Der CEO steht vor einem Dilemma. Umsatz und Gewinn der bestehenden Geschäftsbereiche steigen nur noch langsam, und an der Kostenschraube lässt sich nicht mehr weiter drehen. Die Märkte des Unternehmens sind gesättigt. Wenn also der Aktienkurs steigen soll, muss das Unternehmen wachsen. Doch Zukäufe sind teuer und riskant.
Also startet der CEO eine ganze Reihe von Initiativen in Bereichen mit hohem Wachstumspotenzial und setzt auf aufstrebende Nachwuchsmanager, die diese Unternehmungen leiten sollen. Um sicherzustellen, dass die Gründungsprojekte nicht abgewürgt werden, lässt er die Verantwortlichen an einen eigens eingerichteten Wachstumsausschuss unter der Leitung eines zuverlässigen Managers aus der Zentrale berichten und siedelt die Initiativen in sicherer Entfernung von den etablierten Geschäftsbereichen an.
Kommt Ihnen das bekannt vor? Kein Wunder. Denn dieses Szenario spielte sich so in den vergangenen 20, 30 Jahren bei Hunderten, wenn nicht sogar Tausenden großen und mittelständischen Unternehmen ab. Wir haben über die Jahre mit einer Reihe von Firmen gearbeitet, sie beraten und studiert. Dabei hat sich gezeigt, dass dieser vermeintlich bewährte Ansatz zum Scheitern verurteilt ist. Das erklärt auch, warum die meisten internen Start-ups etablierter Unternehmen untergehen und warum nur ein winziger Teil der heutigen Firmen und Konzerne in 25 Jahren noch existieren wird.
CEOs und ihre obersten Führungsteams meinen allzu häufig, ihre Aufgabe bestünde vor allem darin, den aktuellen Gewinn zu steuern. Stattdessen sollten sie sich intensiver auf Wachstumschancen konzentrieren und ihre Organisationsstruktur und Firmenkultur auf das Lernen ausrichten - die Voraussetzungen für Wachstum. Sie sollten überlegen, welche Richtlinien und Maßnahmen, die nur sie einleiten können, das nötige Umfeld für Erfolg schaffen, und intern signalisieren, dass es ihnen ernst ist mit der Wachstumsausrichtung.
In diesem Beitrag erläutern wir sechs typische Managementfehler bei Gründungsprojekten und bieten konkrete Vorschläge, wie Sie es besser machen können (siehe Kasten "Ein Leitfaden für CEOs") . Unternehmen wie Alere, Cognizant, IBM, Johnson & Johnson, Medtronic, Procter & Gamble und Unilever konnten mit unserem Ansatz neue Umsätze und Wertschöpfung in Milliardenhöhe erzielen.
Fehler 1: Zu wenig Aufmerksamkeit von ganz oben
Vor nicht allzu langer Zeit engagierte uns ein Konzern, um seinen schwächelnden Start-up-Initiativen wieder auf die Beine zu helfen. 200 Millionen Dollar hatte das Unternehmen in den vorangegangenen Jahren in neue Unternehmungen investiert. Doch keines der Projekte war erfolgreich. Als wir beauftragt wurden, gab es im Konzern drei oder vier Start-ups in der Anfangsphase. Der Erfolg dieser Projekte sollte auf zweierlei Art und Weise überwacht werden: Zum einen wollten sich der CEO und sein Strategiechef alle zwei Monate pro Gründungsprojekt eine Stunde Zeit nehmen, um den Fortschritt zu prüfen, zum anderen sollte der Forschungs- und Entwicklungschef, der die direkte Verantwortung für die Initiativen trug, das Führungsteam des Konzerns zweimal im Jahr mit 15-minütigen Präsentationen zu den einzelnen Start-ups informieren.
Abgelenkt von vermeintlich wichtigeren Dingen, ließen der CEO und der Strategiechef ihre Kontrollen schleifen. Es dauerte nicht lange, da wuchs das Prüfintervall auf vier bis sechs Monate an. Und was noch schlimmer war: Die beiden Topmanager quetschten die Start-up-Chefs über die falschen Themen aus. In einer Phase, in der die Gründungsteams versuchten, die Bedürfnisse der Kunden zu ermitteln, um neue Märkte zu definieren und das stärkste Geschäftsmodell zu finden, wollten sie wissen: Wie schnell wächst der Markt? Mit welchem Umsatz können wir in 18 Monaten rechnen? Wie sieht die Proforma-Gewinn-und-Verlust-Rechnung aus? Die oberflächlichen Updates des Forschungs- und Entwicklungschefs wurden zwischen Diskussionen über operative und finanzielle Probleme gequetscht. Die Chefs der anderen Konzernbereiche hörten mit mäßigem Interesse zu, dachten aber immer daran, dass sie an einem Erfolg der Start-ups ja ohnehin nicht beteiligt sind, und so waren sie auch nicht bereit, Ressourcen für die Initiativen bereitzustellen.
Auf wertvolle Anleitung der erfahrenen Manager konnten die Start-up-Teams also nicht hoffen. Viele Probleme blieben ungelöst, vor allem solche, die Ressourcen und Kompetenzen aus den etablierten Geschäftsbereichen erfordert hätten.
Das ist typisch. CEOs und ihre Führungsmannschaften übernehmen für das Wachstum nicht das gleiche Maß an Verantwortung wie für den Gewinn. Sporadisch schauen sie nach dem Erfolg solcher Initiativen, konzentrieren sich dabei aber auf Dinge, die man nicht wissen kann oder die keine Rolle spielen. Mit der Zeit werden die Erkenntnisse der Start-up-Teams immer fundierter und differenzierter. Dadurch entsteht ein Wissensvorsprung gegenüber der Konzernführung, der dazu führt, dass die Topmanager die Debatte irgendwann nicht mehr verstehen, geschweige denn die Probleme. Und so sind sie auch nicht mehr in der Lage, ihre Gründer mit Lösungsansätzen und wichtigen Ressourcen und Kompetenzen zu unterstützen.