Change-Management Die Kraft der Bilder nutzen
Ein Bild ist ein mächtiges Kommunikationsmittel. Es transportiert in einem Augenblick Fakten, Botschaften und Stimmungen, die sich sonst nur in vielen Gesprächen und langatmigen Texten vermitteln lassen. Die Kraft von Bildern können - und sollten - Führungskräfte daher auch in Veränderungsprozessen von Unternehmen nutzen.
In diesen für Manager und Mitarbeiter oft schmerzlichen Phasen haben Bilder als Kommunikationsinstrument zwei große Vorteile: Zum einen ist der schöpferische Akt, ein Bild im Team zu gestalten, ein hervorragender Weg, sich gemeinsam mit einem Change-Projekt auseinanderzusetzen. Es fällt so leichter als in herkömmlichen Diskussionen, ein gemeinsames Verständnis über die Ziele der Veränderungsinitiative zu entwickeln. Zum anderen eignen sich die so geschaffenen Bilder sehr gut, um die wichtigsten Botschaften des Projekts den übrigen Mitarbeitern zu vermitteln. Die Verantwortlichen erreichen so leichter visuell geprägte Menschen, die sich nur ungern mit langen Texten beschäftigen.
Diese Vorteile überzeugten das Management von Sony Deutschland (SDL), im Rahmen eines komplexen Restrukturierungsprogramms Bilder als ein zentrales Kommunikationsmittel einzusetzen. Das Projekt wurde ein großer Erfolg: Nach seinem Abschluss lobten drei Viertel der Teilnehmer einer Mitarbeiterbefragung diesen Schritt und meinten, die Bilder hätten ihnen geholfen, die Veränderungsinitiative zu verstehen.
Ein Wandbild für die Sony-Cafeteria
Bei dem Programm ging es um anspruchsvolle Themen wie Einkaufsoptimierung, Verbesserung der Lieferkette, eine effizientere interne Auftragsabwicklung und den Umbau der Abteilung für Informationstechnik. Das für die interne Kommunikation zuständige Team erkannte schnell, dass die üblichen Medien wie Intranet, Teamsitzungen, Mitarbeiterversammlungen und Projektberichte nicht allein reichen würden, um Inhalte und Fortschritt des Programms allen Mitarbeitern verständlich darzustellen. Schon gar nicht würde es so gelingen, die Betroffenen zur Mitarbeit an den einschneidenden Maßnahmen des Programms zu motivieren.
So wurde die Idee geboren, die Inhalte des Programms mithilfe einer vier mal drei Meter großen Bilderlandschaft in der Cafeteria des Hauptgebäudes zu transportieren. Die Angestellten in den Niederlassungen konnten eine digitalisierte Version des Bildes im Intranet betrachten. Die Bilder sollten einerseits bei den Mitarbeitern auf der emotionalen Ebene Neugierde, anhaltendes Interesse und Engagement für den Veränderungsprozess wecken. Andererseits sollten sachliche Informationen über die zehn Themenschwerpunkte und Zwischenergebnisse der Projektgruppen kommuniziert werden.
In einem Brainstorming entwickelten Mitglieder der Projektgruppen das Grundthema des Bildes. Auf diese Weise waren die Mitarbeiter nicht nur für die inhaltliche Arbeit an ihren jeweiligen Themen verantwortlich, sondern auch an der Kommunikation der von ihnen erzielten Ergebnisse beteiligt. Im Zuge des Ideensammelns verwarfen sie schnell Motive wie Seereise, Landkarte oder Tierpark als Grundmetapher für den Veränderungsprozess. Passend zum Namen des Programms "Rebuild Sony Deutschland" entschieden sie sich für ein Bild des Firmengebäudes, das sich von einer Baustelle zum fertigen Haus wandelt (siehe Abbildung oben rechts). Jeder
Projektgruppe wurde ein Fenster des Gebäudes zugeteilt, in dem sie ihre Aufgaben und Ergebnisse darstellen sollte. Bei Erreichen eines Meilensteins wurde das Fenster mit einem neuen Bild überklebt. Der Betrachter hatte so den Eindruck, durch ein Fenster die Projektarbeit zu beobachten.
Anschließend zeichnete eine Grafikerin das Bild am Computer. Ein Ausdruck von drei mal vier Metern war so ohne Qualitätsverlust möglich. Das Bild wurde dann auf drei Bahnen Kunststoffträgermaterial aufgezogen. Nach drei Monaten konnte das Kommunikationsteam eine der Bahnen problemlos austauschen lassen - aus dem Sommerbild wurde eine Winteransicht. Die Fenstermotive (Projektthemen) gestaltete die Grafikerin jeweils nach Diskussionen mit der Projektgruppe im DIN-A4-Format, sie wurden alle drei bis vier Wochen mit neuen Motiven überklebt. Da das Bild digital vorlag, konnten die Beteiligten zudem das Gesamtmotiv und die Einzelmotive vielseitig verwenden, zum Beispiel im Intranet, in Newslettern, Präsentationen et cetera.
Im Rahmen einer Veranstaltung mit allen Mitarbeitern enthüllten die Programmverantwortlichen das Bild, und die Projektleiter stellten ihre Themenfenster vor. Die Mitarbeiter konnten sich so direkt mit den Verantwortlichen austauschen. Im Intranet ergänzte das Kommunikationsteam jedes Projektfenster mit einer kurzen schriftlichen Erläuterung und konnte auf diese Weise auch die Kollegen in den Niederlassungen informieren.
Das Team bezog sich im monatlichen Newsletter für die Mitarbeiter auf die Projektbilder und erläuterte tiefer gehende fachliche Hintergründe; interne Präsentationen enthielten die Motive ebenso wie die Projektberichte. Die Wiederholung der Bilder und Einzelmotive in verschiedenen Medien, unterstützt durch schriftliche Informationen und Vorträge, erleichterte den Mitarbeitern, sich an die Inhalte zu erinnern.
Mit der Zeit entwickelte sich ein regelrechter Wettbewerb zwischen den Projektgruppen: Wer lieferte das nächste neue Bild? Die unbeliebte Kommunikationsaufgabe in Projektgruppen wurde zu einem kreativen Teamerlebnis, das Spaß machte und
die Zusammenarbeit beflügelte. Dies förderte zudem die Zielorientierung und die Auseinandersetzung innerhalb der Projektgruppen mit den Auswirkungen der Veränderungen.
Am Ende des Restrukturierungsprogramms überprüfte das Kommunikationsteam die Erfolge seiner Arbeit in einer Mitarbeiterbefragung. Rund 75 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, das Bild hätte ihnen das Verständnis des Veränderungsprogramms mit seinen komplexen Projektinhalten erleichtert. Die meisten Mitarbeiter waren daher von dieser Art der Kommunikation begeistert. Aber auch kritische Kollegen, die die Kommunikation ernster Themen und teilweise schmerzhafter Veränderungen durch bunte "Kinderzeichnungen", wie sie es nannten, zunächst nicht angemessen fanden, ließen sich schließlich durch die Diskussionen über diese Bilder in die Restrukturierung einbeziehen.
Das Bild war ständiges Gesprächsthema und immer präsent. Der Veränderungsprozess wurde dadurch auch nicht direkt am Programm beteiligten Mitarbeitern zugänglich. Der Furcht, hinter verschlossenen Türen würden ungeliebte Veränderungen geplant, ließ sich so entgegenarbeiten.
Beispiele aus anderen Unternehmen und Branchen
Auch andere Unternehmen nutzen Bilder für das Change-Management. So haben etwa 1100 Manager einer führenden deutschen Beratungsfirma im Rahmen einer Konferenz gemeinsam die Vision des Unternehmens mit Bildern dargestellt. Aus Hunderten von Illustrierten schnitten sie Begriffe und Bilder aus und verarbeiteten sie zu 100 Collagen, die für Metaphern der zuvor gehörten Vision standen. Dieser kreative Prozess löste in den jeweiligen Arbeitsgruppen Diskussionen über die Zukunft des Unternehmens aus und festigte die Vorstellung von der Vision.
Ein internationaler Immobilienkonzern veranstaltete im Rahmen eines Veränderungs- und Kulturentwicklungsprozesses eine Mitarbeiterkonferenz. Dort malten die verschiedenen Teams aus dem Unternehmen Acrylbilder von ihrer Vision, für welche besondere Leistung oder Kompetenz die jeweilige Gruppe im Jahr 2009 stehen will. Ein Team malte einen Baum als Symbol für gemeinsames, nachhaltiges Wachstum und die Fähigkeit, immer neu zu erblühen; ein anderes malte eine Skyline, um zu zeigen: Wir schaffen es, hochwertigste Immobilien zu vermarkten; ein drittes gestaltete das Firmenlogo in verschiedenen Varianten und demonstrierte so: Wir wollen uns immer wieder neu erfinden. Es entstand so eine Sammlung von Bildern, die die Vielfältigkeit des Unternehmens widerspiegelt. Die Bilder wechseln nun zwischen den Standorten des Konzerns.
In einer Fachakademie malten die Mitarbeiter auf kleine Leinwände ein Bild, das für sie persönlich die neue Strategie des Lehrinstituts symbolisierte: etwa einen Regenbogen nach einem Gewitter, ein ruhiges Meer mit weitem Horizont oder eine Blumenwiese. Die Motive fügten sie zu einem Gesamtbild zusammen, das in der Kantine aufgehängt wurde. Es verbildlicht für alle Mitarbeiter die Neuausrichtung der Akademie.
Fazit
Veränderungsprozesse laufen am Ende immer auf dieselbe Herausforderung hinaus: Menschen haben ihre persönlichen Interessen, Emotionen und Vorstellungen in Bezug auf die Zukunft. Damit Veränderungsprozesse ein Erfolg werden, müssen die Führungskräfte die beteiligten Menschen ganzheitlich erreichen - deren Verstand und Gefühle. Dazu bedarf es innovativer Methoden. Die vorgestellten Praxisbeispiele sollen dazu ermutigen, die Mitarbeiter kreativer werden zu lassen und neben den üblichen schriftlichen Informationsmedien auch Bilder sprechen zu lassen. n