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Führung Die Rendite der Werte

Wie eine Langzeitstudie zeigt, lohnt es sich, in die Unternehmenskultur zu investieren. Wer auf bestimmte Werte und Einstellungen setzt und andere ablehnt, darf mit einer höheren Rendite rechnen.
Von Rolf Berth
aus Harvard Business manager 1/2006

Werte sind wichtig - darüber sind sich deutsche Manager einig. Über 90 Prozent teilen diese Einsicht, wie eine Umfrage von uns unter 427 Führungskräften gezeigt hat. Aber zahlt es sich für ein Unternehmen auch aus, wenn sich Mitarbeiter und Manager an bestimmten Werten orientieren? Bei dieser Frage herrscht bei 87 Prozent der Führungskräfte Unsicherheit.

Es besteht also Bedarf, die Debatte um die richtigen Werte im Unternehmen auf eine solide, wenn möglich quantifizierbare Basis zu stellen. Genau das haben wir mit einer groß angelegten Langzeituntersuchung versucht, die sich über neun Jahre erstreckte. Ihr Ergebnis ist ein Werteprofil. Mit dessen Hilfe lässt sich abschätzen, wie stark sich die Rendite verbessert, wenn die Menschen im Unternehmen bestimmte erfolgskritische Werte leben.

Dabei geht es nicht um Centbeträge, sondern um deutliche Ergebnissprünge. Die Beschäftigung mit Werten ist nicht schönes Rankwerk in guten Zeiten, sondern bei knapper werdenden Margen ein absolutes Muss.

Weil wir wissen, wie wichtig das Thema ist, haben wir unsere Untersuchung repräsentativ angelegt. Die Ergebnisse sind somit verallgemeinerungsfähig. Insgesamt haben wir 427 Führungskräfte aus 39 Branchen interviewt. Wir baten sie jeweils, aus einer Liste von über hundert Werten die ihnen wichtigsten zu nennen.

Eine gute Stichprobe allein ist aber noch keine Garantie für solide Ergebnisse. Die größte Fehlerquelle für die Forschung im Wertebereich ist, auf Lippenbekenntnisse der Befragten hereinzufallen. Ist gerade Kreativität in, betonen viele Führungskräfte besonders diesen Wert . Wir haben daher in unseren Gesprächen den jeweiligen Interviewpartner gebeten, für jeden ihm besonders wichtigen Wert Beispiele zu nennen, wo er für diesen gekämpft, ihn wirklich gelebt hat.

Übrig blieben so 30 höchst unterschiedliche Werte. Die Auswahl reicht von Freiräume gewähren bis Misstrauen schadet nie, von Fröhlichkeit bis zu Disziplin und Askese.

Um diese Vielfalt in den Griff zu bekommen, baten wir die Manager, die Werte in Gruppen zu ordnen. Fast immer entstanden sechs Gruppierungen mit je fünf verwandten Werten (siehe Tabelle unten). Dabei handelte es sich um Persönlichkeitsbilder, wie weitere Untersuchungen bestätigten: Baten wir zum Beispiel eine Person, uns aus den 30 Werten die beiden wichtigsten zu nennen, so gehörten diese mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Gruppe. Auch der Schweizer Psychologe Max Lüscher hat eine ähnliche Typologie entwickelt (siehe Servicekasten Seite 11).

Eines der erstaunlichsten Ergebnisse unserer Untersuchungen ist die enorme Stabilität dieser Persönlichkeitstypen: Wir haben 1994 sehr gründlich die Werteprofile und Persönlichkeitstypen von 307 Personen untersucht. Bei genau den gleichen Managern haben wir sieben Jahre später diese Analyse wiederholt. Bis auf wenige Ausnahmen hat sich die Werteorientierung dieser Menschen nicht verändert.

Die richtige Entscheidung

Welchen Einfluss haben diese 30 Werte nun auf die Rendite? Um diese Frage zu beantworten, haben wir 391 Innovationsprojekte untersucht. Im ersten Schritt haben wir ermittelt, welche der 30 Werte die Mitglieder eines Projektteams bevorzugten und

welche sie ablehnten. Auch hier versuchten wir herauszufinden, welche Werte die Befragten wirklich lebten. Vertraten die Mitglieder eines Teams sich widersprechende Ansichten, so haben wir diese Gruppen nicht weiter berücksichtigt. So blieben 307 Arbeitsgruppen mit einer einheitlichen Werteorientierung übrig.

Anschließend baten wir die Unternehmen, uns nach Abschluss der Projekte deren Kosten und Erträge zu nennen. So konnten wir die Rendite berechnen, die jedes Team erzielt hatte. Mit diesen Daten konnten wir sehr einfach ermitteln, ob die Anhänger eines Wertes eine bessere Rendite erwirtschafteten als die Gegner des jeweiligen Wertes. So erzielten etwa die Befürworter des Wertes Fröhlichkeit einen um 150 Prozent höheren Profit mit ihrem Projekt als die Gegner dieses Wertes. Je höher dieser Prozentsatz ist, desto erfolgskritischer ist der Wert; je mehr er sich null nähert, desto weniger macht es einen Unterschied, ob ein Team für oder gegen den betreffenden Wert eingestellt ist (siehe auch die Tabelle rechts).

Wir haben für jeden der 30 Werte diese Renditedifferenz zwischen Befürwortern und Gegnern ermittelt und auf diese Weise eine Rangliste der Werte erhalten. An deren Spitze stehen Werte wie Sich öffnen, um sich zu ergänzen oder Sich voll einbringen, die sicherlich wichtig für den Erfolg von Teams sind; aber auch Alles muss sich rechnen taucht dort auf. Negativen Einfluss auf die Rendite haben dagegen defensive Werte wie Miss- trauen schadet nie und Am Bewährten festhalten.

Die Rangliste der Werte stellt aus unserer Sicht bereits einen Fortschritt dar. Allerdings handelt es sich beim Zusammenhang zwischen Renditedifferenz und Wert nur um eine Korrelation. Um zu zeigen, dass es wirklich um eine Ursache-Wirkung-Beziehung geht, unterzogen wir die Resultate einem weiteren Test.

Wir befragten in einer neuen ausführlichen Studie Manager von 61 Vorbildfirmen, die - neben anderen Kriterien - mehrere Jahre lang überdurchschnittliche Renditen erzielt hatten. Parallel dazu untersuchten wir 165 Versagerfirmen mit niedrigen Profiten (oder Verlusten). Bei beiden Gruppen ermittelten wir die Werte- rangfolge. Ergebnis: Die Manager der Vorbildfirmen platzierten die Werte ganz oben, für die wir eine hohe Renditedifferenz festgestellt hatten. Die schwachen oder gar negativen Werte landeten auf den unteren Rängen. Genau umgekehrt bevorzugten die Führungskräfte der Versagerfirmen schwache und negative Werte, starke Erfolgswerte beurteilten sie eher negativ. Beide Ergebnisse bestätigen unsere Rangfolge der Werte.

Der praktische Nutzen

Wie kann das Management angesichts dieser Ergebnisse die Firmenkultur verbessern? Zunächst sollte die Werteorientierung der Führungskräfte ermittelt werden. Anschließend definieren die Verantwortlichen, wie sie die besonders erfolgskritischen Werte - am besten in einem drei Jahre dauernden Programm - fördern können und welche Verbesserung der Rendite sie anstreben, was sich mit Hilfe unserer Rangliste abschätzen lässt. Sie können ein solches Projekt wie jedes andere behandeln: Sie können die Kosten und die voraussichtlichen zusätzlichen Erträge berechnen und damit die Rendite des Projekts abschätzen.

Das Wichtigste dabei: Ein neues Wertebewusstsein lässt sich nicht anknipsen wie eine Lampe. Das Management - das oberste ganz besonders - muss zeigen, dass es sich den neuen Werten unterwirft. Ein faszinierendes Beispiel ist der langjährige Toyota-Chef, Eiji Toyoda. Er griff selbst zu Bürste und Wassereimer und reinigte vor laufenden Kameras eine verschmutzte Maschine im Beisein des zuständigen Arbeiters.

Wie viel Führungskräfte durch vorbildliches Verhalten erreichen können, belegt das Beispiel der Adler-Käse-Werke in Wangen, Allgäu. Als CPC Europe (heute im Unilever-Konzern aufgegangen) die Firma in

den 70er Jahren übernahm, zeigte sich schnell: Das Management führte dort extrem autoritär. Werte wie Vertrauen, Kompromissbereitschaft, Aufeinanderzugehen oder Sich ergänzen waren unbekannt.

Das neue Management sprach das Thema Werte überhaupt erstmals an. Intensive Schulungen mit dem Ziel, die genannten Werte zu fördern, zeigten Erfolg. Das Klima änderte sich, und nach zwei Jahren war die Rendite um 21 Prozent gestiegen.

Wir sind davon überzeugt, dass das erfolgreiche Unternehmen von morgen wertegesteuert sein wird. Zu stark sind die Kräfte, die das Management freisetzen kann und zu groß die Einsparungen, wenn Führungskräfte Werte klug einsetzen. Es geht um eine neue Managementqualität - glücklicherweise eine, die sich rechnet. n

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