Wachstum - echtes Wachstum zumindest - beruht auf Innovationen. Natürlich kann ein Unternehmen mit einer großen Firmenübernahme seine Gesamterlöse in die Höhe treiben. Dabei jedoch von Wachstum zu sprechen wäre nicht angemessen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass mit Akquisitionen langfristig überdurchschnittliches Wachstum erzielt werden kann. Die Mischkonzerne Tyco und Vivendi, das Pharmaunternehmen HealthSouth und auch DaimlerChrysler sind dafür die besten Beispiele.
Verzeichnet ein Unternehmen über zehn Jahre oder mehr deutliche Einnahmenzuwächse, beruhen diese sehr wahrscheinlich auf der Entwicklung erstklassiger Innovationen. Vielleicht hat das Unternehmen eine ganze Branche umgekrempelt - wie Microsoft, als es die Computerindustrie "entvertikalisierte". Oder die Firma war Wegbereiter eines neuen, kühnen Geschäftsmodells, wie beispielsweise das amerikanische Handelshaus Costco mit seinen lagerhausartigen Verkaufsstätten für hochwertige Waren. Denkbar ist auch ein Unternehmen, das attraktive neue Produkte in großen Mengen auf den Markt bringt, wie es der finnische Handyhersteller Nokia getan hat.
Einfach ausgedrückt: Innovationen sind der Motor allen Wachstums. Wenn ein Unternehmen keine Innovationen mehr hervorbringt, ist auch kein Wachstum mehr in Sicht.
Die Sache hat nur einen Haken. Wir leben im Zeitalter der Sparsamkeit. In Unternehmen wird jede Position bei allen Budgets immer wieder kritisch überprüft. Die Entwicklungsetats bilden da keine Ausnahme. Immer mehr Forschungsabteilungen sind gezwungen, ihr Budget direkt mit den wichtigsten operativen Geschäftsbereichen auszuhandeln, in der Hoffnung, die Forschungsmittel zur Erfüllung tatsächlicher Bedürfnisse von Kunden einzusetzen.
Unternehmen wie der Computergigant IBM schicken die Mitarbeiter aus Forschung und Entwicklung in den Außendienst, damit sie direkt mit den Kunden in Kontakt kommen. Firmen analysieren neue Entwicklungsprogramme immer gründlicher. Die Ressourcen werden in einigen wenigen Projekten gebündelt, die hohe Gewinne verheißen. Zudem werden die Entwickler darin geschult, wirtschaftlich zu denken. Die Wissenschaftler sollen so selbst entscheiden können, ob es sich überhaupt rentiert, eine Idee weiterzuverfolgen.
Diese effizienzfördernden Maßnahmen sind zwar löblich, reichen aber noch nicht aus. Ein Unternehmen kann nur dann über seine Konkurrenten hinauswachsen, wenn es sie mit Innovationen übertrumpft. In Zeiten, in denen gespart werden muss, gelingt das nur Unternehmen, die es schaffen, trotz des Mangels an Forschungsgeldern die Ergebnisse ihrer Entwicklungsprojekte wesentlich zu verbessern.
Für eine solche Effizienzsteigerung reicht es nicht aus, den Gürtel in Forschung und Entwicklung etwas enger zu schnallen. Es erfordert vielmehr ein grundlegendes Nachdenken über die Produktivität von Innovationen und zudem ein Bündel an Strategien, mit denen aus jedem in die Entwicklung investierten Dollar deutlich mehr herausgeholt werden kann.
Um die Innovationserträge drastisch zu erhöhen, müssen Unternehmen begreifen, dass die Entwicklungsergebnisse (neue Verfahren, Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle) nicht unbedingt vollkommen mit dem Innovationsaufwand (Finanzierung und Talent) korrelieren. Diese Annahme ist unkonventioneller, als sie zunächst erscheinen mag. (Lesen Sie zur Entwicklung von Innovationen aus der Belegschaft auch den Artikel "Das Ende der Bürokratie" – Anm. d. Red.)
Als wir über 500 Personen aus dem mittleren und gehobenen Management großer US-Konzerne baten, die größten Hindernisse für Innovationen in ihren Unternehmen zu nennen, war die häufigste Antwort "Konzentration auf kurzfristige Ziele" gefolgt von "Mangel an Zeit und Ressourcen". Diesen Einschätzungen zufolge ist Innovation stark von Investitionen abhängig. Der Anspruch der Geschäftsführung, kurzfristig Erträge zu erzielen, schränkt die Innovationsproduktivität am stärksten ein. Unserer Meinung nach sind diese Annahmen falsch.
Bei einer eingehenden Analyse der effizientesten Innovatoren kristallisierten sich fünf Leitsätze für ein drastisches Ansteigen der Innovationseffizienz heraus:
Den Anteil der Erfinder im Verhältnis zur Gesamtzahl der Mitarbeiter erhöhen. Je höher der Prozentsatz an Mitarbeitern ist, die sich unabhängig von ihrer offiziellen Stellenbeschreibung selbst als Erfinder betrachten, desto größer ist der Innovationsertrag.
Den Anteil der radikalen Innovationen im Verhältnis zu den schrittweisen Innovationen erhöhen. Je höher der Anteil an wirklich radikalen Ideen in der Entwicklungspipeline eines Unternehmens ist, desto höher ist die Innovationsrendite.
Den Anteil von extern beschafften Innovationen im Verhältnis zu intern entwickelten Erfindungen erhöhen. Je versierter ein Unternehmen darin ist, Ideen und Energien von außerhalb zu nutzen, desto besser fällt die Rendite der Entwicklungsinvestitionen aus.
Bei Entwicklungsprojekten das Gewinnen von Erkenntnissen im Verhältnis zum Investitionsanteil erhöhen. Je effizienter ein Unternehmen neue Möglichkeiten erkundet, also bei geringem Risiko viele Erkenntnisse gewinnt, desto effizienter sind seine Innovationsbestrebungen.
Das Engagement im Verhältnis zur Anzahl der Schlüsselprojekte verstärken. Ein Unternehmen, das sich mit viel Engagement für relativ wenige, breiter gefasste Innovationsziele einsetzt und diese kontinuierlich über einen längeren Zeitraum verfolgt, kann seine Innovationsressourcen vervielfachen.
Wir haben der Versuchung widerstanden, diese Leitsätze in detaillierte Kennzahlen zu übersetzen. Durch zu viel Genauigkeit im Anfangsstadium verringern sich lediglich Ihre Aussichten, neue ertragreiche Möglichkeiten zur Verbesserung zu entdecken. Zum jetzigen Zeitpunkt kommt es auf drei Dinge an: Sie müssen das Prinzip hinter den Leitsätzen verstehen, für jedes der fünf Verhältnisse in Ihrem Unternehmen einen Ausgangswert einführen und mit aller Kraft danach streben, sich in jeder der fünf Disziplinen kontinuierlich zu verbessern.
Im Folgenden werden wir die Leitsätze beschrieben und konkrete Strategien gezeigt, wie Unternehmen sie erfolgreich anwenden können. Es ist anzumerken, dass wir zwar auf viele Fälle gestoßen sind, in denen Unternehmen ihre Innovationsleistung durch eine bewusste Fokussierung auf einen oder zwei dieser Produktivitätsmotoren steigerten. Wir haben jedoch keine einzige Firma gefunden, die durch systematisches Vorgehen in allen fünf Disziplinen erfolgreich war.