Vordenker-Serie: Heribert Meffert Der Marketingpionier

Werk und Wirkung
Es sind auffallend viele sakrale Begriffe, mit denen der emeritierte Professor aus Münster beschrieben wird: "Marketing-Papst", sein Grundlagenwerk wird "blaue Bibel" genannt, manche sehen sogar einen "Guru" in Heribert Meffert und in seinen Studenten "Jünger". Darauf angesprochen, gibt sich der 75-Jährige bescheiden: Er sei zwar Mitglied der katholischen Kirche, ansonsten aber Wissenschaftler, sagt er schmunzelnd. "Und Wissenschaft hat nichts mit Dogmen zu tun."
Visionärer Wissenschaftler
Trotzdem gibt es Gründe für diese Überhöhung: Meffert war Ende der 60er Jahre der erste deutsche Wissenschaftler, der sich ernsthaft mit dem Thema Marketing auseinandersetzte. Aus den USA schwappten Berufsbezeichnungen wie Marketingmanager nach Deutschland herüber, und das hiesige Magazin "Der Volkswirt" (Vorgänger der "Wirtschaftswoche") berichtete über die steigende Bedeutung des Marketings. "Da müssen wir auch etwas unternehmen", sagte der damals frisch berufene BWL-Professor zum Dekan der Universität Münster.
Er übernahm den BWL-Lehrstuhl und drehte den vorgesehenen Schwerpunkt Absatz und Handel Richtung Marketing. 1969 gründete er das erste Institut für Marketing an einer deutschen Hochschule. Die Vertreter der Handels-BWL von anderen Universitäten waren wenig begeistert. Meffert solle den Mund nicht so voll nehmen, schrieb ihm einer - weil das Thematisieren "bunter Bildchen" nichts mit einem wissenschaftlichen Anspruch zu tun habe.
Doch der zielstrebige Wissenschaftler lieferte zügig und veröffentlichte mehrere Lehrbücher, die seine Kritiker überzeugten. Ohnehin holte die Realität seine Gegner schnell ein: Gut 140 Lehrstühle mit der Bezeichnung Marketing gibt es heute in Deutschland. Sein Aha-Erlebnis hatte Meffert schon Mitte der 60er Jahre. Mit einem Team trat er beim ersten IBM-Planspiel an - und verlor mit Pauken und Trompeten. Sein Ansatz, hauptsächlich die Kosten im Blick zu behalten, kam gegen das Gewinnerteam um Robert Nieschlag mit dem Fokus auf das Konsumentenverhalten nicht an. "Das gab den Ausschlag, mich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen", sagt Meffert.
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Vielseitiger Forscher
Der Wissenschaftler hat in den vergangenen 43 Jahren sehr viele Themen untersucht - und vorangetrieben. Die drei wichtigen Schwerpunkte sind aus seiner Sicht:
die Rolle des Konsumenten zu erklären, weg vom Homo oeconomicus hin zum emotional handelnden Verbraucher,
die Konflikte zwischen Herstellern und Händlern und
die Herausforderung stagnierender Märkte zu untersuchen.
Fragt man Wegbegleiter, werden zahlreiche andere Verdienste genannt: Das frühzeitige Aufgreifen von Trends wie nachhaltiges Marketing oder Dienstleistungsmarketing und seine gelungenen Brückenschläge zur Praxis. Denn Meffert war stets jemand, der Probleme in Echtzeit untersuchen und nicht den Trends hinterherhinken wollte. Der Austausch mit Praktikern habe ihm stets Freude gemacht, sagt Meffert. Nur eines mochte er nicht: Wenn eine Firma ihn mit einem Gutachten beauftragte und seine Ratschläge dann in der Schublade liegen ließ. "Das fand ich nicht so gut. Zum Glück kam es nicht oft vor."
Anhänger und Wegbegleiter
Klaus Backhaus war Mefferts Kollege in Münster. Er kam 18 Jahre nach ihm an die Hochschule - und besetzte den Lehrstuhl für Industriegütermarketing. "Meffert war der Kapitän", sagt Backhaus heute. Und er wusste, dass er nur bestehen konnte, wenn er sich auf ein eigenes Gebiet konzentrierte. Backhaus wurde Industriegütermarketing-Experte.
Christoph Burmann hat in Münster studiert und ist ehemaliger Habilitand von Meffert. Burmann ist Professor am Lehrstuhl für innovatives Markenmanagement an der Universität Bremen. Zusammen haben sie mehrere Bücher veröffentlicht.
Ulrich Lehner verbindet mit Meffert die gemeinsame Arbeit in der Praxis - beim Konsumgüterhersteller Henkel . Meffert war von 1996 bis 2006 Mitglied des Aufsichtsrats. Lehner leitete das Unternehmen von 1998 bis 2008 als Vorsitzender der Geschäftsführung.
Ziele und Visionen
Unermüdlich
Heribert Meffert leidet an einer Augenkrankheit, der sogenannten Altersbedingten Makula-Degeneration (AMD). Inzwischen liegt sein Sehvermögen nur noch bei 5 Prozent. Trotzdem ging er lange noch jeden Tag in sein Büro im Marketing Center Münster und arbeitete an Forschungs- und Beratungsprojekten mit seinem Team. Unter anderem entwickelte er eine Plattform für Sehbehinderte, das medizinisch-soziale Netzwerk AMD-Netz NRW. Die Plattform bietet Informationen über die Krankheit und bringt Ärzte und Patienten miteinander in Kontakt.
Clayton Christensen und seine disruptive Innovation, die "Five Forces" von Michael Porter und die Management-Tipps von Linda Hill – die Ideen und Konzepte zahlreicher Vordenkerinnen und Vordenker haben die Management-Theorien geprägt. Lesen Sie hier die wichtigsten Ideen und Beiträge von Vordenkern wie Joseph Schumpeter, John P. Kotter, Peter Drucker und Herminia Ibarra.
Zukunftsorientiert
Darüber hinaus treibt Meffert die Zukunft des Marketingberufes um. In einer groß angelegten Befragung untersucht er die Einschätzung von Praktikern und Hochschullehrern: Wird sich die Spezialisierung in dem Ressort weiter fortsetzen? Oder heißt der Trend Multispezialistentum? Meffert würde wohl Zweites freuen: Er hat den Marketingprofi stets als Multispezialisten gesehen, der sowohl über funktionsübergreifende als auch über funktionsspezifische Fähigkeiten verfügt.