Fünf Minuten mit Jann Wenner "Wer schreit, hat die Diskussion verloren"

Jann Wenner war der Mehrheitseigner des "Rolling Stone", bis er seine Anteile im Jahr 2017 verkaufte
Foto: Dana Scruggs / The New York Times / Redux / laifDieser Artikel gehört zum Angebot von manager-magazin+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Harvard Business manager: Warum haben Sie den "Rolling Stone" gegründet?
Jann Wenner: Ich war Rock-and-Roll-Fan, selbst aber kein guter Gitarrist. Die Musik und ihre Botschaften haben mich geradezu verschlungen. Ich wollte mehr darüber lernen und Teil dessen sein, was die Band The Lovin' Spoonful "the magic that can set you free" nannten, "die Magie, die dich befreien kann". Mein Mitgründer Ralph Gleason legte die philosophischen Grundlagen des Magazins in einem Essay in der Zeitschrift "American Scholar". Der Text trug den Titel "Like a Rolling Stone". Unsere Prämisse war: Rock and Roll ist bedeutsam und vermittelt wichtige soziale und politische Botschaften.
Wie haben Sie die Musiker ausgewählt, die Sie vorstellten?
Wir haben einfach über das geschrieben, was uns gefiel. Ihre Frage impliziert eine Art Methodik, die in alles eingeflossen sei. In Wirklichkeit arbeiteten wir aus dem Stegreif. Völlig spontan, aus dem Bauch heraus, mit viel Glück und Zufall.
Sie haben mit einigen großen Schriftstellern des späten 20. Jahrhunderts zusammengearbeitet, unter anderem mit Hunter S. Thompson und Tom Wolfe. Wie haben Sie sie beauftragt, sie begeistert und ihnen geholfen, sich zu fokussieren? Und wie sie, wenn nötig, gebremst?
Meiner Erfahrung nach lässt sich mit den besten Autoren am einfachsten arbeiten. Sie sind diszipliniert und wissen, was sie wollen. Man steuert sie in die Richtung, zu der sie von Natur aus ohnehin geneigt sind. Ich habe ihnen nicht gesagt, wie sie irgendetwas tun sollen, sondern sie lediglich ermutigt. Natürlich habe ich sie beaufsichtigt und ein wenig angestupst. Aber dazu gehörte nichts Großes. Lediglich Verständnis, Mitgefühl, Toleranz, Humor und Geduld. Eine meiner größten Gaben war es wohl, kreatives Talent zu verstehen: Wie man das Beste aus ihm herausholt, wie man es lenkt. Das gilt für die Künstlerinnen und Künstler, über die wir berichten, genauso wie für die Menschen, die für uns arbeiten.
Sie waren mit vielen großen Musikern und Labelchefs befreundet. Gab es Interessenkonflikte? Wie sind Sie damit umgegangen?
Das war einfach. Wir haben alle Entscheidungen nach unserem journalistischen und verlegerischen Instinkt und nach unserem Gespür für Nachrichten getroffen. Davor sind wir nie zurückgeschreckt, niemand hat etwas anderes erwartet. Unser Wert für die Musikbranche und die Leserschaft bestand in unserer Integrität .
Als der "Rolling Stone" wuchs und international expandierte: Wie erhielten Sie seine unternehmerische Rock-and-Roll-Kultur? Wie schafften Sie es, kein bürokratisches Unternehmen zu werden?
Wir blieben ein eher kleines Business. Zu Spitzenzeiten arbeiteten bei uns vielleicht 400 Menschen. Es war immer klar, dass ich das Ruder in der Hand hatte. Mir gehörte der Laden. Ich sagte, was zu tun war und traf schnelle Entscheidungen. Außerdem hatten wir alle eine harmonische, gemeinsame Zielsetzung, sodass bei uns wenig Politik und Bürokratie entstanden. Natürlich muss man die Leute immer noch begeistern, sich für das einsetzen, was man will. Und dabei nicht nur überzeugen, sondern auch fordern .
Hat sich Ihr Führungsstil mit der Zeit verändert?
Ich bin erwachsen geworden. Nachdenklicher und etwas weniger launisch. Mir ist klar geworden: Wer anfängt Leute anzuschreien, hat die Diskussion verloren. Ich war auch später noch zäh, aber ich habe immer versucht, die Leute zu guter Arbeit zu inspirieren. Wenn das gelang, war es mir egal, an welchen Tagen sie arbeiteten, zu welchen Zeiten oder wie sie es anstellten. Gebt einfach euer Bestes und habt Spaß – das verlangte ich von den Leuten. Wer nicht sein Bestes gab, konnte gehen.
Wie kommen Sie mit dem Ruhestand zurecht?
Ziemlich gut. Mein Buch zu schreiben hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich wollte ursprünglich Schriftsteller werden. Ich bin nur deshalb auf den Redakteursberuf ausgewichen, weil es damals, 1967, keinen Ort gab, an dem ich über Rock and Roll hätte schreiben können. © HBP 2023

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