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E-Commerce Der Preis der Cookie-Trickserei

Wer Kunden dazu drängt, Cookies auf seiner Website zu akzeptieren, tut sich keinen Gefallen. Eine Studie zeigt: Viele Userinnen und User flüchten sofort.
aus Harvard Business manager 3/2023
Schmecken längst nicht allen Kunden: Website-Cookies

Schmecken längst nicht allen Kunden: Website-Cookies

Jakob Hinrichs für Harvard Business manager

Seit Mai 2018 müssen Websitebetreiber von allen Besucherinnen und Besuchern eine ausdrückliche Zustimmung (Opt-in) einholen, um deren personenbezogene Daten für Werbe- und Marketingzwecke automatisiert zu verarbeiten. Erst dann dürfen sie Trackingcodes laden, die das Nutzungsverhalten auf der Website analysieren. Meist setzen Unternehmen sogenannte Cookie-Banner ein, um diese Zustimmung einzuholen. Das sind kleine Pop-up-Fenster, die sich über die Website legen und viele User mächtig nerven.

Die Banner sehen sehr unterschiedlich aus, es gibt keinen Standard. Meist sind sie jedoch so gestaltet, dass die Userinnen und User einer Datenverarbeitung möglichst schnell und umfänglich zustimmen. So heben manche Seitenbetreiber den "Akzeptieren"-Button farblich hervor, treffen eine Vorauswahl in den Kontrollkästchen oder erschweren es, Cookie-Einstellungen individuell anzupassen. Mitunter ist es noch nicht einmal möglich, Cookies komplett abzulehnen. Diese Praxis einiger Unternehmen verstößt allerdings gegen die 2018 in Kraft getretene Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Die Verhaltensforschung bezeichnet solche Maßnahmen, die unterschwellig das Verhalten beeinflussen, als "Nudges" oder "Dark Patterns". Letzteres bezieht sich auf Schnittstellen, die so gestaltet sind, dass sie den Interessen der Userinnen und User zuwiderlaufen. Die Forschung zeigt, dass Websitebetreiber durch Nudges und Dark Patterns die Zustimmungsraten erhöhen können – zumindest auf den ersten Blick.

Wovon hängen Zustimmung oder Ablehnung ab? Wir haben in einem Onlineexperiment getestet, wie Menschen auf die populärsten Cookie-Banner-Abfragen im E-Commerce reagieren. Zunächst analysierten wir die 100 umsatzstärksten deutschen E-Commerce-Websites und leiteten daraus sieben repräsentative Cookie-Banner ab. Dann testeten wir sie an 1100 Probandinnen und Probanden, die wir über ein deutschlandweit repräsentatives Onlinepanel rekrutiert haben.

Die Abfragen unterschieden sich in der Anzahl und Art der Auswahlmöglichkeiten. Im Wesentlichen gab es zwei Gruppen von Cookie-Bannern (siehe Abbildung):
1. Manipulative Banner mit vielen Nudges/Dark Patterns, zum Beispiel nur ein Button mit der Aufschrift "Akzeptieren". Sie sollten User zur Einwilligung in die Datenverarbeitung drängen.
2. Faire Banner. Diese enthielten wenige oder gar keine dieser Tricks und ließen Usern eine faire Auswahl zwischen den Optionen.

Beispielhafte Darstellung eines fairen Banners (oben) und eines manipulativen Banners (unten)

Beispielhafte Darstellung eines fairen Banners (oben) und eines manipulativen Banners (unten)

Misstrauische Menschen brechen eher ab

Auf den ersten Blick bewahrheiteten sich die bisherigen Forschungserkenntnisse: Bei den manipulativen Cookie-Bannern waren die Einwilligungsraten insgesamt höher als bei den fairen Bannern. Doch es zeigte sich noch ein weiteres Muster: Unfaire Cookie-Abfragen führten deutlich häufiger dazu, dass Userinnen und User die Website direkt verließen, sobald sie die Abfrage wahrgenommen hatten.

Für die meisten Menschen sind Cookie-Abfragen nur eine störende Aufgabe, die sie möglichst schnell erledigen möchten.

Wir setzten diese beiden Kennzahlen ins Verhältnis. Auf 100 Einwilligungen durch manipulative Banner kamen im Durchschnitt 23 Userinnen und User, die ihren Besuch komplett abbrachen. Bei den fairen Cookie-Abfragen waren es dagegen deutlich weniger: im Durchschnitt 14 Komplettabbrüche pro 100 Einwilligungen.

Unserer Datenanalyse nach gab ein großer Teil der Studienteilnehmenden (62 Prozent) seine direkte Zustimmung zur Cookie-Nutzung. Auf diese Personen gingen die hohen Zustimmungsraten bei manipulativen Bannern zurück. Für die meisten Menschen ist eine Cookie-Abfrage offenbar nur eine störende Aufgabe, die sie möglichst schnell erledigen möchten, ohne sich weitere Gedanken machen zu müssen. Daher reagieren sie besonders stark auf Nudges oder Dark Patterns wie einen rot hervorgehobenen "Akzeptieren"-Button, weil diese den Zustimmungsprozess beschleunigen.

Gleichzeitig gab es jedoch auch einen großen Anteil von Userinnen und Usern in unserem Experiment (38 Prozent), die bei der Abfrage ihre persönlichen Cookie-Einstellungen aufgerufen und angepasst haben. Verhindert oder erschwert ein Cookie-Banner dies – etwa indem es sie über Nudges oder Dark Patterns zu manipulieren versucht –, brechen sie den Websitebesuch oft ab. Und diejenigen, die nicht abbrechen, nehmen Website und Anbieter deutlich negativer wahr.

Durch eine ergänzende Befragung der Studienteilnehmer konnten wir feststellen: Wer als Websitebetreiber manipulative Cookie-Banner einsetzt, provoziert bei Usern diverse negative psychologische Reaktionen. Zunächst nehmen sie die Cookie-Abfrage an sich und den damit verbundenen Versuch, personenbezogene Daten einzusammeln, als besonders aufdringlich wahr. Darüber hinaus entwickeln sie erhöhte Privatsphärebedenken und fühlen sich durch die Art der Abfrage manipuliert oder gar fremdgesteuert. Wie wir aus anderen Studien wissen, führen negative Reaktionen dieser Art dazu, dass Userinnen und User weniger stark auf Marketinginstrumente reagieren, die mit personenbezogenen Daten arbeiten.

Besonders groß dürfte der Schaden für E-Commerce-Unternehmen sein, die personenbezogene Daten primär oder ausschließlich für Marketingzwecke einsammeln. Sie verprellen nicht nur Websitebesucher, sondern schwächen auch die Wirkung ihrer eigenen Marketingmaßnahmen ab.

Fazit

Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass manipulative Cookie-Banner nur kurzfristig Vorteile für Websitebetreiber haben. Auf lange Sicht könnten die negativen Folgen überwiegen: erhöhte Privatsphärebedenken, abgebrochene Seitenbesuche und womöglich auf immer verlorene Userinnen und User. Nachhaltig denkende Unternehmen sollten sich gut überlegen, ob sie bereit sind, diesen Preis für den schnellen Gewinn zu zahlen. © HBm 2023

Ausgabe März 2023

Der unverschämte Kunde

Lächeln um jeden Preis? König Kunde wird immer häufiger zum ungnädigen Tyrannen. Wie Sie sich und Ihr Team schützen.

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