Zur Ausgabe
Artikel 14 / 29

E-Learning Lernen mit Erfolg

Onlinekurse und digitale Weiterbildungen gibt es mittlerweile in fast jedem Unternehmen. Häufig werden diese Angebote jedoch wenig genutzt oder nicht zu Ende geführt. Fünf Schritte, die jede Führungskraft selbst umsetzen kann, verbessern den Lernerfolg deutlich.
aus Harvard Business manager 7/2020
Foto: Carol Yepes/ Getty Images

Wenn man Führungskräfte und Mitarbeiter befragt, sind sich beide Seiten erstaunlich einig: Lernen im Job wird als wichtig eingeschätzt. Lebenslanges Lernen ist für die meisten jungen Arbeitnehmer heute selbstverständlich, wie Umfragen zeigen. Sie achten bei der Wahl des Arbeitgebers darauf, welche Chancen das Unternehmen bietet, um sich weiterzuentwickeln. Für die Generation der sogenannten Millennials ist dies sogar der wichtigste Auswahlfaktor. Gleichzeitig sagen 94 Prozent der Mitarbeiter, sie würden länger im Unternehmen bleiben, wenn sie vom Arbeitgeber beim Lernen unterstützt und Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung erhalten würden.

Bereits vor der Corona-Krise haben Unternehmen zunehmend auf digitale Angebote gesetzt, um den Lernbedarf zu erfüllen. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend verstärkt und verfestigt.

In der Unternehmenspraxis trifft die Euphorie fürs Lernen allerdings auf Ernüchterung. Die Nutzung von E-Learning-Angeboten bleibt bislang hinter den Erwartungen zurück. So liegt die Abbruchquote von betrieblichem E-Learning zwischen 60 und 70 Prozent. Während Mitarbeiter also in der Theorie gern Onlinekurse belegen würden, funktionieren die Angebote in der Praxis meist nicht.

In mehreren Erhebungen wurden Lernaktivitäten von Mitarbeitern untersucht, insgesamt haben 476 an einer Befragung und Lernbeobachtung teilgenommen. (Die Daten wurden erhoben von Masterplan.com, der Autor ist Mitgründer des Unternehmens.) Die Firmen hatten zwischen 500 und 3000 Mitarbeiter. Damit konnten Rahmenbedingungen identifiziert werden, unter denen digitale Weiterbildungsmaßnahmen besonders erfolgreich sind.

1. Soziale Sicherheit bieten

In der Lernbeobachtung konnten keine Effekte gefunden werden, die darauf schließen lassen, dass das Weiterbildungsverhalten von Führungskräften Einfluss auf ihre Mitarbeiter hat (Vorbildverhalten). Hatten Lernende jedoch den Eindruck, dass direkte Kollegen aus ihrem Umfeld sich regelmäßig weiterbilden, konnte ein signifikanter Effekt auf das Lernverhalten beobachtet werden – sie lernten nicht nur mehr, auch ihre Testergebnisse waren besser.

In weiterführenden Befragungen, die diesen Effekt näher beleuchten sollten, konnte immer wieder festgestellt werden, dass Lernende das Gefühl hatten, sie tun etwas Unerwünschtes oder nicht Akzeptiertes, wenn sie während der Arbeitszeit lernen ("während meine Kollegen arbeiten, sitze ich hier und schaue Videos"). Daraus ableitend lässt sich mutmaßen, dass lernende Kollegen dem Einzelnen die notwendige soziale Sicherheit geben, um selbst ohne schlechtes Gefühl zu lernen. Als Führungskraft sollten Sie Ihren Mitarbeitern diese soziale Sicherheit geben, indem Sie immer wieder verdeutlichen, dass Lernen eine ebenso erwünschte, notwendige wie insbesondere auch produktive Tätigkeit ist – genau wie die Aufgaben des eigentlichen Jobs. Diese Grundhaltung ist Voraussetzung für das Etablieren einer Lernkultur im Unternehmen.

2. Über das Lernen reden

Schaffen Sie möglichst viele Berührungspunkte, die Mitarbeitern verdeutlichen, dass Lernen explizit erwünscht und notwendig ist, um produktiv zu bleiben. Microsoft-CEO Satya Nadella verschickt zum Beispiel jeden Monat ein Video an alle Mitarbeiter, in dem er erzählt, was er im vergangenen Monat persönlich, aber auch mit Blick aufs Unternehmen gelernt hat (mehr über Nadellas Führungsstil lesen Sie in "Führen wie ein Coach" ).

Führungskräfte können das Thema Lernen regelmäßig in die Mitarbeitergespräche integrieren, indem sie zum Beispiel fragen, was der Mitarbeiter in letzter Zeit gelernt hat oder wie das Unternehmen ihn oder sie bei zukünftigen Lernvorhaben unterstützen kann. Zudem können Chefs und Chefinnen Meetings nutzen, um gemeinsame Lernerfahrungen sowie den Lernbedarf für aktuelle oder zukünftige Aufgaben und Projekte gemeinsam zu besprechen. Das hilft den Mitarbeitern auch, die für ihre aktuellen Ziele passenden Angebote auszuwählen.

Interview mit Tim Gens, Weiterbildungschef bei Vodafone

Tim Gens, Head of Learning und Capability Development bei Vodafone, über erfolgreiche Weiterbildungsformate, den Einfluss von Kollegen und Lernen im Homeoffice.

3. Gruppen bilden

Fördern Sie kollektives Lernen. Die Studien zeigen, dass es einen positiven Effekt auf das Lernverhalten hat, wenn Mitarbeiter virtuellen Lerngruppen beitreten – so absolvierten Teilnehmer einer virtuellen Lerngruppe 63 Prozent mehr Lektionen pro Tag als Lernende, die nicht Mitglied in einer solchen Gruppe waren. Das Lernverhalten steigert sich dabei sprunghaft ab dem Tag des Beitritts. Führungskräfte sollten deshalb verschiedene Möglichkeiten schaffen, gemeinsam zu lernen, das stärkt auch die soziale Sicherheit. Neben virtuellen Lerngruppen bieten sich dazu gemeinsame Aktivitäten an. Gut erprobt ist das Flipped-Classroom-Konzept, bei dem die Teilnehmer zunächst fest definierte Inhalte autonom über eine Plattform durcharbeiten und sich dann im Anschluss zur gemeinsamen Reflexion treffen. Es hat sich bewährt, ein festes Ritual zu schaffen, etwa: Jeden Freitag um 16 Uhr tauschen wir uns über gelernte Inhalte aus.

4. Feste Zeiten einplanen

Mehr als ein Viertel aller Teilnehmer von Weiterbildungen, genau 28 Prozent, wünschen sich "mehr Zeit" vom Arbeitgeber, um besser lernen zu können. Dieses Bedürfnis lag weit vor anderen Antworten wie "mehr Ruhe" in einer Befragung innerhalb der Lernbeobachtungen. Führungskräfte sollten daher feste Zeiten fürs Lernen einplanen. Dadurch wird es zur Gewohnheit und fester Bestandteil des Berufsalltags. Rituale und fixe Termine (wie zum Beispiel freitags 16 Uhr) geben den Mitarbeitern Orientierung, wann sie sich Zeit zum Lernen nehmen (müssen), die sie aufgrund der hohen Arbeitsbelastung gefühlt eigentlich nie haben. Regelmäßig sollte sich das Team auch darüber austauschen, ob die Inhalte noch richtig ausgewählt sind für die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter.

5. Gemeinsam starten

Kommunikation ist ein bedeutender Erfolgsfaktor für die Akzeptanz – insbesondere die Kommunikation vor dem Start des Lernangebots. Zwar beeinflusste die Kommunikation in den untersuchten Unternehmen nicht direkt das Lernverhalten, jedoch fiel der Anteil der Nichtlerner deutlich geringer aus, wenn das Unternehmen im Vorfeld ausführlich informiert hatte. Belegen lässt sich dies mit der Anzahl derjenigen, die sich zwar registriert, aber nie mit dem Programm angefangen hatten. Bei Firmen, die im Vorfeld kommunizierten, lag der Anteil der Nichtlerner bei rund 10 Prozent. Bei anderen Unternehmen waren es rund 23 Prozent.

Unternehmen sollten kommunikative Maßnahmen entwickeln, die die Offenheit gegenüber digitalen Lernangeboten steigern. Neben Veröffentlichungen im Intranet könnte es auch sinnvoll sein, zum Beispiel auf Mailings zu setzen, Plakate aufzuhängen und Informationsveranstaltungen anzubieten. Im Fokus sollten dabei die Erwartungshaltung und der berufliche Nutzen stehen. In vielen Unternehmen wurden in den vergangenen Jahren immer mal wieder verschiedene Lernangebote gestartet, Mitarbeiter erkennen deshalb vielleicht nicht sofort, warum das neue Angebot nun besonders wichtig ist. Ein großformatiges Event kann helfen, die Bedeutung darzustellen, als gemeinsamer Startschuss. Die Otto Group veranstaltete zum Beispiel 2019 einen Learning-Day mit mehr als 300 Mitarbeitern, um auf das Thema aufmerksam zu machen und für die Lerninitiative zu werben.

Fazit

In einer (Arbeits-)Welt, die durch immer schnellere Veränderungsprozesse immer kürzeren Innovationszyklen unterworfen ist, besteht ein großer Teil des Arbeitsalltags darin zu lernen. Die Inhalte werden dabei vielfältiger, es geht längst nicht mehr um das Auswendiglernen von Fakten oder das Erlernen einer abgegrenzten Fähigkeit. Lernen ist heute experimenteller, die Methoden dafür nennen sich "Design Thinking", "A/B-Testing", "Rapid Prototyping" oder "Data-Analytics". Sie verfolgen alle das gleiche Ziel: Mit ihnen kann innerhalb von Innovationszyklen schneller und kleinteiliger experimentiert und somit in kürzerer Zeit gelernt werden. Dies ermöglicht Unternehmen, sich dem dynamischen Umfeld rascher anzupassen, schneller innovative Produkte und Dienstleistungen zu schaffen – und somit produktiv, nahe am Kunden und schließlich überhaupt wettbewerbsfähig zu bleiben. 

Dieser Artikel erschien in der Juli-Ausgabe 2020 des Harvard Business managers.

© HBM 2020

Zur Ausgabe
Artikel 14 / 29
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren