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Die neuen Statussymbole: Elektronischer Aufstieg

aus Harvard Business manager 2/1983

MARTIN D. J. BUSS ist ein erfahrener Consultant der Beratungsfirma Arthur D. Little, der international Probleme der Organisation, der Strategieentwicklung und der Datenverarbeitung für das Topmanagement analysiert. Auf eine sehr subtile Art und Weise verändert sich im elektronischen Zeitalter das System der traditionellen Belohnung für Führungskräfte, wenn sie in der Hierarchie Stufe um Stufe aufrücken. Neue Macht- und Autoritätssymbole zeichnen die Aufsteiger aus. Der Autor zeichnet die fiktive Karriere des Richard Forrest nach, um dieses Phänomen am Beispiel eines multinationalen Unternehmens zu demonstrieren: Richard Forrest kam mit der Haltung eines Mannes aus dem Büro seines Chefs, der weiß, daß er es geschafft hat. Er war gerade eben befördert worden. Er sollte Executive Vice-President von Trans Weight Equipment werden, eines New Yorker Anlagenherstellers mit zwölf Milliarden Dollar Jahresumsatz, und der Konzern würde eine komplette Empfangs- und Sendeanlage in seinem Haus in Greenwich installieren. Er würde damit das allerneueste Statussymbol erhalten. Diese jüngste elektronische Zauberei würde ihn an das Satelliten-Informationssystem des Konzerns anschließen und ihm so jederzeit Kontakt mit den 80 Töchtern und Filialen ermöglichen - tagtäglich, über 24 Stunden und weltweit. Nur acht der insgesamt 150 oder mehr Führungskräfte verfügten über diesen privaten Systemanschluß. Richard Forrest hatte die Spitze der Elektronikpyramide seines Unternehmens erreicht. Als er sich an diesem Abend in seinem Sessel räkelte, einen Martini in der Hand, und den Blick über seine drei Morgen Rasen schweifen ließ, dachte er über den langen Weg nach, der hinter ihm lag. In den 15 Jahren bei Trans Weight hatte er einige dramatische Veränderungen der Machtinsignien miterlebt. Als er Mitte der 60er Jahre als junger Finanzanalytiker angefangen hatte, trachtete jeder nach feststehenden Statussymbolen - dem Firmenwagen mit Chauffeur, der Mitgliedschaft im Country-Club, dem Zugang zum Kasino der Führungskräfte, dem Eckbüro und dem reservierten Parkplatz. Natürlich schätzte Richard Forrest diese Dinge nach wie vor. Natürlich war er stolz auf sein luxuriöses Eckbüro. Aber Ende der 60er Jahre hatte ein gewisser Wandel eingesetzt: Ihm war das Recht zugestanden worden, einen elektronischen Taschenrechner seiner Wahl zu erwerben. Rückblickend sieht er darin das Signal für den Beginn seines Aufstiegs auf der Elektronikleiter. Selbst als Manager für Finanzanalysen hatte er durch dieses Symbol einen Platz in der Sonderklasse erobert. Inzwischen sind Rechner so alltäglich geworden, daß sie niemand mehr als Statussymbol betrachtet. Er selbst verfügte mittlerweile über vier programmierbare Rechner, die ihm von Trans Weight Equipment gestellt wurden (einen fürs Büro, einen für zu Hause, einen fürs Auto und einen als Reserve). Richard nahm einen genüßlichen Schluck und fragte sich einen Moment lang, ob sich der neu errungene Status ebenso schnell abnutzen würde, wie es bei seinem ersten Rechner und seinem ersten Diktiergerät der Fall gewesen war. Aber er war überzeugt, daß selbst in diesem Fall etwas noch Prestigeträchtigeres folgen würde. Tatsächlich waren dem Taschenrechner andere elektronische Belohnungen gefolgt: zunächst die goldene Digitaluhr mit Zeitzonen-Einteilung (als "Preis des Chefs" für hervorragende Leistungen), dann in rascher Folge ein Schwarz-weiß-Computerterminal für sein Büro (eines von insgesamt zehn, die im Rahmen eines Pilotprojekts installiert wurden), seine Aufnahme in einen Kreis von 50 Managern, die in das elektronische Postsystem einbezogen waren, und ein Mikrocomputer für zu Hause. Richard Forrest lehnte sich in seinem Sessel nach vorn und griff nach den Nüssen. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht, als er sich daran erinnerte, wie der Chef ihm von seinem Wunsch erzählt hatte, eine ausgewählte Gruppe herausragender Führungskräfte zu Computerspezialisten zu machen. Er erinnerte sich auch daran, wie sehr eine Reihe seiner früheren Kollegen ihn um seine Zugehörigkeit zu dieser Gruppe beneidet hatte. Tatsächlich war der persönliche Computer das große Ereignis, das ihn ganz weit nach vorn gebracht hatte. Danach ging alles wie von selbst. Er war einer der ersten mittleren Manager, die einen eigenen Wortprozessor bekamen, der ihn elektronisch mit 15 Kollegen in der Führungshierarchie verband. Sein früherer Chef war einer der wenigen, die ihm bei dieser speziellen Belohnung zuvorgekommen waren; Richard Forrest erinnerte sich an den Ärger, den er empfunden hatte, als er dies erfuhr. Das war sehr viel schlimmer, als aus dem Rennen um einen freien Platz im Kasino für Führungskräfte auszuscheiden. Dem Wortprozessor folgte eine weitere Beförderung auf den Fersen - und ein Autotelephon; die Firmenchauffeure hatte Trans Weight bereits vor Jahren abgeschafft. Dann kam das persönliche Farb-Computerterminal, das in das Entscheidungsträger-Informationssystem des Konzerns integriert war; außerdem erhielt er ein Videotelephon sowie den Schlüssel zum neuen Telekonferenz-Zentrum (was viel exklusiver war, als der zum Waschraum für Führungskräfte). Und dann, letztes Jahr, folgte das neueste Machtsymbol: eine Management-Arbeitsstation, um den nun überholten Wortprozessor und das Terminal zu ersetzen. (Er hatte diese veralteten Geräte seinem persönlichen Assistenten gegeben und ihn so vor den anderen als jemanden ausgezeichnet, der eines Tages auch eine elektronische Zukunft haben würde.) Als er aufstand, um sich noch einen Martini zu holen, begann das elektronische Postsystem in seinem Studio eine Nachricht zu überspielen, und das Videotelephon summte. Aus den Augenwinkeln beobachtete Richard Forrest, wie seine Frau mit einem Stirnrunzeln von ihrem Buch aufsah. Das Stirnrunzeln stand ihr übrigens nicht. Er griff nach dem Hörer und schaute in das lächelnde Gesicht seines President; Richard Forrest lächelte zurück. Copyright: © 1983 President and Fellows of Harvard College; ursprünglich veröffentlicht in "Harvard Business Review" unter dem Titel "Making it electronically"

Martin D. J. Buss
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