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Planung Gebt Innovationen eine Chance

Viele Topmanager stellen strategische Pläne nur noch für die kommenden drei Jahre auf. Die F&E braucht zur Entwicklung neuer Produkte allerdings viel länger. Diese Diskrepanz führt zu einer schleichenden Erosion der Innovationsfähigkeit.
aus Harvard Business manager 11/2007

Nur wenige Manager sind sich der Tatsache bewusst, dass in ihren Unternehmen die Budget- und Strategieplanung auf der einen Seite und das Innovationsmanagement auf der anderen Seite mit völlig unterschiedlichen Zeithorizonten arbeiten. Budgets decken ein Geschäftsjahr ab; Strategiepläne umfassen heute bei etwa zwei Drittel der Dax-Konzerne nur noch die kommenden drei Jahre. Dagegen beträgt die Zeit zur Entwicklung neuer Produkte und Services in den meisten Branchen vier bis acht Jahre, bei neuartigen technischen Lösungen häufig sogar sechs bis zehn Jahre. Selbst in der schnelllebigen Informationstechnik erfordern wirkliche Innovationen über fünf Jahre Entwicklungszeit.

Die Folge: eine schleichende Erosion der Innovationsfähigkeit. Projekte der Forschung und Entwicklung (F&E) tauchen in der Budgetplanung nur als Kostenpositionen auf, da sie erst Jahre später einen Umsatz- und Gewinnbeitrag leisten werden. Auch können sie nicht unmittelbar zur Umsetzung der aktuellen Strategie beitragen, weil sie zu spät marktreif werden, um die Wettbewerbsposition des Unternehmens zu verbessern. Die Versuchung ist daher für Manager groß, den Budgetzwängen und dem Druck, gute Quartalszahlen zu liefern, nachzugeben und an den Langfristinvestitionen für künftige Produkte zu sparen. Oft genug zahlt sich dieses kurzsichtige Verhalten sogar unmittelbar für die Führungskräfte aus - durch Boni, die an das Einhalten oder Unterschreiten der Budgets geknüpft sind, und durch Aktienoptionen, deren Wert sich durch gute Quartalszahlen nach oben treiben lässt.

Diese Entwicklung wird durch die immer häufigeren Wechsel auf den Chefsesseln verschärft. Denn ein neuer Firmenchef übernimmt in der Regel nicht einfach die Strategie seines Vorgängers, sondern setzt eigene Akzente. Dies führt meist zu einer Neubewertung der Innovationsprojekte. Vorhaben, die nicht schnell Nutzen bringen, haben oftmals schlechte Karten.

Steuern die Topmanager diesem Trend nicht entgegen, setzen sie die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens aufs Spiel. Sie sind gefordert, die Budget- und Strategieplanung und das Innovationsmanagement zeitlich wieder aufeinander abzustimmen. Dazu sollten sie die eigene Pipeline an Projekten systematisch managen. Es geht bei diesem Pipelinemanagement nicht nur darum, Attraktivität und Risiko der Projekte zu beurteilen, sondern diese abhängig von ihrer absehbaren Marktreife in eine zeitliche Reihenfolge zu bringen.

So wird schnell klar, wo es Lücken im künftigen Produktprogramm gibt - und wo sich Projekte ballen. Zugleich werden die Beziehungen zwischen Innovationsmanagement und Strategie besser erkennbar: Lässt sich die Strategie überhaupt mit den laufenden F&E-Projekten umsetzen? Stellt die Strategieplanung genügend Ressourcen für die Vorhaben bereit?

Dass Handlungsbedarf besteht, zeigt eine von uns durchgeführte Umfrage unter 650 Unternehmen. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer sind mit der Innovationsleistung ihrer Firmen unzufrieden. Als wichtigste Gründe nennen sie die unzureichende Bereitstellung von Mitteln für langfristige Innovationsvorhaben und die fehlende Abstimmung der Strategie mit

dem Innovationsmanagement. Unsere Studie zeigt aber auch: Wer diese Fehler vermeidet, kann andererseits mit einer um bis zu 4 Prozentpunkte höheren Gewinnmarge vor Zinsen und Steuern rechnen.

Das Beispiel Henkel

Manager in einer Reihe von Firmen haben das gefährliche Auseinanderdriften von Strategieplanung und Innovationsmanagement erkannt und begonnen, die F&E-Pipeline aktiv zu managen. Zu ihnen zählen etwa der Chemiekonzern BASF, der Verpackungshersteller Tetrapak, der Maschinenbauer Atlas Copco und der Pharmakonzern Sanofi-Aventis. Ein weiteres Beispiel ist der Industrieklebstoffbereich von Henkel Technologies, einer Tochter der Düsseldorfer Henkel KGaA. Das Unternehmen ist in einer überdurchschnittlich wachsenden Branche aktiv, weil Klebetechnik etwa bei Autoherstellern, im Flugzeugbau und in der Elektronikindustrie immer häufiger traditionelle mechanische Verbindungen verdrängt.

Aber Henkel konnte nicht in vollem Umfang vom Marktwachstum profitieren, weil F&E als Feuerwehr im Alltagsgeschäft missbraucht wurde. Unter dem Druck der Umsatz- und Ertragsvorgaben hatte zum Beispiel der technische Kundendienst des Unternehmensbereichs die F&E immer stärker zur Unterstützung des laufenden Geschäfts genutzt, um aktuell auftretende Probleme der Kunden zu lösen. Langfristige Projekte zur Erschließung neuer Anwendungsfelder oder zur Nutzung ganz neuer technischer Entwicklungen kamen so zu kurz. Die Konsequenz: Kamen Wettbewerber mit Innovationen auf den Markt, schaffte es der Henkel-Bereich meist nicht, rechtzeitig nachzuziehen. Das Management beschloss daher, gezielter auf grundlegende Neuerungen zu setzen, selbst wenn die neuen Produkte nicht innerhalb des laufenden Geschäftsplans marktreif würden.

Es bewertete die F&E-Projekte daher nicht mehr ausschließlich anhand der Kriterien wirtschaftliche Attraktivität und Risiko, sondern betrachtete die Projekte auch unter dem zeitlichen Aspekt: Wann wird welches Vorhaben vermutlich marktreif werden? Wann werden Innovationen im Markt benötigt? Als Länge der Pipeline wählten die Führungskräfte sieben Jahre. Das entspricht der Dauer, die ein typisches Innovationsprojekt bei Henkel Technologies benötigt. Schon eine erste Sichtung zeigte, dass ein großer Teil der F&E-Vorhaben innerhalb von drei Jahren marktreif würde - was nicht zufällig genau dem Zeithorizont des strategischen Bereichsplans entsprach. Danach trocknete die Pipeline aus. Es wurde damit für alle Beteiligten klar erkennbar: Projekte zur langfristigen Zukunftssicherung fehlten.

Die Verantwortlichen bei Henkel haben daraufhin das Innovationsportfolio in der Klebetechnik so gesteuert, dass es den kurz-, mittel- wie auch langfristigen Marktanforderungen gerecht wird. Projekte, die über den Horizont des Strategieplans hinausgehen, können so eine Daseinsberechtigung nachweisen - auch wenn sie aktuell nur Kosten verursachen.

Fazit

So wie die Manager bei Henkel sollten sich auch andere Führungskräfte von den Zwängen des Alltagsgeschäfts lösen und langfristiger denken. Denn eine Pipeline von Innovationsprojekten, die sich an manchen Stellen verdickt und an anderen verengt, wie bei manchen Pharmafirmen, signalisiert Anfälligkeit. Das Pipelinemanagement ist ein wichtiges Instrument, um Lücken im Innovationsnachschub rechtzeitig zu erkennen - und so die Existenz des eigenen Unternehmens zu sichern. n

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