Führung Sind Sie ein schwieriger Chef?

Sie sind frisch zur Führungskraft gekürt, verfügen über ausgezeichnete technische Fähigkeiten, Leidenschaft fürs Arbeiten und haben den Wunsch, Ihren Einfluss im Unternehmen zu vergrößern. Sie waren schon immer gut in allem, was Sie anpackten. Aber jetzt haben Sie auf einmal schlechtes Feedback von der Personalabteilung, einem Teammitglied oder Ihrem Chef erhalten. Sie seien kaum zufriedenzustellen, für Sie zu arbeiten sei ungeheuer anstrengend, lautet die Kritik.
Natürlich ist das ein herber Schlag für Sie – trotzdem sollten Sie sich mit dem Feedback auseinandersetzen. Sie sollten verstehen, was genau die Leute an Ihrem Führungsstil so schwierig finden. Schließlich hängt Ihr Erfolg als Managerin oder Manager davon ab, wie gut Sie Ihren Job als Chef oder Chefin machen.
Was können Sie jetzt tun?
Jede Führungskraft hat einen Führungsstil, also die Art und Weise, wie sie eine Gruppe führt. Der Stil setzt sich zusammen aus dem, was sie tut, wie oft sie es tut und wann. Wenn Sie neu im Job sind, wird sich Ihr persönlicher Führungsstil im Laufe der Zeit entwickeln. Einer der größten Schritte in dieser Entwicklung ist der Übergang vom Mitarbeiter zur Führungskraft.
Sie sind es vermutlich gewohnt, selbst exzellente Arbeit zu leisten. Es kann schwierig sein herauszufinden, wie Sie andere dazu anleiten, ebenfalls hervorragende Arbeit zu leisten. Auch wenn Sie lediglich versuchen, den Stil Ihrer eigenen Vorgesetzten nachzuahmen: Wenn Ihnen gesagt wird – vor allem, wenn dies häufiger vorkommt –, dass Sie ein schwieriger Vorgesetzter sind, ist es an Zeit, etwas zu verändern.
Auf der Grundlage unserer Erfahrung als Coaches für Führungskräfte haben wir fünf Fragen formuliert. Wir empfehlen allen Managerinnen und Managern, sich diese Fragen zu stellen, die Antworten geben Ihnen Hinweise darauf, was und wie Sie sich verbessern können.
1) Wie realistisch sind Ihre Ansprüche?
Hohe Ansprüche zu haben ist keineswegs verwerflich. Sie zeigen, dass Sie von Ihren Teammitgliedern eine gewisse Leistung erwarten und ihnen zutrauen, Ihre Anforderungen zu erfüllen. Wenn Ihre Standards klar und realistisch sind, können Sie sie nutzen, um Ihre Mitarbeiter zu motivieren und ihnen Feedback zu geben. Wenn Ihre Anforderungen jedoch zu hoch sind, legen Sie Ihrem Team (und sich selbst) Steine in den Weg.
Neigen Sie zum Perfektionismus und erwarten schnell, dass Dinge nur auf eine einzige Art und Weise erledigt werden sollten? Natürlich: Ihre hervorragenden Leistungen und Arbeitsgewohnheiten haben Sie wahrscheinlich dahin gebracht, wo Sie heute stehen. Aber jetzt ist es Ihre Aufgabe, andere so zu leiten, dass sie diese Leistung erbringen. Das bedeutet, dass Sie Ihre Mitarbeitenden beobachten und deren Lernstile, Stärken, Schwächen und Wünsche verstehen müssen. Sie müssen begreifen, dass Ihre Mitarbeitenden möglicherweise anders an Aufgaben und Projekte herangehen als Sie selbst – und dass beide Ansätze richtig sein können.
Vielleicht sind Sie im Büro besonders produktiv und freuen sich, dass Ihr Arbeitgeber seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu auffordert, wieder mehr im Büro zu arbeiten. Trotzdem sollten Sie genau überlegen, ob Sie von Ihrem Team verlangen sollten, tagtäglich ins Büro zu kommen. Dass Sie selbst im Büro besser arbeiten können, heißt nicht, dass dies auch für Ihre Mitarbeitenden gilt. Für Teammitglieder mit einem längeren Arbeitsweg oder familiären Verpflichtungen oder für jene, die zu Hause durchweg produktiver sind, können Ihre Forderung eine Belastung darstellen. Noch dazu laufen Sie Gefahr, als willkürlich und kontrollierend wahrgenommen zu werden.
Gleiches gilt auch für die Arbeitsleistung Ihres Teams. Fragen Sie sich: Ist das Arbeitsniveau, das ich erwarte, für dieses Team-Mitglied, seine Fähigkeiten und Stärken realistisch? Habe ich dafür gesorgt, dass es die Kompetenzen hat, um seine Aufgabe erfolgreich zu bewältigen? Oder beruht meine Erwartungshaltung auf meinen eigenen Fähigkeiten und Erfahrungen?
Was Sie tun sollten: Seien Sie aufmerksam. Fragen Sie Ihre Teammitglieder: "Was brauchen Sie, um effektiv zu arbeiten?" Hören Sie sich die Antwort genau an. Ihr Ziel sollte sein, Ihre Mitarbeitenden auf Erfolgskurs zu bringen. Das erreichen Sie, indem Sie verstehen, wie Sie am besten mit Ihrem Team kommunizieren, ihren Leuten Arbeits-Hindernisse aus dem Weg räumen und indem Sie Ihrem Team wo immer möglich die benötigten Ressourcen zur Verfügung stellen.
Es kann auch hilfreich sein, Ihre eigenen Arbeitsgewohnheiten mit Ihren Mitarbeitenden zu teilen. Vielleicht geben Sie beispielsweise Slack oder Teams den Vorzug gegenüber E-Mails. Oder Sie erwarten, dass Ihre Mitarbeiter auf als "dringend" gekennzeichnete Nachrichten innerhalb von 24 Stunden antworten. Sie können sogar eine Übersicht erstellen, sodass Ihr Team weiß, wie es mit Ihnen kommunizieren und arbeiten soll. Bitten Sie Ihr Team im Gegenzug darum, ebenfalls so eine Übersicht zu erstellen.
2) Sind Sie ein Mikromanager?
Schreiben Sie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genau vor, wie Dinge zu erledigen sind, ohne auf die kreativen Vorschläge und Initiativen Ihres Teams einzugehen? Wollen Sie immer wissen, woran jeder arbeitet? Wenn Ihre Mitarbeitenden das Gefühl haben, überlastet zu sein, lautet Ihre Antwort dann: "Zeigen Sie mir Ihre Aufgabenliste, dann zeige ich Ihnen, wie Sie sich besser organisieren können."?
Wenn Sie eine dieser Fragen mit Ja beantworten, dann neigen Sie möglicherweise zum Mikromanagement . Das Problem daran: Mikromanagement ist für die Entwicklung Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schädlich. Wenn Sie versuchen, jeden Aspekt eines Projekts zu kontrollieren oder jedes Problem ihrer Mitarbeitenden selbst zu lösen, verpassen Sie die Gelegenheit, anderen wichtige Fähigkeiten zu vermitteln. Schlimmer noch: Ein Team, das ohne Ihr starkes Engagement nicht arbeiten kann, wird sich nie weiterentwickeln und an seinen Aufgaben wachsen. Ihre ständige Einmischung verhindert, dass sich Ihre Teammitglieder neue Kompetenzen aneignen können. Auch Sie selbst entwickeln sich weder als Coach noch als Führungskraft weiter. So werden Sie immer mehr zum Engpass, halten alle auf und machen alles komplizierter als es sein müsste.
Was Sie tun sollten: Befolgen Sie den Rat von Jack Dorsey, dem Mitbegründer von Twitter und Square. Dorsey war CEO beider Unternehmen – und zwar gleichzeitig. Dorsey sagt, dass Führungskräfte sich selbst wie Herausgeber von Büchern betrachten sollten: Sie geben nur den groben Rahmen vor, den Inhalt füllen andere. Sie, die Führungskraft, sollten sich auf das Ergebnis konzentrieren und immer bereit sein, Feedback und Anleitung zu geben. Den Prozess und die Ausführung sollten Sie hingegen Ihren Teammitgliedern überlassen. Machen Sie klar, was das gemeinsame Ziel ist, und stellen Sie sicher, dass alle über die nötigen Mittel verfügen, um es zu erreichen. Von da an ist es Aufgabe Ihrer Mitarbeitenden, ans Ziel zu kommen. Sollten sie wider Erwarten vom Weg abkommen, können Sie immer noch eingreifen.
Nehmen wir an, Ihr Team stellt einer Gruppe von Stakeholdern ein großes Projekt vor, das sie genehmigen soll. Damit die Vorstellung erfolgreich ist, erklären Sie Ihrem Team natürlich, was die Stakeholder in der Präsentation erfahren wollen (Wie hilft dieses Projekt dem Unternehmen?) und welche Informationen die Stakeholder benötigen, um das Projekt zu bewilligen (Wie viel würde das alles kosten, wie lange dauert es?).
Bitten Sie Ihr Team nun, eigenständig eine Präsentation zu erstellen. Vielleicht stellen Sie hinterher fest, dass die Präsentation nicht genügend Informationen enthält, um ein wichtiges Argument zu belegen. Vielleicht ist der Textanteil auch zu hoch oder es braucht mehr Grafiken. Egal, wie Ihr Feedback auf das erste Arbeitsergebnis ausfällt: Lassen Sie das Team die Fehler selbst beheben. Auf diese Art und Weise bringen Sie Ihren Mitarbeitenden bei, noch bessere Präsentationen zu erstellen. Und weil Ihr Team die Arbeit allein gemacht hat, ist der Lerneffekt groß und die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es beim nächsten Mal noch besser läuft.
3) Wie delegieren Sie Aufgaben?
Sagen Sie Ihren Mitarbeitern einfach, was sie tun sollen? Oder verteilen Sie Aufgaben bewusst so, dass Ihre Leute daran wachsen können? Delegieren ist eine der wirksamsten Methoden, um sich und Ihr Team voranzubringen. Leider wird es oft falsch verstanden.
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass das Übertragen von Verantwortung die organisatorische Kapazität erhöht und die Innovationskraft steigert. Und zwar selbst in Krisenzeiten. Was noch wichtiger ist: Es ist eine großartige Möglichkeit, Ihr Team weiterzuentwickeln. Wenn Sie die Messlatte Stück für Stück höher legen und sich von der Vorstellung kompletter Kontrolle verabschieden, werden Sie überrascht sein, wie positiv Ihre Mitarbeiter darauf reagieren.
"Die Messlatte höher legen" ist aber keineswegs das gleiche wie "die Erwartungen erhöhen". Wenn Sie die Messlatte höher legen, sagen Sie vielleicht etwas wie: "Dieses Projekt ist eine gute Gelegenheit, Ihr Potenzial zu zeigen. Ich weiß, dass Sie das schaffen." Eine Anforderung hört hingegen so an: "Ich erwarte, dass Sie mit dem Projekt bis zu diesem Datum fertig sind."
Was Sie tun sollten: Achten Sie beim Delegieren von Aufgaben darauf, Ihre Teammitglieder mit Projekten zu betrauen, die entweder ihren Stärken entsprechen oder ihnen helfen, ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Sagen Sie: "Ich weiß, dass Ihre Stärke X ist und Sie Y erreichen wollen. Wenn Sie Erfahrung in Z sammeln, können Sie Ihre Stärke X nutzen und sich auf Y vorbereiten." So handeln Sie als einfühlsame und wohlwollende Führungskraft, die das Beste für ihr Team und den Gesamterfolg will.
4) Wie geben Sie Feedback?
Viele Spitzenkräfte sind erfolgreich geworden, weil sie ihre Fehler laufend analysiert und an ihnen gearbeitet haben. Mit anderen Worten: Sie haben sich konsequent darauf konzentriert, sich selbst und ihre Arbeit ständig zu verbessern. Wenn Führungskräfte Ihre Teammitglieder ähnlich unnachgiebig betrachten, kann das zu Unmut bei allen Beteiligten führen. Ihre eigene Unzufriedenheit bleibt dem Team nicht verborgen, Ihre laufende Kritik entmutigt es zusätzlich. Das setzt eine gefährliche Spirale in Gang:
Ihre Mitarbeiter haben ohnehin das Gefühl, unzulänglich zu sein, und versuchen erst gar nicht mehr, ihr Bestes zu geben.
Ihre Teammitglieder hören Ihnen nicht richtig zu, weil sie davon ausgehen, dass Sie ohnehin nie zufrieden sind.
Egal, was schiefgeht: In der Wahrnehmung Ihrer Leute tragen Sie die Schuld daran. Schließlich stehen Sie im Ruf, eine schwierige (und damit schlechte) Führungskraft zu sein.
Mitarbeitende resignieren und wer kann, verlässt Ihr Team.
Kurz gesagt: Ständiges Feedback, auch wenn es konstruktiv gemeint ist, beeinträchtigt das Lernen und gibt den Menschen das Gefühl, nichts richtig machen zu können.
Was Sie tun sollten: Streben Sie ein Verhältnis von 6:1 zwischen positivem und negativem Feedback an. Bauen Sie Ihr Feedback dabei um die Stärken Ihrer Angestellten herum. Anstatt zu sagen: "Überprüfen Sie die Daten vor der nächsten Präsentation noch einmal auf ihre Richtigkeit", formulieren Sie es lieber so: "Sie haben die Präsentation mit einer exzellenten Beschreibung des Marktumfelds eröffnet. Wie lassen sich Ihre Daten noch besser in diesen Kontext einordnen?"
Wertschätzung führt zu höherem Engagement und schafft Vertrauen. Achten Sie aber darauf, dass Sie Anerkennung konkret und zeitnah formulieren. Verzichten Sie auf allgemeine Formulierungen wie: "Tolle Präsentation". Sagen Sie besser: "Es war sehr beeindruckend, wie Sie Ihre Beschreibung strukturiert und die Customer Journey in Ihrer Präsentation hervorgehoben haben. Gute Arbeit!"
5) Denken Sie an das Zwischenmenschliche?
Die erfolgreichsten Führungskräfte konzentrieren sich auf das Erreichen von Zielen. Gleichzeitig wissen sie, dass sie dazu das Engagement ihrer Mitarbeiter fördern, sie motivieren und befähigen müssen. Sie sollten sich also neben den Ergebnissen auch auf die Beziehungen konzentrieren.
Eine ergebnisorientierte Führungskraft erledigt die Dinge besonders schnell und effizient. Aber oft ist dabei nur ein minimales Maß an Interaktion im Spiel, weil es dem Chef vor allem ums schnelle Erreichen der Ziele geht, um direkt die nächste Aufgabe anzugehen. Ein solcher, von Effizienz getriebener Ansatz geht jedoch zulasten des Miteinanders. Im schlimmsten Fall treibt er Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Burn-out oder führt dazu, dass sich etliche aus Selbstschutz kaum mehr engagieren. Auch deshalb legen wirklich gute Führungskräfte viel Wert auf gute und wohlwollende Beziehungen mit ihrem Team, anstatt es zu zwingen, ständig über seine Grenzen hinauszugehen.
Was Sie tun sollten: Um mit der Zeit Vertrauen aufzubauen, sollten Sie sich wöchentlich mit Ihren Mitarbeitenden zu Einzelgesprächen und vierteljährlich zu einem Karrieregespräch treffen. Konzentrieren Sie sich dabei nicht nur auf die unmittelbaren Ziele, sondern auch auf langfristige Pläne. Ein vierteljährliches Karrieregespräch – unabhängig vom regelmäßigen wöchentlichen Treffen – zeigt Ihren Mitarbeitenden, dass ihre Entwicklung Ihnen am Herzen liegt. Und dass Sie bereit sind, Ihre Teammitglieder zu unterstützen, damit alle Beteiligten die besten Ergebnisse für sich erzielen können.
Studien zeigen , dass Engagement, Motivation und Produktivität eines Mitarbeiters steigen, wenn er sich mit seinem Chef gut versteht. Deshalb lohnt es, regelmäßig Teamtreffen zu organisieren, deren einziger Zweck es ist, die Beziehungen im gesamten Team zu stärken.
Fazit
Gerade als neue Führungskraft sollten Sie Ihr Umfeld regelmäßig um Feedback bitten. Das eröffnet Ihnen die Chance, Ihren Führungsstil zu verbessern und an Ihren Schwächen zu arbeiten. Schließlich ist es Ihre Aufgabe, Ihr Team zu motivieren, zu befähigen und zu fördern. Damit tun Sie nicht nur Ihren Mitarbeitenden einen Gefallen – sondern letztlich auch sich selbst und Ihrer Karriere.