Motivation Geld ist nicht alles

Illustration: Patrick Mariathasan für Harvard Business Manager
Wie hoch ist das ideale Gehalt? Selbst wenn die Mittel unbegrenzt wären, wäre es schwierig, das ideale Gehalt festzulegen. Die erste Intuition ist: Je höher das Gehalt, desto besser die Arbeitsergebnisse. Aber Studien zeigen, dass der Zusammenhang zwischen Kompensation, Motivation und Leistung viel komplexer ist. Tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass Menschen nicht glücklicher mit ihrer Arbeit wären, wenn sie selbst über die Höhe ihres Gehalts entscheiden könnten.
Sogar die Wissenschaftler, die Motivationseffekte des Geldes betonen, räumen ein, dass Gehalt und Lohn alleine nicht ausreichen. Die entscheidenden Fragen lauten: Fühlen wir uns in unserem Job wohler, wenn wir mehr verdienen? Oder kann ein höheres Gehalt uns sogar demotivieren?
ist ein international anerkannter Experte für Persönlichkeitsprofile und Psychometrie. Er ist Professor für Wirtschaftspsychologie am University College London (UCL) und Vice President of Research and Innovation bei Hogan Assessment Systems. Zuvor hat er an der London School of Economics sowie der New York University gelehrt. Er ist Mitbegründer von Metaprofiling.com .
Kümmern wir uns zunächst um die Frage, ob sich Menschen mit einem höheren Gehalt stärker engagieren. Die überzeugendste Antwort liefert eine Meta-Analyse von Tim Judge und Kollegen. Die Autoren haben 120 Jahre Forschung einbezogen und insgesamt 92 quantitative Studien ausgewertet. Der gesamte Datensatz bestand aus über 15.000 Personen und 115 Korrelationskoeffizienten .
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen Gehalt und Zufriedenheit sehr schwach ist. Die in der Studie festgestellte Korrelation deutet darauf hin, dass es nur eine Überlappung von weniger als 2 Prozent zwischen der Zufriedenheit mit dem Job und dem Gehalt gibt. Darüber hinaus war die Korrelation zwischen Gehalt und der Gehaltszufriedenheit nur marginal höher: Sie lag bei 4,8 Prozent. Dies deutet daraufhin, dass die Zufriedenheit von Menschen mit ihrem Gehalt fast vollständig unabhängig ist von der tatsächlichen Höhe ihres Gehaltes.
Dazu zeigte ein interkultureller Vergleich, dass der beobachtete Zusammenhang von Gehalt und Zufriedenheit mit dem Job und dem Salär so gut wie überall gilt. Zum Beispiel gibt es in diesem Aspekt kaum Unterschiede zwischen den USA , Indien , Großbritannien oder Taiwan.
Ein ähnliches Muster zeigte sich, als die Autoren verschiedene Einkommensschichten verglichen: "Bei Arbeitnehmern aus unserem Datensatz, die zur oberen Hälfte der Einkommensbezieher gehören, stellten wir ein ähnliches Niveau von Jobzufriedenheit fest wie bei den Arbeitnehmern aus der unteren Hälfte" (S.162 der Studie). Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Engagement-Studie von Gallup , die keine signifikanten Unterschiede zwischen verschiedenen Gehaltsleveln bei der Motivation von Mitarbeitern feststellen konnte. Die Gallup-Studie basiert auf den Daten von 1,4 Millionen Arbeitnehmern von 192 Unternehmen und Organisationen aus 49 verschiedenen Branchen und 34 Ländern.
Diese Erkenntnisse haben wichtige Implikationen für das Management: Wenn wir engagierte Mitarbeiter haben wollen, ist mehr Gehalt eindeutig nicht die beste Antwort. Mehr Geld führt auch nicht automatisch dazu, dass Menschen mit ihrem Gehalt zufriedener sind. Kurzum: Wir können Engagement nicht mit Geld kaufen.
Kann Geld demotivieren?
Aber dies beantwortet noch nicht unsere zweite wichtige Frage: Kann Geld uns auch demotivieren? Einige Wissenschaftler sind dieser Ansicht. Sie argumentieren, es gebe eine natürliche Spannung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Demnach könnten finanzielle Belohnungen intrinsische Motive dämpfen oder sogar verdrängen (wie zum Beispiel Freude, Wissbegierde, Lernen oder persönliche Herausforderung).
Trotz der Masse an Laborexperimenten, die konzipiert wurden um diese Hypothese zu testen - die auch als Korrumpierungseffekt bekannt ist - besteht noch immer kein Konsens über die Intensität, mit der höherer Lohn demotivieren könnte. Zwei dieser Studien sind allerdings besonders interessant.
Die erste ist eine richtungweisende Meta-Analyse von Edward Deci und seinen Kollegen. Die Autoren haben die Ergebnisse von insgesamt 128 kontrollierten Experimenten zusammengeführt. Die Resultate zeigen konsistente negative Effekte von Belohnungen - von Süßigkeiten bis Geld - auf die intrinsische Motivation. Diese Effekte waren besonders stark, wenn die Aufgaben eher interessant und angenehm als langweilig und belanglos waren.
Um genauer zu sein: Bei jeder Einheit an zusätzlicher Belohnung sinkt die intrinsische Motivation um etwa 25 Prozent. Wenn diese Belohnungen materiell und kalkulierbar sind (wenn die Individuen also im Voraus wissen, wie viel Geld sie zusätzlich zu ihrem Gehalt bekommen werden), sinkt die intrinsische Motivation sogar um 36 Prozent.
Wichtig zu beachten: Einige Forscher sind der Ansicht, dass extrinische Belohnungen - wie zum Beispiel Geld - bei uninteressanten Tätigkeiten die intrinsische Motivation sogar steigern kann. Ein Beispiel ist die Meta-Analyse von Judy Cameron und Kollegen.
Nicht so bei den kreativen Tätigkeiten: Hier lautet die Schlussfolgerung von Deci und anderen, dass "Strategien, die sich auf extrinsische Anreize konzentrieren, Gefahr laufen, intrinsische Motivation zu mindern statt zu fördern" (S.659).
Die zweite Studie ist eine aktuelle Untersuchung von Yoon Jik Cho und James Perry. Die Autoren analysierten reale Daten aus einem repräsentativen Sample von über 200.000 Beschäftigen aus dem öffentlichen Sektor der USA. Die Resultate zeigten, dass das Level an Motivation dreimal stärker an intrinsische Motive gekoppelt war als an extrinsische. Beide Motive schlossen sich tendenziell gegenseitig aus. Mit anderen Worten: Bei Mitarbeitern, die wenig Interesse an extrinsischen Belohnungen haben, spielen intrinsische Motive eine große Rolle für ihr Engagement. Wenn Arbeitnehmer dagegen auf extrinsische Anreize konzentriert sind, verblassen die Effekte intrinsischer Motive auf das Engagement signifikant. Mitarbeiter, die intrinsisch motiviert sind, sind etwa dreimal engagierter als solche, die sich von extrinsischen Anreizen wie Geld leiten lassen.
Im Grunde ist es einfach: Sie werden Ihren Job mögen, wenn Sie die Tätigkeit an sich schätzen und das Geld nicht der wichtigste Grund für Ihre Wahl ist. Dieser Zusammenhang bestand sogar bei niedrig entlohnten Tätigkeiten. Das passt zu den Befunden der Gallup-Studie und der Untersuchung von Judge und seinen Kollegen: Es gibt keine Korrelation zwischen Mitarbeiterengagement und der Einkommenshöhe.
Skeptiker mögen fragen, ob dies nicht nur den folgenden Zusammenhang zeigt: Dass Menschen, die ihren Job nicht mögen, nur an das damit verbundene Geld denken. Diese These ist nur schwer zu überprüfen. Natürlich könnte das ein Grund sein. Ein anderer könnte sein, dass Menschen, die sich zu sehr auf das Geld konzentrieren, sich selbst daran hindern, ihren Job zu mögen.
Formbare Denkweisen
Diese Studie wirft auch eine weitere Frage auf: Können sich Mitarbeiter von dieser Denkweise befreien, die auf das Geld konzentriert und dem Engagement abträglich ist? Oder handelt es sich um eine angeborene Denkweise: Spielen bei manchen Leuten extrinsische Motive einfach eine größere Rolle, während andere sich mehr auf das eigentliche Ziel konzentrieren? Wir wissen es nicht.
Ich glaube es verhält sich so: Welche Motive überwiegen, entscheidet sich darin, ob unsere Interessen und Fähigkeiten mit unseren Aufgaben übereinstimmen. Theoretisch sind Denkweisen formbar, das menschliche Gehirn ist bemerkenswert flexibel. Wir können versuchen, Menschen beizubringen, sich auf die Aufgabe zu konzentrieren und positive Aspekte daran zu finden, anstatt sich auf die Konsequenzen (oder Belohnungen) für das Erledigen der Aufgabe zu fokussieren. Dann nämlich würden sie die Aufgabe als weitaus angenehmer wahrnehmen. Es ist auch viel motivierender, laufen zu gehen, weil es Spaß macht. Und nicht, weil ich fit werden will oder Gewicht verlieren möchte.
Intrinsische Motivation ist auch ein viel besserer Indikator für Leistung im Job als extrinsische Motivation. Höhere finanzielle Prämien beeinträchtigen die intrinsische Motivation als auch die Leistung im Job. Je stärker sich Menschen auf ihr Gehalt konzentrieren, desto weniger geht es ihnen darum, ihre intellektuelle Neugier zu befriedigen und neue Fähigkeiten zu erlernen. Diese Dinge sind entscheidend, damit Menschen ihre bestmögliche Leistung abliefern können.
Es gibt also wenig Hinweise darauf, dass Geld Menschen motiviert. Auf der anderen Seite spricht einiges dafür, dass Geld uns im Gegenteil demotiviert. Das spricht für die These, dass mit Prämien versteckte Kosten verbunden sein könnten. Dies bedeutet natürlich nicht, dass wir umsonst arbeiten sollten. Natürlich müssen wir alle unsere Rechnungen zahlen und für unsere Familien sorgen. Aber wenn diese grundlegenden Dinge einmal abgedeckt sind, sind die psychologischen Vorteile von Geld fragwürdig. In einer oft zitierten Studie argumentieren Daniel Kahnemann und Angus Deaton, dass das emotionale Wohlbefinden von US-Arbeitnehmern mit höheren Einkommensniveau stieg, bis zu einem Niveau von 75.000 US-Dollar im Jahr. Danach hatte ein höheres Einkommen keinen steigernden Effekt mehr auf das Wohlbefinden. Arnold Schwarzenegger sagte einmal: "Geld macht nicht glücklich. Ich besitze nun 50 Millionen Dollar, aber ich war genauso glücklich, als ich 48 Millionen hatte."
Individuelle Beziehung
Aber dies trifft nicht für alle Menschen zu. Unsere Beziehung zu Geld ist sehr speziell. Tatsächlich ist es in Zeiten der Personalisierung, in der die meisten Dinge an unsere Bedürfnisse angepasst werden können - von den Newsfeeds sozialer Medien, potenzielle Partner beim Online-Dating, eingeblendete Artikel beim Online-Shopping oder Playlists für Musik - ziemlich verwunderlich, dass Entlohnungssysteme immer noch auf der Prämisse funktionieren: Was für die Masse funktioniert, funktioniert auch für den Einzelnen.
Geld ist nicht nur ein Transaktionsmittel. Es ist ein psychologisches Symbol, und seine Bedeutung ist höchst subjektiv. Es gibt zum Beispiel deutliche Unterschiede darin, wie Menschen über Geld denken oder sich Sorgen machen . Menschen schätzen Geld aus unterschiedlichen Gründen (zum Beispiel als notwendiges Mittel für Macht, Freiheit, Sicherheit oder Liebe). Wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter wirklich motivieren wollen, müssen sie verstehen, was ihre Mitarbeiter tatsächlich wertschätzen. Die Antwort ist: Sie müssen jeden Mitarbeiter individuell behandeln. Studien zeigen, dass verschiedene Werte auf unterschiedliche Art und Weise auf das Engagement von Mitarbeitern wirken . Zum Beispiel ist das Erreichen von Einkommenszielen, die auf Machtstreben, Narzissmus oder dem Überwinden von Selbstzweifeln beruhen, weniger befriedigend als solche, die auf Sicherheitsstreben, Unterstützung durch die Familie oder Freizeit basieren. Vielleicht ist es an der Zeit, Menschen nicht dafür zu bezahlen, was sie wissen oder tun. Sondern so, wie sie es wollen.
Andere Studien zeigen, dass die Persönlichkeiten von Arbeitnehmern viel bessere Schlussfolgerungen auf ihr Engagement zulassen als etwa ihr Gehalt. Die überzeugendste Forschungsarbeit in diesem Feld ist eine große Meta-Analyse mit insgesamt 25.000 Teilnehmern. Darin zeigen die Autoren, dass Persönlichkeit zu 40 Prozent für die Abweichungen bei der Angabe von Zufriedenheit im Job verantwortlich war. Je emotional stabiler, kontaktfreudiger, umgänglicher und gewissenhafter Menschen sind, desto mehr tendieren sie dazu, ihren Job zu mögen (unabhängig von der Höhe ihres Einkommens). Aber die Persönlichkeit von Mitarbeitern ist nicht die wichtigste Determinante, wenn es um den Grad des Engagements geht. Tatsächlich ist die wichtigste Ursache von unmotivierten Mitarbeitern in Unternehmen schlechte Führung. Also stehen Manager in einer besonderen Verantwortung: Ihre Persönlichkeit wird einen großen Einfluss darauf haben, ob ihre Mitarbeiter motiviert sind oder nicht.