Der Patriarch sollte die Zügel rechtzeitig aus der Hand legen, damit das Unternehmen weiterwachsen kann Machtwechsel in Familienunternehmen
LOUIS B. BARNES ist Professor für Business Administration an der Harvard Business School. SIMON A. HERSHON ist ebenfalls an der Harvard Business School beschäftigt.
Eine der schwierigsten Entscheidungssituationen, mit denen ein Unternehmen konfrontiert werden kann, ist der Generationswechsel im Topmanagement. Das Problem tritt verschärft in Familienunternehmen auf, in denen sich der abzulösende Firmenchef nicht zurückzieht und abwartet, wie andere sich bemühen, sein Unternehmen zu leiten beziehungsweise zu übernehmen, während diese Nachkommen sich überwacht und frustriert fühlen. Söhne oder Angestellte müssen in der Regel ein langes und geduldiges Warten in Kauf nehmen, bis sie das Unternehmen leiten dürfen. Dieser Zeitpunkt ist im allgemeinen dann erreicht, wenn "der Alte" gestorben oder zu krank ist, um sich aktiv an der Leitung des Unternehmens zu beteiligen, obwohl er möglicherweise selbst dann noch das Familienunternehmen führen möchte. Das kann jahrelange Spannungen und Konflikte hervorrufen, wobei von der älteren sowie der jüngeren Generation eine friedliche Koexistenz im Topmanagement vorgetäuscht wird. Ein Manager der zweiten Generation sagte im Gespräch über diese Probleme: "Glücklicherweise starb mein Vater ein Jahr, nachdem ich in die Firma eintrat." Über ein anderes Unternehmen sagte ein voraussichtlicher Käufer: "Der Seniorchef ruiniert das Unternehmen so schnell, daß wir es fast geschenkt bekommen werden, bevor seine Kinder es wieder aufbauen können." Das Problem des Machtwechsels berührt gleichermaßen Familienmitglieder und Außenstehende. Makler und Bankiers, Manager, Angestellte, Mitbewerber, nicht zur Familie gehörige Direktoren, Ehefrauen, Freunde und potentielle Investoren haben alle mehr als bloß ein flüchtiges Interesse am Übergang des Unternehmens von einer Generation zur nächsten. Manchmal geht ein derartiger Machtwechsel anscheinend ohne Probleme vor sich. Meistens jedoch nicht. Das Management des Unternehmens wird durch einen Familienstreit hin- und hergerissen und so zur Unentschlossenheit verurteilt. Söhne, Erben, wichtige Angestellte und Direktoren treten häufig unter Protest ab. Familien werden durch Konflikte gespalten. Käufer, die das Unternehmen aufkaufen oder fusionieren wollen, ändern kurzfristig ihre Meinung, und nicht selten geht das Unternehmen zugrunde oder stagniert in seiner Entwicklung. Die Häufigkeit derartiger Berichte und die leidvollen Beschreibungen des Machtwechsels von einer Generation zur nächsten veranlaßten uns zu einer förmlichen Untersuchung mit der Fragestellung, was in einem Familienunternehmen oder, genauer gesagt, in einer Familie und ihrem Unternehmen geschieht, wenn beide im Laufe der Zeit wachsen und sich weiter entwickeln. Was geschieht vor allem in den Familien und den Unternehmen während der Perioden, in denen die eine oder andere Generation eindeutig an der Macht ist, aber beide "im Spiel" sind? Und wie schaffen es manche Manager, den Machtwechsel in der Familie durchzustehen oder zu umgehen und dabei eine Behinderung der Weiterentwicklung des Unternehmens zu vermeiden? Und zuletzt, können beziehungsweise müssen Machtwechsel in der Familie und im Unternehmen voneinander getrennt gehalten werden?
Professionelles
oder Familienmanagement?
Einige Beobachter von Familienunternehmen meinen, das Familienmanagement müsse in wachstumsorientierten Unternehmen von professionellen Managern ersetzt werden, und zwar je eher desto besser. Die eben beschriebenen Probleme könnten langfristig zu einer Störung, mitunter Zerstörung der Familie, des Unternehmens oder sogar beider führen. Außerdem, so lautet die Begründung, wird sich ein objektives, professionelles Management auf das konzentrieren, was für das Unternehmen und seine Weiterentwicklung wichtig ist, ohne sich in die emotionalen Verwicklungen der Familienpolitik einzumischen. Dieses rationale Argument zugunsten eines professionellen Managements in aufstrebenden Unternehmen hat viele starke Befürworter. Ein weiterer Vorschlag zur Lösung des Problems besagt, daß die Familienmitglieder einen Trust bilden und alle Verwandten aus dem Familienunternehmen entfernen sollen, was sie dazu befähigt, in ihrer Gesamtheit als eine Familie zu handeln. 1) Wie jedes Argument zugunsten von mehr Objektivität hat die Befürwortung des professionellen Managements die Logik auf ihrer Seite. Es ist eine vernünftige Unternehmens- und Familienpolitik zugleich. Man verhindert die Vermischung des Privatlebens mit dem Geschäftsleben und trägt dazu bei, das Übel der Vetternwirtschaft und einer schwachen Nachfolge zu vermeiden, wodurch offensichtlich die sonst so häufigen Krisen verursacht werden. Historisch gesehen ist das Hauptproblem bei diesem rationalen Argument, daß die meisten Unternehmen sich mehr auf die Strategie der Psychologie von Einzelpersonen aus der Familie als auf eine logische Geschäftsführung verlassen. Die Beweise dafür sind erdrückend. In den Vereinigten Staaten gibt es mehr als eine Million Unternehmen. Etwa 980 000 von ihnen - darunter auch die größten - gelten als Familienunternehmen. Wie wir haben jedoch viele einen gegenteiligen Eindruck: Wir neigen zu der Annahme, daß sich Familienunternehmen nach etwa einer Generation in Publikumsgesellschaften verwandeln, die von nicht zur Familie gehörigen Managern geleitet werden. Diese Annahme stammt zum Teil aus einer bedeutenden Untersuchung über Großunternehmen von Adolph Perle und Gardner Means, die behaupteten, daß das Eigentum an wichtigen amerikanischen Großunternehmen allmählich immer weiter gestreut wird, und daß die Geschäftsführung allmählich in die Hände von Managern übergeht, die nur einen kleinen Teil der Aktien ihres Unternehmens besitzen. Diese weit verbreitete "Tatsache" wurde von John Kenneth Galbraith zur Ausbildung eines Konzepts verwandt, das er als die "Technostruktur" der Industrie bezeichnete. Es beruhte im wesentlichen auf der von ihm behaupteten Trennung von Eigentum am Unternehmen und Kontrolle durch das Management. 2) Es gibt jedoch anderslautende Beweise. Eine Studie von Robert Sheehan, über die in "Fortune" berichtet wurde, untersuchte die 500 größten Unternehmen im Hinblick auf diese Frage. Sheehan stellte fest, daß in den größten Unternehmen Familieneigentum und Kontrolle durch Familien immer noch signifikant sind, und daß in etwa 150 Unternehmen eine einzelne Person oder die Mitglieder einer einzigen Familie die Aktienmehrheit besaßen. Es ist ebenfalls bezeichnend, daß diese Eigner nicht nur die Überbleibsel der Dynastien des 19. Jahrhunderts waren, die einst die amerikanische Wirtschaft beherrschten - viele von ihnen hatten relativ junge Gesichter. 3) Durch eine weitere Untersuchung von 450 Großunternehmen, die Philip Burch im Jahre 1972 vornahm und veröffentlichte, wurde die vorhin beschriebene Annahme noch stärker angezweifelt. Nach seinen Berechnungen werden 42 Prozent der größten Publikumsgesellschaften von einer Person oder einer Familie beherrscht, und weitere 17 Prozent gehören zur Kategorie "möglicherweise von einer Familie beherrscht". Eine weitere wichtige Kategorie von Großunternehmen im "Privatbesitz" umfaßt Unternehmen mit weniger als 500 Aktionären, die nicht verpflichtet sind, ihre Bilanzen zu veröffentlichen. Viele bekannte Namen gehören zu dieser Kategorie, unter anderem Cargill, Bechtel Corporation, Hearst Corporation, Hallmark Cards und Hughes Aircraft. Burch stellte fest, daß entgegen der allgemeinen Erwartung eine ziemlich umfassende Familienherrschaft besteht. Sie ist durch bedeutenden Aktienbesitz und nach außen hin durch wichtige Positionen im Board of Directors sowie in vielen Fällen noch durch direktes Familienmanagement gekennzeichnet. 4) Sorgfältige Recherchen über Familien in kleinen und großen Unternehmen haben ergeben, daß der Generationswechsel in Familien und die Weiterentwicklung von Unternehmen Hand in Hand gehen, auch wenn der Prozeß manchmal problematisch verläuft. Hierzu die folgenden Beispiele: * H. J. Heinz wurde von Henry J. Heinz zunächst als Unternehmen zum Abfüllen und Verkauf von Meerrettich gegründet. Heute steht sein Enkel H. J. Heinz II an der Spitze des Milliardenkonzerns. * Triangle Publications besitzt den Morning Telegraph, TV Guide und Seventeen. Das Unternehmen wurde von Moses Annenberg gegründet. Sein Sohn Walter wurde Nachfolger, und seine Tochter Enid ist jetzt Chefredakteurin von Seventeen. * Die Bechtel Corporation wurde von Warren A. Bechtel als Eisenbahnbauunternehmen gegründet. Unter der Führung seines Sohnes Steve sr. stellte das Unternehmen auch Röhren für Pipelines und Kernkraftwerke her. Heute steht Steve jr. an der Spitze des Milliarden-Unternehmens, das noch weiter diversifiziert. * Zu Kaiser Industries, die von Henry J. Kaiser gegründet wurden, gehören Kaiser Steel, Kaiser Aluminium and Chemical, Kaiser Cement and Gypsum, Kaiser Broadcasting, Kaiser Engineering und Kaiser Resources. Dieses gigantische Industrieimperium wird von Henrys Sohn Edgar geleitet, der jetzt über 65 Jahre alt ist. Als Nachfolger ist offensichtlich Edgar jr., der President von Kaiser Resources, vorgesehen. Nun erscheint die Frage, ob ein Familienunternehmen in der Familie bleiben soll, geradezu akademisch. Es ist eindeutig, daß Familien ihre Unternehmen auch weiterhin leiten und daß die Unternehmen in Familienbesitz bleiben werden. Deshalb geht es bei einem Machtwechsel auch um wesentlichere Dinge als nur persönliche Geschäftsinteressen.
Interne und externe
Perspektiven
Was sind die Ursachen, wenn der Wechsel von einer Generation zur nächsten eine Veränderung im Unternehmen und in der Familie bewirkt? Und welche Konsequenzen hat es, wenn Unternehmen und Familie zwar unabhängig voneinander sind, aber durch Pläne, Diskussionen und Gefühle verbunden bleiben? Bei der Behandlung dieser Fragen dürfte es nützlich sein, zusätzlich zum Altersunterschied zwei weitere Perspektiven zu untersuchen: die Familien- und die Unternehmensperspektive. Beide können von innen und von außen betrachtet werden. Abbildung 1 zeigt die verschiedenen Perspektiven, die für die Mitglieder der Familie und des Unternehmens gelten. Eine ist die der "Familienmanager" (innerhalb der Familie und des Unternehmens). Wenn sie die übrigen drei Perspektiven vergessen oder ignorieren, fällt es ihnen leichter, auf dem eigenen Standpunkt zu verharren. Zu solchem Verhalten gehört, daß die ältere Generation ihre Positionen behalten will und daß die jüngere Generation beständig nach Macht strebt. Eine zweite Perspektive ist die der "Angestellten" - und zwar ebenfalls der älteren und jüngeren - , die im Unternehmen tätig sind, aber nicht zur Familie gehören. Es versteht sich von selbst, daß sie einem ganz anderen Druck unterliegen und ganz andere Sorgen haben als die Familienmanager, obwohl viele von ihnen wie Mitglieder der großen Familie "Unternehmen" behandelt werden. Die älteren Angestellten wollen, daß ihre Loyalität belohnt wird, daß sie am Kapital beteiligt werden und daß ihr Job sicher ist. Jüngere Angestellte wollen Karriere machen, eine Gelegenheit zur Weiterentwicklung haben und auch am Kapital beteiligt werden; darüber hinaus wollen sie wissen, warum es sich für sie lohnt, im Unternehmen zu bleiben. Beide Altersgruppen tragen die Sorge, wie sie den Machtwechsel in der Familie überstehen werden. Eine dritte Perspektive ist die der "Verwandten", das sind diejenigen Familienmitglieder, die sich nicht aktiv am Management des Unternehmens beteiligen. Die älteren sehen ihr Einkommen gefährdet und sorgen sich um Familienkonflikte, die Dividendenpolitik und um Jobs im Unternehmen für ihre eigenen Kinder. Die jüngeren Verwandten - zumeist desillusionierte Brüder und Vettern - verspüren mehr oder weniger den Drang, ins Unternehmen einzusteigen. Beide Generationen können Interesse zeigen, sich einmischen, betroffen reagieren und manchmal auch nützlich sein, wie wir später sehen werden. Schließlich gibt es als vierte Perspektive die der "Außenseiter". Diese Leute sind Mitbewerber, an der Forschung und Entwicklung des Unternehmens interessierte Personen, Gläubiger, Kunden, Regierungsbeamte, Lieferanten, Wirtschaftsberater und andere Leute, die mit dem Unternehmen nur in Bezug auf seine Geschäftspraktiken zu tun haben. Ihr privates Interesse am Unternehmen ist sehr verschiedenartig und kann sowohl konstruktiv als auch destruktiv sein. Eine merkwürdige Ironie besteht darin: Je weiter "außerhalb" der Familie die Perspektive liegt, desto legitimer erscheint sie als "reales" Managementproblem. Dennoch sind die Interessen "innerhalb" der Familie genauso wichtig wie die Probleme "außerhalb" und beanspruchen oft noch mehr Zeit. Die Probleme innerhalb der Familie, die in Büchern über Unternehmensführung, Berichten von Wirtschaftsberatern und Lehrveranstaltungen beschrieben sind, werden im allgemeinen ignoriert. Es kann aber für die Familie und für das Unternehmen katastrophale Folgen haben, wenn diese Realitäten des Lebens nicht genug beachtet werden. Unsere Untersuchung hat ergeben, daß der Machtwechsel von einer Generation zur nächsten seltener stattfindet, wenn "der Alte" noch am Leben und präsent ist. Statt dessen gibt es während dieser Zeit eine Übergangsphase, die für die ältere und die jüngere Generation große Schwierigkeit mit sich bringt. Für den Firmenchef entspricht die Übergabe der Unternehmensführung dem Unterschreiben des eigenen Todesurteils. Für den Sohn oder Nachfolger sind die Schwierigkeiten durchaus vergleichbar: "Ich habe alle erforderlichen Dokumente aufgesetzt, um den Anteil meines Vaters aufzukaufen, weil er schon seit längerem gesagt hatte, daß ihm nichts mehr am Geschäft liege. Als aber alles vorbereitet war und wir ihm die Papiere zur Unterzeichnung vorlegten, verhielt er sich plötzlich sehr merwürdig. Alles war ordnungsgemäß erledigt worden, trotzdem wollte er nicht unterschreiben. Schließlich sagte er mir, daß er glaube, es nicht übers Herz bringen zu können. Es fiel ihm unendlich schwer, das Unternehmen tatsächlich zu übergeben. Er meinte, immer noch seinen Beitrag leisten zu müssen." Ein zweiter Kommentar: "Ich kann die Verhältnisse nicht so schnell ändern, wie ich es gern möchte. Aber es ist mir absolut klar, daß eine grundlegende Änderung erforderlich ist Dies ist aber nicht einfach. Zunächst muß man mein Alter, meine Erfahrungen und meine Stellung als Sohn des Chefs bedenken. Jeder andere Topmanager im Unternehmen ist über fünfzig. Über diesen Punkt bin ich ständig unzufrieden. Ich möchte einen größeren Geschäftsanteil besitzen. Bisher habe ich nur sieben Prozent des Kapitals, mein Vater hat 80 Prozent und der Rest der Familie weitere 13 Prozent. In meiner momentanen Position kann ich das Unternehmen nicht schnell genug auf Trab bringen. Wir streiten uns häufig, aber nichts scheint sich zu ändern. Ich habe mir jetzt folgendes Ziel gesetzt: Wenn ich nicht innerhalb der nächsten zwei Jahre die Leitung des Unternehmens bekomme, dann verlasse ich das Unternehmen und mache eben etwas anderes."
Der Machtwechsel
Während Familienmanager die Mehrfachbelastung durch die Konflikte der Generationen in Übergangszeiten spüren, findet ein anderer damit verwandter Prozeß im Zuge des Wachstums und der Weiterentwicklung des Unternehmens statt. Mehrere Autoren haben versucht, diesen Prozeß zu beschreiben. Was der eine als mühelose Entwicklungsprozedur bezeichnet, betrachtet der andere als eine Serie schwieriger Krisen. Für viele ist eine Folge von Wachstumsstufen wichtig, für andere zählt das zeitliche Zusammenfallen von Funktionen und Prozessen. Die meisten Autoren stellen keine Verbindung zwischen dem Aufstieg und Fall des Unternehmens und dem Machtwechsel in der Familie her. Für uns haben sich jedoch im Hinblick auf den Machtwechsel in Unternehmen folgende Erkenntnisse ergeben: 1. Das Wachstum von Organisationen verläuft im allgemeinen nicht linear, sondern in voneinander getrennten Stufen, wobei die Wachstumsrate auf jeder Stufe unterschiedlich ausfällt. 2. Perioden weitreichender organisatorischer Entwicklung finden oft zwischen Wachstumsperioden statt. Diese langsameren Perioden werden oft mit großer Bestürzung wahrgenommen, aber sie zwingen die Manager zu prüfen, in welche Richtung sich das Unternehmen entwickelt hat. Diese Entwicklungsperioden sind Übergangsphasen, die weniger dramatisch zu sein scheinen (das heißt, es findet weniger Wachstum statt), aber für die Vorbereitung eines Unternehmens auf seine Zukunft von entscheidender Bedeutung sind. 5) Der scheinbare Stillstand kann einen nützlichen Lernprozeß in Gang setzen, wenn das Management einmal damit begonnen hat, neue Praktiken und Verfahren zu entwickeln und zu erproben. 3. Eine typische Reaktion des Managements auf Belastungen in einer Übergangszeit besteht in der totalen oder teilweisen Umorganisierung des Unternehmens. Dies verhilft manchmal dazu, die alten Zöpfe abzuschneiden, löst aber nur selten eine Übergangskrise. Vielmehr braucht das soziale und politische System des Unternehmens Zeit, sich den neuen Normen und Verhältnissen anzupassen.
Abbildung 2 zeigt, wie eine spätere Wachstumsstufe sich von den vorherigen unterscheidet und auf ihnen aufbaut. Die erste Stufe ist charakteristisch für ein Unternehmen in der Gründerphase mit einem direkten Management. Die zweite Stufe wird von einer schnell wachsenden Produktpalette und einer Marktsituation gekennzeichnet, die spezielle Funktionen des Managements der zweiten Ebene erfordert. Auf der dritten Stufe hat ein Unternehmen mehrere diversifizierte Produktpaletten und Märkte. Während der Managementstil der ersten Stufe höchst persönlich und direkt ist, tendiert die zweite Stufe zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen dem Chef und einer Arbeitsgruppe von Spezialisten. Der dritten Stufe entspricht ein weniger vertrauensvoller, unpersönlicher und kollektiver Stil sowie ein Chief Executive, der Generalisten und Spezialisten leitet. Im Rahmen der ersten Stufe besteht das Hauptproblem für kleine Unternehmen in der Sicherung der Existenz. Unternehmen der zweiten Stufe haben im allgemeinen ein Ausmaß erreicht, daß spezialisierte Funktionen wie zum Beispiel Finanzen, Produktion, Marketing und Engineering umfaßt. Wenn das Unternehmen weiter wächst, dürfte es sich im allgemeinen zum Muster der dritten Wachstumsstufe hin entwickeln: Zu diesem Zeitpunkt gestalten sich verschiedene Produktpaletten in voneinander getrennte Unternehmen oder Divisions, wobei in multinationalen Unternehmen die Trennung auch auf geographischer Ebene vollzogen werden kann. Zwischen den Wachstumsstufen treten Übergangsphasen auf, die dazu beitragen, daß ein Unternehmen sich auf seine nächste Stufe vorbereitet. Der Übergang von einer Wachstumsstufe zur nächsten erfordert Zeit, neue Interaktionsmuster und eine kritische Phase der Überlappung. Die vertikalen Linien (Abbildung 2) stellen ausgedehnte Zeiträume dar, deren Dauer durchaus variabel und unregelmäßig ist. Wie wir bereits gesehen haben, können Machtwechsel in der Familie und im Unternehmen voneinander getrennt und zu verschiedenen Zeiten vor sich gehen. Wir haben jedoch festgestellt, daß sie in der Regel gleichzeitig erfolgen. Wenn ein Unternehmen das Problem des Überlebens überwunden hat und ein schnelles Wachstum bewältigen muß, sind neue Kontroll-, Motivations- und Entlohnungssysteme erforderlich. Es braucht nun auch einen Managementstil, der Spezialisten und ihre Funktionen integrieren kann. Diese Entwicklung erfordert ein Topmanagement, das zu diesem weiteren Schritt, über das bloße Überlebensdenken hinaus, in der Lage ist. An dieser Stelle kommt die hoch motivierte jüngere Generation ins Spiel. Der Sohn, die Tochter oder die Geschwister neigen eher dazu, über traditionelle Geschäftspraktiken hinauszugehen. Diese aufgestaute Energie erschien uns bei 27 von 32 Unternehmen, die nach unserer Untersuchung die erste Wachstumsstufe bereits verlassen hatten, ein wichtiger Faktor für die Weiterentwicklung nach dem Machtwechsel im Unternehmen zu sein. Eine ganz andere Art des Übergangs kann man zwischen der zweiten und der dritten Wachstumsstufe beobachten. Die Organisationseinheiten im Unternehmen und den Divisions hatten auf der dritten Stufe General-Manager sowohl in der Zentrale als auch in den dezentralisierten Organisationseinheiten. Diese arbeiteten sowohl mit anderen General-Managern als auch mit Spezialisten für bestimmte Funktionen zusammen. Das bedeutet, daß sie ein Gefühl für die komplexe Interdependenz, die heutzutage die meisten Großunternehmen kennzeichnet, entwickeln konnten.
Fallbeispiel Krisch
Diese zweifachen Übergänge werden offensichtlich dann optimal gefördert, wenn das alte Management auf die ein oder andere Weise dem neuen Management den Weg ebnet. Der folgende Fall bildet ein gutes Beispiel: 6) Als Max Krisch im Jahre 1851 nach Amerika auswanderte, brachte er seine fachliche Erfahrung als Bäcker und ein altes Familienrezept für das Brotbacken mit. Bald nach seiner Ankunft gründete er eine kleine Bäckerei. Das kleine Unternehmen wuchs, und Max ließ sich von seinen drei Söhnen helfen, sobald sie alt genug waren, um die Backöfen nach der Schule und an Wochenenden zu bedienen. Als der älteste Sohn Martin sein Abschlußexamen am College gemacht hatte, trat er in das Unternehmen ein und fing bald an, Änderungen vorzuschlagen, die nach seiner Überzeugung die weitere Entwicklung des Unternehmens fördern würden. Sein Vater wies die Änderungsvorschläge ab, und oft stritten sich die beiden deshalb. Manchmal wollte der Streit nicht enden und wurde sogar noch erbitterter. Schließlich gab die Frau von Max ihre neutrale Rolle auf und griff zugunsten von Martin ein. Sie bat Max, dem Sohn die Chance zu geben, seine Ideen in die Tat umzusetzen. Max gab unter Zögern nach und ließ Martin den ersten Schritt machen. Martins Idee bestand darin, Brot an Milchhändler zu verkaufen, die es ihren regulären Kunden anbieten sollten. Das war damals ein neues Konzept und es funktionierte. Die Nachfrage nach Krischs Brot ging steil nach oben. Zu diesem Zeitpunkt war auch der zweite Sohn Peter bereit, in die Firma einzutreten. Martin erkannte, daß die Produktionskapazität des Unternehmens bald nicht mehr den steigenden Absatz decken würde. Er hoffte, daß Peter die Produktion übernehmen und sie modernisieren und ausweiten würde, aber Max reagierte erneut negativ. Er behauptete, daß sein Brot nicht in großen Mengen gebacken werden könne, ohne sich qualitativ drastisch zu verschlechtern. Martin und Peter versprachen ihrem Vater schließlich, die neuen Produktionsmethoden wieder fallen zu lassen, wenn diese die Qualität des Brotes mindern würden. Im Laufe der Zeit aber ließ sich Max doch zu dieser Änderung überreden, und Peter arbeitete mit seinem Vater an der Lösung des Problems, die Produktion zu steigern, aber dennoch die Qualität aufrecht zu halten. Auch in diesem Fall verwandte die Mutter ihren Einfluß darauf, den Frieden in der Familie zu bewahren. Als der dritte Bruder Kurt in das Unternehmen eintrat, übertrug ihm Martin die Verantwortung für die Buchhaltung und die Finanzen. Als Max sich allmählich aus dem Unternehmen zurückzog, übernahm Martin dessen Leitung. Peter war zuständig für die Produktion, und Kurt kümmerte sich weiter um die finanziellen Angelegenheiten. Das Unternehmen blühte. Gelegentlich fühlten sich die drei Söhne durch die häufigen starken Meinungsäußerungen ihres Vaters über einige Aspekte des Unternehmens eingeengt. Dann griff die Mutter oft als Schiedsrichter ein, um die Streitigkeiten zu schlichten. Im allgemeinen war sie imstande, ihrem Mann und ihren Söhnen dabei zu helfen, eine allseits befriedigende Lösung ihrer Probleme zu erzielen. Unsere Untersuchungen haben ergeben, daß ein zeitliches Zusammenfallen des Machtwechsels in der Familie und in der Organisation - wie im Fall Krisch - im allgemeinen in einer Atmosphäre der Spannungen und der Ungewißheit verläuft. Sehr oft übt eine Mutter ihren Einfluß hinter den Kulissen aus. Es kommt aber noch häufiger vor, daß der Machtwechsel weder in der Familie noch im Unternehmen zufriedenstellend verläuft. Bei Krisch führte Martin das Unternehmen zur zweiten Wachstumsstufe. Die einfühlsame Behandlung der Familienverhältnisse durch seine Mutter erleichterte aber diesen Prozeß und ermöglichte es schließlich den Brüdern, ein hervorragendes Wachstum des Unternehmens zu erreichen. Obwohl Max miterleben mußte, daß seine Söhne nach der Übernahme des Unternehmens von seinen erprobten Arbeitsweisen und -methoden abwichen, wurde er zu ihrem nützlichen Ratgeber, nachdem er und seine Söhne Martin als Chef des Unternehmens, nicht aber der Familie, akzeptiert hatten. Der Machtwechsel im Unternehmen fand statt, als Max mit seinen Söhnen eine neue Arbeitsbeziehung und mit seiner Frau eine neue persönliche Beziehung begann. Weil Martin sich auf die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens konzentrierte und seine Mutter dazu beitrug, die Familie zusammenzuhalten, konnte die Firma Krisch beide Übergänge gut überstehen. Die zweite Übergangsperiode bei Krisch ist ebenfalls sehr lehrreich. Nach einer eindrucksvollen dreißigjährigen Entwicklung stellten Martin Krisch und seine Brüder die Weichen für die Übernahme des Unternehmens durch die dritte Generation. Martins Sohn, Max Krisch II, kam am ehesten als Nachfolger in Frage. Im Jahre 1925 richtete das Unternehmen ein Executive Committee für die Familienmanager und die nicht zur Familie gehörigen Manager ein, das Entscheidungen durch Konsens erzielte. Die Brüder waren der Ansicht, daß ein derartiges Arrangement dazu beitrug, die Familie zusammenzuhalten, und wertvolle Anregungen durch die nicht zur Familie gehörigen Mitglieder des Executive Committees ermöglichte. Zur Vorbereitung des Übergangs heuerte Martin, der zu diesem Zeitpunkt 55 Jahre alt war, einen Berater an, der vorschlug, dem Committee einen Koordinator zu geben. Diese Rolle übernahm Martin zunächst selbst und gab sie dann weiter an Max II, der soeben Mitglied des Committees geworden war. Bald darauf empfahl der Berater, Martin solle sich aus dem Committee und dem Unternehmen soweit wie möglich heraushalten. Daraufhin begann Martin, einen immer größeren Teil seiner Zeit außerhalb des Unternehmens in politischen Organisationen, Wohltätigkeitsvereinen, dem Aufsichtsrat anderer Unternehmen und mit sonstigen geschäftlichen Aktivitäten zu verbringen. Gelegentlich war er frustriert und unglücklich, weil er nicht mehr im Zentrum des Unternehmens stand, aber es machte ihm Freude zuzusehen, wie Max II sich als Manager entwickelte und die Weichen für eine weitere Expansion und Diversifikation des Unternehmens in neue Geschäftszweige stellte. Neue Produktionsrichtlinien wurden entwickelt, das Unternehmen in Divisions aufgeteilt und eine ganze Kette anderer Unternehmen ins Leben gerufen. Alles schien in bester Ordnung zu sein, bis das Unternehmen in einen Kartellrechtsstreit verwickelt wurde, aufgrund dessen einige seiner ehrgeizigsten Pläne nur mit Beschränkungen und verspätet in die Tat umgesetzt werden konnten. Obwohl die Pläne bei Krisch, das Eigentum am Unternehmen weit zu streuen sowie weiterhin auf Diversifikation und Expansion zu setzen, gezwungenermaßen mehrere Jahre lang auf Eis lagen, wurde offensichtlich mit Erfolg der Machtwechsel in der Familie und im Unternehmen bewältigt.
Ein einziger Übergang
Obwohl die meisten der von uns untersuchten Unternehmen zur selben Zeit einen Wechsel im Topmanagement und in der Wachstumsstufe erlebten, gab es auch Unternehmen, die nur einen Wechsel zur selben Zeit durchmachten. Dies kann bei einem stagnierenden Unternehmen passieren, wenn die ältere Generation sich zugunsten der jüngeren zurückzieht, ohne daß es zu einer Veränderung kommt. Zu dieser Gruppe gehört Quinn Company.
Fallbeispiel Quinn
Im Familienunternehmen Quinn war es schon immer schwierig gewesen, die Harmonie aufrecht zu erhalten. Josiah Quinn gründete das Unternehmen, das die Industrie belieferte, im Jahre 1911. Er begann das Geschäft zusammen mit einem Partner, und es wuchs allmählich. Als sich die geschäftliche Lage verbesserte, begann der Partner, sich weniger einzusetzen, und es kam zu Gehaltsstreitigkeiten zwischen Quinn und seinem Partner. Als seine Frau plötzlich starb, verkaufte Quinn seinen Geschäftsanteil an seinen Partner und zog mit seinen fünf Kindern in den Westen. Nach mehreren Jahren kehrte er von dort zurück, startete ein neues Unternehmen, heiratete wieder und bekam mit seiner zweiten Frau zwei Kinder. Später traten Quinns älteste Kinder in das Unternehmen ein. Sie arbeiteten gut zusammen, und das Unternehmen entwickelte sich günstig. Als aber die Kinder aus zweiter Ehe ebenfalls dazu kamen, entwickelten sich Eifersucht und Wut. Täglich behinderten irgendwelche persönlichen Konflikte den Betrieb. Diese Probleme beeinflußten auch das Familienleben, wobei die Frau die Partei "ihrer" Kinder gegen "seine" ergriff. Nach einiger Zeit entschloß sich Quinn, ein separates Unternehmen für die Kinder seiner Frau aufzubauen. Er gründete es unter einem anderen Namen, brachte Kunden des anderen Unternehmens mit ein und freute sich, daß er beim Start helfen konnte. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde Quinns fähigster Sohn eingezogen. Er wurde nach Westen geschickt, heiratete später und gründete schließlich sein eigenes Unternehmen in San Francisco. Dadurch blieb Quinns erstes Unternehmen ohne einen wirklich fähigen Nachfolger, obwohl die Brüder und Schwäger des abgereisten Sohnes sich große Mühe gaben, die Firma in Gang zu halten. Wieder kam es verstärkt zu Meinungsverschiedenheiten. Das Unternehmen überdauerte zwar Quinns Tod, die Leistung steigerte sich aber während der folgenden 30 Jahre nicht. Der Übergang in der Quinn Company von der ersten auf die zweite Generation wurde durch einen wesentlichen Bruch innerhalb der Familie und durch die negative Rolle beeinflußt, die Quinns zweite Frau spielte. Die Familienkonflikte hinderten offensichtlich Quinn und seine Erben daran, sich mit den Problemen des Machtwechsels im Unternehmen zu befassen, weil ihre gesamte Energie auf familiäre Streitereien verwandt wurde. Dies führte zu einem Machtwechsel in der Familie ohne einen gleichzeitigen Machtwechsel im Unternehmen. Solche einseitigen Übergänge sind für die Menschen in der Familie und im Unternehmen noch schwerer zu verkraften, als wenn sich zwei Übergänge zur selben Zeit ereignen. Heute bereitet sich die Quinn Company mühevoll auf einen weiteren Machtwechsel vor. Die zweite Generation hatte offensichtlich unter dem ersten Machtwechsel sehr gelitten, aber wenig daraus gelernt. Den älteren Familienmanagern fällt es sehr schwer, die Zügel aus der Hand zu geben. Der 66 Jahre alte Präsident tritt nur sehr unwillig ab, und auf ihn folgt ein 68 Jahre alter angeheirateter Verwandter, dessen Söhne bereits ungeduldig und manchmal mit unverantwortlichem Verhalten auf den Tag warten, an dem sie die Führung übernehmen. Darunter leidet das Unternehmen. Ein anderer singulärer Übergang offenbart sich, wenn ein Unternehmen innerhalb einer Managementgeneration von einer Wachstumsstufe zur nächsten übergeht. Diese Art von Wachstum kommt in der ersten Generation anscheinend selten vor, was zum Teil daran liegt, daß Firmengründer im allgemeinen nicht zu Umstrukturierungen in der Lage sind, das Wachstum aber eine Umstrukturierung und eine Änderung des Managementstils erforderlich macht. Wir fanden heraus, daß ein derartiger Übergang im Unternehmen ohne einen gleichzeitigen Übergang in der Familie häufiger in der zweiten Generation vor sich geht. Unternehmern der ersten Generation fiel es schwer, zu einer Strategie für hohes Wachstum und einem eher kooperativen Managementstil überzugehen. Ihre Söhne waren flexibler, was möglicherweise daran lag, daß der Wechsel von der zweiten zur dritten Wachstumsstufe in geringerem Umfang die Lösung persönlicher Bindungen erforderlich macht oder auch weil sie mehr Hilfestellung zur Bewältigung des Wechsels erhielten. Der folgende Fall ist ein gutes Beispiel für einen derartigen Übergang.
Fallbeispiel Thomas
Als Wells Thomas starb, ging sein Metallverarbeitungsunternehmen auf die beiden Söhne Paul und Bing über. Paul kümmerte sich um die Produktion und Bing um den Vertrieb. Die beiden Brüder machten aus dem Familienunternehmen ein führendes Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie. Paul wurde Chief Executive Officer; er und Bing diversifizierten das Geschäft, so daß schließlich Metallwarenläden, mittelgroße Werkzeugunternehmen, ein Unternehmen der Elektroindustrie und verschiedene andere Unternehmen zum Familienunternehmen hinzukamen. Während dieser Zeit holten sie sechs Mitglieder der dritten Generation aus ihrer eigenen Familie und den Familien ihrer Schwestern ins Unternehmen. Aber diese jüngeren Familienmitglieder erwiesen sich als ungeeignet. Paul entließ mit Bings Zustimmung fünf der sechs jüngeren Verwandten und ernannte einen Mann, der Präsident eines der aufgekauften Unternehmen gewesen war, zum Präsident des Mutterhauses. Er begründete die Entlassung seiner Söhne, Neffen und Schwiegersöhne damit, daß es dem Wohl des Familienunternehmens und deshalb auf lange Sicht den Interessen aller Familienmitglieder diene. Dennoch entstand dadurch in der Familie ein Zerwürfnis, das sich nie wieder heilen ließ. Inzwischen hatte der neue Präsident eingestanden, daß Paul für ihn wie ein Vater sei, und es war offensichtlich, daß sich beide wie Vater und Sohn fühlten. Es gab immer noch einen Neffen im Unternehmen, der eine wichtige Position innehatte. Dennoch war er nicht als Nachfolger vorgesehen. Thomas Enterprises durchlief den Wachstumszyklus schneller als die meisten anderen Unternehmen. Dies lag möglicherweise daran, daß Paul Thomas bereit gewesen war, die Harmonie in der Familie der Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu opfern. Ironischerweise waren die entlassenen Familienmitglieder in externen Jobs sehr erfolgreich; die meisten waren im nachhinein froh, daß sie Pauls Herrschaft entkommen waren. Es läßt sich zu diesem Zeitpunkt nur sehr schwer beurteilen, ob einer von ihnen das expandierende Unternehmen später einmal hätte führen können. Fest steht jedoch, daß Paul einen neuen "Sohn" gefunden hatte, der dann zum rechtmäßigen Erben gemacht worden war. Auf eine etwas unnatürliche Weise erfolgte der Übergang der "Familiennachfolge", kurz nachdem der Übergang im Unternehmen beendet war.
Folgerungen
Die drei Muster Krisch, Quinn und Thomas belegen, wie vorteilhaft es insgesamt gesehen ist, wenn der Machtwechsel in der Familie und im Unternehmen zur selben Zeit stattfindet. Die Fälle Quinn und Thomas verdeutlichen auch die Auswirkungen, wenn Familienmanager, Verwandte, Angestellte und Außenstehende nicht imstande sind, eine Machtkoalition zu bilden, um die Familie oder das Unternehmen während des Übergangs zu schützen, der jeweils durch Familienkonflikte gefährdet ist. Bei Quinn zogen sich die Familienmanager, angesichts des destruktiven Drucks, der von Quinns zweiter Frau ausging, zurück. Sie verursachte nicht nur den Bruch in der Familie, sondern war auch stark an der Teilung des Familienunternehmens in zwei separate Gesellschaften beteiligt, die darüber hinaus auch noch miteinander konkurrierten. Der Mikrokosmos der Familie wurde im Makrokosmos der beiden Unternehmen dupliziert. Ohne fähige Manager der zweiten Generation gelang es Quinn nicht, über die erste Wachstumsstufe hinaus zu gelangen. Im Fall Thomas geschah das Gegenteil. Die Verwandten zogen sich "zum Nutzen des Familienunternehmens" zurück, wie Paul Thomas es ausdrückte. Sie trugen zur Zerstörung der Familie dadurch bei, daß sie zugunsten der dominanten, älteren Familienmanager - Paul und Bing Thomas - abtraten. Im Verlauf dieses Prozesses gingen dem Unternehmen potentielle Familienmanager verloren. Hier kommt es jedoch nicht entscheidend darauf an, ob Paul und Bing recht hatten oder nicht, sondern daß sie dafür Sorge trugen, daß ihre Autorität von den eingeschüchterten Verwandten weder herausgefordert noch in Frage gestellt wurde. Hierbei gelang es den Angestellten ebensowenig wie irgendwelchen Außenseitern, behilflich zu sein. Aufgrund unangebrachter Dominanz von Familienmanagern oder Verwandten kommt es manchmal nicht nur zu mißglückten Übergängen, sondern sogar zu einer Rückwärtsentwicklung. Dafür ist ein weiterer Fall instruktiv. In der Brindle Company übergab ein Vater das Unternehmen seinem Schwiegersohn, jedoch stellten ihn die Ergebnisse nicht zufrieden und er forderte das Unternehmen zurück, obwohl der Schwiegersohn eine beachtliche Managementleistung in bezug auf Wachstum und Expansion des Unternehmens an den Tag gelegt hatte. Einige Jahre später, als der Schwiegersohn nicht mehr an der Leitung des Unternehmens beteiligt war, aber immer noch einen kleinen Geschäftsanteil besaß, verkaufte Brindle das Unternehmen für einen Bruchteil des Preises, den derselbe Käufer früher angeboten hatte, als das Unternehmen noch von seinem Schwiegersohn geleitet wurde. Der Betrieb war nicht weiter gewachsen, sondern hatte stagniert und sich sogar zurückentwickelt. Das Unternehmen war von der zweiten Generation an die erste Generation zurückgefallen, und die Familie war mittlerweile so zerstritten, daß die beiden jüngsten Enkel, die Söhne des Schwiegersohns, ihre Großeltern nicht einmal treffen durften.
Wie man beide Übergänge
bewältigt
Wenn wie im Fall Brindle eine einzige dominante Macht ausreicht, fehlgeschlagene Übergänge oder sogar Rückschritte zu verursachen, wie kann man dann ein konstruktives Muster erzeugen, um beide Übergänge auszulösen und erfolgreich zu vollenden? Die Antwort scheint in einer arrangierten Machtbalance zu liegen, die einen mit einer Polarisierung verbundenen Konflikt verhindert. Nur in einem der oben beschriebenen Fälle, dem Fall Krisch, wurde diese Machtbalance geschickt inszeniert. Zu einer Machtbalance kam es jedoch auch in einigen der anderen von uns untersuchten Unternehmen. Es könnte nützlich sein, die Bedingungen und Mechanismen näher zu betrachten, die die Chance zur Bewältigung der beiden Übergänge gaben.
Das Unternehmen wird weiterleben,
aber ich nicht
Die Grundannahme für weiteres Wachstum bestand in der fast ausdrücklichen Entscheidung der Topmanager, daß "das Unternehmen weiterleben wird, aber nicht ich". Diese Annahme, die oft von älteren Familienmanagern verdrängt wird, ist in das zwingende Pensionierungssystem etablierter Unternehmen nahezu eingebaut. Aber ein Firmengründer und auch seine Söhne müssen mit zunehmendem Alter sich in irgendeiner Weise bewußt machen und die Entscheidung treffen, daß das Unternehmen weiterleben wird, auch wenn sie sterben werden. Oft wird diese Entscheidung nicht durch die Anregung jüngerer Familienmanager veranlaßt, sondern durch die Intervention von Verwandten, nicht Konkurrierenden, Angestellten, oder von Beratern, die Vertrauen genießen. Sie finden möglicherweise einen Weg, um dem altgewordenen Familienmanager dabei zu helfen, sich neue Aktivitäten zu suchen. Ab einem bestimmten Punkt muß der engere Kreis, der aus Familienmanagern, Angestellten, Verwandten und Beratern besteht, sich auf das zeitliche Zusammenfallen des Übergangs in der Familie und im Unternehmen konzentrieren. Solche Gespräche sollten unserer Meinung nach mindestens sieben bis acht Jahre vor dem empfohlenen Rückzug des Chefs stattfinden. Auch wenn Pläne sich im einzelnen ändern sollten, werden die wichtigen Überlegungen, auf denen diese Pläne beruhen, es nicht tun.
Vermittlung oder Konfrontation
Immer wieder erlebten wir Fälle, in denen die Frau des Firmenchefs eine bedeutende Rolle bei der Überwindung der zunehmenden Streitigkeiten spielte, wie es im Fall Krisch geschah. Es kam auch vor, daß sich die Witwe des Firmenchefs für den Frieden in der jüngeren Generation einsetzte. Wenn es aber darauf ankam, für das Zustandekommen beider Übergänge zu sorgen, war die Rolle der Ehefrau wichtiger als die der Witwe. Wie im Fall Krisch konnte die Gattin ihrem Ehemann dabei helfen, in die Zukunft (seiner Kinder) statt in die Vergangenheit zu blicken. Sie brachte also die Perspektive eines Verwandten außerhalb des Unternehmens ein. Solche Perspektiven von Außenstehenden erwiesen sich als von entscheidender Bedeutung für das Gelingen des Übergangs, weil sie dazu beitrugen, den Familienkonflikt zu schlichten beziehungsweise ihn zu vermeiden. In einigen Managementkreisen hat sich in den letzten Jahren eine Art Konfrontationskurs entwickelt. Durch diese Methode nennt man die Dinge beim Namen; nicht aus Ärger, sondern um den Konflikt zu überwinden und das Problem lösen zu können. Dieses Verfahren erscheint plausibel und ist auf viele geschäftliche Situationen anwendbar. Wie wir jedoch festgestellt haben, sind Familien und ihre Unternehmen nicht unbedingt vernünftig. Die primären Emotionen lassen sich im allgemeinen leicht hervorrufen, so daß Konflikte häufig ohne vernünftigen Grund entstehen. Der Versuch einer Partei, hier den Konfrontationskurs einzuschlagen, schlägt oft fehl, weil er von der anderen Seite als offener oder fortgesetzter Angriff empfunden wird. Wenn die Nerven zum Teil wegen Eifersucht in der Familie und zum Teil aufgrund historisch gewachsener Empfindlichkeiten bloßliegen, kann die Perspektive eines Außenstehenden vermittelnd wirken und dazu beitragen, verhärtete Positionen abzutragen. Verwandte, externe Direktoren, Freunde und wichtige Angestellte übernehmen diese Rolle in Familienunternehmen. Aber sie tun auch etwas anderes, das genau so wichtig ist: Sie können dabei helfen, einen offenen Dialog in Gang zu setzen, der nicht nur die verschiedenen Altersstufen, sondern auch die verschiedenen Perspektiven der Familienmanager, Verwandten, Angestellten und Berater rater einbezieht. Dieser Dialog kann bei der Personalplanung und der Bewältigung des Übergangs sehr hilfreich sein. Die Frage besteht nur darin, wie man diese Dialoge in einer Form in Gang setzt, daß sie alle relevanten Perspektiven mit einbeziehen.
Methoden für einen Dialog
Keine der Dialogmethoden, die wir beobachteten oder von denen wir hörten, ist ein Allheilmittel, aber jede Methode brachte verschiedene, wichtige Kombinationen von Leuten zusammen. Das Management eines Unternehmens hielt regelmäßige Familientreffen für Familienmanager und Verwandte ab. Ein anderes Unternehmen faßte Familienmanager und Angestellte in Projektgruppen und Task Forces zusammen. Ein weiteres Unternehmen hatte Managemententwicklungsprogramme innerhalb des Unternehmens, lud aber externe Teilnehmer ein und sandte auch regelmäßige Berichte über die erzielten Fortschritte an Banken und Politiker, um deren Kommentare und Kritik zu hören. In einem extremen Fall trafen sich Familienmanager und wichtige Angestellte zu einer Reihe von Konfrontationssitzungen, die sie allerdings vorher detailliert geplant hatten. Die Spielregeln waren sorgfältig ausgearbeitet worden, und im Laufe der Jahre ging der Machtwechsel sowohl in der Familie als auch im Unternehmen gut vonstatten. In einem anderen Extremfall luden Unternehmen zu Diners und sonstigen gesellschaftlichen Anlässen ein, bei denen die Möglichkeiten für einen offenen Dialog in einer informellen Atmosphäre bestanden.
Ein Anfang nahe dem Ende
Wir haben eines der schwierigsten und kompliziertesten Probleme beschrieben, mit dem Organisationen konfrontiert werden können. Einige der größten sowie die meisten kleinen Unternehmen in den Vereinigten Staaten und wahrscheinlich überall auf der Welt sind Eigentum von Familien und werden auch von ihnen geleitet. Es erscheint sinnlos, davon zu sprechen, Familien und ihre Unternehmen voneinander zu trennen, jedenfalls in unserer Gesellschaft. Familien werden auch weiterhin im Geschäft bleiben. Wenn aber eine Managementgeneration sich ihrem Ende nähert, ist auch die Existenz des Unternehmens gefährdet. Zur selben Zeit tun Kritiker, Wissenschaftler und Manager gern so, als wenn die "wirklichen" Unternehmensprobleme außerhalb des Bereichs der Familie liegen. Dies mag in einigen Fällen zutreffen, aber es kann auch zu einseitigen Sichtweisen führen und sie sogar verhärten. Familienmanager, Verwandte, Angestellte und Außenstehende haben jeweils unterschiedliche Betrachtungsweisen und gehen dementsprechend verschieden vor. Unsere Untersuchung hat jedoch angedeutet, daß sich die gesündesten Übergänge aus dem Kampf der älteren gegen die jüngere Generation entwickeln, wenn die Familienmanager und das Unternehmen ihre Verhaltensmuster ändern. Damit dies geschehen kann, muß "der Patriarch" sich der Entscheidung unterwerfen, dem Unternehmen zum Weiterleben zu verhelfen, obwohl er selbst abtreten muß. Wenn er dazu in der Lage ist, kann die Bewältigung der Übergänge beginnen. Ein erfolgreicher Übergang in der Familie kann in der Tat einen positiven Aufschwung für das Unternehmen bedeuten. Schriftsteller lieben den Gedanken, daß ihr Werk und ihre Worte eine bleibende Wirkung auf die Leser haben. Die Geschichte des Themas, das wir hier besprochen haben, gibt allerdings wenig Raum für diesen Optimismus. Es mag sein, daß eine wirklich dauerhafte Lösung sich erst aus einer Erfahrung ergibt, wie sie von einem Unternehmer mit den folgenden Worten beschrieben wurde: "Ich verließ das Unternehmen meines Vaters und schwor, daß ich meine Kinder niemals der Situation aussetzen würde, die ich erleben mußte. Zur Zeit sammelt mein Sohn gute Erfahrungen in einem anderen Unternehmen unserer Branche, bevor er hier in dieses Unternehmen einsteigt, um es statt meiner zu führen. Innerhalb von fünf Jahren nach dem Tag, an dem er durch diese Tür kommt, werde ich das Unternehmen verlassen. Und das weiß auch jeder - sogar ich."
Anmerkungen
1) Harry Levinson: "Conflicts That Plague the Family Business", in: Harvard Business Review. März/April 1971, S. 90. 2) Adolph A. Berle und Gardner C. Means: "The Modern Corporation and Private Property", New York: Harcourt, Brace & World, 1968; John Kenneth Galbraith: "The New Industrial State", Boston: Houghton Mifflin, 1971. 3) Robert Sheehan: "Proprietors in the World of Big Business", in: Fortune, Juni 1967, S.178. 4) Philip H. Buren jr.: "The Managerial Revolution Reassessed", Lexington, Mass.: D.C. Heath, 1972. 5) Larry E. Greiner: "Evolution and Revolution as Organizations Grow", in: Harvard Business Review, Juli/August 1972, S. 37; deutsch: "Evolution und Revolution im Wachstum von Organisation", in: HARVARDmanager 1982/III, S. 7ff. 6) Dieser Fall und alle folgenden beruhen auf tatsächlichen Begebenheiten, die Namen und Branchen sind jedoch erfunden. Copyright: © 1983 President and Fellows of Harvard College; ursprünglich veröffentlicht in "Harvard Business Review" unter dem Titel "Transferring power in the family business"