferung bei welchen Werken? Wann? Nicht nur an welchem Tag, sondern auch zu welcher Tageszeit, zu welcher Stunde, um wertvolle Lagerfläche für Reserveläger zu minimieren und Lagerkosten zu reduzieren. Lieferant und Käufer müssen logistisch übereinstimmen. Die erforderlichen Quantitäten, gepaart mit Flexibilität - schnelles und unkompliziertes Reagieren etwa dann, wenn es bei den Liefermengen temporäre Engpässe geben sollte. Schließlich könnten auch Präferenzklauseln für den Fall vorgeschrieben werden, daß es zu Materialverknappungen kommen sollte. 2. Konditionen: Bestimmte Preise für bestimmte Mengen über eine bestimmte Zeitdauer. Bei einer Änderung der Listenpreise enthalten die Konditionen Parameter, die Verhandlungsgegenstand sind, möglicherweise verknüpft mit Indizes, etwa für die Schrottpreisentwicklung. Die Konditionen können sich auch in Rabattstrukturen für prompte Zahlung oder Zusatzvorkehrungen für verlängerte Zahlungsfristen widerspiegeln. 3. Kundenunterstützung: Je nachdem, welchen Verwendungszwecken das Produkt zugeführt wird, könnte der Käufer bestimmte die Anwendung betreffende Beratung und Unterstützung erwarten. 4. Neue Ideen: Zum normalen Erwartungsumfang könnten Ideen und Vorschläge des Lieferanten zu effizienteren, kostensparenden Verwendungsmöglichkeiten für das generische Produkt in seinen unterschiedlichsten Verarbeitungsformen gehören, etwa die Fabrikation, den Anstrich oder die Beschichtung betreffend. All dies dürfte zwar bekannt sein, die grundlegenden Prinzipien sind jedoch noch sehr viel umfassender. Wenn bestimmte subtile Erwartungen nicht erfüllt werden, kann diese Tatsache das generische Produkt in einem ungünstigen Licht erscheinen lassen. Ein schäbiges Maklerbüro könnte einer Immobilienfirma den Zugang zu Kunden für die angebotenen Häuser und Grundstücke kosten. Und selbst wenn ein Rechtsanwalt die Zulassungsprüfung "summa cum laude" bestanden hat und seine Büros sich durch dezente Eleganz auszeichnen, kann seine Persönlichkeit immer noch mit der eines möglichen Klienten kollidieren. Der Hersteller von preislich durchaus wettbewerbsfähigen Werkzeugmaschinen wartet vielleicht mit ausgeklügelten Kontrollverfahren auf, und trotzdem werden bestimmte Kunden ihm den Auftrag nicht erteilen, weil die Toleranzen seiner Maschinen präziser sind als notwendig oder zweckmäßig. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, daß der Kunde in der Tat weniger wünscht und erwartet. Das generische Produkt läßt sich nur verkaufen, wenn die Erwartungen, die der Kunde im weitesten Sinn daran knüpft, erfüllt werden. Um diesen Erwartungen zu entsprechen, kann zu verschiedenen Mitteln gegriffen werden. Die Differenzierung wird entsprechend den Erwartungen vorgenommen.

Das verbesserte Produkt

Differenzierung erschöpft sich nicht darin, dem Kunden das zu geben, was er erwartet. Denn das, was seine Produkterwartungen ausmacht, kann um Dinge ergänzt oder erweitert werden, an die der Kunde noch nie gedacht hat. Wenn ein Computerhersteller zum Beispiel ein diagnostisches Modul einbaut, das eine Pannenursache oder Störungsquelle sofort ortet, dann hat er sein Produkt bereits über die Grenzen dessen geführt, was der Kunden fordert oder erwartet. Der Hersteller offeriert ein verbessertes Produkt. Wenn ein Broker neben den monatlichen Abrechnungen auch noch für jeden Kunden eine Zwischenbilanz und eine Analyse der Geldmittelquellen und ihrer Verwendung liefert, dann hat auch er sein Produkt über das vom Käufer geforderte oder erwartete Maß hinaus erweitert. Und wenn ein Produzent von Körper- und Schönheitspflegemitteln zusätzlich Managementberatung für die Kontrolle der Lagerbestände und Schulungsprogramme für das Händlerpersonal anbietet, hat auch diese Firma ihr Produkt über den Erwartungshorizont des Kunden hinaus verbessert. In jedem Fall ist der Lieferant über das vom Käufer gesetzte normale Erwartungsmaß hinausgegangen. Im Falle des Stahlbeispiels ließe sich eine solche Produktverbesserung etwa durch die Entwicklung neuer Fabrikations-, Beschichtungs- und Lackierverfahren realisieren oder durch Reduzierung der Blechstärken, um Gewicht einzusparen. Der Lieferant könnte auch andere, unerwartete, aber dennoch hilfreiche Sonderleistungen bieten neue Ideen zur planmäßigen Abwicklung der Lieferungen einzelner Partien, um Probleme mit der Materiallagerung und innerbetrieblichen Förderung zu verringern und die Kosten reduzieren zu helfen, oder auch neue Systeme der Rechnungslegung, mit denen dem Käufer gleichzeitig mehr Informationen darüber geliefert werden, welche Verbrauchsmengen des generischen Produktes typischerweise auf seine einzelnen Werke, Divisions oder Marken entfallen. Freilich ist es nicht möglich, alle Kunden aller Produkte unter allen Umständen durch ein sich permanent ausweitendes Bündel differenzierter Erfüllungen von Produkterwartungen an sich zu binden. Einige Kunden könnten niedrigere Preise einer Produktverbesserung vorziehen. Einige sehen sich vielleicht nicht in der Lage, zusätzlich offerierten Service überhaupt zu verwerten. Zum Beispiel der Stahlverarbeiter ist anzumerken, daß diese, früher einmal wegen Anwendungshilfe und technischer Unterstützung von den Walzwerken abhängig, sich allmählich ausreichend Fachwissen angeeignet haben, um sich aus diesem Abhängigkeitsverhältnis lösen zu können. Dadurch gewannen sie zusätzliche Freiheit, die auch zum rasanten Wachstum der unabhängigen Stahlgroßhändler beitrug, die sich mit den Stahlwerken in direktem Wettbewerb befinden. (Nunmehr haben die Stahlgroßhändler, die sich durch kürzere Lieferzeiten bei den Standardsorten und -großen, durch ein breiter gefächertes Sortiment und die Fähigkeit, auch kleinere Bestellungen abwickeln zu können, von den Stahlwerken absetzten, ihrerseits den Weg der Ergänzung und Erweiterung beschritten, indem sie für ihre Produkte mehr, wenn auch geringfügige Vorbehandlung anbieten und den Stahlverarbeitern speziellen Applikationsservice offerieren.) Generell gilt, daß ein Lieferant, was den Erhalt seiner Kundschaft anbetrifft, um so verletzlicher wird, je stärker er im Markt dadurch expandiert, daß er seinen Kunden Hilfe und Schulung bei der Verwendung seines Produktes gewährt. Wenn ein Kunde nämlich keine Hilfe mehr braucht, hat er die Flexibilität erlangt, sich an solchen Dingen zu orientieren, die für ihn noch wertvoller sind - zum Beispiel am Preis. An diesem Punkt ist es nur vernünftig, ein systematisches Programm der Nutzenentwicklung für den Kunden zu verfolgen, ein Programm, das durch Produktverbesserung die Kunden hält. Dabei sollte sich der Lieferant natürlich auch auf Möglichkeiten der Kosten- und Preisreduktion konzentrieren. Und gerade darin liegt die Ironie, wenn ein Produkt den Reifezustand erreicht: Genau dann, wenn der Preiswettbewerb kulminiert und Kostensenkung noch mehr an Bedeutung gewinnt, erwachsen dem Lieferanten wahrscheinlich auch Vorteile durch die zusätzlichen Kosten, die neue Produktverbesserungen verursachen. Das verbesserte Produkt ist selbst eine Bedingung eines reifen Marktes oder eines relativ erfahrenen beziehungsweise technisch versierten Kundenkreises. Nicht, daß die Kunden aus zusätzlichen Dienstleistungen keinen Nutzen ziehen könnten oder darauf keine Resonanz zeigen würden, aber wenn ein Kunde weiß oder glaubt, alles zu wissen und alles tun zu können, muß der Lieferant diese Annahme des Kunden auf die Probe stellen, um nicht ausschießlich dem mörderischen Preiswettbewerb ausgesetzt zu sein. Die beste Möglichkeit, die Annahme des Kunden, er brauche oder wünsche die zusätzlich angebotenen Produktnutzen teilweise oder insgesamt nicht mehr, zu testen, liegt in der Abwägung aller Möglichkeiten, die der Lieferant dem Abnehmer bieten kann.

Das potentielle Produkt

Der Begriff "potentielles Produkt" bezeichnet alles, was getan werden kann, um Kunden an sich zu ziehen und zu halten. Für den Stahlverbraucher könnte das Angebot etwa folgendes einschließen: * technische Veränderungsvorschläge wie die Neukonstruktion eines Bauteils, um Gewicht einzusparen, größere Festigkeit oder längere Lebensdauer zu bewirken, Seitennachgiebigkeit zu reduzieren, Adhäsion und Lackier- oder Beschichtungsfreundlichkeit zu verbessern, oder die Verbesserung der Produktsicherheit; * Erkenntnisse aus der Marktforschung hinsichtlich der Kundeneinstellung zu den unterschiedlichen Stahlalternativen (etwa Kunststoffe und Aluminium) und der Schwierigkeiten, die Kunden mit diesen alternativen Materialien haben; * neue Methoden und Technologien für Verformung, Formgebung und für die Befestigung von Stahl auf Stahl, Stahl auf Kunststoff und ähnliche Verarbeitungsbereiche; * neue Schmierstoffideen, Vorschläge für geräuschdämpfendes Material, Ideen für Puffer- und Dichtungsmaterialien; * erprobte Vorschläge für einfachere, schnellere und billigere Montageverfahren; * neue Ideen, die sich auf verschiedene Produktmerkmale für verschiedene Verbraucherkreise beziehen, etwa gewerbliche Kraftfahrzeugparks, Taxiflotten, Autovermieter, die jeweils ihre eigenen Einkaufskriterien entwickeln; * konkrete, erprobte Vorschläge für Materialkombinationen, etwa Fiberglas mit Stahl. Die sich ergebenden Möglichkeiten werden nur durch das Budget und die Vorstellungskraft begrenzt. Was jedoch die Budgethöhe ist oder eigentlich sein sollte, ist vielfach eine Funktion dessen, was erforderlich ist, um über alle Dimensionen des potentiellen Produktes hinweg wettbewerbsfähig zu sein. Die Dinge selbst werden mit den Umständen variieren - mit der wirtschaftlichen Lage etwa oder den Wettbewerbsgegebenheiten. Dabei ist der Wettbewerb nicht einfach nur eine Funktion dessen, was andere Stahllieferanten offerieren, sondern auch dessen, was die Lieferanten von Materialien, die Stahl substituieren können, anzubieten haben. Für den Käufer ist das Lieferantenverhalten bei Nachbestellungen in guten Zeiten weit weniger bedeutsam als in schlechten - es sei denn, daß ein Wettbewerber die guten Zeiten strategisch nutzt und einem prospektiven Großkunden entgegenkommt, um bei diesem erst einmal einen Fuß in die Tür zu setzen. Konjunkturlage, Geschäftsstrategien, Kundenwünsche, Wettbewerbsbedingungen und viele andere Faktoren werden so zu Definitionsdeterminanten für das Produkt. Wie sich die Einzelheiten der beschriebenen Klassifikationen zusammensetzen, steht jedoch keineswegs fest. Was für den einen Kunden "Verbesserung" ist, kann für den anderen "Erwartung" sein; was unter einer bestimmten Ausgangslage "Verbesserung" ist, kann unter einer anderen bereits das ganze "potentielle Produkt" umfassen; und was in Zeiten knappen Angebots "generisch" ist, könnte in Überangebotszeiten bereits zur "Erwartung" gehören. Wie bei den meisten Dingen im Geschäftsleben, gibt es nicht Einfaches und Statisches, nichts, was zuverlässig durch Lehrbücher erklärt werden könnte. Eines ist sicher: Ein undifferenzierbares Massenprodukt gibt es nicht - zumindest braucht es, aus der Marktperspektive gesehen, keines zu geben. Alles ist differenzierbar, und in der Tat wird im allgemeinen auch alles differenziert.

Die Rolle des Managements

Wie ein Unternehmen sein Marketingmanagement ausrichtet, kann zur wirkungsvollsten Form der Differenzierung werden. Hierin mag auch die Begründung dafür liegen, daß es einige Unternehmen geschafft haben, sich von Konkurrenten der gleichen Branche sehr deutlich abzuheben. Markenmanagement und Produktmanagement sind Marketinginstrumente, deren Vorteile gegenüber allumfassenden, funktionalen Managementformen demonstrierbar sind. Dasselbe gilt auch für das Marktmanagement, ein vor allem dann weithin eingesetztes System, wenn ein bestimmtes materielles oder immaterielles Produkt in vielen Branchen verwendet wird. Einen Manager für ein Produkt verantwortlich zu machen, das in gleicher Weise von einem großen Teil eines gegebenen Marktes gebraucht wird (wie im Falle der verpackten Waschmittel, die über die Absatzwege des Einzelhandels vertrieben werden), oder eine Führungskraft den Markt für ein Produkt leiten zu lassen, das von verschiedenen Branchen unterschiedlich eingesetzt wird (wie im Falle des Isopropylalkohols, der an die herstellende Industrie direkt wie auch indirekt über Vertriebsfirmen abgesetzt wird), verstärkt Aufmerksamkeit, Verantwortungsbereitschaft und Anstrengungen erheblich. Unternehmen, die ihr Marketing nach solchen Organisationsschemata aufbauen, haben einen unbestreitbaren Wettbewerbsvorteil. Die Liste hoch differenzierter Verbrauchsgüter, die vor noch kurzer Zeit entweder als völlig undifferenzierte oder nur minimal differenzierte Massenwaren verkauft wurden, ist lang genug: Kaffee, Seife, Mehl, Bier, Salz, Haferflocken, Mixed Pikles, Würstchen, Bananen, Geflügel, Ananas und viele andere Waren zählen dazu. Auch unter den immateriellen Produkten des Konsumsektors hat sich in den letzten Jahren die Marken- oder Anbieterdifferenzierung intensiviert, etwa im Bankgeschäft, bei Versicherungen aller Art, Kreditkarten-Unternehmen, Brokern, Reisebüros, Friseur- und Schönheitssalons, in der Unterhaltungs- und Vergnügungsindustrie und bei kleinen Geldverleihern. Und unter den "Zwittern" des Konsumsektors hat sich dasselbe vollzogen: Restaurants, Optiker, Lebensmitteleinzelhändler legen Zeugnis dafür ab. Ebenso prosperieren Spezialitätengeschäfte in den unterschiedlichsten Branchen wie Schmuck, Sportartikel, Bücher, Körper- und Schönheitspflege, Hosen und Jeans, Schallplatten und Kassetten, Autozubehör, Hobbybedarf. In jedem der genannten Fälle, vor allem bei den materiellen Konsumgütern, gehen weniger Informierte davon aus, daß sich die wettbewerblichen Unterscheidungsmerkmale in erster Linie auf Werbung und Verpackung stützen. Und selbst substantielle Unterschiede im eigentlichen generischen Produkt werden als so geringfügig erachtet, daß nur Werbung und Verpackung diejenigen Elemente sind, auf die es wirklich ankommt. Von dieser Annahme auszugehen, ist ganz offensichtlich falsch. Es sind eben nicht nur einfach die großangelegten Werbefeldzüge oder die clevere Verpackung, auf die die Vormachtstellung so vieler Produkte von General Foods oder von Procter & Gamble zurückzuführen ist. Genausowenig lassen sich die Erfolge von IBM, Xerox, ITT und Texas Instruments allein durch die Überlegenheit ihrer generischen Produkte erklären. In jedem Fall liegen die realen Unterscheidungsmerkmale im beschrittenen Managementweg und in der Art und Weise, wie diese Unternehmen ihr Marketing managen. Die sorgfältige Analyse-, Kontroll- und Feldarbeit, die das Marketingmanagement in diesen Firmen charakterisiert, wird von der hochgradigen Visibilität ihrer Werbung oder von angenommener Unverwechselbarkeit des generischen Produktes überlagert. Die Unternehmen des Lebensmittelmarkensektors stecken enorme Summen in die Werbung, sie arbeiten aber ebenso hart an einer engen Vertriebskooperation mit den Abnehmern des Groß- und Einzelhandels, wie es die Automobilhersteller auch tun. Oft ist es sogar so, daß die Lebensmittelhersteller noch größeren Wert auf die Zusammenarbeit mit ihren Vertriebsfirmen legen, weil es auf diesem Sektor durchaus üblich ist, daß die Grossisten mehrere konkurrierende Produkte führen, wobei die Vertriebskanäle außerdem länger und komplexer sind. Natürlich führen die meisten Supermärkte eine Anzahl mehr oder weniger stark miteinander konkurrierender Marken desselben generischen (oder funktional undifferenzierten) Produktes. In den USA gibt es beispielsweise mehr als zwei Dutzend landesweit eingeführter Waschpulvermarken. Und in jedem Laden befindet sich im allgemeinen ein komplettes Sortiment miteinander im Wettbewerb befindlicher Marken. Während es die landesweit eingeführten Marken durch Werbung und Verkaufsförderung versuchen, auf Verbraucherebene "Sogwirkung" zu erzielen, sind sie auf Einzel- und Großhandelsebene ebenso stark um die Erzielung eines "Druckeffektes" bemüht. Im Einzelhandel suchen sie regelmäßig um günstigere Regalflächen und mehr werbliche Unterstützung des Einzelhändlers nach. Auf Großhandelsebene wird anders vorgegangen. Vor einigen Jahren führte General Foods eine großangelegte Studie über die Materiallagerung und -beförderung in Zwischenlagern durch. Nach Abschluß der Studie informierte das Unternehmen den Handel über die Resultate und gab Empfehlungen durch eine sorgfältig geschulte Truppe von Spezialisten, deren Aufgabe es überdies war, bei der praktischen Durchsetzung dieser Empfehlungen behilflich zu sein. Das Ziel des Unternehmens war es natürlich, Produkten von General Foods beim Zwischenhandel zu besonderer Gunst zu verhelfen. Für den Einzelhandel tat General Foods etwas Ähnliches: Mit Hilfe einer ebenfalls breitangelegten Studie über die Rentabilität von Einzelhandelsverkaufsflächen wurde Supermarkteigentümern die Möglichkeit geboten, sich über eine neue Form der Rentabilitätsrechnung zu informieren. Durch Managementratschläge für effizientere Raum- und Flächennutzung wollte General Foods erreichen, daß die Einzelhändler bei ihren Merchandising-Aktivitäten die Produkte des Unternehmens ebenfalls vorziehen. Ein anderes Unternehmen dieser Branche (Pillsbury) ersann ein Programm, das darauf ausgerichtet war, den "Tante- Emma-Läden" zu besseren Betriebsergebnissen und besserer Wettbewerbsfähigkeit zu verhelfen. Natürlich war es auch hier das Ziel, die Eigentümer dieser Läden dazu zu bringen, mehr Druck hinter den Verkauf von Pillsbury-Produkten zu setzen. Weitere Beispiele für das Marketing von Lebensmittelmarken: * Die Art, in der diese Güter angeliefert werden, entspricht oft dem Kundenwunsch. * Beim Vertrieb von Ketchup an den institutioneilen Großhandel, der Großkunden wie Hospitäler, Gastronomie, Gefängnisse, Schulen und Heime versorgt, geht die Firma Heinz in Verkauf, Auslieferung und Verpackung nicht nur anders vor als bei Großhandelsgenossenschaften, sondern ist gleichzeitig bemüht, durch geschicktes Agieren auf ganz bestimmte Vorteile hinzuarbeiten, um sich hierdurch vom Vertriebsmodus des Konkurrenten Hunt Foods abzuheben, der dieselben Großhändler bedient. * Vor einigen Jahren offerierte die Institutional Food Service Division von General Foods Schulen sorgfältig ausgearbeitete Rezeptvorschläge mit besonderem thematischen Hintergrund: Es handelte sich um "Safari"-Gerichte wie "Erdnußsuppe Uganda" und "Fisch Mozambique". Und General Foods stellte auch die entsprechenden Dekorationen zur Verfügung, um den Schul-Cafeterias die Atmosphäre der Ursprungsländer zu verleihen: Reiseposter, kongolesische Masken, Tropenhelme, Lotusgirlanden und Papieraffen gehörten zur Angebotspalette dieser Sonderaktion.

Der Fall Isopropanol

Vier der bereits genannten Unternehmen (General Foods, Procter & Gamble, IBM und Xerox) haben sich in bezug auf ihre wichtigsten generischen Produkte organisatorisch nach Produkten oder Marken ausgerichtet. Bei IBM und Xerox gibt es auch Marktmanager und Manager für geographische Bereiche. Was diese Unternehmen jedoch von anderen abhebt, ist nicht nur das, was sie auf dem Markt anbieten, sondern vor allem die Qualität ihres Marketingmanagements. Differenziert ist bei ihnen der Marketingprozeß, nicht nur das Produkt. Um zu erkennen, wie wichtig der Prozeß ist, sollten wir uns die vertanen Chancen eines Unternehmens vor Augen führen, dem der richtige Prozeß fehlte. Ziehen wir dafür das Beispiel eines großen Herstellers von Isopropylalkohol (im allgemeinen Isopropanol genannt) heran. Es handelt sich um ein relativ einfaches, völlig undifferenziertes generisches Produkt, das auf chemischem Wege über einen gemeinhin bekannten Prozeß aus dem bei der Erdölraffinierung frei werdenden Gas synthetisiert wird. Isopropanol gibt es in zwei Qualitäten: mit einem Wassergehalt von neun Prozent und - chemisch rein - mit nur einem Prozent Wasser. Im Jahre 1970 wurden 860 000 Kilogramm Isopropanol produziert. 43 Prozent davon wurden als Ausgangsprodukt für die Acetonherstellung gekauft (für ein wichtiges Lösungsmittel also); der größte Teil des Restes wurde gekauft, um in Chemikalien, Lacken und Schutzanstrichen verwendet zu werden. Nach Einführung des neuen Kumolverfahrens brauchte man Isopropanol für die Acetonherstellung nicht mehr. So kam es 1970 zu einem enormen Überangebot an Isopropanol. Die Preise sanken in den Keller, und eine Besserung der Situation war für die nächsten fünf Jahre nicht zu erwarten, erst nach diesem Zeitraum würden sich Angebot und Nachfrage wieder eingependelt haben. Einer der größten Isopropanolhersteller verwendete einen beträchtlichen Anteil seiner Produktion für die eigene Acetonherstellung. Im Jahre 1970 wurden 310 000 Pounds beider Produktarten en gros verkauft, also direkt an Hersteller. Wenn auch die Preise für Aceton und Isopropanol auf einem Tiefpunkt angelangt waren (vier Cents per Pound für Aceton und 6,7 Cents per Pound für Isopropaol), enthüllte eine spätere Analyse der vom Verkäufer ausgestellten Rechnungen dennoch eine erhebliche Preisbandbreite um diese Eckwerte herum für Lieferungen an verschiedene Kunden, selbst für Lieferungen, die am gleichen Tag erfolgt waren. Daraus sind zwei mögliche Schlußfolgerungen zu ziehen: 1. Nicht alle Käufer waren gleich gut über die marktgängigen Tagespreise für die genannten Produkte informiert. 2. Nicht alle Käufer waren gleichermaßen preisempfindlich. Eine weitere Untersuchung zeigte, daß sich diese Preisvariationen tendenziell nach Branchen und Kundengröße bündelten, nicht nach dem geographischen Standort der Kunden. Die feinere Aufgliederung der Branchen enthüllte noch weitere Preissegmente: Für Hersteller verschiedener Lackprodukte ergaben sich verschiedene Bündelungen der gezahlten Preise. Nennenswerte Unterschiede beim gezahlten Preis ergaben sich auch zwischen den Herstellern von agrarchemischen und biochemischen Produkten. Letztlich enthüllte auch die Kategorie "Sonstige" große Variationen in der Preisbündelung. Diese Untersuchungen erfolgten jedoch im nachhinein. Als die Erkenntnisse von Belang gewesen wären, wurde eine solche Analyse nicht angestellt. Hätte es ein gutes Management des Marketingprozesses gegeben, wären einem Produktmanager diese Fakten bekannt gewesen. Die enthüllten Unterschiede in den Rechnungspreisen und den Bündelungen der Preisvariationen hätten einen intelligenten und forschenden Produktmanager zu folgenden Fragestellungen veranlaßt: 1. Welches sind unter den von uns belieferten Industrieabnehmern die am wenigsten preisbewußten oder preissensitiven Kunden? In welchen Größenordnungen beziehen diese Kunden unsere Produkte? Welche Firmen sind es genau? 2. Welches sind die Kunden mit der größten und der geringsten Lieferantentreue, welche kaufen regelmäßig von uns, ohne Rücksicht auf Preisschwankungen? Warum tun sie es? Wer kauft nur gelegentlich von uns, hauptsächlich, weil unser Preisangebot zusagt? 3. Wer braucht unsere beratende Unterstützung für die Produktanwendung am nötigsten? Wer am wenigsten? 4. Wer würde auf unser Hilfsangebot die größte Resonanz zeigen? 5. Wo und bei wem könnten wir die Preise selektiv steigern? Sollten wir selektiv die Preise halten? 6. Wie können wir all diese Informationen unserer Verkaufsorganisation mitteilen? Wie können wir sie am besten in unser Verkaufsmanagement einbauen? Angesichts der von mir aufgezeigten Markt- und Benutzeranalyse hätten Preissteigerungen dieser Größenordnung im Bereich des Möglichen gelegen. Was hätte es dem Unternehmen gebracht, sein Marketing so auszuweiten, daß es der Verkaufsorganisation unmittelbar differenzierende Aktivitäten hätte empfehlen können? Offensichtlich sehr viel. Diese und ähnliche Arten der Sensibilität für Marketingdetails charakterisieren die Arbeit von Produkt- und Marktmanagern. Bei Herstellern generisch undifferenzierter Produkte, vor allem solcher Produkte, die als Verbrauchs- und Gebrauchsgüter an Industrieabnehmer vermarktet werden, kann sich das Management des Marketingprozesses selbst zu einem wirkungsvollen Differenzierungsinstrument entwickeln. Dieses Instrument wird von den Herstellern markengebundener Konsumgüter mit einem guten Management ständig und mit großem Geschick eingesetzt. Erfolg ist eine Frage des ständigen Marktbewußtseins, des präzisen Wissens um die Marktvorgänge, der Kenntnis davon, wie die Käufer ihre Produkte benutzen, zweckentfremden oder modifizieren, wie und wo sie kaufen, wer die Kaufentscheidungen trifft, wie diese modifiziert werden und ähnlicher Faktoren. Es ist eine Frage der ständigen Ausschau nach Lücken im bedienten Markt, die das Unternehmen ausfüllen kann, der permanenten Suche nach Wegen und Möglichkeiten, neue Käufergruppen zu interessieren und für das eigene Produkt zu gewinnen. Differenzierung ist bei den klassischen, verpackten Markenartikeln des Konsumgütersektors im Design, in der Betriebs- oder Anwendungsweise oder Zusammensetzung von Industriegütern, in den kennzeichnenden Merkmalen sowie der "Service-Intensität" immaterieller Produkte am hervorstechendsten. Gleichermaßen bedeutend für die Differenzierung ist aber auch, wie das jeweilige Unternehmen geführt wird. In der Art und Weise, wie ein Unternehmen den Marketingprozeß managt, können große Chancen liegen, vor allem dort, wo Unternehmen ansonsten generisch undifferenzierbare Produkte und Dienstleistungen anbieten - Chancen, dem Massenprodukt-Dilemma mit all seinen Verstrickungen zu entgehen. Copyright: © 1982 President and Fellows of Harvard College; ursprünglich veröffentlicht in "Harvard Business Review" unter dem Titel "Marketing success through differentation - of anything"

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