Vordenker-Serie: Péter Horváth Übersetzer der Zahlen

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Werk und Wirkung
Als der Wirbelsturm "Sandy" im November 2012 über New York wütete, befand sich Péter Horváth mittendrin. Er hatte sich zum Marathon angemeldet, es sollte sein 21. in der US-Metropole werden. Dass der Lauf abgesagt wurde, nimmt der 75-Jährige gelassen. "Der älteste Finalist in New York ist 93 Jahre", sagt er. Soll heißen: Für ihn wird es bestimmt noch weitere Gelegenheiten geben.
Horváth ist sehr aktiv. Das gilt für seinen Sport, insbesondere aber auch für seine Profession: Der studierte Maschinenbauer und Wirtschaftsingenieur gilt als Mitbegründer des Controllings. Er hatte 1975 den ersten Controllinglehrstuhl in Deutschland inne - an der damaligen TH Darmstadt (heute TU). Bald darauf veröffentlichte er ein Lehrbuch zu dem Thema, das sich schnell zum Standardwerk entwickelte.
"Anfangs hatten manche Kollegen meine Arbeit schon kritisch beäugt", erinnert sich Horváth. "Das haben wir doch immer schon gemacht", sagten die einen, "was soll das, so etwas haben wir doch noch nie gemacht", die anderen.
Praxistauglich
Rückenwind bekam Horváth jedoch aus der Praxis: Anfangs hatte er Unternehmen gebeten, mit ihm zu kooperieren, nach Erscheinen seines Buches waren es bald die Manager, die ihn ansprachen. Ihnen fehlte nicht nur das Handwerkszeug, Entscheidungen mit Zahlen und Fakten zu unterfüttern, sondern das Unternehmen danach zu steuern.
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Während es in Horváths Arbeiten zunächst darum ging, Controlling auf operative Fragen zu beziehen (Wie plant man realistische Budgets? Wie kalkuliert man die Kosten eines Produkts?), entwickelte es sich bald zu einem Instrument der Unternehmenssteuerung: Welche Zielgrößen benötigt ein Unternehmen für die langfristige Steuerung?
Horváth sieht sein Verdienst und das seiner Mitstreiter in Wissenschaft und Beratung darin, die entwickelten Instrumente praxistauglich gemacht zu haben. "Und dass wir sie erfolgreich umgesetzt haben, egal ob in Unternehmen oder öffentlichen Körperschaften."
Um seine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen vertieft anzuwenden, gründete Horváth 1981 eine eigene Controllingberatung. An einen großen Erfolg hatte er damals noch nicht gedacht, er hatte andere Sorgen: Bekam er zusätzlich zu seiner Professur die Genehmigung für eine Nebenerwerbstätigkeit? Fand er geeignete Mitarbeiter, und wie sollte er sie bezahlen? Heute beschäftigt Horváth & Partners rund 1000 Mitarbeiter an mehreren internationalen Standorten.
Einer seiner ersten namhaften Kunden war Porsche: Dem Autobauer half der Professor, eine Prozesskostenrechnung einzuführen. Jahre später beriet Horváth & Partners Siemens zum 'Target Costing', der Zielkostenrechnung. Dahinter verbirgt sich die Frage: Was darf ein entstehendes Produkt kosten? "Man lernt aus der Problemstellung der Kunden", sagt Horváth.
Gemeinnützig
Heute ist der emeritierte Professor Aufsichtsratsvorsitzender der Horváth AG. Noch immer hat er sein Büro in der Beratungsfirma in Stuttgart, neben seinem Arbeitsplatz im IPRI, dem "International Performance Research Institute", einer gemeinnützigen Forschungsgesellschaft zu Themen der BWL, die Horváth gegründet hat. Nebenbei leitet er Doktorandenseminare, kümmert sich um seine Stiftung - und natürlich um sein Lauftraining: im Winter zweimal in der Woche.
Ingenieur und Controller
Horváth wurde 1937 in Ungarn geboren. Er studierte Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen. Nach einer Tätigkeit als Ingenieur bei Siemens interessierte er sich verstärkt für die Steuerung von Unternehmensentscheidungen mittels Zahlen und Zielen. Er promovierte und habilitierte sich an der TU München.
Professor und Berater
1975 übernahm er den ersten Controllinglehrstuhl in Deutschland. 1980 wechselte er von Darmstadt nach Stuttgart, wo er 2005 emeritiert wurde. 1981 gründete er Horváth & Partners.
Mäzen
Horváth ist ein Freund der schönen Künste - und der Jugend: Mit seiner Péter Horváth-Stiftung fördert er begabte junge Wissenschaftler und Künstler.
Vorbilder und Wegbegleiter
Peter Mertens und Heiner Müller-Merbach
Beide haben Horváth zur akademischen Laufbahn motiviert: Peter Mertens, einer der Gründungsväter der Wirtschaftsinformatik, hat ihn 1966 als Assistent an der TU München eingestellt. Heiner Müller-Merbach initiierte den Controllinglehrstuhl an der damaligen TH Darmstadt. Er war dort als Professor für BWL und Operations Research tätig.
Robert Kaplan
Der emeritierte Harvard-Professor ist ein Freund und Kollege Horváths. Als Erfinder der Balanced Scorecard (BSC) - zusammen mit David Norton - hat er auch Horváths Arbeit beeinflusst. Die BSC ist ein Instrument des Controllings, mit dem das Erreichen strategischer Ziele messbar gemacht wird - und über die Ableitung von Maßnahmen umsetzbar.
Hermann Simon
Mit dem Unternehmensberater Hermann Simon diskutierte Horváth oft darüber, ob ein Wissenschaftler die Professur aufgeben muss, um ein erfolgreicher Berater zu sein (Modell Simon) oder nicht (Modell Horváth).
Ziele und Visionen
Einem Thema, das im klassischen Controlling eher zu kurz kommt, sagt Horváth eine Zukunft voraus: der Psychologie - genauer dem Verhalten von Wirtschaftssubjekten. Zwar wurde der US-Sozialwissenschaftler Herbert Simon für seine Studien in diese Richtung ("Entscheidungsprozesse in Wirtschaftsorganisationen") schon 1978 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.
"In der Rationalität verstecken sich unzählige Stolpersteine", meint Horváth. "Aus meiner eigenen Erfahrung heraus muss ich feststellen: Selbst bei dem Versuch, sich bewusst rational zu verhalten, gelingt es nur schwer."
Unzählige Großprojekte in der Wirtschaft scheitern, weil sie anhand irrationaler Kriterien entschieden wurden. "Und dann werden sie aufgrund von übertriebenem Optimismus zu spät aufgegeben." Nach Meinung des Wissenschaftlers könne das Controlling Indikatoren benennen, die ein Scheitern ankündigen und somit verhindern helfen. © 2013 Harvard Business Manager