Mit der KIM-Methode läßt sich die Produktionsleistung auf einem Blick erfassen und überwachen Ein Frühwarnsystem für das Management
ROBERT L. JANSON ist Unternehmensberater in der Clevelander Niederlassung von Ernst & Whinney. Er beschäftigt sich vorwiegend mit betriebswirtschaftlichen Problemen der Fertigung und der Materialwirtschaft. Unter anderem schrieb er ein Handbuch der Produktionskontrolle ("Production Control Desk Book", Englewood Cliffs 1975, Prentice- Hall).
Obwohl den meisten Topmanagern routinemäßig Finanzstatistiken vorgelegt werden, die auf dem firmenüblichen Kostenrechnungssystem basieren, fehlt es ihnen oft an Detailinformationen über den tatsächlichen Leistungsstand der Produktion. Selbst wenn die Zahlen aus der Buchhaltung und der Kostenrechnung einige Hinweise darauf geben, wie gesund die Fertigung des Unternehmens ist, sind doch häufig verschiedenartige Resultate zusammengefaßt, so daß die Ursachen von Problemen und Mißerfolgen aber auch von Erfolgen - eher verdunkelt als aufgehellt werden. Viele Unternehmen brauchen deshalb ein System, das Managern hilft, den Produktionsbereich ständig im Auge zu haben, um auf einen Blick erkennen zu können, wie gut oder schlecht die Dinge laufen und welches die Gründe dafür sind. Jedes Unternehmen kann ohne weiteres ein Kontrollsystem einführen, dem ich den Namen KIM (Key Indicator Management, Management nach Schlüsselindikatoren) gegeben habe. So wie Konjunkturbeobachter das monatliche Auf und Ab verschiedener Indikatoren der Industrieproduktion eines ganzen Landes verfolgen, können auch Fertigungsleiter oder Division-Manager ohne große Schwierigkeiten die Schlüsselparameter des Fertigungsbereichs ihres Unternehmens im Auge behalten. Für jeden Parameter wird dabei eine Zielvorgabe aufgestellt; ein monatlich zu erstellender Bericht zeigt dann, welche Fortschritte in Richtung auf das Erreichen des Ziels gemacht wurden. Dieses System zwängt das Unternehmen nicht in einen starren Planungsrahmen; es ist flexibel und beteiligt das Management auf allen Ebenen. Typischerweise wird der Abteilungsleiter die entsprechenden Zielvorgaben und Bewertungsmaßstäbe in Abstimmung mit seinen Vorgesetzten festlegen. Damit wird zugleich der Versuchung vorgebeugt, zu viele unterschiedliche Indikatoren gleichzeitig zu kontrollieren; das System stellt vielmehr eine geringe Zahl bedeutungsvoller Bewertungsmaßstäbe in den Mittelpunkt. Diese müssen keinesfalls immer gleich sein; oft werden bestimmte Indikatoren nur während eines kurzen Zeitraums benutzt, um spezielle Probleme schlaglichtartig zu erhellen. Wenn die Schwierigkeiten beseitigt sind, werden die Indikatoren einfach fallengelassen. Im Gegensatz zu anderen Techniken hat KIM den Vorteil, daß Unternehmen vorbeugend statt heilend geholfen wird. Außerdem können Manager diejenigen Indikatoren wählen, die ihnen ein Maximum an relevanten Informationen auf einfachste und schnellstmögliche Weise liefern.
Format und Berichtsstruktur
Das typische KIM-Format in Abbildung l stellt eine bestimmte Aufgabe dar, die es zu messen gilt; die Istwerte werden dabei mit den Zielvorgaben verglichen. Außerdem ist Raum für eine einfache Graphik, die die Entwicklung von Monat zu Monat wie auch über das ganze Jahr hinweg auf einen Blick erkennen läßt. So kann der betreffende Manager sofort beurteilen, ob er Fortschritte macht oder nicht. In Verbindung mit der graphischen Berichtsmethode kann das angestrebte Ziel durch Striche oder Schraffierung gekennzeichnet werden. Statt der vorgeschlagenen Graphik können auch andere Trendmaßstäbe eingetragen werden, zum Beispiel statistische Angaben über die Entwicklung seit Jahresbeginn, Angaben für das Vorjahr, Maximum- und Minimummonate wie in Abbildung 2, um direkte Vergleiche anstellen zu können. Um die erforderlichen Zahlen zu bekommen, wird ein Unternehmen im allgemeinen ein pyramidenförmiges Berichtswesen einführen. Jeder Gruppen- beziehungsweise Abteilungsleiter legt zu diesem Zweck drei bis acht Indikatoren fest, die ihm die besten Bewertungsmaßstäbe für seinen Bereich liefern. Daraus wählt er dann einige wenige aus, die an den unmittelbaren Vorgesetzten weitergegeben werden. Auf diese Weise erhält dieser von allen ihm unterstellten Abteilungen zwölf bis 20 Werte. Um seine gesamte Betriebseinheit überwachen zu können, dürfte ein Division-Manager zwischen 20 und 30 Indikatoren verwenden. In sehr großen Konzernen wird der für die Produktion Verantwortliche Topmanager in der Regel einen Assistenten einstellen, dessen Aufgabe es ist, 40 bis 50 Indikatoren ständig zu überprüfen. Berichtet wird ihm dabei nur von denjenigen, die neue Trends oder ungünstige Resultate aufweisen.
Schlüsselindikatoren
und Sollwerte
Unternehmen benutzen heute schon eine breite Palette formaler und informeller betriebswirtschaftlicher Maßstäbe, um sich ein Bild vom Stand der Produktivität zu verschaffen. Dazu gehören stündlich erstellte Produktionsunterlagen, Aufstellungen überfälliger Kundenaufträge und nicht bereinigter Reklamationen, Berichte über Leistung und Service von Lieferanten, Indizes über die Relation von Arbeitsaufwand und Produktionsausstoß, Anzahl der pro Arbeitstag überprüften Aufträge und Zahl der fristgerecht abgewickelten Aufträge. Der Wert dieser Kenngrößen kann jedoch noch gesteigert werden, wenn sie alle mit etwas Ideenreichtum ständig sorgfältig überprüft werden. Der Lagerumschlag ist zum Beispiel ein häufig eingesetzter Maßstab, dessen Wert sich jedoch noch steigern läßt, wenn die Lagerbestände nach Klassifikationen, Fertigungsstadien oder Produktlinien unterschieden werden (Abbildung 3).
Ein ungewöhnlicher, aber meist sehr sinnvoller Indikator ist die Summe der Retouren aufgrund von Kundenreklamation. Die Qualitätskontrolle geht den Gründen dieser Retouren im allgemeinen sorgfältig nach; sie erlangen für das Unternehmen als Ganzes jedoch erst dann einen besonderen Wert, wenn sie, wie Abbildung 4 zeigt, als Prozentsatz der monatlichen Umsätze dargestellt werden. Im Unternehmensmanagement wird man im allgemeinen schnell erkennen, daß sich mit Schlüsselindikatoren die unterschiedlichsten Unternehmensfunktionen und Leistungsbereiche bewerten lassen - entweder absolut (das im Lagerbestand steckende Kapital ist ein gutes Beispiel dafür) oder relativ (dargestellt als Verhältnis zu einem anderen Parameter, etwa die Retouren als Prozentsatz des monatlichen Umsatzes). Abbildung 5 enthält beispielhaft die für ein Unternehmen wesentlichen Bewertungsmaßstäbe, aufgeschlüsselt nach Zeitaufwand, Leistung, Vollständigkeit, Genauigkeit und Planungsqualität.
Das Festsetzen der Sollwerte ist bei Systemeinführung vielleicht die schwierigste Aufgabe. Sie müssen den Mitarbeitern bekannt sein und ohne weiteres verstanden werden. Ein gutes Beispiel dafür ist die für die Erledigung einer Aufgabe veranschlagte Zeit. Sollwerte können aber auch eingesetzt werden, um verdeckt die Effizienz einer Funktion zu bewerten (etwa die Pünktlichkeit der Fertigstellung von Werksaufträgen). Diese Bewertungsmöglichkeit ist dadurch gegeben, daß Informationen geliefert werden, die dem Management, nicht aber notwendigerweise auch den Mitarbeitern etwas sagen. Beim Festlegen eines Sollwertes ist es ratsam, die Meinung derjenigen einzuholen, die in die betreffenden Betriebsabläufe direkt eingeschaltet sind. Vor einigen Jahren legte ich für eine Formgießerei eine Produktionsvorgabe fest, nachdem ich zuvor die Ansicht der Ingenieure, der Vorarbeiter und der Schichtarbeiter selbst über ein faires Produktionssoll je Stunde eingeholt hatte. Nachdem ich die extrem hohen und niedrigen Schätzungen eliminiert hatte, bildete ich aus den verbleibenden neun Angaben einen Durchschnitt, um für die Gießerei daraus den anzustrebenden Sollwert festzulegen. Unternehmen können aber auch für den empirischen Lösungsweg optieren. Die Datenerfassung sollte sich dann über einen längeren Zeitraum der jüngsten Vergangenheit (mindestens drei Monate) erstrecken. Das so ermittelte Produktionssoll kann dadurch modifiziert werden, daß auch die Meinungen aller Beteiligten berücksichtigt werden. Unternehmen, die Rationalisierungsmaßnahmen in eigener Regie durchführen können, haben die Möglichkeit, ihre Sollwerte aus aktuellen Zeitstudien abzuleiten. Natürlich gibt es auch allgemein zugängliche, publizierte Werte, nach denen man sich richten kann, etwa amtliche Statistiken oder Verbandsdaten, die außerdem noch die Möglichkeit wertvoller Vergleiche bieten. So bereitet es zum Beispiel kaum Schwierigkeiten, Informationen über Lagerumschlagshäufigkeiten zu beschaffen, sowohl nach Branchen als auch nach Produkten gegliedert.
Die Einführung des neuen Systems
Nachfolgend eine vereinfachte Vorgehensweise, nach der das beschriebene Kontrollsystem eingeführt werden kann: 1. Nachweis der Betriebsabteilungen oder Funktionsbereiche, deren Leistungen bewertet werden sollen. 2. Festlegung der Einzelpositionen, die im Bewertungsprogramm zu erfassen sind. Die meisten Abteilungen überwachen ihre Aktivitäten bereits. Obwohl viele Bewertungsmaßstäbe nicht ohne weiteres quantifizierbar sind, lassen sie sich dennoch nachweisen und berücksichtigen. 3. Festlegung von Bewertungsdetails. Im Falle des Beispiels für den Auftragseingang (Abbildung 5) könnte das Unternehmen entweder den durchschnittlichen Zeitaufwand je Mitarbeiter und Tag, den durchschnittlichen Zeitaufwand der gesamten Abteilung je Tag oder auch die Zahl der abgewickelten Aufträge als Maßstab anlegen. 4. Festlegung des Sollwerts. Viele Unternehmen gehen hierbei nach der MBO-Methode (Management by Objectives) vor, wobei die Vergütung des Managers von der Produktivität seiner Abteilung abhängig gemacht wird. 5. Erstellung von Monatsberichten. Weil jeder Abteilungsleiter seinen eigenen Bericht erstellt, könnte dieses systemcharakteristische Merkmal der Selbstbewertung auch zu weiterer Produktivitätssteigerung führen.
Abteilungs- und
Unternehmensberichte
Abbildung 6 stellt einen typischen Bericht über Schlüsselindikatoren dar, bestehend aus neun wesentlichen Bewertungsmaßstäben für die Einkaufsabteilung (es handelt sich hierbei um einen mittelgroßen Industriebetrieb). Der Bericht wird monatlich erstellt, bestimmte Trendinformationen lassen sich aus der Verlaufskurve der Indikatoren ablesen. Auf den ersten Blick mag der Bericht den Anschein erwecken, daß die Zeiten, die bis zur endgültigen Auftragsvergabe vergehen, das Ausmaß der verspäteten Auslieferungen und die Produktivität alles in allem in Ordnung sind. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, daß es aufgrund von verschleppten Angebotsabgaben und verzögerten Kaufverhandlungen während der ersten neun Monate des Jahres keinerlei Fortschritte in Richtung auf das Abteilungsziel, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt 70 Prozent der geplanten Aufträge zu vergeben, gemacht wurden. Und weil die monatlichen Festabnahmen das Maß des Wünschenswerten weiterhin überschreiten, könnte durchaus mit übermäßigem Anschwellen der Lagerbestände zu rechnen sein. Unbefriedigend ist auch die Entwicklung der Kostensenkung und der Einkaufskosten. Letztlich ist zu beachten, daß die Preise, die das Unternehmen im Durchschnitt zahlt, um 2,3 Prozent stärker gestiegen sind als der Preisindex für Rohstoffe und Halbfertigwaren. Abbildung 7 enthält einen KIM-Report für das Gesamtunternehmen, der dem Unternehmenschef vorgelegt wird. Dieser Bericht könnte in der Rubrik "Bemerkungen" noch eine Zusammenfassung der möglichen Maßnahmen enthalten, die zur Korrektur ungünstiger Trends ergriffen werden sollten. Der fundamentale Vorteil des KIM-Systems liegt darin, daß es sich um ein Frühwarnsystem für bestimmte Bereiche handelt, die Verbesserungen des Managementstils, der Verfahren oder anderer Subsysteme verlangen. So erhält das Unternehmensmanagement diejenigen Informationen, die nötig sind, um Monat für Monat Stärken und Schwächen bewerten zu können und so zu einer besseren Kontrolle der Betriebsfunktionen zu gelangen. Dadurch können Manager adäquate Betriebskorrekturen besser veranlassen und die am höchsten qualifizierten Mitarbeiter darauf ansetzen, Fortschritte und Verbesserungen zu realisieren. Copyright: © 1982 President and Fellows of Harvard College; ursprünglich veröffentlicht in "Harvarad Business Review" unter dem Titel "Graphic indicators of operations"