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Fachbücher Lesen bildet

Robert Morris, Experte für Managementliteratur, erklärt, was Führungskräfte lesen sollten.
aus Harvard Business manager 1/2006

Wenn Sie Managementbücher im Internet kaufen, sind Sie wahrscheinlich schon auf Robert Morris gestoßen. Er arbeitet als Managementberater in Texas und gehört zu den Top-Ten-Rezensenten beim Online-Buchhändler Amazon.com. Er ist einer der wenigen, die sich auf das Thema Wirtschaft spezialisiert haben. Morris hat wohl über 1500 Managementbücher gelesen und mehr als 900 für Amazon und andere Websites rezensiert. Sicher ist dieser ungeheure Bücherkonsum für seinen Job hilfreich. Aber vor allem deutet er auf eine tiefe Liebe zur Managementliteratur hin.

Wie entscheiden Sie, mit welchen Büchern Sie Ihre kostbare Zeit verbringen möchten?

MORRIS Die Autoren von guten Managementbüchern stellen wichtige Fragen und beantworten diese mit Hilfe fundierter Forschung. Jim Collins fragt: "Wie kann ein gutes Unternehmen zu einem herausragenden werden?", Jason Jennings fragt: "Welche Gemeinsamkeiten zeichnen Amerikas beste Unternehmen aus?"

Wenn ich ein Buch in die Hand nehme, erwarte ich, dass schon die Einführung mich darüber informiert, welche Fragen der Autor in diesem Buch eigentlich beantworten will. Dann sehe ich mir an, was hervorgehoben ist - normalerweise durch Fett- oder Kursivschrift -, um zu sehen, ob der Autor sich auf diese Frage konzentriert.

Ich schätze es ebenfalls sehr, wenn der Autor erklärt, wie sein Buch aufgebaut ist, da sich das darauf auswirkt, wie leicht Informationen aufzunehmen

sind. Darüber hinaus möchte ich wissen, welche Unternehmen Gegenstand der Untersuchung waren.

Wiederholen sich die Erkenntnisse nicht ständig für jemanden, der so viel liest wie Sie?

MORRIS Ja, aber so bekomme ich ständig neue Puzzleteilchen für ein umfassenderes Bild. Jack Welch zum Beispiel erklärte, warum er kleine Unternehmen bewundert. Seiner Meinung nach funktioniert die interne Kommunikation dort besser, sie sind beweglicher, weniger bürokratisch, und Führungskräfte vertuschen weniger - alles das klingt vernünftig.

Dann lesen Sie "E-Myth Mastery" von Michael Gerber. Dort steht, dass von einer Million kleiner US-Unternehmen, die im Jahr 2005 gegründet wurden, mehr als 80 Prozent innerhalb von fünf Jahren und 96 Prozent nach zehn Jahren von der Bildfläche verschwunden sein werden.

Diese beiden Vordenker liefern mir zusammen zwei Puzzleteilchen. Zum einen habe ich die Vorteile kleiner Unternehmen besser verstanden, und zum anderen habe ich gelernt, dass nur wenige wissen, wie sie diese Vorteile erfolgreich einsetzen und dauerhaft behalten können.

Es werden so viele Managementideen entwickelt. Sind Sie mit der Zeit zynischer oder vorsichtiger geworden?

MORRIS Ich misstraue extravaganten Behauptungen. Nicht weil die Theorien nicht plausibel sind, sondern weil die Autoren sie selten mit Argumenten stützen. Darüber hinaus behalte ich im Hinterkopf, dass die meisten Ideen anfangs noch unausgereift sind. Jahre nachdem Michael Hammer sein Buch "Business Reengineering. Die Radikalkur für das Unternehmen" veröffentlicht hatte, korrigierte er immer noch Missverständnisse und erläuterte wichtige Aspekte.

Auch an vielen anderen wichtigen Ideen wie dem Economic Value Added (EVA), der Lernenden Organisation, der Balanced Scorecard, dem Customer Evangelism und dem Experiential Marketing wurde kontinuierlich gearbeitet, um die ursprünglichen Ideen zu verfeinern, zu verbessern und um Lücken zu schließen.

Gibt es Tricks, um möglichst viel aus einem Wirtschaftsbuch herauszuziehen?

MORRIS Ich mache am liebsten das Inhaltsverzeichnis zu einer Art Studienführer. Ich betrachte die einzelnen Kapitelüberschriften: Welche Fragen werden behandelt? Dann überzeuge ich mich, ob ich darauf Antworten erhalte.

So ging ich zum Beispiel bei "Seeing What's Next" von Clayton Christensen, Scott Anthony und Erik Roth vor. Während ich las, stellte ich mir die Fragen "Was sind die Signale des Wandels?", "Wie schätzten sie die Wettbewerber ein?" und "Welche nicht marktbestimmten Kräfte haben Einfluss auf die Innovation?" Derartige Fragen führen mich zu den Antworten.

Was sind Ihre Lieblingsbücher in der Managementliteratur?

MORRIS Einige Werke waren eine Offenbarung für mich: zum Beispiel die Analyse von Jeffrey Pfeffer und Robert Sutton "Wie aus Wissen Taten werden", Malcom Gladwell über intuitive Entscheidungsfindung und Emanuel Rosen über Mundpropaganda. Es gibt auch die Klassiker, die ich jedes Jahr lese: "The Lever of Riches" von Joel Mokyr, "Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen" von Thomas Kuhn, "Was ist Management?" von Peter Drucker, "Engines of Creation" von Eric Drexler, "Holding on to Reality" von Albert Borgmann.

Führungskräften empfehle ich besonders, "Ilias" und "Odyssee" von Homer und "Antigone" von Sophokles zu lesen wie auch die vier Evangelien und die Briefe des Heiligen Paulus an die Korinther in der Bibel. Darüber hinaus "Julius Caesar" von William Shakespeare, die Autobiografie von Benjamin Franklin, "Wer die Nachtigall stört" von Harper Lee, "Tod eines Handlungsreisenden" und "Hexenjagd" von Arthur Miller und "The Heart Aroused" von David Whyte. Bücher wie diese verändern das Leben wirklich! n

Robert Morris
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