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Was ist ... ein Whistleblower?

Was ist ...
aus Harvard Business manager 1/2006

Ein Whistleblower im wörtlichen Sinne ist jemand, der in eine Trillerpfeife bläst ("to blow the whistle"). Er macht mit dem schrillen Ton die Öffentlichkeit auf etwas aufmerksam. Im übertragenen Sinne steht Whistleblowing heute für das Publikmachen illegaler Machenschaften. Da öffentlich Denunzierte - besonders wenn sie in der Hierarchie höher stehen oder mehr Macht besitzen - meist ungehalten reagieren, wenn sie "verpfiffen" werden, ist der Begriff zum Sinnbild für Zivilcourage geworden.

Mitarbeiter in Unternehmen und Behörden haben es nicht leicht, wenn sie Betrug, Korruption, Bilanzfälschung oder unethisches Verhalten anzeigen wollen. Das zeigt der Fall des prominentesten europäischen Whistleblowers, des Niederländers Paul van Buitenen. Der EU-Beamte deckte Korruption und Misswirtschaft innerhalb der Behörde auf. Er brachte eine Untersuchung ins Rollen, die 1999 zum Rücktritt der Europäischen Kommission führte. Obwohl sich die Anschuldigungen als richtig erwiesen, waren die persönlichen Folgen für van Buitenen verheerend: Er landete beruflich auf dem Abstellgleis, man setzte ihn unter Druck und bedrohte ihn.

Ähnlich unangenehme Folgen hatte das Engagement des Schweizer Wachmanns Christoph Meili: Er rettete Hinweise auf die Guthaben von Holocaust-Opfern 1997 vor dem Reißwolf der Schweizer Bank UBS und spielte sie der jüdischen Gemeinde zu. Im Ausland wurde er als Held gefeiert. Wegen der wachsenden Anfeindungen in seiner Heimat sah sich Meili allerdings gezwungen, mit seiner Familie in die USA auszuwandern.

In Deutschland haben es Aufdecker besonders schwer: Die Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber hat hier zu Lande einen sehr hohen Stellenwert. Das gilt nicht nur für Beamte, sondern auch für Angestellte. Die Folge: Nur wenige Regelungen schützen Whistleblower explizit vor den absehbaren Repressalien der Denunzierten.

Die US-Regierung erkannte nach den Bilanzskandalen bei Enron und Worldcom, die ebenfalls von Mitarbeitern aufgedeckt worden waren, wie wichtig der Schutz interner Informanten ist. Die Vorschriften des nach den Skandalen erlassenen Sarbanes-Oxley Act (Abschnitt VIII) enthalten mehrere Passagen zum Thema Whistleblowing: Unter anderem haben Angestellte börsennotierter Firmen, die illegale Vorgänge an Behörden melden, ein Recht darauf, vor Sanktionen geschützt zu werden.

Auch ohne gesetzlichen Zwang kann es für Firmen Vorteile haben, einen Schutz von Whistleblowern zu installieren, zum Beispiel in Form einer externen Stelle, die Mitarbeiter über eine Hotline oder per E-Mail kontaktieren können. Wer ein funktionierendes System dieser Art vorweisen kann, kommuniziert, dass ethisch einwandfreies Verhalten ihm wirklich wichtig ist. Zudem hilft dieses Frühwarnsystem, Verfehlungen zu erkennen und zu bekämpfen, bevor sie sich zu einer Katastrophe - etwa einer Firmenpleite - auswachsen. Eine Plattform dafür bietet derzeit das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen im Rahmen eines Pilotprojekts: Über die Website des LKA (www.lka.niedersachsen.de) können Informanten anonym Hinweise auf Wirtschaftskriminalität und Korruption geben.

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