Emotionen Wütend = schuldig? Das ist ein Trugschluss

Können wir erkennen, ob jemand schuldig ist oder nicht? Zum Beispiel wenn Kollegen ein Fehler vorgeworfen wird und sie beteuern, unschuldig zu sein? Meist verlassen sich Führungskräfte und andere Teammitglieder in solchen Momenten auf indirekte Indizien, etwa ob die betreffende Person wütend und aggressiv reagiert. Ein Fehler, wie eine neue Studie zeigt.
Im ersten von mehreren Experimenten bekamen die Studienteilnehmer Ausschnitte der Reality- Gerichtsshow "Judge Faith" zu sehen. Anschließend sollten sie beurteilen, in welchem Ausmaß der oder die Angeklagte wütend wirkte und wie wahrscheinlich eine Schuld war.
Je mehr Wut die Probanden wahrnahmen, desto stärker waren sie von der Schuld überzeugt. Wut löse bei Beobachtern den Eindruck aus, dass der- oder diejenige unkooperativ und hinterhältig sei, heißt es in der Studie.
Antwortverweigerer schneiden schlecht ab
Im nächsten Experiment bekamen die Probanden einen Text über den Verdächtigen bei einem Raubdelikt zu lesen, der sich als "nicht schuldig" bezeichnete. In verschiedenen Szenarien wurde er als wütend, gereizt, ruhig oder schweigend beschrieben. Die Probanden hielten ihn mit höherer Wahrscheinlichkeit für schuldig, wenn er als wütend dargestellt wurde, verglichen mit gereizt oder ruhig. Am häufigsten waren sie jedoch von seiner Schuld überzeugt, wenn er die Antwort verweigerte.
In einem abschließenden Experiment sollten die Probanden über eine Zeit schreiben, in der sie eines Vergehens beschuldigt worden waren – zu Recht oder zu Unrecht –, und ihre damaligen Gefühle wiedergeben. Dabei wurde klar, dass sie mehr Wut spürten und ausstrahlten, wenn sie fälschlich beschuldigt worden waren, unabhängig davon, ob die Angelegenheit trivial war oder Folgen hatte.
"Beobachter können Lügen nicht gut erkennen", resümieren die Wissenschaftlerinnen. "Wut ist nicht nur ein schlechter Indikator für Schuld; sie ist sogar ein zuverlässiger Hinweis auf Unschuld."
Quelle: Katherine DeCelles et al.: "Anger Damns the Innocent", Psychological Science, im Druck

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Dieser Artikel erschien in der August-Ausgabe 2021 des Harvard Business managers.