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Wenn ein Unternehmen die Realitäten akzeptiert, kann es auch auf engen Märkten Gewinne erwirtschaften In der Stagnation erfolgreich konkurrieren

Weil immer mehr Branchen mit der Stagnation - bescheidene Zuwachsraten oder sogar Rückgang - leben müssen, suchen Unternehmen dieser Branchen verstärkt nach kompetenten Managern, die das Firmenschiff sicher durch die Flaute steuern. Statt dem oft geäußerten Ratschlag zu folgen, das in solchen Märkten verbleibende Potential abzuernten, sollten Manager die Eigenarten ihrer Märkte verstehen lernen und ihre Strategie dementsprechend ausrichten. Die Autoren haben eine Reihe rückläufiger Industriezweige unter die Lupe genommen und auf Grund der dabei gewonnenen Erkenntnisse einige Merkmale herauskristallisiert, die allen in der Stagnation erfolgreich konkurrierenden Unternehmen gemein sind.
aus Harvard Business manager 3/1980

RICHARD G. HAMERMESH ist Assistenzprofessor für Unternehmenswissenschaften an der Harvard Business School. STEVEN B. SILK ist der zweite Mann im Product Management bei General Foods.

Die Jahre von 1950 bis 1973 bescherten der amerikanischen Wirtschaft eine Rekordkonjunktur. Das Bruttosozialprodukt (BSP) und das verfügbare Pro- Kopf-Einkommen wuchsen jährlich real um 3,7 beziehungsweise 2,4 Prozent. Zu den vielen Folgen dieses Wachstums zählte die von führenden Wirtschaftskräften vertretene Auffassung, daß Wachstum nützlich ist und ewig anhalten wird. Aus dieser Einstellung rührt auch das Postulat, daß rasant wachsende Unternehmenssparten von den talentiertesten und aggressivsten Managern geführt werden sollten. Demgegenüber überließ man die nur langsam wachsenden oder rückläufigen Sparten der Führung weniger aggressiver oder schon auf dem absteigenden Ast befindlicher Manager. Solche Einstellungen und Positionen mögen in Zeiten sinnvoll gewesen sein, als das Wachstum unbegrenzt zu sein schien. Seit 1973 hat sich das Wirtschaftswachstum jedoch verlangsamt: Das Bruttosozialprodukt klettert seither nur noch um real 2,3 Prozent jährlich, das verfügbare Pro-Kopf- Einkommen wächst real nur noch um 1,7 Prozent. Hinzu kommt, daß die begrenzte Versorgung mit natürlichen Ressourcen die meisten Wirtschaftsexperten davon überzeugt hat, daß mit einem längeren Zeitraum langsameren Wachstums zu rechnen ist. Deshalb wird es in Zukunft eine zunehmende Zahl von Industriezweigen geben, die nur mit bescheiden steigender oder sogar absinkender Nachfrage rechnen müssen. Diese Situation wird einen enormen Bedarf für Manager schaffen, die das Unternehmen im Konkurrenzkampf um stagnierende Märkte mit Tüchtigkeit und Geschick lenken können. Obwohl der Bedarf an kompetenten Managern für Unternehmen in stagnierenden Branchen offenkundig steigt, überrascht es, daß bisher kaum untersucht wurde, welche Unternehmensstrategien unter derlei Voraussetzungen am sinnvollsten sind. Vorhandene Theorien helfen in dieser Situation nur wenig. Es gibt nur die knallharte Empfehlung, daß sich Unternehmen ihrer stagnierenden Sparten entledigen oder sie "wie Milchkühe melken" sollen, solange es eben noch geht. Diese Strategie des Aberntens ist aber leider allzuoft gleichbedeutend mit der Preisgabe des Geschäfts. Ein Abstoßen ist oft schon deshalb nicht möglich, weil sich keine Käufer finden, und eine Liquidation des Betriebs vielfach nicht praktikabel ist. Ein erfahrener Divisionmanager kommentierte das Problem so: "Nach einer Untersuchung der Geschäftslage unserer Sparte kam von der Planungsgruppe des Konzerns kürzlich der Vorschlag, daß wir bestimmte Produktreihen aufgeben sollten. Die Zielmärkte für die betreffenden Produkte wüchsen kaum noch. Diese Produktreihen aufgeben, ist aber leichter gesagt als getan. Ohne diese Umsätze würden wir unsere Gemeinkosten in der Fertigung nicht mehr decken können, und die meisten anderen Produkte gerieten ebenfalls in die roten Zahlen." Um mögliche Wettbewerbsstrategien für stagnierende Branchen zu untersuchen, mußten wir den Begriff "Stagnation" zunächst definieren. Nach unserer Definition stagniert ein Industriezweig dann, wenn seine Gesamtnachfrage (in Stückzahlen) über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg um weniger als die Hälfte der realen BSP-Wachstumsrate anstieg beziehungsweise rückläufig war. Nachdem wir zwölf Industriezweige gefunden hatten, auf die unsere Kriterien zutrafen, nahmen wir diejenigen Unternehmen genauer in Augenschein, die in diesen Branchen mit bemerkenswertem Erfolg oder besonders erfolglos agiert hatten. Mit diesem Vorgehen hofften wir, Wettbewerbsstrategien zu finden, die unter den gegebenen Voraussetzungen mit größter Wahrscheinlichkeit zum Erfolg beziehungsweise zum Mißerfolg führen würden. Schließlich trugen unsere Gespräche mit Managern in vielen dieser Unternehmen dazu bei, daß wir selbst besseren Einblick in die administrativen Probleme gewannen, die sich bei der Führung eines Unternehmens ergeben, das mit stagnierender Konjunktur fertig werden muß. Um ein Resultat unserer Untersuchungen vorwegzunehmen: Es ist möglich, in stagnierenden Industriezweigen erfolgreich zu konkurrieren und hohe Gewinne zu erwirtschaften. Unsere Untersuchungen enthüllen eine Reihe wichtiger Strategiemerkmale, die erfolgreiche Unternehmen auszeichnen.

Harte Realitäten

Bevor wir uns den vielversprechendsten Strategien zuwenden, ist es unerläßlich, daß wir uns näher mit den schwierigen Realitäten beschäftigen, die ein stagnierender Markt mit sich bringt. Diese Realitäten zu erkennen und richtig einzuschätzen, ist schon deshalb ein kritischer Punkt, weil, wie wir noch sehen werden, alle Strategien, die diesen Realitäten zuwiderlaufen, beinahe ausnahmslos fehlschlagen, während die erfolgreichen mit den Marktgegebenheiten ständig parallel laufen. Die unangenehmste Realität, die es zu akzeptieren gibt, dürfte wohl die Erkenntnis sein, daß ein stagnierender Industriezweig die Zeit des rasanten Wachstums wahrscheinlich für immer hinter sich gelassen hat. Greifen wir die Kaffeebranche als ein Beispiel heraus. Von 1960 bis 1975 ging der Kaffeekonsum in den USA um insgesamt 3,2 Prozent zurück. In bestimmten Jahren stieg die Nachfrage zwar wieder, aber die Einbußen in anderen Jahren waren wegen gestiegener Preise besonders ausgeprägt. Über einen längeren Zeitraum gesehen war der Gesamttrend leicht rückläufig. Die Tatsache, daß der Pro-Kopf-Konsum noch weit stärker zurückgegangen ist, läßt leicht erkennen, daß dieser Trend anhalten wird. Dieser Punkt ist besonders wichtig: In einem vom Abschwung oder unterdurchschnittlichen Wachstum gekennzeichneten Industriezweig kann es ohne weiteres Jahre lebhafter Nachfrage geben. Für die Manager solcher Unternehmen ist es jedoch unerläßlich, daß sie sich nicht vom Wunschdenken den Blick trüben lassen. Erforderlich ist eine exakte Analyse der langfristigen Aussichten und die Bereitschaft, den Problemen ins Auge zu sehen, die der Konkurrenzkampf in stagnierenden Märkten mit sich bringen wird. Nur wenn das Management die Realität anhaltend schleppender Nachfrage akzeptiert, ist die Voraussetzung für die Entwicklung erfolgversprechender Strategien gegeben. Betrachten wir ein praktisches Beispiel: In einem von uns besuchten Unternehmen berichtete man über den wackeligen Zustand der Beziehungen zwischen dem Unternehmensvorstand und einer Sparte, die in einer stagnierenden Branche operierte. Der Vorstand war mit dem Erfolg der Sparte unzufrieden, während das Spartenmanagement sich darüber aufregte, daß man in der Chefetage des Unternehmens in den letzten vier Jahren keiner einzigen Bitte um zusätzliches Kapital entsprochen hatte. Eine genauere Betrachtung des Sachverhalts brachte mehr Licht in diese Angelegenheit: Das Topmanagement war zwar nicht geneigt, der betreffenden Sparte zusätzliche Ressourcen zu bewilligen, drängte gleichwohl auf Wachstumssteigerung. In der Division reagierte man damit, daß zwar Wachstumspläne entwickelt wurden, diese aber zusätzliche Kapitalinvestitionen erforderten. Als sich das Topmanagement und das Spartenmanagement in einer Reihe von Strategiekonferenzen mit der Realität sinkender Nachfrage auseinandersetzten, gelang es schließlich, das Problem zu lösen. Der Sparte wurden Zielvorgaben gesetzt, die den Marktmöglichkeiten entsprachen, und das Topmanagement begann damit, Unternehmenserfolge auf Divisionebene nach Cash-flow und Return-on-Investment zu bewerten. Als nächste unangenehme Realität muß akzeptiert werden, daß der Wettbewerb in stagnierenden Märkten meist schärfer ist als in rasant wachsenden. In einem wachsenden Industriezweig kann ein Unternehmen seine Umsätze enorm steigern, ohne der Konkurrenz Marktanteile wegzunehmen. Vielfach bedarf es sogar des Einsatzes aller verfügbaren Finanzmittel und sämtlicher Managementressourcen, um die wachsende Nachfrage befriedigen zu können. Expansion heißt das Hauptproblem, nicht Wettbewerb. Wenn sich das Marktwachstum jedoch verlangsamt, ist ein Weiterwachsen des Unternehmens nur auf Kosten anderer möglich, so daß der Wettbewerb heftiger wird. In dem Maße wie sich der Konkurrenzkampf intensiviert, wird die Zahl der in einem Industriezweig miteinander konkurrierenden Unternehmen üblicherweise kleiner, so daß die Marktanteile der Größten wachsen. Nehmen wir die Zigarrenindustrie als Beispiel, wo die Mengennachfrage in den letzten 15 Jahren um fünf Prozent jährlich zurückging. Die Zahl der Zigarrenhersteller reduzierte sich gleichzeitig von 283 im Jahre 1958 auf nur noch 32 im Jahre 1972. Schließlich noch eine oft übersehene Realität: Auch bei Stagnation vollziehen sich Veränderungen der Produkte, in der Technologie, in der Produktion, im Fertigungsverfahren und im Vertrieb. Untersuchungen von William J. Abernathy und James M. Utterback haben sogar gezeigt, daß einige Innovationen, vornehmlich solche, die den Herstellungsprozeß betreffen, sich tendenziell dann häufen, wenn der Markt dem Reifestadium zustrebt. (1) Eine Bestätigung für die Richtigkeit dieser Behauptung liefert die Zigarrenindustrie. Durch Entwicklung neuer Fertigungsmaschinen wandelte sich diese Branche von einem vornehmlich handwerklichen Gewerbe zu einer automatisierten Industrie. Verbesserungen, die die Japaner bei der Herstellung von Motorrädern einführten, ermöglichten es, daß ein Freizeitmarkt für Motorräder entwickelt werden konnte, eine Errungenschaft, auf die wir später noch eingehen werden. Kurz gesagt, die Stagnation verhindert bedeutsamen Wandel nicht. Wenn diese Realitäten nicht erkannt werden, führt solches Unvermögen leicht zu Wettbewerbsstrategien, die in sich zwar logisch scheinen mögen, aber nur selten erfolgreich sind. Die Wahrscheinlichkeit, daß solche Fehlstrategien angewandt werden, ist dann am größten, wenn stagnierende Umsätze als ein "Marketingproblem" gesehen werden, statt sie als unabänderliche Realität zu akzeptieren. Typische marketingorientierte Lösungen, wie Markenausweitung und konzentrierte Werbung, führen nämlich meist nicht zu einer Steigerung der Gesamtnachfrage, sondern zu höheren Lagerstandsinvestitionen, steigenden Herstellungskosten und sinkender Rentabilität. Aus anderen Forschungsprojekten ist inzwischen bekannt, daß intensivierte Werbung einem Unternehmen in den Einführungs- und Wachstumsphasen zwar hilft, sich im Abstiegsstadium jedoch nur selten als nützlich erweist.

Erfolgsstrategien

Wenn diese Realitäten als gegeben betrachtet werden müssen, erhebt sich die Frage, ob es überhaupt Möglichkeiten gibt, stagnierende Märkte so anzugehen, daß das Unternehmen nicht nur dem möglichen Untergang ausweicht, sondern sich außerdem noch einen angemessenen ROI erhoffen kann. Die Antwort auf diese Frage liefert unsere Studie. Wir fanden drei Strategiemerkmale, die allen in der Stagnation erfolgreich operierenden Unternehmen gemeinsam waren: Diesen Unternehmen war es gelungen, innerhalb ihres Aktionsfeldes Wachstumssegmente aufzuspüren, zu schaffen und auszubeuten; Produktqualität und innovative Produktverbesserung standen im Mittelpunkt; die Effizienz der Fertigung und des Vertriebs wurde systematisch und beständig verbessert.

Wachstumssegmente

Die Konzentration auf Teilmärkte mit Wachstumspotential ist vielleicht der beste Weg, um einigen der unerfreulichen Realitäten einer stagnierenden Branche auszuweichen. Ein klassisches Beispiel liefert die General Cinema Corporation. Im Verlauf der letzten drei Jahrzehnte ist die Zahl der Kinos in den USA um fast 20 Prozent gesunken. Noch 1946 ging einer von fünf Freizeit- Dollars in die Kinokassen, heute ist es nur noch jeder vierzigste. Während dieser anhaltenden Abstiegsund Stagnationsperiode hat ein Segment dieses Marktes - das Kino im Shopping-Center - jedoch mit beeindruckenden Wachstumsraten aufwarten können. Die General Cinema Corporation erkannte als erste diese Tatsache und konzentrierte als erstes Unternehmen ihre Aktivitäten auf dieses Segment. Heute betreibt General Cinema rund 700 Kinos in Einkaufszentren; größtenteils handelt es sich dabei um Kino-Center mit mehreren getrennten Zuschauerräumen. In einer insgesamt rückläufigen Branche brachte es General Cinema in den letzten zehn Jahren fertig, den Jahresertrag um durchschnittlich mehr als 20 Prozent zu steigern und eine Vermögensverzinsung von 20 Prozent aufrechtzuerhalten. Natürlich kann man argumentieren, daß ein Unternehmen, wenn es in wachsende Teilmärkte einsteigt, nur einen Ausweg gefunden hat, um dem Konkurrenzkampf im stagnierenden Markt auszuweichen. Tatsächlich trifft das den Nagel auf den Kopf. Den Markt auszuwählen, in dem man konkurrieren will, ist das Kernproblem jeder Entwicklung einer Unternehmensstrategie; die besten Strategen verbringen sehr viel Zeit mit der Analyse ihrer Branche, um Segmente zu finden, die Wachstum haben oder sich emporentwickeln. Natürlich muß man auch zugeben, daß es einige Branchen gibt, in denen es nahezu unmöglich ist, Teilbereiche mit Wachstumspotential zu finden, aber meist gibt es solche Möglichkeiten durchaus. Der Vorstandsvorsitzende eines Unternehmens, das Chemikalien und Spezialpapiere produziert, mit 300 Millionen Dollar Jahresumsatz, bestätigte uns erst kürzlich: "In jedem nur denkbaren Industriezweig gibt es Segmente mit großem Wachstumspotential." Anhand eines weiteren Beispiels soll veranschaulicht werden, wie imaginatives Denken Wachstumsmöglichkeiten aufdecken kann, selbst in der von Flauten gebeutelten Investitionsgüterindustrie. Seit dem arabischen Ölembargo des Jahres 1973 ist in den Vereinigten Staaten die Nachfrage nach elektrischer Energie kaum angestiegen, was zu einem merklichen Rückgang der Bestellungen für Kraftwerke und Anlagen zur Stromerzeugung führte. Diesem Einbruch bei den Neuaufträgen konnte sich auch die Power Systems Company von der Westinghouse Electric nicht entziehen, ihr gelang jedoch die Kompensation durch eine Ausweitung des Servicebereichs. (2) Während die Kunden Neugeschäfte nämlich stornierten beziehungsweise die Aufträge aufschoben, stieg der Bedarf an Reparatur- und Wartungsarbeiten rapide an. Aber Westinghouse beschränkte sich nicht nur darauf, diesen Bedarf zu decken, vielmehr nahm man die Entwicklung neuer Produkte und Konzepte aktiv in Angriff, die das Unternehmen in die Lage versetzen sollten, das Wachstumspotential dieses Segmentes erfolgreich auszubeuten. Zum Beispiel wurden Ersatzteile entwickelt, die den Wirkungsgrad bestehender Systeme verbessern; mit Hilfe einer fahrbaren Präzisionswerkstatt ist es Technikern heute möglich, an großen Rotoren erforderliche Nacharbeiten an Ort und Stelle vorzunehmen. Als Resultat all dieser Anstrengungen verdreifachte sich das Dienstleistungsvolumen des Unternehmens in den letzten sechs Jahren, so daß die Power Systems Company ständig Umsatz- und Ertragssteigerungen vorzeigen kann. Weil im allgemeinen sehr viel Einfühlungsvermögen und Kreativität erforderlich ist, um Segmente mit Wachstumspotential aus einem Marktgefüge herauszuarbeiten, ist es schwierig, ein Erfolgsrezept vorzustellen, mit dessen Hilfe man sie sicher erkennt. Aber es gibt wahrscheinlich bestimmte Denkweisen, die bei der Identifizierung von Segmenten mit Wachstumspotential hilfreich sein sollten. Der Schlüssel liegt in der Erkenntnis, daß bei näherem Betrachten die meisten Industriezweige aus zahlreichen Segmenten und Subsegmenten zusammengesetzt sind, die man nach den verschiedensten Kennbegriffen definieren kann: Kundengruppen, Preise, Produktmerkmale, Produkteinsatzmerkmale, geographische Bereiche, Dienstleistungen, Technologie. Das bloße Nachdenken über Segmente und ihre Auflistung reicht jedoch nicht aus: Detaillierte Aufgliederungen der Branchenstatistiken nach den jeweils relevanten Kenngrößen sind unerläßlich. Das hierfür erforderliche Datenmaterial ist nur selten allgemein zugänglich, folglich muß in die Marktforschung investiert werden, um diese Daten zu erfassen und zu analysieren. Man analysiert zum Beispiel die diversen Kundengruppen. Eine einfache Aufgliederung nach Alter, Geschlecht, Ort, Einkommen und Kaufverhalten kann bereits beträchtliche Mühe erfordern. Bei einigen Unternehmen, die wir besuchten, war es durchaus nichts Außergewöhnliches, daß zwei Mitarbeiter in Stabsposition vollauf mit der Erfassung und der Analyse dieses Datenmaterials beschäftigt waren. Daraus folgt, daß ein kreatives Management mit der Bereitschaft, seine stagnierenden Märkte als ein Kompositum aus kleinen Segmenten zu betrachten und detaillierte Marktdaten hierüber zu erfassen und zu analysieren, mit weitaus größerer Wahrscheinlichkeit auf Marktsegmente stoßen wird, in denen Wachstumspotential steckt.

Innovation und Qualität

Wenden wir uns nun einem anderen Merkmal erfolgreicher Strategie zu: dem Streben nach hochwertigen, innovativen Produkten. Mit Hilfe solcher Produkte kann das Unternehmen einem Teil des Preisdrucks ausweichen, der für das Wettbewerbsgeschehen auf stagnierenden Märkten typisch ist. Innovative Produkte bieten darüber hinaus noch den unbestreitbaren Vorteil, daß es für die Konkurrenz teuer und schwierig ist, sie zu imitieren. Ein gutes Beispiel für ein hochwertiges, innovatives Produkt lieferte General Foods mit dem gefriergetrockneten Fertigkaffee, der besseren Geschmack bietet. Seit beinahe zehn Jahren kann diese Kaffeemarke auf rapides Wachstum zurückblicken, unter allen Kaffeeprodukten erreichte sie die höchsten Margen. Die Technologie der Gefriertrocknung ist auch teurer als konventionelle Technologien. Die meisten Kaffeehersteller - mit der bemerkenswerten Ausnahme von Nestle - waren entweder nicht willens oder nicht in der Lage, die für erfolgversprechenden Wettbewerb auf diesem Teilmarkt erforderlichen Investitionen in die Forschung oder in Produktionsanlagen zu tätigen. Dadurch lieferte diese Innovation hohe Gewinnspannen in einem Teilmarkt mit nur wenigen Konkurrenten. Daß hohe Qualität und Innovation in stagnierenden Industriezweigen von besonderer Bedeutung sind, unterstreicht auch eine Analyse der PIMS-Datenbank (Profit of Market Strategies), die 1000 Unternehmen erfaßt. (3) In jedem dieser Unternehmen ist es so, daß bessere Produktqualität mit einem höheren ROI einhergeht und daß diese Relation in stagnierenden Märkten besondere Signifikanz annimmt, wie Abbildung l zeigt. Verblüffend sind auch die Relationen zwischen ROI, Marktwachstum und den F + E- Aufwendungen (siehe Abbildung 2). In Märkten mit mäßigem oder rasantem Wachstum kann man aus dem PIMS-Datenmaterial keine positiven Auswirkungen erhöhter F + E-Ausgaben auf den ROI ableiten; anders sieht es in der Stagnation aus, wo hohe F + E-Ausgaben mit höheren ROI-Raten korreliert sind.

Diese für stagnierende Industriezweige zutreffende hochgradige Korrelation zwischen ROI und F + E-Aufwand läßt den Schluß zu, daß sich das stärkere finanzielle Engagement in Forschung und Entwicklung durch einen beständigen Fluß hochwertigerer Produkte auszahlt - und das neben dem Nutzen, der sowieso aus jeder wichtigen Neuproduktenwicklung erwächst. Folgende Erläuterung war dazu von dem Gruppenchef eines Konzerns zu hören, der für mehrere Divisions im Bereich Befestigungselemente verantwortlich war: "Wir arbeiten in einem gereiften Markt, in einigen unserer Sparten müssen wir uns mit ständig sinkendem Bedarf auseinandersetzen. Dank der Besonderheiten unseres Marktes und unserer eigenen Anstrengungen kommen wir aber Jahr für Jahr mit 20 Prozent Neuprodukten auf den Markt, die jeweils den neuen Modellen angepaßt sind, die es bei Hausgeräten, im Textilsektor, in der Autoindustrie gibt. Wir sehen eine große Gefahr darin, unsere F + E-Ausgaben zu kürzen. Durch die Entwicklung innovativer Produkte können wir unser Umsatzvolumen nicht nur halten, wir gehen auf diese Weise auch der Notwendigkeit aus dem Weg, in den Konkurrenzkampf um Marktanteile bei einheitlichen Massenartikeln einsteigen zu müssen." Daß die Divisions der Gruppe Befestigungselemente die höchsten Kapitalertragsraten aller Konzerntöchter erwirtschaften, ist ein Resultat dieser Strategie.

Höhere Wirtschaftlichkeit

Ein weiteres Erfolgscharakteristikum, das wir an Unternehmen in stagnierenden Industriezweigen untersuchten, war die ständige Suche nach Möglichkeiten der Kostensenkung. Der übliche Weg, Kosten zu senken, dürfte in der Rationalisierung des Fertigungsprozesses liegen. Oft entstammen solche Rationalisierungsmaßnahmen konstanter und systematischer Aufmerksamkeit, die der betrieblichen Effizienz geschenkt wird. So legte Samuel Hollander zum Beispiel dar, daß über die Hälfte der von DuPont realisierten Kostensenkungen bei Rayon auf schrittweise Verbesserungen der Produktionsverfahren zurückzuführen war, nicht etwa auf großangelegte Investitionen und Programme. Ein wirklich dramatisches Beispiel für die ungeheure Macht, die in Innovationen des Fertigungsprozesses liegt, lieferten die Japaner mit der von ihnen eingeführten Produktionsmethode in der Motorradindustrie. Während der 50er Jahre ging die Nachfrage nach Motorrädern ständig zurück, weil sich nur noch wenige Leute dieser Transportmethode bedienten. Statt nun einem kranken Industriezweig den Rücken zu kehren, setzten die wichtigsten japanischen Hersteller auf ein ehrgeiziges Programm der Kostensenkung, wobei sie sich auf Motorräder mit weniger als 750 ccm Hubraum konzentrierten. Hochgradige Spezialisierung und Automatisierung waren die Eckpfeiler dieser Methode. So werden in einem Honda-Werk nur Motoren hergestellt. Suzuki wie auch Yamaha verfügen über Betriebe, die sich fast ausschließlich auf die Produktion hochspezialisierter Werkzeugmaschinen verlegt haben. Indem die Japaner ihre Kosten so drastisch senkten und Preisbarrieren zu sprengen vermochten, erschlossen sie sich einen völlig neuen Teilmarkt: das Motorrad als Freizeitartikel. Wenn auch die Rationalisierung des Fertigungsprozesses der am häufigsten beschrittene Weg der Kostenreduktion ist, so lassen sich Verbesserungen der Effizienz auch auf andere Weise erzielen. Zum Beispiel ist es möglich, den ROI durch eine sorgfältig geplante Konzentration der Produktionseinrichtungen nachhaltig und in beachtlichem Umfang anzuheben. Bei einer Sparte der zuvor erwähnten Konzerngruppe der Branche Befestigungselemente lag der ROI bei weniger als zehn Prozent. Durch Zusammenlegung der Produktionseinrichtungen mit denen anderer Sparten konnte er auf 35 Prozent gesteigert werden. Worauf es in diesem Zusammenhang ankommt, ist nicht nur die Erkenntnis, daß eine Zusammenlegung von Produktionseinrichtungen zu höheren Erträgen führt. Vielmehr kann das Management, wenn es die Realität einer stagnierenden Nachfrage akzeptiert, auch die Konzentration der Produktionsstätten angehen. So gelangte der Divisionmanager eines Unternehmens, das amerikanische Schuhfabriken beliefert, zum Beispiel zu der Erkenntnis, daß es binnen drei Jahren nicht mehr erforderlich sein würde, in zwei Betriebsstätten zu produzieren. Er verwandte seine Zeit darauf, eine andere Division der Unternehmensgruppe ausfindig zu machen, die Produktionskapazitäten benötigte. Durch den Übergang auf die Fertigung in nur einem Werk versetzte sich dieses Unternehmen in die Lage, höchst effizient zu produzieren, wobei die Umstellung die Betriebsabläufe nur minimal störte. Zum Schluß sei noch auf eine Möglichkeit der Rationalisierung hingewiesen, die sich aus einem breit angelegten, effizienten Vertrieb ergibt. In stagnierenden Industriezweigen, wo ein rationeller Fertigungsbetrieb nur mit hohem Produktionsvolumen aufrechterhalten werden kann, ist dies ein besonders wichtiger Punkt. Betrachten wir das Haushaltsgeräteprogramm von Whirlpool, das auf die stagnierenden Teilmärkte Waschmaschinen, Trockner und Kühlschränke konzentriert ist. Um einen Output, der rationelle Fertigung noch erlaubt, zu gewährleisten, bediente sich Whirlpool des amerikanischen Großversandhauses Sears, um 60 Prozent der Produktion unter Sears' eigener Marke abzusetzen. In der Tat ist in dem Konzept, für andere Vertriebsfirmen deren Marke zu produzieren, eine Möglichkeit zu sehen, sich in stagnierenden Branchen breite und effiziente Vertriebswege zu öffnen. Bemerkt werden sollte noch, daß die drei von uns nachgewiesenen Merkmale, die für erfolgreich eingesetzte Strategien in stagnierenden Märkten charakteristisch sind, sich in ihrer Wirkung vielfach noch gegenseitig verstärken. Sowohl bei den Motorrädern wie auch den Haushaltsgeräten führte das Augenmerk auf wirtschaftlichere Produktionsverfahren zur Konzentration auf Teilmärkte mit Wachstumspotential. Für die Motorradindustrie waren die kleineren, billigeren Typen für den Freizeitmarkt gleichzeitig auch Modelle, die eine hohe Qualitätssteigerung verkörperten. Fraglos unterscheiden sich die erfolgreich taktierenden Unternehmen nach dem Ausmaß, in dem sie diese drei Strategien schwerpunktmäßig einsetzen, aber beinahe alle nutzen zumindest einige ihrer entscheidenden Elemente erfolgsträchtig aus.

Die Rolle
des Topmanagements

Als wir diese Untersuchung in Angriff nahmen, war es unser Ziel, die Merkmale herauszufinden, die für erfolgreiche Unternehmensstrategien in stagnierenden Märkten charakteristisch sind. Im Verlauf unserer Gespräche mit vielen Managern, die wir bei dieser Untersuchung kennenlernten, wurde dann rasch deutlich, daß auch die Art, wie das Konzernmanagement sich einschaltet und nach welchen Kriterien es die Geschäftsführung für die einzelnen Unternehmen oder Sparten auswählt, den Erfolg in ganz entscheidender Weise mitbestimmt. Zwar würde das Topmanagement der meisten diversifizierten Unternehmen überfordert sein, wenn es die strategische Planung für alle selbständigen Einheiten festlegen müßte. Trotzdem bleibt festzuhalten, daß die Konzernführung die Strategie der Einzelunternehmen sehr wohl beeinflußt, etwa durch das Berichtswesen, das Vergütungssystem, die Planungsweise, durch den organisatorischen Aufbau oder die Personalauswahl. Es steht außer Zweifel, daß jedes Konzernmanagement versuchen wird, Systeme und einen organisatorischen Rahmen aufzubauen, der das Bestreben der Einzelunternehmen unterstützt, auf ihren Märkten erfolgreich zu konkurrieren. Sofern es sich dabei um Unternehmenseinheiten handelt, die in stagnierenden Märkten operieren, kann das Topmanagement erheblichen Beistand leisten, indem es den Status dieser Unternehmen nicht herabsetzt, keine "Melk"- Strategien vorschreibt und qualifizierte, talentierte Geschäftsführer an ihre Spitze setzt.

Etikettierungen vermeiden

Ständig haben wir in diesem Beitrag unterstrichen, wie wichtig und lohnend es ist, verlangsamtes Wachstum oder auch Umsatzrückgang als Realität des Geschäftslebens zu betrachten und als solche zu behandeln. Wenn es auch unabdingbar ist, daß das Topmanagement diese Realität in die Entwicklung der Geschäftsplanung einbezieht, so ist es aber auch wichtig, den in der Stagnation steckenden Unternehmungen keinen Stempel aufzudrücken. Oft hört man abwertende Bezeichnungen wie "Klotz am Bein" oder "Saftladen". Derartige Charakterisierungen sind geeignet, die Moral der Mitarbeiter in dem betreffenden Teilunternehmen zu untergraben, lassen sie doch erkennen, daß man der betreffenden Sparte keine sonderlich große Aufmerksamkeit mehr widmen muß. Im Verlauf dieses Artikels haben wir aber gesehen, daß der Wettbewerb gerade in stagnierenden Industriezweigen meist sehr heftig ist und der Erfolg von kreativen Strategien und deren geschickter Durchsetzung abhängt.

Nicht versuchen, "die Kuh zu melken"

Eine ebenso unangemessene Reaktion des Topmanagements auf das Stagnationsproblem ist es, wenn von den betreffenden Divisions verlangt wird, daß sie zu einer Melk-Strategie übergehen. Der überwältigende Fehler dieser Strategie liegt in der introvertierten Orientierung, die alles, was im äußeren Umfeld vor sich geht, außer acht läßt in der Annahme, daß jegliche Verbesserung in diesem Industriezweig unmöglich ist. Diese Einstellung reflektiert sich oft in dem Versuch, aus dem betreffenden Unternehmen herauszuholen, was noch herauszuholen ist. Das bedeutet natürlich, daß alle Investitionen in Forschung und Technologie auf ein absolutes Minimum reduziert werden. Der Trennungsstrich zwischen dieser Art des Managements, das Unternehmen als Kuh zu betrachten, die man noch melken kann, bis sie zusammenbricht, und einer totalen Preisgabe ist aber leider sehr dünn. Als Alcoa und Reynolds Aluminium ein Fertigungsverfahren für zweiteilige Konservendosen entwickelten, verfolgten beide, wie es hieß, zunächst die Absicht, den Konservendosenherstellern dieses neue Verfahren zugänglich zu machen, um ihren Rohmaterialumsatz auf diese Weise zu steigern. Zwei der größten Dosenhersteller, American Can und Continental Group, wollten jedoch kein Geld in die dadurch erforderlich werdende Produktionsumstellung investieren; denn sie waren gerade dabei, in andere Wirtschaftszweige mit Wachstunispotential zu diversifizieren und das Unternehmensschwergewicht von der nur langsam wachsenden Dosenfertigung zu verlagern, So kam es, daß Alcoa und Reynolds selbst mit der Herstellung dieser Dosen anfingen und daß zwei kleinere Hersteller, National Can und Crown Cork & Seal, gleichfalls namhafte Summen investierten, um die Produktion der zweiteiligen Konservendosen aufnehmen zu können. Weil sich die neuen Dosen größter Beliebtheit erfreuen und wesentlichen Nutzen in der Fertigung mit sich bringen, konnten die Unternehmen, die seinerzeit bereit waren, in das neue Produktionsverfahren zu investieren, auf Kosten ihrer größeren Wettbewerber Marktanteile gewinnen. Ihre mächtigen Konkurrenten waren von der Annahme ausgegangen, daß sich an der Situation auf dem Konservendosensektor nichts mehr ändern würde, und hatten sich auf eine Strategie des "Melkens" festgelegt. Die Nachteile, die man bei Übernahme solcher Strategien in Kauf nehmen muß - sie beruhen auf der Annahme, daß die technologische und wettbewerbliche Situation statisch ist und sich nicht mehr ändern wird - , können einschneidender Natur sein. Wir geben zu: Viele erfolgreiche Unternehmen, die in stagnierenden Branchen im Wettbewerb stehen, erwirtschaften mehr Geld, als sie verbrauchen und könnten in diesem Sinne als bargeldbringende Kühe betrachtet werden, die man nur zu melken braucht. Zwischen der Erwirtschaftung von positivem Cash-flow als Folge strategischer Maßnahmen mit dem Ziel, die Wettbewerbsposition des Unternehmens zu verbessern, und der Politik, den Cash-flow zum Hauptzweck des Unternehmens zu erheben, besteht aber ein gewaltiger Unterschied. Im ersten Fall entwickelt ein Unternehmen seine Strategie nach Beurteilung der Lage sowie der Veränderungen im Aktionsfeld und setzt diese in Relation zur eigenen Kompetenz. Nachdem das Management eine Strategie entwickelt hat, wird diese finanziellen Prüfungskriterien wie ROI, Cashflow oder Wachstumsrate unterzogen. Alsdann wird eine Entscheidung darüber gefällt , ob die Strategie so übernommen werden kann oder nicht. Im anderen Fall führt die Politik des Melkens demgegenüber zu einer Strategie, die lediglich im Einklang mit einem bestimmten Cash-flow-Niveau ist. Es ist unsere Auffassung, daß die Wahrscheinlichkeit, kreative, langfristig erfolgreiche Strategien hervorzubringen, im Zuge dieser Vorgehensweise wesentlich geringer ist.

Auswahl von Führungskräften

Eingangs haben wir kurz erwähnt, daß es für die meisten Topmanager beinahe schon Tradition ist, ihre tüchtigsten und aggressivsten Manager an die Spitze der sehr schnell wachsenden Division zu setzen, während die stagnierenden Sparten für die weniger aggressiven, weniger kompetenden Manager übrigbleiben. Wenn wir uns noch einmal ins Gedächtnis zurückrufen, daß der Wettbewerb in stagnierenden Branchen meist weitaus heftiger ist als in einem ausgesprochenen Wachstumsklima, wird leicht erkenntlich, welche Schwierigkeiten entstehen müssen, wenn ausgerechnet die weniger tüchtigen Manager das Ruder übernehmen. Daraus folgt, daß die Auswahl eines geeigneten Managers für ein Unternehmen oder eine Division mit niedrigen Wachstumsraten eine große Herausforderung darstellt. So wird die Ernennung eines Marketingmannes, der sich nur auf Umsatzsteigerung konzentriert, zum Chef dieses Unternehmens wahrscheinlich zu inadäquaten Strategien führen. Nach unseren Beobachtungen ist es geradezu lebenswichtig, daß ein erfahrener Manager an die Spitze eines solchen Unternehmens gesetzt wird, wobei dessen zukünftige Beförderungschancen von dem Erfolg abhängig sein sollten, mit dem er diese Führungsaufgabe erledigt. Derartige Posten mit guten, fähigen Leuten zu besetzen, wird natürlich zu einer hohlen Geste, wenn nicht die Bereitschaft dahinter steht, hervorragende Leistungen in dieser Position durch Sondervergütungen und Beförderungen zu belohnen. Man sollte aber nicht vergessen, daß der Erfolg sich im allgemeinen nicht durch Umsatzwachstum, sondern durch ein hohes ROI-Niveau manifestieren wird. Nichts kann die Erwartungen des Topmanagements klarer signalisieren, als wenn Spartenmanager, die in Märkten erfolgreich waren, in höhere Konzernpositionen befördert werden.

Zusammenfassung

Wir haben uns von dem Versuch leiten lassen, eines der schwierigsten Strategieprobleme anzusprechen, dem Manager gegenüberstehen - ein Problem, das unserer Meinung nach in Zukunft noch viel häufiger auftreten wird als heute. Trotz unserer Empfehlungen, die sich auf erfolgreiche Strategien und das Engagement des Topmanagements bezogen, bleibt offenkundig, daß der Wettbewerb in stagnierenden Branchen immer schwierig sein wird. Folglich könnte man sich dann fragen: Was soll es? Warum diversifizieren wir nicht und werden in schnell wachsenden Industriezweigen aktiv, während wir die Unternehmungen mit chronisch niedrigem Wachstum einfach abstoßen? Bei der Beantwortung dieser Fragen ist die Erkenntnis wesentlich, daß aus der Konzernperspektive die Diversifizierung oft als effektives Mittel der Unternehmenspolitik erscheinen muß, um mit diesen Problemen fertig zu werden. In der Tat liegt ja auch eine der Hauptaufgaben des Topmanagements eines weitverzweigten Unternehmens in der Sicherung des Konzernwachstums. Aber ein diversifiziertes Unternehmen, das ausschließlich auf schnell wachsenden Märkten tätig ist, dürfte selten anzutreffen sein. Folglich müssen sich Konzerne früher oder später auch der Probleme des Wettbewerbs in solchen Industriezweigen annehmen, in denen die Wachstumsraten geringer sind oder stagnieren. Es gibt noch weitere Gründe, weshalb in der Diversifikation nicht die Patentlösung für die Probleme des Wettbewerbs in stagnierenden Branchen gesehen werden kann. So gibt es zum Beispiel einige Großunternehmen, deren Untergruppierungen einfach zu groß sind, als das man sie einfach abstoßen oder auflösen könnte. Kehren wir zum Beispiel des Kaffeesektors zurück. Zwar handelt es sich hier zugegebenermaßen um einen rückläufigen Industriezweig, aber dennoch zieht General Foods weiterhin 40 Prozent der Umsätze und ein Drittel des Ertrags aus dem Kaffeegeschäft. General Foods hatte keine andere Wahl, als in diesem Industriezweig hart und effektiv zu operieren. Man kann sich auch Situationen vorstellen, wo ein Verkauf schlichtweg unmöglich ist. Wer könnte oder wer würde eines dieser Unternehmen überhaupt kaufen? Vielfach wird das Management den Problemen des Wettbewerbs in stagnierenden Industriezweigen also gar nicht ausweichen können. Was wir bereits an früherer Stelle unterstrichen haben, soll nochmals betont werden: Die Probleme so zu handhaben und akzeptieren, wie sie sind, ist in der Tat der erste Schritt auf dem Wege zur Übernahme und zum Durchsetzen einer erfolgbringenden Strategie. Als nächsten Schritt muß sich das Unternehmen dann auf eine Strategie festlegen und dabei bleiben. In vielen der von uns untersuchten Fälle schwankte das Spartenmanagement zwischen einer großen Zahl breitangelegter Strategien hin und her. Während die Unternehmensführung in einem Monat der Ausweitung bestehender Produktlinien das Wort redete, wurde im nächsten Monat die Vereinfachung des Vertriebssystems favorisiert. Mit mangelnder Beständigkeit in der Managementaussage wird wertvolle Zeit vergeudet, werden keine produktiven Resultate für die Sparte erzielt, und unter den Konzernmanagern, die bestrebt sind, den einzelnen Sparten zu helfen und sie zu verstehen, wird außerdem noch Verwirrung gestiftet. Erfolgreich in stagnierenden Industriezweigen zu konkurrieren, erfordert die Übernahme klarer Strategien, die das Schwergewicht auf Teilmärkte mit Wachstumspotential, innovative Produkte und rationelle Fertigung legen. Gleichzeitig müssen die Topmanager vermeiden, ihren stagnierenden Einzelunternehmen ein Etikett zu verpassen und ihnen dadurch alles noch schwerer zu machen, von ihnen nur noch das Melken der Kuh zu verlangen und sie der Führung schwacher Manager zu überantworten. Wenn diese Richtlinien befolgt werden, kann es sich durchaus lohnen, in stagnierenden Branchen am Markt zu bleiben. Die geringe Wachstumsrate kann dabei zu einem Verbündeten werden. Während die Wettbewerber sich in den überall vorhandenen Fußangeln verfangen, eröffnen sich für Unternehmen, die bereit sind, aggressiv und imaginativ zu konkurrieren, phantastische Möglichkeiten. Für solche Unternehmen ist der Wettbewerb in diesen Branchen keinesfalls langweilig, vielmehr wird er zu einer stimulierenden, spannenden Erfahrung, die Gewinn einbringt.

Quellen

1) James M. Utterback, Willian J. Abernathy: "A Dynamic Model of Process and Product Innovation", Omega 3, No. 6 (1975), S. 639 2) "More Manufactures Are Selling Services to Increase Returns and Smooth Cycles", Wall Streets Journal, 26. Dezember 1978, S. 25 3) Eine umfassende Beschreibung von PIMS findet sich bei Robert D. Buzzell, Bradley T. Gale und Ralph G. M. Sultan: "Market-Share - a Key to Profitability", in "Harvard Business Review* Januar/Februar 1975, S. 97 Copyright: Copyright © 1980 President and Fellows of Harvard College; ursprünglich veröffentlicht in "Harvard Business Review" unter dem Titel "How to Compete in Stagnant Industries"

Steven B. Silk
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