"We shape our buildings and afterwards our buildings shape us" (Winston Churchill) Kommunikative Architektur im Unternehmen
DR. JOACHIM FREIMUTH ist Berater bei der Metaplan GmbH, Quickborn.
Die klassische Vorstellung von Effizienz im Arbeitsleben ist aufs engste mit dem Konzept der Arbeitsteilung gekoppelt, wie es vor allem die frühe angelsächsische Wirtschaftslehre sehr eindrucksvoll dargelegt hatte. Seinen architektonischen Ausdruck fand es in Gestalt von Fabrik- und später Bürogebäuden, in deren Innern die Menschen in räumlicher Isolierung voneinander ihren Tätigkeiten nachgingen (beziehungsweise noch heute nachgehen). Immerhin befürchtete noch ein so einflußreicher Mann wie Frederick Winslow Taylor (1856- 1915) zum Beispiel allen Ernstes, kooperative Arbeitsformen würden das Gesamtniveau aller Arbeiter auf das Niveau des schlechtesten von ihnen herunterziehen oder es sogar noch darunter sinken lassen.
Räumliche Trennung -
räumliche Nähe
Auch die betriebliche Hierarchie sehen wir oft in der räumlichen Gliederung widergespiegelt, etwa in Gestalt von Chefbüros, die durch Etagen und Vorzimmer mit strikten Zugangsritualen abgeschnitten sind von den anderen Teilen der Organisation. Abgeschnitten sind sie so auch von spontanen, ungefilterten Kontakten, was seinen Teil dazu beiträgt, daß die Hierarchiespitze nur die über den Dienstweg bereinigten Informationen erhält; kein Wunder also, wenn ihr oft das wirkliche betriebliche Geschehen verborgen bleibt. Die Anforderungen an das Management heute, vor allem das Verlangen nach innovativem Vorgehen und rechtzeitigem Reagieren auf Kundenwünsche, bedingen jedoch die frühzeitige Vernetzung aller betrieblichen Funktionen und hierarchischen Ebenen. Daraus resultiert auch ein Verdichtungseffekt, der dazu führt, daß die verschiedenen Probleme und Interessen beizeiten einbezogen werden. So läßt sich ein konfliktreicher Nachbereitungsaufwand vermeiden, der zwangsläufig entsteht, wenn wichtige Personen erst spät - etwa an der in einem Netzplan vorgesehenen Stelle - ins Spiel kommen. Die meist zahlreichen kommunikativen Vorgänge, die Innovationen zugrunde liegen, sind nicht durchweg logisch und sequentiell, sie müssen in der Regel als zirkulär verstanden werden, voller Redundanzen, aber auch mit Quantensprüngen, die intensive Gespräche erlauben. All diese Verdichtungsprozesse können unbehindert stattfinden, wenn den Beteiligten ein gemeinschaftlicher großer Raum gleichsam als Denk- und Experimentierzentrum zur Verfügung steht. In der Produktentwicklung liegt Konstrukteuren beispielsweise daran, daß das endgültige Produkt ihrem Konzept entspricht, die Mitarbeiter der Fertigung dagegen beharren ihrerseits auf fertigungsgerechter Produktgestaltung - also möchten sie von der Konstruktion keinen Entwurf erhalten, an dem de facto kaum noch etwas zu korrigieren ist. Zulieferer können in derart frühzeitige Absprachen miteinbezogen werden. Falls Projektgruppen oder ähnliche Teams zeitweilig räumlich konzentriert werden, ermöglicht das einen unmittelbaren Gedankenaustausch. Und es hilft Zeitverluste und Konflikte vermeiden, die der "normale Dienstweg" erzeugt: "Wenn alle Teammitglieder im gleichen Raum arbeiten, dann werden die Informationen eines Kollegen ganz ohne besondere Anstrengungen zu den eigenen und alle sind stärker zu Teamarbeit bereit. So entstehen zahllose Initiativen, die sonst unterblieben wären" (siehe Takeuchi/Nonaka 1986, Seite 42). Nahezu idealtypisch verdeutlicht wird die Verbesserung der innerbetrieblichen Kommunikation zwischen verschiedenen Hierarchiestufen und Funktionen an einem Projekt in der Lackindustrie. Neben anderen Maßnahmen wurde dort eine rund 750 qm große Fertigungshalle zu einem Moderationszentrum ausgebaut, in dem bis zu zehn Arbeitsgruppen - und nicht hinter verschlossenen Türen - an diversen Projekten arbeiten können. Die Offenheit und Öffentlichkeit der Arbeit induziert ständig Folgeaktivitäten und bezieht andere Abteilungen, Vorgesetzte, Kunden oder Zulieferer in das Geschehen mit ein: "Es entstehen Netzwerke, oft nur für Minuten. Früher haben sich die Leute per Aktennotiz eingeladen, jetzt schaut sich einer in der Halle um und sagt: Moment, da ist der, und da ist der. Die hole ich einfach mal her" (siehe Gottschall 1988).
Die Rolle räumlicher
Distanz
Der Einfluß räumlicher Distanz auf die Kommunikationsbeziehungen in F+ E-Abteilungen wurde empirisch untersucht (siehe Allen/Fustfeld 1975). Eines der vorrangigen Ergebnisse: Tendenziell spielen sich Zweidrittel aller Kontakte zwischen den Entwicklern in einem Radius von zirka 30 Metern ab (siehe Abbildung 1). Auch dieser Befund unterstreicht, wie wichtig - zumindest phasenweise - das räumliche Zusammenrücken von Mitarbeitern ist, die an innovativen Projekten forschen oder an kritischen Schnittstellen einen erhöhten Kommunikationsbedarf haben.
Räumliche Distanz erschwert auch den Informationsfluß zwischen den hierarchischen Stufen. Noch bis zum Ende des letzten Jahrhunderts etwa ließ die räumliche Nähe der ersten Angestellten sie unmittelbarer an den Entscheidungsprozessen teilhaben, so daß ihr besonderer Status symbolhaft unterstrichen wurde. Doch die mit der fortschreitenden Arbeitsteilung einhergehende Dequalifizierung der Bürotätigkeit fand später ihren nicht weniger symbolreichen Ausdruck in der immer fabrikähnlicheren Gestaltung der Bürogebäude. Dabei zeigt alle Erfahrung: Je größer der räumliche Abstand, desto größer auch die hierarchische Distanz und desto geringer die Chance für Kommunikation. Das Konzept der "Bürolandschaft", durch das "Quickborner Team" in den 60er Jahren entwickelt, sollte als erste umwälzende Antwort auf die klassischen Gestaltungskonzepte verstanden werden. Nicht hierarchische Merkmale, sondern die Möglichkeiten zu intensiverer Kommunikation sollten als Maßstäbe für die Bürohausgestaltung dienen. Gerade Direktionszimmer - hier fallen die wichtigen Entscheidungen - müßten demnach heute flexibel eingerichtete Kommunikationszentren sein. Statt aber als Quellen für Information und von Innovation zu füngieren, stellen sie vielfach noch Festungen dar, die alle erst listenreich erobern müssen, die sich Gehör verschaffen wollen. Das "Management by wandering around" stellt so gesehen nur eine halbe Lösung dar - jedenfalls solange, wie nicht auch die Mitarbeiter der unteren betrieblichen Ebenen das Recht zum "Wandering around" zugestanden bekommen.
Räumliche Enge
Eine der Kernideen der wissenschaftlichen Betriebsführung besteht darin, Tätigkeits- und Entscheidungsspielräume einzuengen und zu begrenzen. Damit ist eine Beschneidung von Interaktionsspielräumen verbunden, die durch die strikte Ökonomisierung der Bewegungsfläche an den Arbeitsplätzen besiegelt wird. Henry Ford triumphierte einst: "...Alle Maschinen stehen dicht beieinander! Wir haben pro Quadratfuß Raum mehr Maschinen aufgestellt als irgendeine andere Fabrik der Welt - jeder überflüssige Raum bedeutet eine unnötige Erhöhung der Produktionskosten. Wir wollen aber keine unnötige Teuerung. Trotzdem ist kein Platzmangel da - jeder hat so viel Platz, als er braucht, aber keinen darüber hinaus." Der Gedanke, Bewegungsspielräume möglichst zu beschneiden, wurde also sehr konkret umgesetzt. Für innovatives Lernen, spontanen Gedankenaustausch und Selbststeuerung blieb in der auf Konstanz ausgelegten großen Fabrikation kein Raum. Die einzig zulässigen Lernprozesse hatten der Perfektionierung der Bewegungsabläufe zu gelten, die sich niederschlagen in den bekannten Lernkurven. So wie die klassische tayloristische Ökonomie Arbeit, Kommunikation und Innovation voneinander loskoppelte, zementierte sie dies durch das räumliche Arrangement. Lange folgte die Zuordnung von Räumlichkeiten aber nicht nur dem Diktat ökonomischer Zweckmäßigkeiten, sondern auch dem der hierarchischen Stellung - im Wege der Anbindung von Raumansprüchen an Dienstgrade, wie das etwa die Bauordnung der öffentlichen Hand vorsieht (siehe Cakir 1985, Seite 12 sowie Abbildung 2). Ähnliche Regelungen kennt die private Wirtschaft. Indes stößt die Verknappung von Räumen und Büros ebenso wie ihre Zuordnung abhängig vom hierarchischen Status heute auf Widerstände. In vielen Funktionsbereichen wäre es schlichtweg widersinnig, Mitarbeiter einem örtlich genau definierten Arbeitsplatz zuzuordnen. Gerade in der Fertigung erfordert zum Beispiel die Tätigkeit in einer sich selbst regulierenden Produktionsinsel anhand der neuen Logistikkonzepte die flexible und selbstgesteuerte Arbeit an unterschiedlichen Plätzen. Die Beteiligten stehen miteinander im Blickkontakt, denn er erlaubt, sich schnell abzustimmen und spontan neu zu organisieren. Kommunikation und Innovation in solchen Inseln verlangen ein entsprechendes räumliches Arrangement. Ein Beispiel aus der Fertigung mag den Zusammenhang zwischen Architektur und Kommunikation verdeutlichen: Bei einem Projekt zur Montage von Autoradios hätte eine herkömmliche Auslegung zu Fließbandfertigung geführt; die Berücksichtigung kommunikativer Erfordernisse ergab aber ein U-förmiges Layout, bei dem sich die Funktionsträger gegenüber sitzen können, die unbedingt miteinander kommunizieren müssen. Das trifft zum Beispiel zu auf die Kontakte zwischen Reparatur- und Prüfstationen, um die Produktqualität zu verbessern (siehe Abbildung 3). Das Konzept der "Lernstatt" war ein weiterer, in die gleiche Richtung weisender Versuch, den alten Dualismus von Arbeiten und Lernen aufzuheben. Wenigstens partiell sollte die Werkstatt wieder zur Stätte des Lernens, der Interaktion und Innovation werden. Wie in älterer Zeit Gebäude gelegentlich betont kommunikationsund innovationsorientiert gestaltet wurden, wird an den Londoner "Inns of Court" deutlich, in denen seitdem 14. Jahrhundert Anwälte ausgebildet werden: "Die Bibliotheken und Wandelgänge dienten der zwischenmenschlichen Kommunikation, die Arbeitsräume der Konzentration. So war es auch möglich, daß neben dem formalen Netzwerk, dargestellt durch die geschriebene Berufsordnung, ein informelles Netzwerk entstand" (siehe Cakir 1985, Seite 10).
Funktionalität
Die heutige Ausstattung der Arbeitsräume folgt nach wie vor noch weitgehend der Richtschnur Funktionalität (oder Zweckmäßigkeit). Bereits aus dem Jahr 1842 stammt das Zeugnis einer utopisch überzogenen Sicht der "neuen Rationalität": "Solche Einförmigkeit lasse ich mir wahrlich gefallen! ...Jegliches Möbel ist bekanntlich gesetzlich bestimmt. Ordnung regiert auch in diesem Fall das ikarische Wesen" (siehe Cabet 1848, Seite 64). Nichts also sollte dem Zufall überlassen bleiben. Auch die innenarchitektonische Gestaltung folgte dem Diktat der ökonomischen Vernunft. Aber ganz ähnlich wie in einer regulierten Flußlandschaft, in der das Wasser nur noch in begradigten Bahnen strömt und die Vielfalt der Pflanzen- und Tierarten verschwindet, werden in einem streng funktionalen Umfeld auch die Kommunikationsprozesse gleichsam stromlinienförmig.
Die sogenannte "ökologische Psychologie" hat diese Zusammenhänge aufgedeckt (siehe Dreesmann 1986), vor allem mit Hilfe des Konzepts des "Behavior setting": Einem bestimmten räumlichen Arrangement entsprechen demnach bestimmte Verhaltensweisen der Menschen. Beide Komponenten konstituieren im Wechselspiel eine spezifische soziale Realität, so wie sie sich etwa in Konferenzzimmern oder Kaffeeräumen immer wieder einstellt. Die Zerstörung der Setting- Vielfalt durch gleichförmige und zweckrationale Raumgestaltung hat ihre negativen Folgen; sie verhindert vielfältige und spontane Gesprächskontakte, doch gerade sie geben oft ungeplant Impulse für neue Ideen - oft aber fehlt ihnen im wahrsten Wortsinne der Lebensraum. Empirische Untersuchungen in F + E-Abteilungen weisen ganz in diese Richtung. Sie zeigen, daß sich die technische Kommunikation ungesteuert zwischen den Entwicklern einen Raum sucht und diesen mühsam für das spontane gemeinsame Gespräch umfunktioniert, sobald die Gebäudegestaltung solche Möglichkeiten nicht ohne weiteres gewährt. Solche Settings bilden sich an Orten, zu denen es die Entwickler treibt, weil dort bestimmte Ressourcen, Informationsmöglichkeiten oder sonstige wichtige Dinge vorhanden sind: Außerhalb ihrer normalen Tätigkeiten müssen sie sich hier nun zwangsläufig für eine Weile aufhalten, etwa an Fotokopierern oder Computer-Konsolen oder in der Cafeteria. Gespräche, die so ohne direktes Wollen entstehen können, bilden dann oftmals den Ausgangspunkt beziehungsweise die Basis weiterhin fortbestehender kommunikativer Netzwerke, in deren Bannkreis neue und fruchtbare Ideen gedeihen können (siehe Allen/Fustfeld 1975). Innovative Kommunikationsnetzwerke lassen sich nicht planen, geschweige denn erzwingen. Aber die bewußte Unterbrechung der stormlinienförmigen Gebäudegestaltung durch Settings, die entspannte und spontane Gespräche ermöglichen, liefert die physischen Voraussetzungen.
Optische Raumgestaltung
Schüler, das wissen wir, erleben ihre Schulen häufig als kalt, supermodern, steril und wenig ansprechend. Und vor allem bemängeln sie die phantasielose Ausstattung der Klassenzimmer. Dagegen bewirken flexible Tische und Bänke, Teppichböden sowie angenehme Beleuchtung und Dekorationen recht viel - so etwa mehr Aktivität im allgemeinen, eine regere Beteiligung am Unterricht. In ähnlicher Weise dominieren auch bei der Gestaltung der Arbeitsumfelder gedankenlose Einheitsausstattungen oder - etwa in Konferenzund Chefzimmern - ein erdrückender Monumentalismus. Die Phantasie wird an ihrer Entfaltung gehindert, sei es durch nackte, kahle Wände, eintönige Farben und dergleichen, sei es durch aufdringliche hierarchische Symbolik, beispielsweise klotzige Möblierungen. Eine stimulierende Werkstattatmosphäre, die zu Kooperation, Initiative, Experimenten und neuen Gedanken führt, kann in solchen Umgebungen schwerlich entstehen. Die Gestaltung von Bauten wird von den meisten Unternehmen eher als eine zwar notwendige, wenngleich lästige Pflichtübung betrachtet, ausgenommen es geht um Repräsentation. Im Vordergrund der Investitionsüberlegungen stehen Maschinen und Apparate, die Gebäude dienen in erster Linie ihrem Schutz vor den Einflüssen der Witterung. Jede über diese Notwendigkeit hinaus verwandte Mark und jeder zusätzliche Arbeitstag für weiterreichende bauliche Maßnahmen gilt als Verschwendung oder mindestens doch Luxus. Interessanterweise gibt es aber von Maslow, dem Altmeister der Motivationstheorie, eine leider wenig beachtete empirische Studie über den Einfluß der räumlichen Umgebung auf Wahrnehmungsvermögen und Wohlbefinden der Menschen (siehe Maslow/Mintz 1956). Für diese Untersuchung wurden drei Räume gewählt, unterschiedlich ausgestattet nach den Empfindungskriterien "angenehm", "neutral" und "häßlich". Die Versuchsgruppen in jedem der drei Räume bekamen dann identische Photos von Menschen in verschiedenen Situationen vorgelegt; nach Betrachtung waren auf einer Rating-Scale die Einflüsse auf die Dimensionen "Tatkraft" und "Wohlbefinden" abzutragen. Die Resultate stützen unsere bisherigen Überlegungen: Jene Personen nämlich, die sich in dem "angenehmen" Raum befanden, gaben deutlich höhere Werte für Tatkraft und Wohlbefinden an als die Probanden in den beiden anderen Räumen. Die Werte für den Durchschnittsraum lagen noch deutlich über denen des "häßlichen" Raums. Dieses Experiment verdeutlicht, was viele Menschen meist nur diffus empfinden und was bis dato bei Raumgestaltungen systematisch unterschätzt wurde: Gebäude, in denen Menschen arbeiten, dürfen nicht bloß als Hülsen zum Schutz vor Witterungseinflüssen gesehen werden. Schon einige, wenig aufwendige gestalterische Maßnahmen beeinflussen Arbeitsfreude und Motivation positiv. Abgesehen davon vermittelt ein Unternehmen durch die Ausstattung der Räumlichkeiten immer auch eine Beziehungsbotschaft an die Mitarbeiter, gibt ihnen Wertschätzung oder auch das Gegenteil davon zu erkennen. Es ist paradox, auf der einen Seite innovative Höchstleistungen zu verlangen und auf der anderen Seite - durch kalte oder gar abstoßende Raumgestaltung - Gleichgültigkeit zu signalisieren. Besonders krass wirkt das, wenn obendrein bei der Ausstattung der Räume das ökonomische Prinzip suspendiert wird, sobald es um die höheren Hierarchiestufen geht. Was gehört nun aus unserer Sicht im einzelnen zu einer anregenden Lern- und Arbeitsökologie? Unter anderem bewegliches Mobiliar, ein schallschluckender und farblich abgestimmter Teppichboden, blendfreie Leuchten an einer schallschluckenden Decke, viel Tageslicht, Visualisierungsmöglichkeiten - kurz: Arrangements, die zum gemeinsamen Arbeiten und zur Kommunikation einladen. Erfolgreiche innovative Firmengründer haben diese Zusammenhänge häufig intuitiv erkannt. Bei Apple beispielsweise sind die Türen der Büros mit Glasscheiben versehen, um die Isolation zu durchbrechen. In der Regel gibt es auch Besprechungsecken, um das Herrschaftsgefühl zu vermeiden, das sich bei jenen einstellen mag, die sich hinter ihren Schreibtischen verschanzen.
Konferenzräume
Die wachsende Größe der Betriebe brachte die Notwendigkeit funktions- und hierarchieübergreifender Koordination mit sich. Weitreichende Entscheidungen erforderten nun zunehmend den Sachverstand und das Engagement vieler Beteiligter und Betroffener. Das klassische Instrument solcher Abstimmungsprozesse ist die Konferenz (von conferre - zusammentragen). Nun zeigt die Erfahrung aus unzähligen Konferenzen, welche Schwierigkeiten bei solchen Abläufen auftreten, aus unserer Sicht zu einem großen Teil verursacht durch die Gestaltung der Räume. Schon die Geometrie des Raumes läßt unter der Hand die Konferenz erneut zu einem Mikrokosmos der betrieblichen Ordnung werden. Das klassische Konferenzzimmer ist rechteckig, was die Plazierung des Konferenzleiters an der Stirnseite erlaubt; links und rechts von ihm sind die Teilnehmer aufgereiht, wobei die räumliche Nähe zum Leiter formelle oder informelle Macht ausdrücken kann. Rechteckige Tische mit entsprechend unflexiblen Stühlen unterstützen die Leiterzentrierung dieser Konferenzform: Alle Augen sind auf auf die Zentralfigur des Konferenzgeschehens gerichtet, Blickkontakte und damit Interaktionen unter den übrigen Teilnehmern erweisen sich als schwierig. Des weiteren steckt die Ausstattung dieser Räume voller Symbolik, allerlei heimliche Botschaften gehen damit an die Anwesenden. Konferenzräume sind immer auch Bühnen, auf denen das Unternehmen sich zur Schau stellt, ihre Gestaltung ist darum eine überaus verdichtete Demonstration der Unternehmenskultur und insbesondere der im Unternehmen vorherrschenden Einstellung zum Wandel. So teilt sich den Anwesenden über Symbole mit: * Schwere, unbewegliche und monumentalistische Möblierung bedeutet zugleich Unbeweglichkeit der vorhandenen Strukturen. * Nostalgische Sujets (Gemälde des Gründers und ähnliches) dokumentieren die Autorität der Inhaber, zeigen unter Umständen aber auch, wie Veränderungen eingeschätzt werden. * Eine versachlichte und funktionalistische Ausstattung scheint sagen zu wollen: Hier wird nicht über Beziehungen geredet, Konflikte können völlig rational gelöst werden oder sind erst gar nicht zu erwarten. Natürlich ist die heutige Gestaltung von Konferenzräumen nicht unbeeinflußt geblieben von neueren Erkenntnissen der Psychologie und einem veränderten Führungsverständnis. Analog zu den Trends, die seit der Jahrhundertwende bei der Herrichtung von Schulzimmern zu beobachten sind (siehe Getzels 1974), gab es ähnliche neue Akzente bei der Ausstaffierung von Konferenzräumen: * Die rechteckigen Räume mit ihrer Lehrer- beziehungsweise Leiterzentrierung sind ein Produkt der Jahrhundertwende, wesentlich beeinflußt von einem mechanisch-behavioristischen Verständnis menschlichen Verhaltens und Lernens. *DIn den 30er Jahren sorgte der Einfluß der Gestaltpsychologie für quadratische Räume mit beweglicher Möblierung, was den Anwesenden mehr Interaktion gestatten sollte. * Gruppendynamische Schulen der Psychologie in den fünfziger Jahren deuteten Lernprozesse eher als Austauschvorgänge zwischen allen Konferenzbeteiligten. Dementsprechend sollten U-förmige Arrangements den dafür notwendigen Blickkontakt zwischen allen ermöglichen und zugleich auch eine größere Offenheit symbolisieren. In der Wirtschaft haben sich diese hier grob skizzierten veränderten Einstellungen zur Konferenz- und Kommunikationskultur nur äußerst zeitverzögert, modifiziert und zudem ungleichzeitig durchgesetzt. Noch heute wäre für manche Konferenzräume etwa ein Flipchart- Ständer zur Visualisierung des Gesprochenen eine Revolution. Noch nachhaltiger gilt dies für die sich jetzt als notwendig abzeichnenden Veränderungen in der Zusammenarbeit. Sie bedarf der offenen Raumgestaltung, flexibler und leichter Möblierung, einer Reihe von Visualisierungs- und Interaktionsmöglichkeiten sowie einer ansprechenden Optik. Moderne Gruppenarbeitsräume, in denen zuweilen schwierigste Entscheidungen unter Einschluß vieler Betroffener zu fällen sind, müssen Werkstätten des Wandels sein. Sie brauchen ein entsprechendes Arrangement, sollen sich die hierarchischen Strukturen oder die typischen Konflikte in der Zusammenarbeit nicht wieder einschleichen. Literatur T. J. Allen, A. R. Fustfeld: Research Laboratory Architecture and the Structuring of Communications, in: R&D Management, 5. Jg., 2, 1975, S. 153-163. E. Cabet: Reise nach Ikarien, Paris 1848 (erstmals 1842). A. Cakir: Das Büro als Spiegelbild der Unternehmenskultur, Office Design 1985. H. Dreesmann: Zur Psychologie der Lernumwelt, in: B. Weidenmann, A. Krapp (Hrsg.): Pädagogische Psychologie, München und Weinheim 1986. J. W. Getzels: Images of the Classroom and Visions of the Learner, in: School Review, August 1974, S. 527-540. Dieter Gottschall: Schule der Querdenker, in: manager magazin, 18. Jg., 4/1988. Werner E. Mann: Organisationsentwicklung in der Fertigung, Grafenau 1984. A. H. Maslow, N. L. Mintz: Effects of Esthetic Surroundings: Initial Effects of Three Esthetic Conditions upon Perceiving "Energy" and "Well-being" in Faces, in: Journal of Psychology, Vol. 41, 1956, S. 247-254. Hirotaka Takeuchi, Ikujiro Nonaka: Das neue Produktentwicklungsspiel, in: HARVARDmanager 3/1986.