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Die Methoden eines Filmregisseurs, Darsteller zu Höchstleistungen anzuspornen, können auch Managern bei der Bewältigung kreativer Projekte helfen Kreatives Management beim Film

Was passiert, wenn der Regisseur "Action!" sagt, und die Schauspieler und Techniker eine Szene spielen? Die meisten Menschen denken bei dem Wort "action" an Hollywood. Für Schauspieler und Techniker ist "action" gleichbedeutend mit "Arbeitsanfang". Trotz allen Zaubers, der ihnen anhaftet, sind Filmteams nichts anderes als Arbeitssysteme. Ihr Anliegen ist die Produktion eines Films, dessen Gelingen davon abhängt, daß sich begabte Menschen für eine kurze Zeit zusammentun. In vieler Hinsicht sind Filmcrews mit wissenschaftlichen und beratenden Projektteams vergleichbar; ihr Erfolg hängt davon ab, die richtigen Leute zu bekommen und es ihnen zu ermöglichen, gut und schnell miteinander zu arbeiten, sie zu motivieren, dazu zu bringen, zur rechten Zeit schöpferisch zu sein und mit den Anstrengungen, die isoliertes Arbeiten mit sich bringen kann, fertig zu werden. Die Autoren dieses Beitrages untersuchten, wie ein Film gedreht wird, wie der Regisseur ein Produkt schafft und die damit zusammenhängenden Probleme bewältigt.
aus Harvard Business manager 3/1982

EILEEN MORLEY ist Psychologin und lehrt seit 1972 an der Harvard Business School. Ihr Hauptinteresse ist auf die Gebiete Arbeitsorganisation und Arbeitszufriedenheit gerichtet. ANDREW SILVER lehrte das Fach Film an der Brandeis University, bevor er die hier beschriebene Untersuchung für seine Doktorarbeit an der Harvard Business School fertigstellte. Er hat zwei Kurzfilme gedreht, von denen "Next Door" beim American Film Festival 1976 ausgezeichnet wurde.

Wenn jemand irgendeinen Film erwähnt, denken die meisten Menschen spontan an Kampfszenen. Es hängt vom Alter ab, ob einem dabei zuerst das Duell von Robert Shaw mit dem weißen Hai einfällt oder John Wayne, der an der Spitze einer Schwadron US-Kavallerie durch das Death Valley prescht. In Wirklichkeit werden die meisten großen Filme jedoch in einer Folge vorherbestimmter Sequenzen gedreht, wobei die Schießereien und der Kampf auf Leben und Tod immer nur eine Szene von vielen sind. In jeder Phase der Produktion arbeitet eine Gruppe von Menschen miteinander und bildet dabei eine kleine Arbeitsorganisation mit charakteristischen Problemen der Motivation, Leitung und Struktur. Jede einzelne Phase bedingt ein befristetes System mit begrenzter Dauer und Teilnehmerzahl, in dem die Menschen zusammenkommen, sich gegenseitig beeinflussen, etwas schaffen und danach wieder auseinandergehen. Und in jeder Phase muß der Regisseur die unterschiedlichsten Arten von kreativer Arbeit bei knappem Budget und unter Zeitdruck anregen. In diesem Artikel ist mit "Kreativität" gleichermaßen technische wie künstlerische Kreativität gemeint, im vollen Bewußtsein, daß dies eine Überlappung mit dem ist, was andere als "Innovation" definieren. Diese Definition der Kreativität ist deshalb wichtig, weil eine hohe Korrelation zwischen Zeitweiligkeit und Kreativität besteht, ebenso wie zwischen Dauerhaftigkeit und Routine. Die meisten zeitlich befristeten Organisationen wie Filmteams oder Projektgruppen bestehen, um eine Idee, einen Plan, ein Produkt oder eine Dienstleistung zu entwickeln oder um ein Ereignis - wie eine Fahrt zum Mond oder ein Jubiläum - vorzubereiten. Wenn solche Gruppen oder Teams ihre Aufgabe beendet haben, gehen sie auseinander. Im Gegensatz dazu bestehen dauerhafte Organisationen, um relativ gleichartige Waren oder Dienstleistungen zu produzieren, nach denen es eine ständige Nachfrage gibt. Weil Filmteams befristete Kreativsysteme sind, haben sie viel gemeinsam mit technischen und wissenschaftlichen Projekten, Beratungsteams, Task Forces und anderen befristeten Einsatzgruppen. Aus diesem Grund sind unsere Beobachtungen und Untersuchungen des Filmteams entsprechend auf das Management solcher Gruppen übertragbar. Filmteams durchlaufen drei Phasen. In jeder Phase haben wir es mit sehr verschiedenen Menschen, Aufgaben und Orten zu tun. Nur der Regisseur, der Produzent und der Drehbuchautor nehmen vom Anfang bis zum Ende am gesamten Prozeß teil. Bevor jedoch überhaupt angefangen werden kann, muß ein Deal stattfinden. Dazu müssen sich ein Autor (und sein Manuskript), ein Regisseur und ein "bankfähiger" Hauptdarsteller zusammenfinden. Alle müssen verpflichtet werden, und das Engagement jedes einzelnen ist wiederum Basis des gesamten Deals. Dieser Zusammenschluß ist einem Vorschlag zu einem Geschäft vergleichbar, die Finanzierung des Projekts, der Unterschrift unter dem Vertrag. Wenn all das erledigt ist, beginnt das Filmteam allmählich Gestalt anzunehmen. Die erste Phase (Vorproduktion) besteht aus der Ausarbeitung des Drehbuchs, der Produktionsplanung, der endgültigen Produktionsentscheidung und dem Engagement des Personals. Das Vorproduktionsteam ist gewöhnlich klein und setzt sich hauptsächlich aus Leuten zusammen, die dem Regisseur nahestehen und denen er vertraut. Die Produktionsphase beinhaltet die tatsächlichen Dreharbeiten. Diese Phase weist zumeist eine erkennbare soziale Struktur und ganz eigene Kultur auf. Die Beteiligten sind in Subsysteme aufgeteilt: Schauspieler, Kamerateam, Beleuchter, Tontechniker und so weiter. Sie sind in zwei Gruppen klassifizierbar: Die einen stehen "über dem Strich", die anderen "unter dem Strich" - und das ist wörtlich zu verstehen; denn dieser Strich findet sich im Bundgetplan: Leute, die über dem Strich stehen, sind meist für den Film als ganzes verpflichtet worden; das schließt die "Managementgruppe" (Produzent, Regisseur, Drehbuchautor) und die Hauptdarsteller ein. Unter dem Strich sind die Mitglieder der technischen Crews (Zimmerleute, Fahrer und so weiter), die eher nur für einzelne Abschnitte des Films verpflichtet werden, aufgeführt. Die Nachproduktion beginnt, wenn die Produktionsgruppe auseinandergegangen ist. Sie besteht aus Bild- und Tonschnitt, Aufzeichnung und Synchronisation der Musik und anderer Toneffekte. In der Regel gleicht die Nachproduktionsphase der Vorproduktion insofern, als während der gesamten Dauer eine kleine Gruppe in engem Kontakt miteinander und mit dem Regisseur arbeitet. Normalerweise folgt darauf noch eine Marketingphase. Aber da die Verleihfirma diese Phase erst nach der Fertigstellung des Films realisiert und das Filmteam nicht daran beteiligt ist, haben wir sie nicht in diese Untersuchung einbezogen. Die meisten befristeten Projekte durchlaufen eine ähnliche Folge von Phasen. Diejenigen, die eine Operation planen und Mitarbeiter dafür anwerben, sind nicht unbedingt die gleichen, die sie ausführen, leiten oder nachbereiten. Der zweckmäßigste Weg zur Untersuchung der einzelnen Phasen ist die Analyse der Beteiligten. Wer gehört dazu? Wann und warum gehört jede Person dazu? Für wie lange? Welche Gruppen von Mitarbeitern müssen gut zusammenarbeiten? Aus welchen Personen werden die Gruppen zusammengesetzt, und wie würden sie sich selbst gruppieren? Wie werden sich die Gruppen verändern, wenn das Projekt von der einen zur nächsten Phase fortschreitet? Wenige Manager denken über das System, das sie als soziale Organisation dieser Art leiten, über die Schlüsselrollen und Interaktionen zwischen Individuen, Gruppen und Ebenen nach. Gleichwohl haben die strukturellen Charakteristika eines Arbeitssystems großen Einfluß auf Kommunikation und Zusammenarbeit. Menschen, die miteinander arbeiten oder sich zwanglos begegnen, neigen dazu, Informationen auszutauschen und persönliche Beziehungen aufzubauen - Menschen, die in einer Hierarchie oder in getrennten Gebäuden arbeiten, tun das nicht unbedingt. In diesem Artikel wird der Lebenszyklus eines Filmteams beschrieben; dabei werden einige der Prozesse und Probleme, die im Management jedes beliebigen temporären Systems üblich sind, sehr detailliert untersucht.

Die Planung des Films

Der Titel des untersuchten Films lautet "Night Moves" ("Die heiße Spur") unter der Regie von Arthur Penn, mit Gene Hackman und Susan Clark in den Hauptrollen. Die Vorproduktionsphase fand in Los Angeles statt, in einer kleinen "familiären" Gruppe, in aneinandergrenzenden Büros, mit vielen persönlichen und informellen Konsultationen. Man nahm sich sehr viel Zeit, und der Umgang miteinander war sehr locker, noch persönlicher als in kleinen Gruppen, die ein neues Projekt vorbereiten. Ein Schwerpunkt der Tätigkeit der Vorproduktionsgruppe war die Zusammenstellung der Mitarbeiter für die folgende, entscheidende Produktionsphase. Das Engagement der Schauspieler wurde ernster genommen als sonst üblich, denn Arthur Penns Konzept beruht auf dem Kreieren und Aufnehmen authentischer und spontaner Handlungen während der Dreharbeiten, nicht auf dem Filmen von Wiederholungen zuvor geprobten Verhaltens. Deshalb ist es schwierig, Schauspieler zu finden, die Penns Erwartungen entsprechen. Die Engagements wurden deshalb auch vom Produktionsassistenten Gene Lasko vorgenommen und nicht - wie sonst üblich - einem Agenten oder dem Besetzungsbüro der Verleihfirma überlassen. Vier wichtige Darsteller wurden erst nach Probeaufnahmen engagiert. Penn produziert immer solches Filmmaterial als Entscheidungsgrundlage für die Rollenbesetzung. Er will vor allem die Qualifikation und den Stil der Schauspieler kennenlernen, ihre Kraft, Ausdauer, Geduld, ihren Willen, seinen Anweisungen zu folgen, ihre Fähigkeit, auch noch nach der zehnten Wiederholung bei den wenigen Zeilen eines Dialogs spontan zu bleiben, und ihre Reaktionen auf Streß und Erschöpfung sowie auf seine Arbeitsmethode, die sich von der vieler Regisseure unterscheidet. Diese Tests ermöglichen ihm eine fundierte Bewertung der Schauspieler, bevor er sich selbst bindet. Der Produzent Robert Sherman und der Produktionsmanager Tom Schmidt stellten das technische Personal mit der gleichen Sorgfalt zusammen. Ein Teil des technischen Personals wurde gleich als Gruppe engagiert. Die Kameraleute, Beleuchter und Tontechniker brachten beispielsweise ihre eigenen Crews mit. Sherman und Schmidt suchten aber nicht nur Mitarbeiter mit beruflicher Kompetenz, sie legten auch Wert auf die Fähigkeit, sich für ein kurzes Projekt zu engagieren, und die Bereitschaft, Streß zu akzeptieren ("Nimm ihn nicht, er regt sich schnell auf und macht alle anderen nervös"). Sie suchten nach Menschen, von denen bekannt war, daß sie sich hilfsbereit und verantwortlich verhielten ("Wenn ich ihnen helfe, werden sie alles tun, auch mir zu helfen"). Vor allen Dingen wollten sie Mitarbeiter, die nicht verkrampfen würden. All diese Qualitäten wurden anhand eigener Kenntnisse, mündlicher Empfehlungen und Gesprächen mit Branchenkollegen sondiert. Sherman und Schmidt zeigten sich bei der Suche nach Personal mit den richtigen Qualitäten weitaus hartnäckiger, als es sonst im Geschäftsleben oder in der Industrie üblich ist. Weil die Filmindustrie fast vollständig auf temporären Systemen basiert und weil der Erfolg jedes Films sowohl von der Verständigungsbereitschaft der Akteure und ihrer interpersonalen Geschicklichkeit abhängt wie auch von den technischen Leistungen, wurde besonderer Wert auf zwischenmenschliche Verträglichkeit gelegt. Dieser Aspekt wird im Geschäftsleben und in der Industrie, wo Normen und kulturelle Erwartungen aus herkömmlichen, auf Dauer angelegten Organisationen herrühren, die Arbeitstechnik höher bewerten als zwischenmenschliche Beziehungen, nicht so deutlich. Ein Projektmanager, der versucht, die Menschen, die er engagiert, nach ihrer Verträglichkeit und Toleranzgrenze für Streß einzuschätzen, muß eine neue Sprache entwickeln, in der er seine Fragen formuliert: "Verliert er häufig seine gute Laune? Wie verhält er sich dann?" "Ist sie feinfühlig und empfänglich für die Gefühle anderer?" "Wie reagiert er auf starken Arbeitsanfall oder sich widersprechende Instruktionen?" "Hat sie Sinn für Humor?" "Wird die Qualität seiner Arbeit unter Druck schlechter?" "Erkennt sie auch die Ansichten anderer an?" Manager, die versuchen, ihre Einstellungsprozeduren zu verfeinern, werden gelegentlich wegen "Haarspalterei" oder "unangemessener, zu persönlicher" Fragen kritisiert. Erkundigungen dieser Art können außerdem meist nur telephonisch oder im Gespräch unter vier Augen einem ehemaligen Vorgesetzten gestellt werden, der andererseits Schwierigkeiten bei der Formulierung einer Antwort haben dürfte, selbst wenn er es versuchen sollte. Es ist extrem zeitraubend herauszufinden, wie Menschen nach diesen Kriterien zu beurteilen sind; aber es ist zwingend notwendig für solche unter Hochdruck ablaufenden technischen Projekte wie ein Film, wenn er Erfolgschancen haben soll. In der Geschäftswelt gibt es nichts Vergleichbares zu den Probeaufnahmen, die Penn benutzt, um die Leute zu bewerten, die er zu engagieren beabsichtigt. Dauerhaft existierende Organisationen beschäftigen Leute zunächst auf Probe, aber bei zeitlich befristeten Projekten gibt es diese Möglichkeit kaum. Nichtsdestoweniger ist es einem Manager oder einem Sektionsleiter möglich, in den ersten Tagen ein scharfes Auge auf die kritischen Mitglieder des Teams zu haben. Er kann ihnen beispielsweise technische oder gemeinsam mit anderen zu lösende Aufgaben stellen, um ihre Reaktionen kennenzulernen. So kann er eine frühe Entscheidung über diejenigen treffen, die den Anforderungen nicht genügen. Auswahl und rechtzeitige Prüfung sind um so wichtiger, weil später keine Zeit vorhanden sein wird, Ersatz zu finden und einzuweisen. Leider sind Geschäftsleute eher bereit, Defizite im persönlichen Umgang als mangelnde technische Fähigkeiten zu akzeptieren. Geschäftsleute neigen dazu, sich an die Vorstellung zu klammern, daß ein guter Manager fähig sein muß, einen schwierigen oder nicht zufriedenstellenden Untergebenen zu ändern. Aber bei befristeten Projekten hat ein Manager gewöhnlich keine Zeit, den Menschen zu helfen, einen Veränderungsprozeß einzuleiten. Gleichzeitig ist es für ihn wichtig, das Geschick und die Fähigkeiten von effektiven Leuten frühzeitig zu erkennen, so daß sich diese Mitarbeiter sehr bald bestätigt und ihrer Aufgabe verbunden fühlen.

Die Dreharbeiten

Die Produktionsphase von "Night Moves", an der ungefähr 70 Leute beteiligt waren, fand in Studios in Los Angeles und an einem Außendrehort in Florida statt. Der Übergang von der Vorproduktionsphase auf die eigentliche Produktion war von essentieller Bedeutung. Aus einer kleinen Gruppe mit zwangslosen Beziehungen verwandelte sich das Team in eine viel größere Organisation mit einer sehr komplexen Struktur. Verschiedene Subgruppen mußten in eine Arbeitsbeziehung gebracht werden. Unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Wünsche des Regisseurs waren auszugleichen. Fremde mußten Kollegen werden, vielleicht sogar Freunde. Während der Produktionsphase eines Filmteams gibt es fünf wichtige Punkte, die allen kreativen, zeitlich begrenzten Systemen gemein sind. Sie schließen ein: 1. das Bedürfnis der Menschen, schnell eine gute Beziehung zu ihrer Arbeit und untereinander zu entwickeln, 2. die Förderung der Begeisterung und des Einsatzwillens, 3. die Ermutigung zur Kreativität, 4. die Entwicklung eines effektiven Führungsstils des Gruppenleiters, 5. effektives Management von Streß und Konflikten.

Arbeitsbeziehungen

Jeder, der in der Filmindustrie arbeitet, ist daran gewöhnt, sich auf eine neue Produktion einzustellen. Er nimmt es als gegeben hin, rasch eine Beziehung zu seiner Arbeit entwickeln zu müssen. Weil sie schon häufig dieser Situation konfrontiert worden waren, verhielten sich die meisten Teammitglieder dabei sehr geschickt. Penns Betonung der Proben schon in der Vorproduktion, aber auch andere strukturelle Aspekte der Arbeit halfen den Mitwirkenden, schnell miteinander vertraut zu werden. Penn hatte am Ende der Vorproduktionsphase eine Woche Proben angesetzt, was eigentlich ungewöhnlich war. Aber während der Produktion würden die Schauspieler nicht alle zur gleichen Zeit miteinander arbeiten. Diese Probewoche ermöglichte es Penn und der Gruppe, sich als Team zu erfahren. Es gab den Schauspielern die Möglichkeit, seine Arbeitsmethoden kennenzulernen und Vertrauen zu entwickeln, ohne unter dem Zeitdruck der Dreharbeiten zu stehen. Die Schauspieler hielten diese Proben für so wichtig, daß sie damit einverstanden waren, für die Tarifgehälter zu arbeiten, die erheblich unter den vertraglichen Gagen für den Rest des Films lagen. Ein anderes Charakteristikum, das den Gruppenprozeß beschleunigte, war die für Studioproduktionen typische Isolation, auf der Penn besonders während der Probewoche beharrte. Die Leute arbeiteten stundenlang intensiv miteinander ohne jegliche Unterbrechung. Diese Isolation steigert die Konzentration auf die Arbeit und die Intensität des persönlichen Umgangs. Sie ermöglicht es, sehr viel Arbeit in relativ kurzer Zeit zu schaffen. Diese Arbeitsmethode wirkt sich stimulierend auf die Beteiligten aus, ist aber auch außerordentlich anstrengend. Eine solche Intensität kann normalerweise nur kurze Zeit aufrechterhalten werden und wird deshalb zweckmäßigerweise verlangt, bevor die Hauptarbeit beginnt. Bei jedem Projekt verlangt die Entwicklung von Vertrautheit und guten Arbeitsbeziehungen ein hohes Engagement in Zeit und Geld. Normalerweise erfordert dieser Prozeß die aktive Teilnahme des Managers, nicht nur, weil er der Dreh- und Angelpunkt des Projekts ist, sondern auch als ein Signal des Managements, daß der Prozeß selbst sehr ernst genommen wird. Zum Beispiel störte kein Telephonklingeln die Konzentration während der Probenwoche. Penn hatte alle Gespräche - seine eigenen eingeschlossen - untersagt. In der Geschäftswelt und in der Industrie wird Sozialisation dieser Art häufig unterschätzt oder vernachlässigt. Der Prozeß der Sozialisation kann formell oder informell ablaufen. Aufgabenbezogene Sitzungen (wie allgemeine Informationstreffen, Briefings, Planungskonferenzen) geben Mitarbeitern die Möglichkeit, sich von ihrem Manager ein Bild als Mensch zu machen, von seinen Erwartungen, der Konzeption seines Projektes oder seiner Arbeitsmethode. Wenn sie nicht die Möglichkeit gehabt haben, die Aufgaben mit jedem zu diskutieren, können Manager nicht voraussetzen, daß die Beteiligten wissen, was von ihnen erwartet wird. Es ist schwieriger zu spezifizieren, welche Bedeutung informelle Gelegenheiten für die Sozialisation in einer Gruppe haben. Das Plaudern über scheinbar unwichtige Dinge in den ersten Tagen eines Projektes ist oft ein wertvoller Weg zur Entwicklung von Beziehungen und keineswegs nur Zeitverschwendung, selbst wenn es so scheint. Alle zeitlich begrenzten Systeme neigen dazu, ihre eigene Minikultur von Spaßen, Sprache und gemeinsamen Erfahrungen zu entwickeln, wie sie nur existiert, wenn Menschen sich gegenseitig beeinflussen. Während der Produktionsphase des Films entwickelte sich diese Minikultur automatisch während der beiden Mahlzeiten, die das Team täglich gemeinsam einnahm, und in den Wartezeiten zwischen den einzelnen Szenen. Andere temporäre Systeme verfügen nicht über solche nützlichen, sich zwangsläufig ergebenden Verständigungspausen. Sozialisation kommt hier auf andere Weise zustande, zum Beispiel in der Kantine, auf Parkplätzen, am Getränkeautomaten oder Photokopierer. Manchmal müssen auch die Ehepartner in befristete Projekte einbezogen werden, besonders dann, wenn Phasen von Streß vorhersehbar sind. In solchen Zeiten werden die Unterstützung und das Verständnis von Ehepartnern benötigt, was häufig wenig beachtet wird. Weil es für den Ehemann oder die Ehefrau eines Schauspielers oder Kameramanns relativ einfach ist, das Produkt zu verstehen, haben Filmteams in dieser Beziehung einen deutlichen Vorteil gegenüber technischen Projekten. Projekte, bei denen die Arbeit entweder geheim oder für Laien unverständlich ist, erfordern besondere Anstrengungen des Managers, wenn er die Ehepartner einbeziehen will. Schließlich ist auch das lokale Organisationsklima zu beachten. Das Management akzeptiert nicht immer die Tatsache, daß Zeit zur Entwicklung von Beziehungen ein angemessenes Hilfsmittel ist. Selbst wenn Einsicht in diese Zusammenhänge vorhanden ist, werden einige Methoden nützlicher und natürlicher erscheinen als andere, sowohl für die Organisation als Ganzes als auch für die Personen, die für das befristete Projekt verpflichtet wurden. Wenn die Idee einer solchen Vorbereitung völlig ungewöhnlich ist, muß die Gruppe wahrscheinlich ein niedriges Niveau annehmen, um den Eindruck zu vermeiden, Elite zu sein oder spezieller Betreuung zu bedürfen. Wenn ein Manager Verständnis für die mögliche Struktur eines befristeten Systems entwickelt, kann er einen Großteil des Sozialisationsprozesses im voraus planen. Wenn die Gruppe dann tatsächlich zusammentrifft, kann er Berichtigungen hinsichtlich der spezifischen Charakteristika der Leute vornehmen, die verpflichtet oder dem Projekt zugewiesen wurden.

Quellen der Motivation

Ein Regisseur hat nicht die traditionellen Mittel zur Belohnung oder Bestrafung zur Hand, die dem Manager eines dauerhaften Systems zur Verfügung stehen. Weil so viele Leute "über dem Strich" für die Fertigstellung des Films unentbehrlich sind, kann der Regisseur sie gewöhnlich nicht beliebig austauschen oder entlassen. Und weil Rollen und Verantwortlichkeiten im voraus vertraglich festgelegt werden, kann er auch nicht befördern, Gagen erhöhen oder Sozialleistungen aufbessern. Für "Night Moves" war die Unentbehrlichkeit des Hauptdarstellers Gene Hackman am auffälligsten. Für ihn wurde eine Lebensversicherung für die Drehzeit abgeschlossen, die die Gesamtkosten des Films abdeckte. Aber die Unentbehrlichkeit war nicht auf die Schauspieler beschränkt. Im technischen Bereich sahen etwa die Aufnahme von Szenen, die ein Kameraassistent für den erkrankten Kameramann gedreht hatte, ganz anders aus als die von diesem gefilmten Sequenzen. Manager von befristeten Projekten teilen diese Zwänge. Viele Projektmanager beeinflussen die spätere Karriere der Gruppenmitglieder, die ihre Arbeit in der gleichen Organisation fortsetzen. Aber Manager haben gewöhnlich auch keine Vollmacht, selbständig Beförderungen oder Kündigungen vorzunehmen. Bei komplexen technischen Aufgaben mag ein Großteil der Mitarbeiter unentbehrlich sein, weil ihr Fachwissen unersetzlich ist oder weil knappe Fristen und Termine ausschließen, sie zu substituieren. Unter diesen Umständen muß der Projektmanager ebenso wie der Regisseur sich auf vier Motivationsquellen verlassen:

1. Verständnis von Professionalismus

Damit meinen wir Engagement für die Aufgabe und persönliche Verhaltensstandards, die von Kollegen innerhalb und außerhalb des Systems vorgegeben werden. Wo Manager die gleichen oder - in verwandten Disziplinen - ähnliche Maßstäbe haben, ist es ihnen möglich, als natürliche Schrittmacher zu wirken.

2. Kompetenzausstrahlung

Die Gelegenheit, vorhandenes Wissen zu nutzen, Ideen zu entwickeln und Neues zu lernen, vermittelt den meisten Menschen ein Gefühl von Kompetenz und Befriedigung, das im Gegenzug zu einer Stärkung der Motivation führt. Voraussetzung für das Umsetzen von Kompetenz sind jedoch eine genaue Definition der Aufgabe, ihre gute Übereinstimmung mit den individuellen Fähigkeiten der Betroffenen und eine vernünftige Arbeitsbelastung. Wenn sich Menschen mit einer Tätigkeit, für die sie nicht ausreichend qualifiziert sind, abmühen müssen, ist es schwer für sie, sich vertraut und kompetent zu fühlen. Wenn sich Menschen in einer trägen Warteperiode befinden, die Langeweile erzeugt, wenn sie so überlastet sind, daß keine Zeit bleibt, etwas richtig zu tun, oder wenn sie nicht sicher sind, was von ihnen erwartet wird, sinkt auch ihre Motivation. Ein gleichmäßiger Arbeitsfluß, der die vorhandenen Fähigkeiten nur wenig überschreitet, dürfte ideal sein (obgleich viele Projektmanager dieses Ideal als Antithese zu ihren eigenen Erfahrungen betrachten werden). Arbeitsflußplanung ist in befristeten Systemen mindestens genauso schwierig wie in dauerhaften. Bei der Planung von "Night Moves" hatte der Produzent Drehzeit und Kosten mit äußerster Präzision angesetzt. Der knappe Zeitplan führte zu dem andauernden Gefühl, unter Druck zu stehen, aber das tägliche Einhalten des Zeitplans schuf ebenso ein Gefühl der Befriedigung.

3. Bedürfnis nach Bestätigung und Anerkennung

Arthur Penns Sensibilität und sein Eingehen auf die Schauspieler ist ungewöhnlich. Die Schauspieler waren froh zu wissen, daß er sowohl ihre technischen als auch persönlichen Fähigkeiten würdigte. Durch Aufrichtigkeit bei unterschiedlichen Ansichten und Ermutigung befreite er die Schauspieler von Ängsten, ob ihre Arbeit akzeptiert würde, und setzte psychologische Energie frei, die sie zu guten oder besseren Leistungen brachte, selbst wenn sie müde waren. Penns Fähigkeit, seine Anerkennung zu artikulieren - auch mit Gesten -, war der Schlüssel zur Schaffung eines günstigen Klimas für die Schauspieler. Die Fähigkeit, für klares, realistisches und positives Feedback zu sorgen, ist nicht weit verbreitet. In der Geschäftswelt ist sie bei Managern selten anzutreffen. Sie neigen oft dazu, Negatives zu betonen. Ein uns bekannter Manager sagte einem Untergebenen anläßlich einer Leistungsbewertung beispielsweise: "Ich habe ihnen für alles die beste Beurteilung gegeben. Sie wissen selbst, inwieweit das zutrifft. Nun wollen wir über das Schlechte reden", und kritisierte dann eine Stunde lang. Der Mangel an Bestätigung durch das Management kann verschiedene Gründe haben. Viele Manager sind verlegen, wenn sie Lob spenden oder erhalten. Einige finden es auch schwer, genau zu beschreiben, warum sie eine zu bewertende Leistung oder einen Menschen positiv einschätzen. In der amerikanischen Gesellschaft besteht überdies eine unbewußte Angst, das Geben oder Erhalten verbaler Bestätigung von Mensch zu Mensch sei ein Zeichen von Verweichlichung - weshalb man es tunlichst mit einem kräftigen Schulterklopfen zu verbinden habe. Schließlich ist auch noch die Kultur innerhalb einer Organisation von Bedeutung. In der Film- und Theaterwelt neigen die Leute eher dazu, sich offen und spontan zu äußern, als anderswo; es ist ihre Hauptaufgabe, und sie haben darin ungewöhnliche Geschicklichkeit. Aber dieser bei Schauspielern übliche Stil kann in einer eher harten technischen und wissenschaftlichen Umgebung überschwenglich und unaufrichtig wirken. Wenn die Äußerung von Anerkennung jedoch effektiv Motivation erzeugt, muß jeder Manager eine Sprache finden, in der er dies ausdrücken kann, eine Sprache, die sowohl für ihn selbst als auch für die Organisation natürlich klingt.

4. Langfristige Karriereinteressen

Im Falle dieses Filmteams wirkten Penns guter Ruf und seine bisherigen Erfolge zugkräftig auf die Mitarbeiter. Sie hofften, aus der Arbeit mit ihm zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Sie hofften, ihren Ruf sowohl durch die Qualität, die sie von ihrer Arbeit unter seiner Regie erwarteten, als auch durch den kommerziellen Erfolg des Films, an dem sie mitwirkten, zu verbessern. Menschen, die Karriere und finanzielle Vergünstigungen in Unternehmen anstreben, sind ähnlich geneigt, peinlich genau die Auswirkungen gegenwärtiger Leistungen auf die Zukunft zu beachten. Wahrscheinlich bewerten Geschäftsleute Aufgaben, die zu ihrer künftigen Entwicklung beitragen, höher als solche, die ihnen lediglich einen guten Ruf für vergangene Erfahrungen oder einen Abstecher von ihrer Hauptkarriere verschaffen. Um eine maximale Übereinstimmung zwischen persönlichem Streben und den an sie gestellten Anforderungen zu erreichen, müssen Manager sich Zeit nehmen, andere Menschen über ihre Karriereplanung zu befragen und anzuhören, was sie darüber zu sagen haben. Einige Manager tun das nur widerstrebend, weil sie befürchten, daß Gespräche über Karriereziele falsche Hoffnungen bei ihren Untergebenen wecken oder daß sie während des Gesprächs Versprechungen machen, die sie nicht halten können. Aber die meisten Untergebenen sind realistisch genug zu erkennen, daß es unmöglich ist, all ihre Bedürfnisse gerade zu einem bestimmten Zeitpunkt zu befriedigen. Statt dessen werden sie wahrscheinlich genauso sehr durch das Wissen motiviert, daß der Manager sich bemüht, ihre Interessen bei einer aktuellen Gelegenheit zur Beförderung zu berücksichtigen.

Stimulierende Kreativität

Es gibt noch einen anderen Gesichtspunkt der Motivation, der so wichtig ist, daß wir ihm besondere Beachtung schenken wollen. Wegen Penns besonderer Ansichten über die Herstellung eines Films und wegen seiner Betonung der eigentlichen Darstellung der Handlung waren die Beziehungen zu seinen Schauspielern von entscheidender Wichtigkeit. Er verlangte von ihnen, daß sie sich spontan, authentisch, natürlich und einfallsreich verhielten. Sie sollten es riskieren, Dinge zu versuchen, die sie noch nie getan hatten; sie sollten für seine Vorstellungen und Ideen offen sein, eigene Ideen entwickeln und mit ihnen arbeiten. Er war für jeden neuen Gesichtspunkt aufgeschlossen und bereit, seine eigenen Gedanken über die Ausgestaltung einer Rolle oder Szene zurückzustellen; aber genauso gab er seinen Schauspielern aktive Hilfestellung, vorgefaßte Meinungen abzulegen. "Arthur hält eine zweigleisige Straße der Kommunikation aufrecht", kommentiert die Schauspielerin Susan Clark, "die für Vorschläge und Änderungen offengehalten werden muß; die Beziehung ist sehr vital." Gene Hackman meint: "Er ordnet nicht nur alles wunderbar, er denkt sogar mit der Spitze seines kleinen Zehs. Er beflügelt genauso, wie er plant, und das vielleicht sogar noch etwas besser. Das ist seine Stärke. Das macht die Frische des Films aus. Jeden Augenblick kann man eine neue Idee einbringen. Wenn eine neue Idee von dieser Energie getragen wird, strahlt sie Leben aus, und alles mögliche kann passieren." Penns Ermunterungen und seine Begeisterung spornten die Schauspieler zu Bestleistungen an und belohnten sie gleichzeitig für das Vertrauen, das sie in ihn gesetzt hatten. Eine besondere Technik trug zu dieser guten Arbeitsbeziehung bei. Auch wenn Penn unzufrieden war, gab er nie anmaßend negatives Feedback. Statt dessen verlangte er in Form kleiner Berichtigungen von seinen Schauspielern immer mehr: "Diesmal könnten Sie sich etwas mehr Zeit lassen." Oder: "Heben Sie vielleicht die Hand etwas früher." Indem er seine Schauspieler ermutigte, einen anderen Ton oder eine andere Gebärde zu wählen, und nicht ihre gesamte Leistung oder ihre Person kritisierte, vermied er es, ihr Vertrauen oder ihr Gefühl für die eigene Kompetenz zu zerstören. Eine andere Methode, negatives Feedback zu vermeiden, bestand darin, daß er es unterließ, eine Szene zu unterbrechen, wenn sie einmal angefangen hatte. Seine besonnene Geduld verhinderte Rückschlüsse wie: "Das ist so schlecht, daß ich nichts mehr davon sehen möchte." Die Tatsache, daß selbst erfolglose Anstrengungen respektiert wurden, war eine wichtige Bedingung für das Wagnis kreativer Arbeit. Im Gegensatz dazu war Penn der technischen Crew gegenüber, von der er wenig spontane Kreativität verlangte, sehr bestimmt und relativ distanziert. Weil er so viel Zeit mit seinen Schauspielern verbrachte, arbeitete er nur wenig mit dem technischen Stab und überließ die Verantwortung für seine Leistungen dem Kameramann und den Tontechnikern. Penns Arbeitsstil - das Drehen vieler Versionen der gleichen Szene - vergrößerte die ohnehin schon bestehende Arbeitsbelastung. Manchmal führte der schiere Arbeitsdruck bei den Crews zu dem Gefühl, daß die technische Qualität geopfert würde, vor allem, weil ihr Ruf vom Urteil der Studioleitung abhing, die sich die täglich gedrehten Passagen ansah. Nicht das gesamte technische Personal verstand Penns Arbeitsmethode. Techniker, die überwiegend an Filmen mitgewirkt hatten, bei denen Planung und Endform bereits in der Vorproduktionsphase festgelegt worden waren, nahmen zunächst an, seine Offenheit für Improvisation bedeute Unsicherheit: "Er weiß nicht, was er eigentlich will." Als die Crewmitglieder dann seinen Stil begriffen, erkannten sie, daß seine letzte Auswahl über das, was der Film enthalten sollte, in der Nachproduktionsphase fallen würde, und fühlten sich vom kreativen Prozeß ausgeschlossen. Wegen der von ihm gesetzten Prioritäten variierte Penn - bewußt oder unbewußt - die Art seiner Beziehungen zu den Menschen. Während er sich bei den Schauspielern sehr viel Zeit nahm, die von ihm benötigten spontanen Ideen und Verhaltensweisen zu entwickeln, stellte er trotz Zeitdrucks und Budgetbeschränkungen sicher, daß die Produktionsphase in der vorgegebenen Zeit abgeschlossen werden würde.

Führungsstil

Im Anhang zu diesem Beitrag beschreiben wir beispielhaft die Hauptunterschiede zwischen den Arbeitsstilen der Regisseure Alfred Hitchcock, Ingmar Bergman und Arthur Penn. Alle drei produzieren schöne Filme, aber jeder von ihnen benutzt andere Methoden, seine Ideen zu entwickeln oder den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem eine Entscheidung getroffen oder die Endform festgelegt werden muß. Jedem temporären System steht eine Zeitspanne zur Verfügung, innerhalb derer sowohl die Idee als auch die Art des Produkts entwickelt und in eine endgültige Form gebracht werden muß. Während dieses Prozesses wird es Phasen geben, in denen mehr Nachdruck auf die Entwicklung von Ideen und Alternativen, auf Forschung und Versuche gelegt wird. Und es wird Zeiten geben, in denen diese Ideen ausgewertet, Entscheidungen getroffen und bestimmte Handlungen beschleunigt werden müssen, um zum Ziel zu kommen. Wenn der Grad der Genauigkeit und die detaillierte Planung, die die meisten wissenschaftlichen und technischen Unterfangen erfordern, feststehen, ist es unwahrscheinlich, daß das Spektrum der möglichen Managementstile so breit ist wie von Hitchcock bis Penn, aber einige Varianten werden zweifellos auch hier existieren. Schlüsselelement für den Erfolg eines Projektes wird deshalb die Fähigkeit des Managers sein, zwischen Perioden der "Ideenentwicklung" und der "Entscheidung" zu differenzieren, die in seiner Organisation auftreten und sich abwechseln. Außerdem muß er festlegen, in welchem Ausmaß er Überlappungen zwischen ihnen zulassen möchte, und schließlich muß er Wege finden, um mit den Untergebenen entsprechend ihrem Engagement in jeder dieser Phasen umzugehen. Um mit diesen beiden Instrumenten zurechtzukommen, muß der Manager sie exakt aufeinander abstimmen. Wenn Ideen benötigt werden, wird autoritäres Auftreten Kreativität mit Sicherheit abwürgen; aber ebenso können zuviel Verständnis und Kompromißbereitschaft im Falle drängender Entscheidungen das gesamte Projekt zum Scheitern bringen oder verhindern, daß es rechtzeitig das nächste wichtige Stadium erreicht. Wir haben den Eindruck, daß die meisten Führungskräfte darauf trainiert sind, Management in der Implementierungsphase besser zu bewältigen als in der Entwicklungsphase. Wir haben beschrieben, wie Penn arbeitet, um ein Klima der Akzeptanz und Ermutigung zu schaffen, in dem Kreativität durch Abbau von Ängsten der Schauspieler freigemacht wird. Die Bewältigung von Ängsten ist ein wichtiger Bestandteil der Rolle eines Managers. Er muß sowohl die negativen Effekte seines Führungsstils begreifen lernen und ein Verhalten vermeiden, das sie möglicherweise steigert, als auch seine Untergebenen vor externem Druck schützen, der möglicherweise die Ursache für Angst ist. Manager in Unternehmen können durchaus Penns Beispiel folgen - und viele tun es auch intuitiv. Aber es kommt seltener vor, daß ein Manager diesen Prozeß bewußt gestaltet oder versucht, sich Klarheit über die unterschiedlichen Arten zu verschaffen, in denen er sich zu verschiedenen Menschen oder zu gleichen Personen zu unterschiedlichen Zeiten verhält. Die Intensität der Regisseur- Schauspieler-Beziehung wird nicht notwendigerweise in allen temporären Systemen vorkommen oder nützlich sein. In einigen wissenschaftlichen oder produzierenden Bereichen zum Beispiel könnte die gleiche Intensität übertrieben erscheinen. Aber es gibt äquivalente Verhaltensweisen in allen Organisationen und Kulturen, die auch mit einer grundlegenden Anerkennung von Personen und Ideen zusammenhängen und Menschen ermutigen, immer bessere Ideen zu entwickeln. Dies führt zu der Erklärung, warum das persönliche Verhalten eines Regisseurs oder eines Managers eine wichtige Quelle der Motivation in einem befristeten System ist. Er kann persönliche Bestätigung und Anerkennung demonstrieren oder auch Nachlässigkeit, Gleichgültigkeit und Mißbilligung. Er kann durch persönliche Aufmerksamkeit und soziale Kontakte anspornen. Er kann demotivieren, indem er sich von bestimmten Mitgliedern der Organisation absondert - was unausweichlich auch dann geschieht, wenn er gerade dies vermeiden möchte. Er kann das Maß der kreativen Anteilnahme, die er von verschiedenen Mitarbeitern fordert, steigern oder senken und die Intensität seiner Arbeitsbeziehung zu ihnen variieren. All das sind sehr subtile, oft nonverbale Signale für die zwischenmenschlichen Beziehungen. Gleichzeitig ist es einem Manager aber auch unmöglich, eine große Gruppe von Personen über einen langen Zeitraum hinweg gleichermaßen zu beeinflussen. Im Filmteam fühlte sich die technische Crew unterbewertet, weil sich die Hauptaufmerksamkeit des Regisseurs auf die Schauspieler richtete. Solche Gruppen lassen sich wahrscheinlich in allen befristeten Organisationen finden. Ein Weg, diesem Problem auszuweichen, besteht darin, daß der Manager herausfindet, welchen Leuten er aus welchen Gründen weniger Aufmerksamkeit schenkt, und darüberhinaus eine ergänzende Rolle für einen Mitarbeiter einplant, der die notwendige Anerkennung, Würdigung oder Ermutigung geben kann. Der Manager kann auch einen Mitarbeiter einstellen, dessen persönlicher Stil den eigenen ergänzt, ohne ihm genau zu entsprechen. Dem steht aber jene natürliche Neigung der meisten Menschen entgegen, nur solche Mitarbeiter zu beschäftigen, die über die gleichen Eigenschaften und Wertvorstellungen verfügen wie sie selbst.

Streß und Konflikte

Wie werden die Verantwortlichen mit den verschiedenen Streßursachen - knappe Zeit, Budgetzwänge, Trennung von vertrauten Menschen und gewohnter Umgebung, Ungewißheit darüber, wie gut der Film werden wird - fertig? Ein wichtiges Element, Streß zu reduzieren, ist die Regel, einander zu helfen und zusammenzuarbeiten. Das zeigt sich in der Sensibilität gegenüber den Gefühlen anderer Menschen und der Bereitschaft, für zwischenmenschlichen Beistand zu sorgen. Bei "Night Moves" bestand diese Hilfe häufig in symbolischen Gesten in Form eines mitfühlenden Blicks bis hin zu einem Schulterklopfen, Erledigung eines Botengangs, Anhören der Sorgen eines anderen oder auch darin, zum Erntedankfest ein besonderes Essen für alle Teammitglieder am Drehort zu kochen. Solche stärkenden Gesten gaben Schutz und Rückhalt. Sie verschafften allen das Gefühl, daß die anderen zumindest in einem gewissen Umfang gewillt waren, auf eine Art um sie besorgt zu sein, wie es sonst eher im Privatleben und nicht bei der Arbeit vorkommt. Solche Gesten waren zweifellos wichtig, wenn Außendreharbeiten die Teammitglieder von persönlichen Beziehungen abhielten, die ihre übliche Anlaufstellen bei Sorgen und Anliegen waren. Symbolische Unterstützung dieser Art kann auch beträchtliche Bedeutung für die Beziehungen zwischen Managern und einer Gruppe von Untergebenen ebenso wie zwischen Individuen haben. Zum Beispiel wurde einem überlasteten Team in einer hochtechnisierten Firma gesagt, daß der President des Unternehmens eine Sitzung in einem nahegelegenen Hotel einberufen habe, an der alle teilnehmen müßten. Sie kamen dort müde und niedergeschlagen an und erwarteten heftige Schelte wegen ihres Rückstandes im Zeitplan. Statt dessen fanden sie sich auf einer Überraschungsparty wieder und hörten den President sagen: "Es liegt noch ein weiter Weg vor uns. Aber ich möchte Sie wissen lassen, daß wir Ihre bisherigen Anstrengungen würdigen." Penn widmete sich persönlich dem Streß, der trotz des ungewöhnlich sorgfältig abgeschirmten Arbeitsbereichs durch Störungen verursacht wurde. Gene Hackman erklärt den Grund: "Es entsteht beim Film eine komische Atmosphäre, die im allgemeinen vom Regisseur geschaffen wird. Diese Idylle kann durch äußere Einflüsse aber sehr schnell zerstört werden. Wenn man an einer Szene arbeitet und im Augenwinkel einen fremden Menschen bemerkt, jemanden, der bei der Kamera steht, kann man, wie es mir einmal passiert ist, ein bißchen hektisch werden." In Unternehmen sind Trennungslinien nicht so einfach zu ziehen. Aber es gibt dort andere Mittel, die Konzentration der Mitarbeiter auf ihre Aufgabe zu sichern. Zum Beispiel entstehen viele Unterbrechungen aus organisatorischen oder persönlichen administrativen Problemen. In manchen Fällen kann es wertvoll sein, einen Helfer zu benennen, der als Puffer für Störungen von außen dem Team dienen kann - jemanden, der sich um eine verzögerte Zahlung, einen fehlenden Schreibtisch, ein Lieferchaos oder ein undichtes Dach über einem Zeichenbrett kümmert. Es mag vielleicht sogar sinnvoll sein, jemanden zu haben, der auch kleinere persönliche Dinge erledigt, wie das Vereinbaren von Zahnarztoder Friseurterminen, Einlösen von Schecks oder Nachfragen, ob ein Auto inzwischen repariert ist und abgeholt werden kann. Normalerweise wird davon ausgegangen, daß jeder für seine persönlichen administrativen Probleme selbst sorgen muß. Aber allzuoft kann man das nur während der Arbeitszeit erledigen. Beim Filmteam erledigten die Produktionssekretärinnen solche Dienste. Penn arbeitete mit der Vorstellung, daß "alles, was beunruhigt, stört", und er versuchte nicht, Störungen danach zu klassifizieren, ob sie "persönlich" oder "offiziell" waren. Eine andere übliche Ursache für Streß in befristeten Gruppen sind Konflikte, die zwischen Menschen vorkommen, die eng zusammenarbeiten müssen. Eine Hauptschwierigkeit bei laufender organisatorischer Entwicklungsarbeit ist die Ermutigung, Konflikte durch das Mittel der Konfrontation zu lösen. Indes ist die Zeit einer Filmproduktion zu wertvoll (die Grenzkosten betrugen bei "Night Moves" 25 000 Dollar pro Tag), um sie auf die Lösung von Schwierigkeiten, die in den Arbeitsbeziehungen schnell auftauchen und verschwinden, zu verwenden. Hier schirmt eine im ganzen Filmgeschäft bestehende Übereinkunft die Arbeit ab. Dieses ungeschriebene Gesetz verlangt, daß, gleichgültig wie gespannt, unzufrieden oder aufgebracht Schauspieler oder Regisseur auch sein mögen, Klagen und Konflikte aus der Gruppe herauszuhalten und nicht in der Arbeitszeit zu lösen sind. In ihrer freien Zeit bewältigen die Menschen den Streß dann sehr unterschiedlich. Einige ziehen sich mit Büchern, Musik, Alkohol oder Drogen zurück. Andere werden geselliger als gewöhnlich. Über eine Hauptursache für Streß und Spannung in jedem temporären - und auch permanenten - System wird selten gesprochen. Es ist das persönliche Verhalten des Managers. So gibt es Führungskräfte, die in dem, was ihre Kollegen und Untergebenen ihnen berichten, nur Fehler und Probleme suchen. Als Ergebnis werden Untergebene solche Manager möglichst meiden, um sich selbst vor Ärger zu schützen, der durch derartiges kritisches Verhalten entsteht. Manager können sogar mit Kleinigkeiten Streß fördern oder abbauen, wenn sie sie ständig wiederholen. Zum Beispiel: Wenn eine Gruppe nur sehr langsam die Kaffeepause beendet, kann der Regisseur oder Manager in autoritärem Ton "Zurück an die Arbeit" schreien; er kann aber auch aufstehen, schweigend auf die Uhr deuten und sich auf die Berufsauffassung seiner Untergebenen verlassen, um sie zur Fortsetzung der Arbeit zu motivieren. Im zweiten Fall ist die Möglichkeit geringer, daß die Angestellten die Botschaft als einen Vorwurf empfinden. Und um so geringer ist auch die Möglichkeit, daß das Maß der Zuversicht und des Vertrauens in ihren Manager sinkt. Weil ihm der Drehplan klar vor Augen stand, war Penn ein harter Einsatzleiter, der von den Leuten stundenlanges konzentriertes Arbeiten verlangte. "Er ist ein fürchterlicher Manager. Er hält alle in Atem. Er hat eine kleine Maschine in seinem Gehirn, die Dollars zählt. Aber wenn er einen so auf Trab bringt, sagt er nur 'Gut für deine Batterie, laß deinen Motor nur flott laufen' ", beschreibt Gene Hackman die Methode Penns, den Zeitdruck, dem er unterlag, in gesteigerte Arbeitswut der Schauspieler umzuwandeln. Die meisten zeitlich begrenzten Systeme sind ebenfalls ähnlichem Druck ausgesetzt: Ungewißheit über Ergebnisse, lange Arbeitszeiten und eine stärkere Abhängigkeit der Mitarbeiter voneinander als üblich. Beim Nachdenken über diesen Aspekt ihrer Verantwortlichkeit sehen viele Manager, besonders Wissenschaftler und Ingenieure, natürlich vor allem die physische Seite von Streß. Sie gehen davon aus, daß Streß bei Menschen dem Streß bei Materialien verwandt ist, daß alles solange in Ordnung ist, wie ein gewisses Maß an Elastizität nicht unterschritten wird. Unglücklicherweise kumuliert Streß bei Menschen aber. Der einzige Weg, auf dem ein Manager sich bewußtmachen kann, wieviel und welche Art von Streß seine Leute erleben, ist, sie zu beobachten, indem er sie fragt und ihnen zuhört. Der letzte Streß, den Film- und Theaterleute gut bewältigen, ist das Geschäft des .Abschiednehmens". Der Regisseur oder der Produzent arrangiert gewöhnlich eine Party für das gesamte Team, die das Ende kennzeichnet. Tatsächlich tun viele Manager das gleiche, indem sie eine Party oder ein Dinner als Gelegenheit benutzen, abschließend ihre Anerkennung auszudrücken. Sie planen einen Abend ein, an dem sie mit ihren Untergebenen feiern, an dem alle gemeinsam stolz auf die vollbrachte Leistung sein können, bevor sie sich in alle Winde zerstreuen. Menschen, die mit dieser Art von Ritual ohne Schwierigkeiten umgehen, haben einen Vorteil, aber nicht für jeden ist es natürlich. In diesem Fall muß der Manager jemanden finden, der ihm dabei hilft oder es sogar für ihn erledigt: Der eigene Chef ist die erste Hilfsquelle. Dieser Prozeß ist auch für den Vorgesetzten wichtig, dem die Leute für die Zeit danach zugewiesen werden. Denn wenn das Management für ein angemessenes Ende gesorgt hat, das den Untergebenen das Gefühl eines guten Abschlusses ihres letzten Projektes gibt, werden sie sich psychologisch freier fühlen, die nächste Aufgabe in Angriff zu nehmen und sie mit Einsatz und Fleiß zu lösen.

Vorteile befristeter Systeme

Ein Freund aus der Filmbranche resümierte für uns die Herausforderung des Arbeitens in befristeten Systemen: "Das, was befristete Systeme wirklich von anderen unterscheidet, sind die zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Teammitglieder müssen fähig sein, trotz Ungereimtheiten am nächsten Tag wiederzukommen und die Arbeit unter den gleichen Bedingungen fortzusetzen. Das ganze Leben besteht aus Krisen, Streß und gegenseitiger Unterstützung bei ihrer Bewältigung. Und bei all dem muß der kreative Ideenfluß aufrechterhalten werden." In bestimmten Branchen - wie in Filmindustrie und Theater -, wo ein hohes Maß an zwischenmenschlicher Sensibilität und Ausdrucksfähigkeit erforderlich ist, um die Aufgaben des Systems zu erfüllen, sind die meisten Personen durchaus zu zwischenmenschlichen Beziehungen fähig. Sie sind darauf trainiert. Aber in einer Organisation, in der die Arbeit von einem Prozeß wissenschaftlicher Rationalität abhängt, ist zwischenmenschliche Kompetenz nicht sofort und selbstverständlich notwendig und wird auch nicht so hoch bewertet. Die Geschicklichkeit, mit Menschen umzugehen, oder ein gutes Mitglied in einem befristeten System zu sein, wird nicht häufig vorhanden sein und dürfte sogar oft als "Gegenkultur" angesehen werden. Die Kultivierung eines höheren Levels befriedigender zwischenmenschlicher Beziehungen in befristeten Systemen, die zunächst einmal keinen Wert an sich darstellen, ist ein Gebiet, auf dem mehr Forschung und Experimente dringend erforderlich sind. Wir haben zwei Gründe, dies zu sagen. Einer bezieht sich auf das Ausschalten von Problemen, die verhindern, Aufgaben erfolgreich zu vollenden. Der andere hängt von der Qualität der menschlichen Erfahrung ab, die in einer befristeten Organisation vorhanden ist. Ein Teil des Reizes, Filme zu machen, beruht auf dem Produkt selbst. Die Schaffung eines Films beinhaltet mehr Dramatik und mehr Möglichkeiten, Phantasie, persönliche Ausdrucksmöglichkeiten und Emotionalität zu entfalten als die Herstellung etwa eines Kühlschrankes oder die Programmierung eines Computers. Aber etwas von diesem Reiz liegt in der Organisationsform selbst. Temporäre Systeme ermöglichen ein hohes Maß an Arbeitsintensität, Geschlossenheit und Engagement bei der Arbeit - durchaus keine Selbstverständlichkeiten, die aber viele zumindest für eine befristete Zeit hochschätzen würden. Wegen dieser Zeit- und Zugehörigkeitsbeschränkungen und der gegenseitigen Vertrauensverpflichtung auf ein klares gemeinschaftliches Ziel bieten temporäre Systeme aufregendere Arbeitsplätze als permanente. Menschen in solchen Systemen haben oft das Gefühl, ihr Arbeitsleben ausgefüllter und aufregender zu erfahren als in einem anderen Milieu. Nicht alle diese Erfahrungen sind notwendigerweise positiv. Offensichtlich beinhalten sie auch Streß, Frustrationen, manchmal gar Isolation. Aber weil das Ziel fest umrissen und zeitlich begrenzt ist, ist es möglich, größere Anstrengungen auf sich zu nehmen, als es kontinuierlich möglich wäre. Wenn dies dann durch Erreichen des Ziels, durch fruchtbare Arbeitsbeziehungen zu anderen und durch Würdigung derer, die die Arbeit geleistet haben, gekrönt wird, empfinden die meisten Menschen ein wichtiges und positives Gefühl der Befriedigung.

Anhang:
Drei Filmemacher - drei Regiestile

Filmregisseure sehen den kreativen Prozeß durchaus unterschiedlich: Entweder als etwas, was sie sich im voraus sorgfältig erarbeiten, oder als etwas, bei dem sie fortlaufend improvisieren. Form und Inhalt eines Films können mehr oder weniger in je drei Phasen unterteilt werden: Vorproduktion, Produktion und Nachproduktion. Welche strategische Präferenz der Regisseur einer dieser Phasen, der für ihn wichtigsten, beimißt, läßt sich als Funktion seines persönlichen Stils interpretieren. Einige Regisseure bereiten Filme so umfassend wie möglich vor. Sie wissen genau, was sie wollen; der Film ist in ihren Köpfen bereits fertig. Sie halten die einzelnen Schritte schriftlich fest und haben ein genaues, vollständiges Drehbuch, bevor die erste Szene gedreht wird. In diesem Fall fällt die Konzeptionierung des Films voll und ganz in die Vorproduktionsphase. Dreharbeiten und Filmschnitt sind nur noch die Ausführung festgelegter Anweisungen, die ganz exakt das nachvollziehen, was bereits in der Vorstellung bestand. Regisseure, die so vorgehen, treffen die gesamte kreative Auswahl in der Vorproduktion und gelangen damit weitgehend zu einer endgültigen Form des Films, bevor die Dreharbeiten überhaupt begonnen haben. Alfred Hitchcock ist solch ein Regisseur, der das Hauptgewicht auf die Vorproduktionsphase legt. Er trifft alle Entscheidungen im voraus. Während der Vorproduktion erarbeitet er ein fertiges Drehbuch sowie einen Schneideplan und läßt so nicht die geringste Möglichkeit für spätere Änderungen, die sich aus der kreativen Zusammenarbeit mit den Schauspielern oder dem Verleiher ergeben könnten. Oft ist er nicht einmal während der Produktion anwesend. Für Hitchcock liegt der reizvolle Teil der Arbeit in der Planung. Hitchcock hat es in seinem berühmten Gespräch mit Francois Truffaut so beschrieben: "Wenn ich das Skript durchgesehen und die Bilder zu Papier gebracht habe, ist für mich die kreative Arbeit erledigt. Der Rest ist nur Langeweile." Andere Regisseure ziehen es vor, die Konzeptionierung mindestens bis zur Produktionsphase offen zu lassen. Für sie liegt ein entscheidender Aspekt des schöpferischen Prozesses in der Improvisation und Zusammenarbeit mit den Schauspielern und Technikern, um so den Film zu entwickeln - vielleicht eine Form der Zusammenarbeit, die sie mit einem Teil der Mannschaft von Film zu Film wiederholen. Denn für einige Regisseure ist das Filmemachen Suche: Sie wissen nicht genau, was sie tun werden, finden es aber während der Produktion heraus. Ingmar Bergman verwendet ebenfalls viel Zeit auf seine Skripts (die er selbst schreibt) und auf die Planung des Films. Indes sind diese Bemühungen nur technische Grundlage für den kreativen Prozeß, der während der Produktion beginnt, wenn er mit den Schauspielern arbeitet. Während der Dreharbeiten ist er stets gewillt, Änderungen des Drehbuchs und der Szenen vorzunehmen. Bergman möchte den kreativen Schaffensdrang einfangen, der in Filmen von höchster Qualität auftaucht und kennzeichnend für eine Spontaneität ist, die nicht im voraus geplant werden kann. Bergman über seine Suche nach phantasievollen Lösungen: "Ich glaube, daß es genau das ist, was mich beim Film, diesem faszinierenden Medium, hält - die Entwicklung und das Festhalten eines plötzlichen Ausbruchs des Lebens..." Die Bedeutung, die ein Regisseur der Nachproduktionsphase einräumt, hängt von seiner Bedeutung oder seiner Stärke ab. Der beste Maßstab für die Autorität eines Regisseurs ist der Gewinn seines letzten Films. Wenn der ein Erfolg war, wird er die alleinige Zuständigkeit für den endgültigen Filmschnitt seiner nächsten Produktion haben. Das heißt, niemand wird das Recht haben, die von ihm autorisierte Version zu ändern. Wenn er diese Autorität nicht besitzt, wird er wahrscheinlich nur den vorläufigen Filmschnitt vornehmen dürfen, während die Filmverleihfirma sich das Recht vorbehält, noch Änderungen vorzunehmen. Nur wenn der Regisseur- wie Arthur Penn - das Recht des alleinigen Filmschnitts besitzt, kann der fertige Film das Ergebnis der Vorstellungen eines einzigen Mannes sein. In diesem Fall muß jeder auf sein kreatives Konzept Rücksicht nehmen, was durchaus den Regeln der Industrie entspricht. Viele Menschen haben Angst davor, mit Regisseuren zu arbeiten, die über diese große Autorität verfügen, weil damit Macht, Respekt und Charisma verbunden sind. In derartigen Filmen werden weniger Einmischungen und noch weniger Kompromisse vorkommen. Regisseure, die fähig sind, die endgültige Auswahl bis zur Nachproduktion (Schneidephase) aufzuschieben, können so vorgehen, daß sie sehr viel mehr Filmmaterial belichten, als sie für die vorgesehene Filmlänge tatsächlich benötigen. Sie werden vermutlich verschiedene Versionen einer Szene drehen, ohne eine endgültige Entscheidung darüber zu treffen, auf welche Art der Zuschauer sie zu sehen bekommen wird. Arthur Penns Methode, einen Film zu machen, ist der von Bergman sehr viel ähnlicher als der von Hitchcock. Nach seiner Meinung ist es im schauspielerischen Prozeß sehr schwierig, Direktheit und Frische, Spontaneität und Authentizität hervorzubringen. Sein Ziel ist es aber, ein authentisches Ereignis zu kreieren, das erst während der Aufzeichnung zum Film wird. Er möchte das so vielfältig wie möglich schaffen, es auf so viele Arten wie irgend möglich filmen und die Wahl über das, was im Film erscheint, bis zur Schneidephase offenlassen. Das ist eine sowohl aufregende als auch belastende Arbeitsmethode; und die Bedeutung seines Führungsstils liegt in der Art, wie er dies zustande bringt. Copyright: © 1982 President and Fellows of Harvard College; ursprünglich veröffentlicht in "Harvard Business Review" unter dem Titel "A film director's approach to managing creativity"

Eileen Morley, Andrew Silver
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