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Wann und wie können Unternehmen ihr Know-how verkaufen ? Die Vermarktung von Technologien

Viele Jahre lang hat das Konzept des Produktlebenszyklus Managern dabei geholfen, den größtmöglichen Gewinn aus dem Verkauf ihrer Produkte zu ziehen. Nach Ansicht der Autoren dieses Artikels reicht es aber nicht aus, eine Technologie lediglich über den Verkauf von Produkten zu benutzen. Heute sehen sich Unternehmen mit hohen F + E-Kosten dem Wettbewerbsdruck durch Billigproduzenten, Kapazitätsbeschränkungen, Kartellgesetzen, finanziellen Engpässen und Handelshemmnissen im Ausland konfrontiert. Daraus folgt, daß sie die Rendite ihrer Technologieinvestitionen dadurch erhöhen müssen, daß sie Technologie so vollständig wie möglich während aller Phasen ihres Lebenszyklus vermarkten müssen. Der Begriff des Technologielebenszyklus - der aus dem Produktlebenszyklus abgeleitet ist - verdeutlicht, daß Unternehmen beim Verkauf ihres Know-how mit neuartigen Entscheidungssituationen konfrontiert werden. Die Autoren diskutieren auch die Wettbewerbsgefahren des Technologietransfers an ausländische Billigproduzenten und die steigende Bedeutung von Vermittlern beim Verkauf von Technologie.
aus Harvard Business manager 2/1983

DAVID FORD ist Direktor des Programms für Industriemarketing an der Bath School of Management in Großbritannien. Er ist von Haus aus Ingenieur und war früher Group Planning Manager für Großbritannien der American Standard Inc. CHRIS RYAN ist von Haus aus Physiker und arbeitet als Marketingmanager in der Elektronikbranche. Er verfügt über Erfahrungen im Produktionsmanagement, in F + E und in strategischer Planung für hochtechnisierte Branchen.

Technologiemanagement in einem Unternehmen verlangt sorgfältige Planung der Beziehungen zwischen den Technologien dieses Unternehmens, seinen Märkten und seinen Entwicklungsaktivitäten. Es bedarf der Koordinierung der F + E-Aktivitäten, damit ein optimales Forschungsniveau garantiert werden kann, das wiederum von den vorhandenen Ressourcen des Unternehmens, dem Wettbewerbsdruck und den Anforderungen des Markts abhängt. Und schließlich ist eine systematische Verbindung zwischen dem Produkt eines Unternehmens und seiner Prozeßtechnologie erforderlich: Die entwickelten Produkte müssen auch effizient hergestellt werden. Zur Zeit geht man im allgemeinen davon aus, daß ein Unternehmen seine Fähigkeiten und Ressourcen in die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen investiert, die für seine Kunden von Nutzen sind. Wir meinen aber, daß ein Unternehmen die bestmögliche Verwertung aller seiner Technologien auf dem Markt anstreben muß, um eine maximale Rendite für seine Investitionen in Technologie zu erzielen. Technologien können, müssen aber nicht in die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens einfließen. Denn die Zunahme der Billigproduzenten in der Dritten Welt wird es für westliche Unternehmen immer schwieriger machen, ihre Technologien im Rahmen der eigenen Produktionv ollständig auszunutzen. Deshalb könnte - und sollte möglicherweise auch - die Marketingstrategie eines Unternehmens auf den Verkauf von Technologien für einen Festbetrag oder gegen Lizenzgebühren ausgerichtet sein. (Unter Verkauf verstehen wir entweder den direkten Verkauf einer Technologie oder die Erteilung einer Lizenz zu ihrer Nutzung.) Die Marketingliteratur gibt dem Manager, der die Technologien seines Unternehmens in vollem Umfang verwerten möchte, wenig Hilfen an die Hand. Zu den vielen Fragen, die unbeantwortet bleiben, gehören folgende: * Welche Probleme ergeben sich beim Verkauf einer Technologie? * Verzehrt ein Unternehmen, das eine Technologie verkauft, gewissermaßen sein "Saatgut" und gefährdet damit seine Zukunft? * Wie, an wen und wann sollte man eine Technologie verkaufen? * Wie verhält sich der Verkauf einer Technologie zu dem Verkauf eines Produkts, das auf dieser Technologie beruht? In diesem Artikel nehmen wir auf unsere eigenen Untersuchungen Bezug; um diese wichtigen Fragen zu behandeln, benutzen wir das Konzept des Technologielebenszyklus (TLZ), der die Evolution einer Technik von der Konzeptionsstufe über die Entwicklung bis hin zur Verwertung durch einen direkten Verkauf verfolgt. Wir untersuchen insbesondere die Beziehungen zwischen dem Verkauf von Produkten und dem Verkauf von Technologien und beschreiben die wichtigen Alternativen und Strategien, die dem Management während des TLZ zur Verfügung stehen. Wir prüfen besonders eingehend die Frage, ob es sich lohnt, vom Management eines Produktsortiments zum Management eines Technologiesortiments überzugehen. Wir diskutieren auch die Auswirkungen, die die jeweilige Position einer Technologie in ihrem TLZ innerhalb des Sortiments hat, und die Bedeutung, die dem Abhängigkeitsgrad eines Unternehmens von den einzelnen Technologien zukommt.

Warum soll man Technologien
überhaupt verkaufen?

Im folgenden untersuchen wir einige der Gründe dafür, daß auch ein erfolgreiches Unternehmen seine Technologien durch den Verkauf von Produkten allein nicht vollständig verwerten kann: 1. Die ständig steigenden Kosten und Risiken von F + E, insbesondere der Grundlagenforschung, verlangen, daß Unternehmen ganz sicher sein müssen, aus den Technologien, die sie entwickeln, das meiste herauszuholen - und zwar auch aus denen, die für ihr eigenes Geschäft nicht unbedingt relevant sind. Zum Beispiel entwickelte General Electric in den Vereinigten Staaten Mikroben, die ausgelaufenes Öl dadurch vernichten, daß sie es auffressen. Nachdem aber GE einen vieldiskutierten Patentstreit vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten gewonnen hat, bietet es jetzt diese Technologie zum Verkauf an, weil sie nicht zu den Geschäftsaktivitäten des Unternehmens paßt. 2. Technologien passen manchmal nicht zur Gesamtstrategie eines Unternehmens. Ihre Verwertung müßte in Märkten erfolgen, die zu klein oder auch unerwünscht sind. Möglicherweise gibt es in den Augen des Unternehmens auch moralische Gründe gegen den Einsatz. Es kommt vor, daß Technologien nicht mehr zur Strategie eines Unternehmens passen, nachdem sie eine Zeit lang eingesetzt worden sind. GE verkaufte zum Beispiel seine ausgereifte Fluidal-Technologie (die Druckveränderungen in Gasströmen zu Meßzwecken ausnutzt, und in der Textil- und Metallverarbeitung in großem Umfang eingesetzt werden kann), weil sie sich nicht mehr mit den Schwerpunkten und der Strategie des Unternehmens vereinbaren ließ. 3. Hersteller von Produkten, die auf neuen Technologien beruhen, verlassen sich häufig auf Patente als Schutz gegen Wettbewerbsdruck, aber Patente bieten nur einen begrenzten Schutz. Schließlich können im Laufe der Zeit die meisten Technologien von anderen Herstellern kopiert werden. Diesen Herstellern entstehen Kostenvorteile, weil sie die hohen F + E-Kosten, die dem Ersthersteller entstanden sind, nicht wieder hereinholen müssen. Darüber hinaus haben vor allem Hersteller in der Dritten Welt den Vorteil niedriger Personalkosten. Der Rechtsstreit zwischen Eastman Kodak und Polaroid wegen der Sofortbild-Technologie spiegelt einen Extremfall zu großen Vertrauens auf Patente wider, die den Zugang der Konkurrenz zum Markt nicht verhindern konnten. 4. Ein Unternehmen wird sich möglicherweise weigern, eine Technologie an einen Hersteller im Ausland zu verkaufen, weil es den Wettbewerb auf dem einheimischen oder ausländischen Märkten fürchtet. Wenn aber ein Konkurrent diese Technologie verkauft, wird das erste Unternehmen demselben Wettbewerb ausgesetzt sein, ohne zum Ausgleich dafür Lizenzgebühren zu erhalten oder irgendeine Kontrolle über die Verbreitung der Technologie ausüben zu können. 5. Ein Unternehmen kann eine neue Technologie entwickeln und dann aufgrund finanzieller Schwierigkeiten oder Beschränkung seiner eigenen Produktionskapazitäten nicht imstande sein, sie vollständig auf dem Markt zu verwerten. Sinclair Radionics, ein kleines britisches Unternehmen der Unterhaltungselektronik, behauptete, einen technologischen Durchbruch im Bereich der Farbfernseher mit flachen Bildschirmen erzielt zu haben. Die Bildschirme, die knapp einen Meter hoch, über einen Meter breit und nur zwei Zentimeter tief waren, hätten Investitionen in Höhe von mehreren hundert Millionen Mark in Fabriken zur Herstellung von konventionellen Kathodenstrahlröhren überflüssig werden lassen. Das erste Unternehmen, dem es gelungen wäre, sie zu wettbewerbsfähigen Preisen herzustellen, hätte einen entscheidenden Vorteil auf einem Markt von über 50 Milliarden Mark erzielt. Aber die Marketingprobleme, die Sinclair in der Vergangenheit gehabt hatte, machten es dem Unternehmen unmöglich, noch mehr Risikokapital aufzubringen. Deshalb bemühte es sich um ein Joint Venture mit großen multinationalen Elektronikunternehmen, um auf diese Weise mehrere Ressourcen miteinander zu verbinden. 6. Ein Unternehmen ist möglicherweise nicht imstande, allein mit seinen eigenen Produktionskapazitäten alle Märkte der Welt für eine bestimmte Technologie zu erobern. Zum einen sind in den Ländern der Dritten Welt ausgefeilte Importrestriktionen gegenüber Industrieerzeugnissen an der Tagesordnung. Zum Beispiel bemüht sich American Motors - das über Importunternehmen in Südkorea, Indien und Australien sowie über Lizenzverträge in den Philippinen, in Pakistan, Sri Lanka, Thailand und Bangladesh Jeeps produzieren läßt - , in den chinesischen Markt einzudringen. Es tut dies im Wege eines Lizenzvertrags mit der Beijing Automotive Industrial Corporation. Dieses Unternehmen produziert seit 1964 ein Sortiment allradgetriebener Fahrzeuge und möchte jetzt die zur Herstellung bestimmter Jeepmodelle in einer vorhandenen Fabrik erforderliche Technologie erwerben. 7. Schließlich kann ein Unternehmen durch die Kartellgesetzgebung an der direkten Verwertung seiner Technologie gehindert werden. Ein gut dokumentierter Fall ist die Klage der Federal Trade Commission gegen Xerox. Die FTC beschuldigte Xerox, seine Patentinhaberschaft zum Aufbau eines vollständigen Monopols auf dem Fotokopierermarkt mißbraucht zu haben. Das Verfahren endete damit, daß das Gericht Xerox zur Abgabe der Zustimmung verurteilte, seinen Mitbewerbern Lizenzen für mehrere seiner Patente gegen Zahlung einer äußerst niedrigen Lizenzgebühr oder sogar kostenlos einzuräumen.

Der Technologielebenszyklus

Angesichts dieser Restriktionen bei der direkten Umsetzung einer Technologie in Produkte muß ein Unternehmen, das ein Optimum aus seiner Technologie herausholen will, sorgfältig planen, um in allen Phasen des TLZ den vollen Gegenwert für seine Technologie zu erzielen. Bei der Entwicklung des TLZ-Konzepts aus der eher bekannten Idee des Produktlebenszyklus untersuchten wir die Entwicklung, die Anwendung und den Abstieg von Technologien in so unterschiedlichen Branchen wie elektronische Bauelemente, Unterhaltungselektronik, Autos, Schuhe, Baugewerbe, Bergbaumaschinen und Klimaanlagen.

Phase 1:
Die Entwicklung einer Technologie

Diese Phase ist von der späteren Produktion weit entfernt und beginnt, wenn die Forschung die Existenz einer potentiell wertvollen Technologie nachweist. Hier steht das Unternehmen vor der wichtigen Frage, ob diese Technologie weiter entwickelt werden soll. Im Normalfall läuft die Entwicklung weiter, wenn * für diese Technologie offensichtlich eine Anwendung auf einem sofort erkennbaren Markt möglich ist, die zu der Gesamtstrategie des Unternehmens paßt; * das Unternehmen über die finanziellen Mittel zur Entwicklung der Technologie verfügt, und wenn die Technologie sich mit den Produktions- und Marketingfähigkeiten dieses Unternehmens vereinbaren läßt; * die prognostizierte Rendite dieser Entwicklung im Vergleich zu anderen Investitionen günstig erscheint. Die Situation ist oft nicht so eindeutig. Die Technologie kann verschiedene potentielle - aber noch unklare und möglicherweise zusammenhanglose - Anwendungsmöglichkeiten haben. Nehmen wir einmal an, ein Pharmaunternehmen habe einen technologischen Durchbruch im Bereich der komplexen chemikalischen Gruppe der Prostaglandine erzielt, die große Anwendungsmöglichkeiten in Medizin, Landwirtschaft und Gentechnologie aufweisen. Am Anfang läßt sich möglicherweise nicht eindeutig erkennen, welcher Anwendungsbereich das größte Potential hat oder sich am leichtesten verwirklichen läßt. Und selbst wenn die beste Anwendungsmöglichkeit sofort erkennbar wäre, würde sie vielleicht nicht zur Strategie oder zu den Mitteln des Unternehmens passen. In dieser Lage würde sich das Unternehmen mit noch komplizierteren Fragen konfrontiert sehen: * Soll es einen Partner suchen, mit dem es die Technologie weiterentwickelt, vor allem wenn benachbarte Technologien oder zusätzliche Finanzmittel erforderlich sind? * Soll es versuchen, die Technologie zu verkaufen, wenn es auf seinen vorhandenen Märkten und im Rahmen seiner Strategie für sie keine direkte Anwendungsmöglichkeit gibt?

Technologieverkäufe bei General Electric

GE hat in den Vereinigten Staaten diesen zweiten Ansatz dadurch formalisiert, daß es Technologien, die zu klein sind oder außerhalb seiner eigentlichen Bereiche liegen, als "Pakete" zum Kauf anbietet. Seit 1968 hat es "Abfall-Technologien" über eine Technologiemarketingabteilung verkauft, die aus fünf technisch vorgebildeten Angestellten mit Erfahrungen in den Bereichen Unternehmensplanung, Vertrieb, Produktplanung oder Marktforschung sowie einem Patentanwalt besteht. In jedem Fall sucht die Technologiemarketingabteilung, die zunächst von der zuständigen Division angesprochen wird, potentielle Käufer auf der Grundlage einer Datei, die sie über ihr bekannte Kundenbedürfnisse angelegt hat und die Querverbindungen zu GE-Technologien enthält. Diese Abteilung ist auch verantwortlich für "Selected Business Ventures", ein monatlich erscheinendes Informationsblatt, das sich mit potentiell nützlichen und zum Verkauf stehenden Technologien befaßt. 98 Prozent der in diesem Blatt vorgestellten Ideen stammen nicht von GE, sondern werden aus 400 bis 600 Unternehmen gesammelt, die zum Abonnentenkreis gehören. Darüber hinaus bringt die Abteilung technische Handbücher, die vom Unternehmen entwickelt wurden, auf den neuesten Stand und verkauft sie an Abonnenten. Die Abteilung ist jedoch nicht an größeren Entscheidungen über Lizenzen beteiligt, die weiterhin zum Verantwortungsbereich der zuständigen Produktdivision gehören.

Hartnäckigkeit zahlt sich aus

Selbst wenn ein Unternehmen eine Technologie in dieser frühen Phase des TLZ verkaufen will, kann es dabei auf Schwierigkeiten stoßen, denn potentielle Anwendungsmöglichkeiten oder die Kosten der Entwicklung vermarktbarer Anwendungsmöglichkeiten lassen sich nur schwer einschätzen. Während dieser Phase gibt es jedoch eine Alternative, die von Unternehmen häufig nicht erkannt wird. Ihre Technologie ist möglicherweise vermarktbar, aber nicht in ihrer gegenwärtigen Form. Wenn man sie weiterentwickelt und in ein Produkt einfließen läßt, ist sie vielleicht an andere Unternehmen verkäuflich. Häufig werden Technologien abgelegt, wenn sie nicht direkt in die Produktstrategie eines Unternehmens passen, obwohl ihre Weiterentwicklung vielleicht eine für andere vermarktbare Technologie hervorbringt. Selbstverständlich hält diese Alternative auch die Option aufrecht, daß das Unternehmen selbst Produkte herstellt, die auf dieser Technologie beruhen.

Die Kompetenz der Technologievermarkter

Während dieser frühen Phase des TLZ sehen sich Unternehmen mit einem weiteren Problem konfrontiert: Das Personal muß in der Vermarktung von Technologien genauso kompetent sein wie in der Vermarktung von Produkten. Leider ist dies selten der Fall. Diejenigen, welche zu einem frühen Zeitpunkt Entscheidungen über die Zukunft einer Technologie treffen, gehören im allgemeinen nicht zur Marketingabteilung. Die Entscheidung, die Entwicklung einer Technologie zu beenden, findet oft statt, bevor die Marketingabteilung eines Unternehmens einbezogen worden ist. Wenn andererseits die Marketingspezialisten einbezogen werden, sehen sie die Zukunft einer Technologie im allgemeinen ausschließlich im Hinblick auf deren Umsetzung in eigene Produkte des Unternehmens. Sie sind oft weder in der Lage, über den Verkauf einer Technologie nachzudenken, noch potentielle Märkte für eine Technologie zu analysieren. Von weit größerer Bedeutung ist, daß sich gerade unter den Mitbewerbern im Bereich des Produkts eines Unternehmens ein Markt für eine neue Technologie ergeben kann, und daß die Marketingspezialisten sich diese Konkurrenten oft nur sehr schwer als potentielle Kunden vorstellen können.

Phase 2:
Die Anwendung der Technologie

Nachdem sich ein Unternehmen dazu entschlossen hat, eine Technologie bei einem neuen Produkt anzuwenden - in der eigenen Produktion oder im Rahmen einer Produktion durch andere - laufen bereits die ersten größeren Kosten auf. Diese Kosten dürften den wichtigsten Faktor bei der Entscheidung des Unternehmens darstellen, entweder mit der Entwicklung fortzufahren oder die Technologie während dieser Phase zu verkaufen. Wenige Aktionäre einer Publikumsgesellschaft werden die Entwicklung von Technologien, die bereits von Anfang an hohe Kosten verursachen und hohe Risiken beinhalten, ohne Proteste zulassen. Zum Beispiel konnte die Entwicklung eines neuen Prozesses der Flachglasherstellung durch die Pilkington Company nur aufgrund der Unterstützung des Boards dieses Einzelunternehmens und der Entschlossenheit der beteiligten Unternehmerpersönlichkeit zur Vollendung gebracht werden. Wenn ein Unternehmen eine Technologie in ein Produkt einbringt, wird es außerdem im allgemeinen mit hohen Kosten in anderen Bereichen rechnen müssen - zum Beispiel aufgrund der Entwicklung dazugehöriger Prozeß- und Produkttechnologien. Das Unternehmen wird es möglicherweise für erforderlich halten, sich in diese zusätzlichen Technologien entweder durch Lizenzen oder durch eine Beteiligung anderer am Risiko einzukaufen. Das bedeutendste Beispiel in der letzten Zeit ist wohl der Entwurf des europäischen Airbus, dessen anfänglicher Erfolg zu einem Produktionskonsortium führte, zu dem unter anderem Unternehmen wie British Aerospace gehören. Während dieser Phase des TLZ darf ein Unternehmen seine Entscheidung über die Weiterentwicklung nicht allein auf die veranschlagte Rendite aus dem Verkauf seiner Produkte stützen, auch wenn hohe Kosten auflaufen oder der Kauf von Nachbartechnologien erforderlich werden könnte. Statt dessen sollte es die potentiellen Einnahmen aus der Technologie als ganzes in Betracht ziehen - wozu der Verkauf von Produkten, Einnahmen aus Lizenzen und vielleicht sogar der Verkauf schlüsselfertiger Projekte gehören. Burroughs hat zum Beispiel seine Computertechnologie in ein Netz eingebracht, das es 700 Großbanken ermöglicht, überall in der Welt innerhalb von Sekunden Transaktionen vorzunehmen. Die Banken nutzen das Netz in Form einer nicht gewinnorientierten Organisation, die aber ihr Personal und ihre Büromaschinen von Burroughs bezieht. Ein ähnliches Computersystem namens Ethernet wird zur Zeit von Xerox in Zusammenarbeit mit Digital Equipment und Intel zum Einsatz gebracht. Dieses System ermöglicht es den beteiligten Unternehmen, passende Kommunikationsnetze innerhalb einzelner Gebäude oder Gebäudekomplexe zu bauen. Die drei Unternehmen legen besonderen Wert darauf, anderen Herstellern den Erwerb von Lizenzen für ihr Netzsystem zu gestatten - und zwar in diesem Fall als eine Methode, die Verwendung ihrer Protokolle und Maschinen zu fördern.

Verkaufen oder Lizenzen vergeben?

Anwendungsmöglichkeiten einer Technologie lassen sich klar erkennen, und eine Finanzierung kommt eher zustande, wenn die Technologie die Phase der Idee verlassen und den Punkt der Praxisdemonstration erreicht hat. Potentielle Lizenznehmer dürften sich ebenfalls eher für eine Technologie entscheiden, wenn sie die Prototyp- oder Vorproduktionsphase erreicht hat. Indes wird die Entscheidung über den Verkauf einer Technologie am Ende der Phase 2 in erster Linie durch die bisher aufgelaufenen Entwicklungskosten und die erwarteten Einnahmen aus Lizenzen, Produktverkäufen oder beiden bestimmt. Dolby Laboratories bietet ein Beispiel für die Probleme, die durch hohe Entwicklungskosten und das Bedürfnis entstehen, für eine angemessene Rendite zu sorgen. Ray Dolby verstand sein Unternehmen zunächst als ein Forschungslaboratorium, das Technologien zur Geräuschunterdrückung für Tonbänder an die Hersteller von Elektronikgeräten für Profis verkaufen sollte. Er wollte vor allem auf diesem Markt verkaufen, um bei Aufnahmeingenieuren für seine Qualität berühmt zu werden. Nachdem er aber seine eigenen Ersparnisse und Kredite seiner Freunde in einer Gesamthöhe von 25 000 Dollar verbraucht hatte, fand er schnell heraus, daß er das Einkommen, das sich nur durch den Verkauf von Produkten erzielen ließ, dringend zum Überleben brauchte. Deshalb entschloß er sich dazu, Geräte zur Geräuschunterdrückung für professionelle Musikaufnahmen herzustellen und zu verkaufen. In der Elektronikbranche ist der Markt klein, und alle Versuche, ihn durch die Weitergabe von Lizenzen für die Technologie zu nutzen, hätten nicht genügend Erträge eingebracht, um Dolbys ursprüngliche Investition zu rechtfertigen. Andererseits ermöglichte gerade die geringe Größe des Markts einem neuen Unternehmen wie Dolby, die Technologie ohne größere Investitionen und ohne Konkurrenzneid größerer Rivalen zu nutzen. Nachdem Dolby den guten Ruf seiner Technologie fest etabliert hatte, besaß er eine starke Marketingposition, als er später die Technologie auf dem Massenmarkt der Tonbandgeräte für Normalverbraucher einführte. Leider gibt es keine überall in gleicher Weise anwendbaren Faustregeln für vernünftige Entscheidungen über den Verkauf oder die Produktion einer Technologie während dieser Phase. Zu viele Variablen gehen in die Gleichung ein: die Kosten der Erstentwicklung, die Liquidität eines Unternehmens, seine sonstigen Entwicklungsaktivitäten und ihre Erfordernisse, der potentielle Markt für die Technologie, die Möglichkeiten einer Marktaufteilung und - vielleicht am wichtigsten - der Grad von Bedeutung, den man dieser Technologie für die gegenwärtigen und zukünftigen Aktivitäten eines Unternehmens beimißt.

Phase 3: Erstanwendung

Die Phase der Erstanwendung im TLZ entspricht der ersten, der "Leistungsmaximierungsphase", des Produktlebenszyklus, in deren Verlauf ein Unternehmen im allgemeinen seine Technologie weiterentwickelt, und zwar entweder durch die Modifizierung des Produkts oder durch deren Einsatz in verschiedenen oder möglicherweise auch breiteren Produktfeldern. Wenn eine Technologie bis zum Punkt der Markteinführung eines Produkts ohne Beteiligung potentieller Käufer entwickelt wurde, werden Entscheidungen über seine Verwertung komplexer. Der originäre Hersteller, der die hohen Kosten der Entwicklung und Produkteinführung getragen hat, sieht sich nun mit einer Reihe von Problemen konfrontiert, die dazu führen, daß einige dieser Kosten durch Lizenzvereinbarungen nicht wieder hereingeholt werden können. Zunächst gibt es möglicherweise nicht genug Unternehmen, die technisch überhaupt imstande sind, die neue Technologie angemessen zu nutzen. Die übereilte Erteilung von Lizenzen kann den Ruf dieser Technologie schnell schädigen. Dieser Faktor war zum Beispiel während der Beratungen der Pilkington Company über die Verwertung der Technologie für glasverstärkten Beton von besonderer Bedeutung. Pilkington erwarb die Lizenz für diese Technologie vom British Building Research Council und hatte vor, sie an einzelne Bauunternehmen zu verkaufen. Auf diese Weise diente Pilkington aufgrund seiner Erfahrung mit Lizenzverträgen und seinem Verständnis für die Glastechnologie als Vermittler zwischen dem forschungsorientierten Entwicklungsunternehmen und dem Markt. Der Lizenzprozeß zog sich jedoch sehr in die Länge, und Pilkington kam zum Ergebnis, daß er die Zahl der Käufer durch rigorose Unternehmensbewertungen und Produktkontrollen begrenzen mußte, um eine hohe Produktqualität langfristig aufrechterhalten zu können. Der Verkauf einer Technologie während der Phase 3 kann auch durch die langen Vorlaufzeiten verzögert werden, die beim Verkauf einer relativ unerprobten Technologie zu berücksichtigen sind. Der Verkauf kann von einer Unterstützung des Käufers durch die Regierung abhängen, was wiederum von der Wirtschaftspolitik des betreffenden Landes beeinflußt wird. Ferner kann der Verkauf einer Technologie durch Regierungsbeschränkungen auf der Verkäuferseite aufgehalten oder verhindert werden, und zwar vor allem, wenn eine Technologie strategische oder militärische Auswirkungen hat, was zum Beispiel bei Computersystemen, Hochenergielasern, Großraumflugzeugen und in der Kernenergie der Fall ist. In den Vereinigten Staaten verhindert der Technology Transfer Ban Act (Gesetz über das Verbot von Technologietransfers), der im Jahre 1978 novelliert wurde, den Verkauf an alle kommunistischen Länder - oder jedes andere Land, das sich nicht bestimmten Beschränkungen unterwirft - , wenn es sich um "signifikante" oder "entscheidend wichtige" Technologien oder Produkte mit potentiellen Anwendungsmöglichkeiten im militärischen Bereich oder auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung handelt. Zu bedenken ist auch, wie der Verkauf einer Technologie die Technologieexperten berührt, die für F + E innerhalb des Käuferunternehmens verantwortlich sind. Sie werden möglicherweise den Technologiekauf als Anzeichen ihres Versagens auffassen und könnten daher versuchen, die Entscheidung für den Kauf der Technologie hinauszuzögern. Gleichzeitig dürften sie sich nachhaltig um Gelder für die Entwicklung ihrer eigenen Technologien bemühen. Das Syndrom "nicht von uns erfunden" ist weit verbreitet, wenn auch in einigen Ländern häufiger als in anderen. In Japan ist zum Beispiel das Verhältnis der Lizenzeinnahmen zu Lizenzzahlungen mit etwa 1:8 ziemlich konstant geblieben, in Westdeutschland beträgt es 1:2,5. Im Gegensatz dazu ist das Verhältnis in Großbritannien mit 1:1 ausgeglichen und in den Vereinigten Staaten mit 10:1 deutlich positiv. Der letzte Marktfaktor, der den Verkauf einer Technologie während dieser Phase verhindern könnte, besteht darin, daß der Kauf einer Technologie im allgemeinen erfordert, daß das Käuferunternehmen seine Arbeitsabläufe verändert. Ein Unternehmen ist möglicherweise nicht bereit, diese Veränderungen vorzunehmen, solange nicht die Technologie aufgrund extensiver Produktanwendung besser erprobt ist oder die eigene Technologie sich nicht eindeutig als unangemessen erweist. Andererseits wird möglicherweise zu diesem Zeitpunkt der originäre Hersteller an einer Verzögerung des Verkaufs seiner Technologie interessiert sein, weil er davon ausgeht, daß sich deren potentieller Wert durch größere Marktakzeptanz erhöhen wird. Das Unternehmen könnte sich genötigt sehen, seine Entwicklungskosten wieder hereinzuholen, während es die Gelegenheit nutzt, als einziger Anbieter einer potentiell bedeutenden Technologie den Markt abzuschöpfen. Außerdem dürfte es daran interessiert sein, den Einsatz der Technologie zu kontrollieren, um seine eigenen Produktionskapazitäten voll auszunutzen. Zum Beispiel liefert das schwedische Unternehmen ASEA Elektrolokomotiven für Eisenbahngesellschaften in den Vereinigten Staten. Obwohl die Technologie für die Herstellung von Elektrolokomotiven relativ gut bekannt ist, haben die ASEA-Lokomotiven ein fortschrittliches elektronisches Kontrollsystem, das sie für amerikanische Eisenbahngesellschaften besonders attraktiv macht. Deshalb ist die Elektrolokomotive als Produkt buchstäblich das Vehikel für einen Technologieverkauf. Durch die Verbindung des Technologieverkaufs mit seinem eigenen Produkt hofft ASEA, während dieser Phase des TLZ einen maximalen Ertrag zu erzielen.

Phase 4: Zunehmende Anwendung

Bis zu diesem Punkt im TLZ waren die Entwicklungskosten das größte Hindernis für Technologieverkäufe. Diese vierte Phase wird häufig als Stufe der "Verkaufsmaximierung" bezeichnet. Während der originäre Hersteller anfängt, die Früchte seiner Bemühungen in Form eines hohen Produktabsatzes zu ernten, kommen allmählich mehrere, sehr gewichtige Gründe für Technologieverkäufe zum Vorschein. Innerhalb des Unternehmens wird man jedoch wahrscheinlich zugunsten der Aufschiebung derartiger Verkäufe argumentieren. Die entscheidende Frage ist hier also das Timing. Die zunehmende Nachfrage fällt im allgemeinen mit einem großen Interesse der Mitbewerber des originären Herstellers an der betreffenden Technologie zusammen. Diese Konkurrenten werden wahrscheinlich die hohen Kosten der Entwicklung ihrer eigenen alternativen Produktversionen auf der Grundlage dieser Technologie vermeiden wollen. Deshalb befindet sich der Marktwert dieser Technologie zu dieser Zeit wahrscheinlich auf seinem Höchstpunkt. Gleichwohl sind der erfolgreiche Verkauf der Produkte durch den originären Hersteller und das Unbehagen seiner Konkurrenten oft ein überzeugendes Argument gegen den Verkauf der Technologie. Die Entscheidung, während der Phase 4 eine Technologie zu verkaufen, ist in der Tat eine der schwierigsten für das Unternehmen. Deshalb wird ein Technologieverkauf oft auf einen späteren Zeitpunkt im TLZ verschoben, wenn der Wert dieser Technologie abgenommen hat, weil sowohl das Interesse der Kunden nachgelassen als auch die Entwicklung alternativer und vielleicht verbesserter Technologien durch die Konkurrenz stattgefunden hat. Das ist oft ein Fehler. Eine nüchterne Bewertung des Marktpotentials könnte viele Unternehmen dazu bringen, ihre Technologien genau in dem Augenblick zu verkaufen, in dem der eigene Absatz steigt und bevor die Märkte gesättigt sind. Eine derartige Bewertung sollte folgende Faktoren in Betracht ziehen: 1. Umfang des Markts. Die Entscheidung, eine Technologie im Wege geographisch ausgewählter Lizenzverträge zu verkaufen, kann zu gesteigerten Erträgen führen, die auf einer weiter verbreiteten Anwendung dieser Technologie beruhen. Allgemeiner gesagt, ein Unternehmen, das sich der Nachfrage eines überschäumenden oder neuartigen Markts aufgrund einer innovativen Technologie gegenübersieht, ist möglicherweise nicht imstande, schnell genug ausreichend liquide Mittel zu beschaffen, um die neue Technik in vollem Umfang durch Eigenproduktion zu verwerten. 2. Technologische Führung. Die Bereitschaft eines Unternehmens, eine Technologie, nach der eine große Nachfrage besteht, mit der Konkurrenz zu teilen, kann Konkurrenten den Anreiz nehmen, auf diesem Gebiet die eigene Technologie weiter zu entwickeln. Der originäre Hersteller, der seine zusätzlichen Einnahmen in weitere F + E-Aktivitäten investiert, kann seine Führungsposition besser aufrechterhalten. Selbstverständlich muß ein derartiges Vorgehen auf einer sorgfältigen strategischen Bewertung der Frage beruhen, ob die Stärke eines Unternehmens eher in der Entwicklung neuer Ideen oder in der Reduzierung alter Ideen liegt. 3. Standardisierung. Die Frage der von der Regierung und der eigenen Branche festgelegten Normen ist während der Wachstumsphase des TLZ oft von entscheidender Bedeutung. Der Erfinder einer Technologie hat einen klaren Zeitvorsprung: Das erste Produkt auf dem Markt ist die Norm. Bis zur Phase 4 haben jedoch einige der Mitbewerber des Unternehmens möglicherweise alternative Technologien entwickelt und können, falls sie Produktionsvorteile haben, in Kürze den Markt mit ihren eigenen Produkten eindecken. Der aktive Verkauf von Lizenzen durch den ursprünglichen Hersteller trägt dazu bei, daß seine Technologie in die Produktion so vieler Unternehmen wie möglich einfließt. Unterschiedliche Technologien sind oft nicht miteinander vereinbar, und daher kann das erste Unternehmen, das für eine weite Verbreitung seiner Technologie sorgt, durchaus den technologischen Standard für alle anderen aufstellen. Zum Beispiel erreichte Philips mit Erfolg eine derartige Standardisierung auf dem Markt der Kassetten für Taschendiktiergeräte. Obwohl Philips nicht alle Kassetten für sämtliche Diktiergeräte der Welt produziert, werden die meisten nach Philips- Entwürfen hergestellt und lösen die Zahlung von Lizenzgebühren aus. Ein anderes Beispiel bildet Ray Dolbys Strategie für die Verwertung seiner Technologie zur Geräuschreduzierung bei Tonbandgeräten. Dolby verkaufte seine Technologie an Profis lediglich in der Form von Geräten (Dolby-Geräte) und hat anderen Herstellern von Apparaten für Profis nicht gestattet, seine Technologie in ihren Produkten zu verwenden. Der Markt war so klein, daß er dies tun konnte, ohne die Konkurrenz herauszufordern. Wenn er dieselbe Strategie im Kassettenmarkt für Verbraucher, dessen Umfang riesig ist, angewandt hätte, hätte er damit sofort Rivalen auf den Plan gerufen. Hier entschied er sich dafür, seine Technologie allen Herstellern auf der Grundlage von Lizenzen anzubieten und zu verlangen, daß die Lizenznehmer die Bezeichnung Dolby zusammen mit dem Namensschriftzug auf der Vorderseite ihrer Geräte anbringen. Für ihre Lizenzgebühren können die Hersteller Dolby um eine ausführliche Kritik und Beratung bitten; Verbesserungen der Dolby- Schaltkreise werden ihnen kostenlos zugänglich gemacht. Trotzdem war es schwierig, eine Standardisierung zu erreichen. Philips produzierte und vertrieb ein Konkurrenz-Technologiesystem und wurde erst später dazu überredet, Dolby-Lizenznehmer zu werden. Im allgemeinen besteht die beste Strategie während der Phase 4 darin, die weite Verbreitung und Standardisierung einer Technologie anzustreben und gleichzeitig anderen Unternehmen die Sinnlosigkeit, Ersatztechnologien zu schaffen, vor Augen zu halten. Technologieverkäufe spielen eine wichtige Rolle. Ein Aufschub des Verkaufs kann in dieser Phase bedeuten, daß der Wert der Technologie abnimmt, was dem Unternehmen aber weiterhin ermöglicht, die Technologie mit anderen Mitteln zu verwerten.

Phase 5: Technologiereife

Wenn eine Technologie ihre Reifephase erreicht, ist sie verändert und verbessert worden, und zwar nicht nur vom originären Hersteller, sondern auch von dessen Mitbewerbern. Das Timing des Technologieverkaufs ist nun nicht mehr von entscheidender Bedeutung. Statt dessen wird sich der originäre Hersteller jetzt mit den Produktionskosten, den Beziehungen zu etwaigen Käufern, die der Verkauf der Technologie zu diesem Zeitpunkt mit sich bringen würde, und den Auswirkungen des Technologieverkaufs auf die eigene Produktion befassen müssen. Die Produktion des originären Herstellers wird abflachen oder abnehmen, während sich der Gesamtmarkt für Produkte stabilisiert, die auf dieser Technologie beruhen. Die einzigen neuen Märkte für diese Technologie lassen sich jetzt in weniger entwickelten Ländern erschließen, die überaus bereit sind, Importe durch eigene Produktion zu ersetzen. Technologietransfers an Länder der Dritten Welt werden oft auf der Basis schlüsselfertiger standardisierter Anlagen abgeschlossen. Viele Entwicklungsländer haben jedoch den Verkäufer einer Technologie in kompliziertere Arrangements eingebunden. Zum Beispiel sind die Algerier in steigendem Maße dazu übergegangen, Technologietransfer nur auf der Basis "clef en main", "produit en main" oder "marche en main" zu vereinbaren. Bei einem Vertrag "clef en main" bleibt der Verkäufer der Technologie über den Zeitpunkt der Fertigstellung der Produktionsanlagen hinaus im Obligo, da er auch die Ausbildung des Personals übernimmt. Verträge der Art "produit en main" gelten erst als erfüllt, wenn die Anlage ohne Einschränkungen arbeitet und während eines längeren Zeitraums Produkte ausgestoßen hat. Wurde die Klausel "marche en main" vereinbart, so bietet der Verkäufer der Technologie die Dienstleistungen eines Vertrags "produit en main" und garantiert darüber hinaus den Absatz der Produkte.

Die Gefahren von Technologietransfers

Während Phase 5 muß der originäre Hersteller Kosten reduzieren, um dem Wettbewerb auf seinen eigenen Märkten standhalten zu können. Deshalb muß jede Entscheidung für Technologietransfer an Billigproduzenten die Auswirkungen dieses Transfers auf die eigenen Produktionspläne in Betracht ziehen. Kein Hersteller möchte planlos in die Art von Wettbewerbssituation hineinstolpern, die Fiat jetzt auf dem westeuropäischen Automarkt durch seine Lizenznehmer in der Sowjetunion und in Polen erlebt. Im allgemeinen möchten Entwicklungsoder Ostblockländer ihre natürlichen Ressourcen dadurch aufwerten, daß sie fortschrittliche Prozeßtechnologien einkaufen. Brasilien möchte zum Beispiel Stahl und nicht bloß Eisenerz verkaufen und könnte imstande sein, weil es über die wichtigsten Rohstoffe verfügt, Stahl relativ billig zu verkaufen. Dieses Erfordernis, Rohstoffe in fertige oder halbfertige Produkte umzuwandeln, ist Musik in den Ohren von Unternehmen wie Davy International in Großbritannien, das jetzt eine große Stahlfabrik in Brasilien baut. Aber Rückkauf- und Kompensationsverträge, auf denen derartige Geschäfte häufig beruhen, machen es erforderlich, daß der Verkäufer einer Technologie die Auswirkungen solcher Verträge auf seine eigenen Produktionsanlagen, Arbeitskräfte und andere Produktionsbereiche in Betracht zieht.

Phase 6: Technologieabschwung

Die letzte Phase des TLZ ist erreicht, wenn eine Technologie den Punkt buchstäblich universeller Verwertung erreicht hat. Zu diesem Zeitpunkt dürften die Lizenzvereinbarungen bereits ausgelaufen und die Technologie so gut bekannt sein, daß sie für einen direkten Verkauf von geringem kommerziellen Wert ist. Manche älteren Technologien haben jedoch in Ländern der Dritten Welt immer noch einen Marktwert. Einige Länder in Nahost mußten zum Beispiel aus Westeuropa vorfabrizierte Belüftungskanäle importieren, die im wesentlichen große Luftbehälter waren, deren Transport sehr teuer war. Dieser Import endete, als die mittlerweile veraltete Punktschweißtechnologie an die importierenden Länder verkauft wurde. In ähnlicher Weise verkaufte ein britisches Unternehmen die Technologie zur Herstellung einfacher Schulmöbel aus Holz an ein anderes Land in Nahost. Cyril Hobbs, Managing Director der F + E- Abteilung der Laing Construction Group in Großbritannien, ist der Ansicht, daß diese "Länder auf der Suche nach grundlegender Standardtechnologie sind. Die Frage lautet also, wie man etwas findet, was für uns veraltet ist, aber vielleicht gerade das ist, was andere Länder brauchen. Hier ist es nützlich, einen Außenseiter zu Rate zu ziehen... Ich muß immer wieder erklären, daß ich nicht Englands Zukunft verkaufe, bloß weil es sich um Technologien handelt. Wir verkaufen das Know-how von gestern und heute an Entwicklungsländer, und die meisten von ihnen werden 20 Jahre brauchen, das vollständig zu verwerten, was wir ihnen jetzt überlassen."

Technologievermittler

Viele Geschäfte, zu denen auch die beiden eben beschriebenen gehören, werden von einem der immer zahlreicher werdenden Technologievermittler arrangiert, deren Aufgabe es ist, potentielle Käufer und Verkäufer von Technologien zusammenzubringen. Sie arbeiten im allgemeinen für ein Honorar, das vom Verkäufer der Technologie auf der Grundlage eines Prozentsatzes der Lizenzgebühren oder einer einmaligen Zahlung für den Technologieverkauf berechnet wird. Ein Mitgliedsunternehmen der British Technology Transfer Group, die als nicht-gewinnorientierter Verband von zehn Unternehmen ins Leben gerufen wurde, welche über eine große Vielfalt von Fähigkeiten verfügen, die für weniger entwickelte Länder von besonderem Interesse sind, bestätigt den Wert dieser Vermittler wie folgt: "Als wir versuchten, unser Fachwissen in Nahost zu verkaufen, fanden wir heraus, wie schwierig das für ein Einzelunternehmen sein kann, egal wie gut bekannt es in Großbritannien ist. Es bestehen zwei verschiedene Ebenen des Verkaufs. Zunächst muß man die technischen Experten überzeugen, danach müssen diese die Käufer überzeugen, die am Geldhahn sitzen. Wenn man sagen kann, daß man zu einer Organisation gehört, die vom British Overseas Trade Board anerkannt wird, ist das eine hervorragende Empfehlung."

Schlußfolgerungen

Vor Jahren schlug Theodore Levitt in einem Artikel über den Produktlebenszyklus vor, daß die Basistechnologie eines Unternehmens in einem ganzen Produktsortiment enthalten sein sollte. Wir vertreten in diesem Artikel die Ansicht, daß zur vollständigen Verwertung der Technologie eines Unternehmens nicht nur deren Anwendung in der Produktion, sondern auch Technologieverkäufe gehören sollten. Die vollständige Vermarktung einer Technologie erfordert zumindest die Erfüllung folgender Voraussetzungen: * Entwicklung einer in sich schlüssigen Strategie für ein breites Technologiesortiment. So wie ein Unternehmen sein Produktsortiment entsprechend der Position seiner Produkte in ihrem jeweiligen Lebenszyklus analysiert, sollte es auch die TLZ-Position seiner vorhandenen Produkt- und Prozeßtechnologien beachten. Verkaufen sich seine Produkte gut, beruhen aber auf einer Technologie, die jetzt anderen Mitbewerbern, die womöglich billiger produzieren können, in hohem Maße zugänglich ist? Hängt das Unternehmen stark von einer einzigen wichtigen Technologie oder von verletzbaren Rohstoffquellen ab? Ein britisches Unternehmen, Marktführer bei Spezialpumpen, verstärkte seine Position durch eine Serie neuer Produkte, die jeweils Verbesserungen der Vorläuferprodukte darstellten. Alle Produkte des Unternehmens hingen aber von einer einzigen wichtigen Technologie ab, die im steigenden Maße für Billigproduzenten zugänglich wurde. Eine Analyse der Situation brachte das Unternehmen dazu, seine Gesamtstrategie zu überdenken. Zunächst schloß es eine Serie von Lizenz- und Rückkaufverträgen ab, um die vorhandene Technologie besser verwerten zu können; danach änderte es die Ausrichtung seiner F + E-Aktivitäten weg von der bisherigen, übergroßen Abhängigkeit von einer einzigen allgemein zugänglichen Technologie. * Entscheidungen über den Erwerb oder den Verkauf einzelner Technologien. Die TLZ-Planung beinhaltet zunächst klare Marketingentscheidungen über den gesamten Verlauf der Technologieentwicklung. Die Möglichkeit einer Lizenzvergabe oder eines Verkaufs muß in den Entwicklungsplänen vorgesehen sein, die ständig überprüft werden müssen, und zwar sowohl vor als auch nach dem Ersteinsatz. * Bewußtwerdung des Werts, den die Entwicklung zum Zwecke des Weiterverkaufs - ohne Verwertung in eigenen Produkten - haben kann. Dies kann im Falle von Technologien geschehen, die nicht zur Kernstrategie eines Unternehmens passen oder für die das Unternehmen die erforderlichen Produktions- und Marketingressourcen nicht besitzt. Es ist wahrscheinlich, daß die Zahl der Unternehmen zunehmen wird, deren einziges Ziel in der Entwicklung von Technologien bis zur Ersteinsatzphase und dem darauf folgenden Verkauf an andere Unternehmen besteht. * Entwicklung eines klaren Verständnisses für das Verhältnis zwischen dem Verkauf einer Technologie im Wege einer Lizenzvergabe und dem Verkauf von Produkten, die auf dieser Technologie beruhen. Es geschieht nicht selten, daß die Lizenzvergabe verschoben wird, bis der Absatz der Produkte des Unternehmens zurückgeht und der Marktwert der zugrundeliegenden Technologie ebenfalls abzunehmen beginnt. Die volle Verwertung einer Technologie erfordert eher frühzeitige als spätere Lizenzvergaben und Verkäufe. * Die Einsicht, daß der Käufer einer Technologie oft ein besseres Verständnis für deren Erfordernisse und Chancen hat als deren Verkäufer, ist unerläßlich. Den meisten Unternehmen fällt es leichter, einen Mangel ihrer eigenen Technologie zu analysieren - wenn sie über eine Produkt- oder Prozeßinnovation informiert werden, die anderswo eingesetzt wird - , als ihre eigenen potentiell verwertbaren Technologien oder die für sie adäquaten Kunden, Preise und Gesamtstrategien zu bewerten. * Verläßlichkeit der Technologiemarketingexperten. Allzuoft ist das Topmanagement nebenbei auch für Technologieverkäufe verantwortlich. Die Vermarktung einer Technologie während aller Phasen des TLZ erfordert aber fachliche Entscheidungen, die im allgemeinen über das Fachwissen von Topmanagern und traditionellen Produktmanagern hinausgehen. Unsere Forschung läßt den Schluß zu, daß diese Marketingfunktionen weder von Strategieplanern noch von normalen Marketingexperten wahrgenommen werden sollten. Erst wenn die Technologiemarketingexperten eine detaillierte Analyse einer Technologie und ihrer potentiellen Märkte vorgenommen haben, sollten ihre Erkenntnisse in die Gesamtstrategieplanung integriert werden. Copyright: © 1983 President and Fellows of Harvard College; ursprünglich veröffentlicht in "Harvard Business Review" unter dem Titel "Taking technology to market"

David Ford, Chris Ryan

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