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Vordenker-Serie: Peter F. Drucker Entdecker der Wissensarbeit

Wohl kein anderer Managementexperte hat von so vielen Seiten Anerkennung erfahren wie Peter F. Drucker. Zu Recht. Der 2005 verstorbene Denker hat in seiner mehr Karriere Unternehmen auf der ganzen Welt beraten, Managementnachwuchs ausgebildet und die Praxis der Unternehmensführung durch zahllose Ideen und Konzepte bereichert.
aus Harvard Business manager 11/2010
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George Rose / Getty Images

Werk und Wirkung

Als Peter Ferdinand Drucker im Alter von 41 Jahren Inhaber des weltweit ersten Lehrstuhls für Management an der New York University wird, hat er den Ruf nach Boston bereits zweimal abgelehnt. An der dortigen Harvard Business School studierten damals nur College-Abgänger. "Studenten ohne Berufserfahrung lernen nichts von mir", sagte Drucker später. "Weil ich nichts von ihnen lerne." Der Wissenschaftler, der sich selbst nie als Ökonomen bezeichnete, sondern als historischen Schriftsteller, hatte einen außergewöhnlichen Wissensdurst. "Wissensdrang ist wie Selbsterneuerung", betonte er. Er inhalierte komplexe Themen wie kein Zweiter. Alle drei, vier Jahre wandte er sich anderen Themen zu - und analysierte sie mit großer Klarheit.

Bis zu seinem Tod vor fünf Jahren veröffentlichte er 39 Bücher, die sich weltweit mehr als sechs Millionen Mal verkauften. So manches Werk wurde zur Standardliteratur. Die "New York Times" nannte Drucker den "Mann, der das Management erfand".

Menschenfreund

Drucker suchte stets Kontakt zu anderen: Privatpersonen, Unternehmen, staatlichen Organisationen. Er arbeitete mit Vorliebe als Unternehmensberater, wenngleich er diesen Begriff nicht mochte. Er verstand sich als Sozialökologe. Anfang der 40er-Jahre bekam Drucker von General Motors (GM), dem damals weltgrößten Unternehmen, den Auftrag, Struktur und Prozesse des Konzerns zu analysieren. Das Ergebnis dieser Arbeit veröffentlichte Drucker unter dem Titel "Concept of the Corporation" ("Das Großunternehmen"). Er plädierte für Dezentralisierung und wies darauf hin, dass motivierte Mitarbeiter der Schlüssel zum Erfolg jedes Unternehmens seien. GM gefielen Druckers Schlussfolgerungen nicht, die Zusammenarbeit wurde abgebrochen. Dafür überhäuften andere Firmen ihn mit Anfragen, darunter Coca-Cola , General Electric  und IBM . Im Laufe der Jahrzehnte hat Drucker zahlreiche große Unternehmen, viele Regierungsbehörden und nicht staatliche Organisationen beraten. Er gilt als Erfinder des "Management by Objectives", des Führens mit Zielvereinbarung.

Generalist

Drucker steht für viele Themen, eines hat der "Doyen der Unternehmensberater", wie er anerkennend genannt wird, aber besonders nachhaltig geprägt: das Wissensmanagement. Bereits 1969, als seine Professorenkollegen sich noch mit produktivitätsorientierten Managementansätzen beschäftigten, prägte Drucker den Begriff des Wissensarbeiters. In seinem Werk "The Age of Discontinuity" ("Die Zukunft bewältigen") sagte er die Ablösung der Industriearbeit durch Wissensarbeit voraus. Wissen "ist an kein Land gebunden. Es ist transnational. Es ist tragbar. Es kann überall geschaffen werden, schnell und billig", schrieb er. "In jeder Einrichtung hat sich das Hauptgewicht der Tätigkeit auf die Wissensarbeiter verlagert, jene, die keine Körperkraft oder Handfertigkeit einsetzen, sondern ihren Intellekt."

Es zeigt sich, dass Drucker zu Recht als Visionär bezeichnet wurde. Denn als wichtiges Managementthema setzte sich das Wissensmanagement erst 30 Jahre später durch. In seinem letzten großen gesellschaftstheoretischen Werk aus dem Jahr 1993, "Post-Capitalist Society", erinnerte er daran, dass Wissen das Kapital der Zukunft ist. Insofern ist es nur folgerichtig, dass das US-Magazin "Forbes" den damals fast 90-Jährigen etwas später auf die Titelseite hob mit der Schlagzeile: "Noch immer der jüngste Kopf".

Vordenker und Anhänger

Wiener Kreise

Zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten prägten den jungen Peter Drucker. Als Sohn einer Ärztin und eines angesehenen Ökonomen und Anwalts im Wirtschaftsministerium durfte er häufig bei Abendgesellschaften dabei sein. Zu den Gästen zählten die Ökonomen Joseph Schumpeter, Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek, der Psychoanalytiker Sigmund Freud, der Komponist Gustav Mahler sowie die Schriftsteller Franz Kafka und Thomas Mann.

Politiker und Manager

Ende der 30er-Jahre schrieb Drucker sein Buch "The End of Economic Man", in dem er den Nationalsozialismus kritisierte. Winston Churchill zollte ihm daraufhin in der englischen "Times" Respekt: "Drucker gehört zu jenen Menschen, denen man beinahe alles verzeihen kann, weil er nicht nur einen unabhän-gigen Geist hat, sondern auch die Gabe, bei anderen eine stimulierende Folge von Gedanken in Gang zu setzen."

Zu den vielen Managern, die Drucker bewunderten und seinen Rat suchten, gehören Andy Grove, der ehemalige CEO des Prozessorherstellers Intel , und Jack Welch ("Drucker ist mein Held"), der langjährige Chef von General Electric.

Vordenker der Ökonomie, Management-Theorie und Psychologie

Clayton Christensen und seine disruptive Innovation, die "Five Forces" von Michael Porter und die Management-Tipps von Linda Hill – die Ideen und Konzepte zahlreicher Vordenkerinnen und Vordenker haben die Management-Theorien geprägt. Lesen Sie hier die wichtigsten Ideen und Beiträge von Vordenkern wie Joseph Schumpeter, John P. Kotter, Peter Drucker und Herminia Ibarra.

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Ziele und Visionen

Während manche Köpfe für ein einziges Thema stehen und ihr Wirken darauf ausrichten, entwickelte sich Drucker im Laufe seines Lebens zum Vordenker für viele Gebiete. Ob Dezentralisierung und Outsourcing, der Aufstieg Japans zur wirtschaftlichen Großmacht, Corporate Governance, die Rolle des Managers oder die britische Herrschaft in Indien  - Drucker untersuchte zahlreiche Fragestellungen. Dabei beschäftigte ihn nie nur die betriebs- oder volkswirtschaftliche Seite, sondern stets auch die gesellschaftliche. Drucker interessierte das große Ganze. Zuletzt beriet er verstärkt gemeinnützige Einrichtungen: Kirchen, Krankenhäuser, Hilfsorganisationen gehörten zu seinen Kunden. Sie bekamen kostenlos, wofür Unternehmen zwischen 6000 und 8000 Dollar pro Tag bezahlt haben sollen.

Dieser Artikel erschien erstmals im November 2010 im Harvard Business manager.

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