Digitale Zusammenarbeit Wie hybrides Arbeiten für alle funktioniert

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Von weniger sozialen Interaktionen bis hin zu mehr Möglichkeiten, in Ruhe selbstständig zu arbeiten – viele introvertierte Menschen empfanden das Homeoffice während der Corona-Pandemie als Gewinn. Extrovertierte hingegen haben meist festgestellt, dass sie zu Hause weniger produktiv und reizbarer sind, weil äußere Stimuli fehlen, die sie im Büro motiviert haben.
Was passiert nun beim hybriden Arbeiten? Wenn introvertierte Teammitglieder lieber weiterhin von zu Hause arbeiten möchten und Extrovertierte zurück ins Büro kommen? Wie stellen Sie sicher, dass Ihr Team engagiert, produktiv und zufrieden bleibt?
Um sowohl Introvertierte als auch Extrovertierte effektiv im Hybridmodell zu führen, empfehle ich drei Best Practices, die auf mehr als einem Jahrzehnt Forschung und Beratung mit leistungsstarken, dezentralen Teams basieren.
1. Geben Sie Introvertierten Zeit und Raum
Wenn einige Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Präsenz und andere aus der Ferne arbeiten, sorgen Sie dafür, dass die Leistungen der Introvertierten im Team nicht überschattet werden, vor allem in Besprechungen. Werden Introvertierte während einer Diskussion von den lauteren Persönlichkeiten unterbrochen, werden sie sich künftig nur noch ungern zu Wort melden. Geschieht dies wiederholt, fühlen Introvertierte sich ausgegrenzt und haben kaum Anreize, sich einzubringen, vor allem, wenn sie aus der Ferne arbeiten. Bei hybriden Meetings kann es leicht passieren, dass man die virtuellen Gesprächsteilnehmer übersieht und versäumt, sie ausreichend in das Gespräch einzubeziehen.
Es ist Ihre Aufgabe als Führungskraft, dafür zu sorgen, dass jeder und jede gehört wird. Nutzen Sie Tools wie eine Chat-Leiste oder eine Funktion, um sich während eines Meetings durch digitales Handzeichen zu melden, um festzulegen, wer das Wort ergreifen darf. Versuchen Sie fünf bis zehn Sekunden zu warten, bevor Sie selbst Redepausen füllen.
Schicken Sie Fragen möglichst im Voraus, damit alle Zeit zur Vorbereitung haben. Nach dem Meeting sollten Sie die Teilnehmer auffordern, Ihnen Feedback per E-Mail zu schicken, oder Sie erstellen ein Onlinedokument, in das Teilnehmer ihre Gedanken eintragen können. Solche Möglichkeiten, sich asynchron zu beteiligen, erleichtern es Introvertierten, sich zu äußern, die sich in einer größeren Gruppe sonst vielleicht nicht zu Wort gemeldet hätten.
2. Geben Sie den Extrovertierten Sendezeit
Wenn Sie feststellen, dass Ihre extrovertierten Mitarbeiter Schwierigkeiten haben, sich eingebunden zu fühlen, sollten Sie ein regelmäßiges persönliches Treffen oder eine Videokonferenz mit ihnen festlegen, damit sie ihre Anliegen direkt mit Ihnen besprechen können. Sie können auch die Nutzung von Break-out-Gruppen auf Zoom oder Slack fördern, damit Extrovertierte die Möglichkeit haben, ihre Ideen zu äußern, ohne extra eine teamweite Besprechung einberufen zu müssen.
Fördern Sie bei den extrovertierten Mitarbeitern im Büro sogenannte "Treffen an der Kaffeemaschine", also zufällige Begegnungen mit Kollegen und Small Talk. Untersuchungen zeigen, dass diese beziehungsfördernden Zusammenkünfte im Homeoffice am meisten vermisst wurden. Sie helfen extrovertierten Menschen, während des Arbeitsalltags soziale Verbundenheit zu erleben, und fördern Zusammenhalt, Moral und Vertrauen zwischen den Teammitgliedern. Nicht zuletzt sind diese Gespräche für Führungskräfte auch eine gute Informationsquelle, um mitzubekommen, was im Unternehmen wirklich vor sich geht.
Natürlich werden nicht alle extrovertierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Büro zurückkehren. Um zu vermeiden, dass jene im Mobile Office von sozialen Aktivitäten ausgeschlossen werden, organisieren Sie optionale hybride Teamevents wie einen Zoom-Lunch-Chat oder eine hybride Meeting-Happy-Hour. Hybride Mittagessen sind vielfach zur neuen Kantine avanciert, in der Teammitglieder zusammenkommen, unabhängig davon, ob sie persönlich oder virtuell anwesend sind.
3. Fördern Sie verschiedene Kommunikationsstile
Wie ich in meinem Buch "Digital Body Language" beschreibe, ist es die Aufgabe von Führungskräften, ein Team zu schaffen, das zusammenhält. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle auf die gleiche Art und Weise kommunizieren müssen, sondern dass es Raum für unterschiedliche Kommunikationsstile gibt, sodass sich jeder authentisch zum Ausdruck bringen kann.
Ein Beispiel ist mein Kunde Brad, Senior Vice President eines großen Spieleherstellers. Er stellte einen deutlichen Unterschied in den beiden Slack-Kanälen seiner direkten Mitarbeiter Allie und Dave fest. Dave, ein selbst ernannter Extrovertierter, hat einen Slack-Kanal, der mit Emojis, GIFs und Memes gefüllt ist. Allie hingegen ist eine introvertierte Person und hat einen formelleren Schreibstil mit Aufzählungspunkten. "In Allies Slack-Kanal", sagt Brad, "bin ich zu Hause." Nichtsdestotrotz hat er sich schnell auch an die Art und Weise gewöhnt, wie Dave sich ausdrückt. "Würde ich ihn zwingen, sich 'professionell' zu artikulieren, wäre sein Team weniger begeistert und engagiert." Er fügt hinzu: "Ich habe gelernt, dass ich mich am besten mit seiner informellen digitalen Sprache vertraut machen sollte, auch wenn das mal unangenehm ist."
Beide Kommunikationsstile funktionieren, und – ob Emojis oder Aufzählungszeichen – kein Stil ist effektiver als der andere. Für Führungskräfte sollte das oberste Ziel daher sein, ein digitales Umfeld zu schaffen, das eine Reihe von Kommunikationsstilen fördert und ermutigt, sodass sich jeder authentisch einbringen kann.
Unabhängig davon, wo Ihre Teammitglieder im Spektrum zwischen extrovertiert und introvertiert anzusiedeln sind, hat die Umstellung auf mobiles Arbeiten uns alle gezwungen, uns an unangenehme Umstände anzupassen. Wir mussten Kompromisse eingehen, um die Distanz auszugleichen, und haben dabei – hoffentlich – eine Menge gelernt. Diese Lektionen werden uns stärker und integrativer machen, wenn wir langfristig zu einem hybriden Arbeitsmodell aus Präsenz und Mobile Office übergehen. © HBP 2021