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Im Einzelhandel prägen die Mitarbeiter das Profil des Unternehmens Der Mitarbeiter als Teil der Marketingkonzeption

Einzelhandelsunternehmen und Produktionsunternehmen sind grundverschieden. Das wird oft übersehen, und deshalb wird nicht erkannt, daß der Mitarbeiter im Einzelhandelsunternehmen mehr ist als eine Arbeitskraft. Der Autor zeigt, welche Auswirkungen es hat, daß die Kunden in ein Einzelhandelsunternehmen kommen und mit dessen Mitarbeitern Kontakt aufnehmen. An die Mitarbeiter im Einzelhandel müssen deshalb weit höhere Anforderungen als an die Mitarbeiter in einem Produktionsunternehmen gestellt werden. Das hat zur Folge, daß die Aus- und Weiterbildung im Einzelhandel umfassender als beim Produktionsunternehmen sein muß und die Führungsstruktur von erheblicher Bedeutung für das Unternehmen und die Motivation der Mitarbeiter ist. Trotz ihrer zentralen Bedeutung stoßen die Durchführung einer intensiven Bildung und die Gestaltung einer motivierenden Führungsstruktur immer wieder in der Praxis auf erhebliche Widerstände.
aus Harvard Business manager 2/1983

DR. WOLFGANG OEHME hat Volkswirtschaft studiert und ist Leiter der Abteilung Bildungswesen im Edeka Verband e.V., Hamburg.

Ein Unternehmen ist eine Kombination von Produktionsfaktoren, die durch die Organisation koordiniert eingesetzt werden. Definiert man das wirtschaftliche Unternehmen so abstrakt, dann sind Produktionsunternehmen und Handelsunternehmen ohne Zweifel gleich. Dieser hohe Grad an Abstraktion verstellt aber den Blick dafür, daß vom Standpunkt des Marketing aus gesehen zwischen beiden Gruppen von Unternehmen ein sehr wesentlicher Unterschied besteht, der weitreichende Konsequenzen für die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter und die Führungsstruktur hat. Im Bildungswesen werden diese Konsequenzen bereits seit längerer Zeit berücksichtigt. Über die Problematik der Führungsstruktur wird aber erst seit erstaunlich kurzer Zeit nachgedacht. Vergleichen wir zunächst Produktionsunternehmen und Einzelhandelsunternehmen.

Produktion und Einzelhandel
im Vergleich

Das Produktionsunternehmen ist sehr stark produkt- und damit auch fertigungsorientiert. Damit ist nicht gesagt, daß ein erfolgreiches Produktionsunternehmen nicht auch marketingorientiert ist, also von seinem Absatzmarkt her geführt wird. Aber im Vergleich zum Handelsunternehmen fällt die starke Produktorientierung auf. Für den überwiegenden Teil der Mitarbeiter sind deshalb fertigungsspezifische Kenntnisse erforderlich und für das Unternehmen von Bedeutung. Ausgenommen von dieser Feststellung sind nur die Mitarbeiter des Außendienstes, gleich ob sie im Vertrieb oder im Kundendienst arbeiten. Begehen die in der Fertigung arbeitenden Mitarbeiter Fehler, so sorgen in den Fertigungsablauf eingeschobene Qualitätskontrollen dafür, daß diese Fehler rechtzeitig erkannt und korrigiert werden können. Die meisten Fehler werden auf diese Weise beseitigt, ehe sie der Kunde bemerken kann. Nur ein verschwindend kleiner Teil von Fehlern - das ist jedenfalls bei gut geleiteten Unternehmen die Regel - wird von den Kunden festgestellt und muß dann im Wege der Garantieleistung korrigiert werden. Die Kunden urteilen deshalb über ein Produktionsunternehmen in erster Linie anhand der angebotenen und gekauften Produkte. Ergänzt wird dieses Urteil durch die vom Produktionsunternehmen betriebene Werbung, soweit sie sich direkt an die Verbraucher richtet. Der Außendienst eines Produktionsunternehmens hat meist nur Kontakt zum Handel, scheidet also für den Endverbraucher als urteilsbildender Faktor aus. Wo das Produktionsunternehmen seinen Standort hat, ob es in alten oder modernen Gebäuden produziert, was für Mitarbeiter es hat, freundliche oder mürrische, ob es mit alten oder modernen Maschinen arbeitet, das alles sehen die Kunden des Unternehmens nicht. Und dies dürfte sie auch kaum interessieren. Entscheidend ist das Produkt. Es ist kein Zufall, daß es Produktionsunternehmen sehr schwer haben, ein Unternehmensprofil zu schaffen. Sie müssen erhebliche Mittel aufwenden, um eine unverwechselbare "Corporate Identity" aufzubauen. Nur auf diese Weise kann ein Produktionsunternehmen, dessen Produkte oft über ein ausgezeichnetes Profil verfügen, aus der Anonymität hinter seinen Produkten hervortreten. Das Einzelhandelsunternehmen ist sehr stark absatz- und kundenorientiert. Von grundlegender Bedeutung ist für das Einzelhandelsunternehmen der Umstand, daß der Kunde in das Unternehmen kommt. Ein großer Teil des Leistungsprozesses des Einzelhandelsunternehmens läuft vor den Augen der Kunden ab. Sie sehen nicht nur die Ware, die sie kaufen sollen. Sie sehen auch die Fassade des Unternehmens, die Schaufenster, den Verkaufsraum, die Präsentation der Ware und auch die Mitarbeiter. Das Einzelhandelsunternehmen präsentiert sich dem Kunden total. Es genügt deshalb nicht, daß die Mitarbeiter über die erforderlichen Fachkenntnisse, wie warenkundliche, juristische und organisatorische Kenntnisse, verfügen. Das Selbstverständnis der im Verkauf tätigen Mitarbeiter - und das ist der überwiegende Teil - und ihre Einstellung zum Beruf sind ebenso wichtig wie die Fachkenntnisse. Schließlich ist noch das Verhalten der Mitarbeiter gegenüber den Kunden, das auf Kontaktfähigkeit und Menschenkenntnis beruht, von erheblicher Bedeutung. An den Mitarbeiter in einem Einzelhandelsunternehmen müssen also weitaus höhere Anforderungen gestellt werden als an den Mitarbeiter in der Fertigung eines Produktionsunternehmens. Dies um so mehr, als Fehler, die ein Mitarbeiter im Einzelhandelsunternehmen begeht, nicht rechtzeitig korrigiert werden können. Der Kunde bemerkt sie sofort und unmittelbar. Und der Kunde urteilt über ein Einzelhandelsunternehmen auch und vorrangig aufgrund der Mitarbeiter und der Erfahrungen, die er mit den Mitarbeitern machte. Die angebotene und gekaufte Ware tritt oft in den Hintergrund. Der Vergleich zwischen Produktions- und Einzelhandelsunternehmen zeigt eindeutig, daß die überwiegende Zahl der Mitarbeiter im Einzelhandelsunternehmen - alle im Verkauf beschäftigten Mitarbeiter - ein Marketingfaktor ist. Sie sind ein Teil - ein sehr wichtiger Teil sogar - des Profilmarketing. Infolge seiner totalen Präsentation gegenüber den Kunden baut sich das Einzelhandelsunternehmen vorrangig ein Unternehmensprofil auf. Dieses Unternehmensprofil entsteht fast von selbst. Besondere Anstrengungen, wie sie Produktionsunternehmen zum Aufbau einer Corporate Identity unternehmen müssen, sind nicht erforderlich. Die Ware, also das Sortiment, ist für das Unternehmensprofil sicher auch von Bedeutung, aber aus der Sicht des Profilmarketing sekundär. Ware bieten alle Handelsunternehmen an - manchmal sind die Sortimente austauschbar - , beim Profil beginnt der Unterschied. Dieser Sachverhalt ist für ein Einzelhandelsunternehmen Chance und Gefahr zugleich. Nichtbeachten der Bedeutung des Unternehmensprofils und Unterlassen der erforderlichen Maßnahmen hat nicht zur Folge, daß dann eben kein Profil entsteht. Vielmehr baut sich ein negatives Profil auf. Ein Unternehmensprofil bildet sich in jedem Falle aus. Diese Überlegung zeigt noch einmal in aller Schärfe, welche Bedeutung der Mitarbeiter im Einzelhandelsunternehmen hat und welches Gewicht seiner Aus- und Weiterbildung, aber auch seiner organisatorischen Einbindung in das Unternehmen zukommt. Ergänzend sei erwähnt, daß sich alle Dienstleistungsunternehmen in der gleichen Situation befinden. Darauf weist nachdrücklich Langeard 1) hin, der unter anderem als spezifische Probleme dieser Unternehmen die hohe Bedeutung des Kundenvertrauens, der persönlichen Kommunikation, der Umgebung der Leistungserstellung, die hohe Komplexität der Mitarbeiter/Kunden-Beziehung und die starke emotionale Bindung des Kunden an das Unternehmen herausstellt. Da Dienstleistungsunternehmen eine immaterielle Ware anbieten, dürfte unseres Erachtens bei ihnen die Bedeutung der Mitarbeiter als Marketingfaktor noch größer sein als beim Einzelhandelsunternehmen. So gesehen besteht zwischen Dienstleistungs- und Einzelhandelsunternehmen ein deutlicher Unterschied.

Konsequenzen für die
Aus- und Weiterbildung

Die Tatsache, daß im Einzelhandelsunternehmen der Mitarbeiter Teil der Marketingkonzeption ist, hat zunächst für die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter Konsequenzen. Die Bildungsarbeit muß sich auf drei Bereiche erstrecken und somit auch drei Ziele verfolgen.

Vermittlung von Fachkenntnissen

Der Mitarbeiter eines Einzelhandelsunternehmens muß über die Ware, die er seinen Kunden anbieten und verkaufen will, eingehend Bescheid wissen. Die Art der Warenkenntnisse kann durchaus von Branche zu Branche unterschiedlich sein. Sie wird wesentlich vom Informationsbedürfnis der Kunden bestimmt. Auf dem Gebiet der Unterhaltungselektronik muß der Verkäufer fundierte Kenntnisse von der Technik der Geräte besitzen. Über den Nutzen der Geräte hat der Kunde in der Regel klare Vorstellungen. Anders im Lebensmittelbereich, wo dem Kunden in vielen Fällen kaum etwas über das Produkt, dafür aber über seine Verwendung und seinen Nutzen gesagt werden muß. Im Lebensmittelhandel ist durch die vorherrschende Selbstbedienung und die für diese Andienungsform erforderliche SB-gerechte Verpackung der Produkte zwischen Ware und Verkäufer eine deutliche Distanz entstanden, in deren Gefolge die Warenkenntnisse mangelhaft wurden. Diese Lücken muß die Ausbildung schließen, besonders bei beratungsintensiven Waren. Unterliegen die im Sortiment geführten Produkte einem schnellen technologischen Wandel und Fortschritt, wie das bei der bereits erwähnten Unterhaltungselektronik der Fall ist, so gewinnt die Weiterbildung auf dem Gebiet der Warenkunde eine besondere Bedeutung. Im Lebensmittelhandel wurde im Gefolge der Einführung der Selbstbedienung die Warenkunde erheblich ausgeweitet. Den Kenntissen über Herkunft, Eigenschaft und Verwendung der Produkte wurden Kenntnisse über die Warengruppenanordnung im Verkaufsraum und die Präsentation der Artikel im Regal hinzugefügt. Die Warenkunde wurde marketingorientiert. In den für die Ausbildung vorgeschriebenen Berufsbildern hat diese Orientierung allerdings noch nicht im wünschenswerten Maße ihren Niederschlag gefunden. Dieses unbedingt erforderliche zusätzliche warenkundliche Wissen wird von den Einzelhandelsunternehmen selbst vermittelt. Zu den Fachkenntnissen zählen auch die grundlegenden Vorschriften des Vertrags- und des Wettbewerbsrechts. Im Einzelhandel werden durch die Mitarbeiter der Einzelhandelsunternehmen täglich ungezählte Kaufverträge abgeschlossen und ungezählte Werbeaussagen gemacht. Das erfordert ein Mindestmaß an juristischen Grundkenntnissen, die man dem Kunden und eigentlich auch den Mitbewerbern schuldig ist. Ergänzt werden diese Kenntnisse durch die wichtigsten Rechtsvorschriften über die einzelnen Formen des unbaren Zahlungsverkehrs, aber auch das Teilzahlungskaufs in bestimmten Branchen. Ein Mitarbeiter im Einzelhandel muß wissen, was ein Scheck und was ein Wechsel ist. Diese Kenntnisse sind seit jeher in den Berufsbildern enthalten und damit fester Bestandteil der Ausbildung. Schließlich müssen betriebswirtschaftliche Kenntnisse vermittelt werden, die teilweise branchenbezogen, teilweise aber auch unternehmensbezogen sein können. Diese Kenntnisse sollen dem Mitarbeiter helfen, sich immer wieder die ökonomischen Folgen seiner Tätigkeit und seiner Entscheidungen bewußt zu machen. Meist wird in der Praxis als Ziel der Vermittlung dieser Kenntnisse das Kostenbewußtsein der Mitarbeiter genannt. Mit dem Kostenbewußtsein allein ist es aber nicht getan. Es muß ein Ertragsbewußtsein hinzukommen. Nicht der Mitarbeiter ist ein guter Mitarbeiter, der niemals vergißt, den Lichtschalter zu betätigen, um Strom und Kosten zu sparen. Sondern der ist ein guter Mitarbeiter, der beim Verkauf eines knapp kalkulierten Artikels zusätzlich noch einen gut kalkulierten Artikel verkauft, weil er ertragsbewußt denkt und das Instrument der Mischkalkulation und deren Bedeutung für die Ertragslage seines Unternehmens kennt. Auch die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse müssen also marketingorientiert vermittelt werden. Das Kostenbewußtsein wird von der Aus- und Weiterbildung ausreichend berücksichtigt. Im Hinblick auf das Ertragsbewußtsein bleibt sicher noch viel zu tun, auch wenn Warenhauskonzerne und große Filialunternehmen auf diesem Gebiete bereits aktiv sind. Ertragsbewußtsein besteht nicht allein aus dem Kampf gegen die gefürchteten Inventurdifferenzen. Geschicktes und überlegtes Verkaufen gehören dazu.

Persönlichkeitsbildung

Mit diesem Begriff, der vielleicht etwas hochgegriffen erscheint, möchten wir die Entwicklung und Förderung des Selbstverständnisses der Mitarbeiter im Einzelhandelsunternehmen und ihre Einstellung zum Beruf bezeichnen. Diese Bildungsaufgabe ist nicht leicht zu lösen. Über lange Zeiten hinweg - vielleicht sind es nicht nur Jahrzehnte, sondern Jahrhunderte gewesen - wurde dem kaufmännischen Nachwuchs das Dogma eingepflanzt, der Kunde sei König, der Kaufmann sei Diener. Während zweier Weltkriege wurde der Einzelhandel zum Verteiler degradiert und zur Zielscheibe allen Unmuts seiner Kunden über den langjährigen Mangel an Verbrauchs- und Gebrauchsgütern. Wenn man dies berücksichtigt, kann es eigentlich nicht verwundern, daß der Einzelhandel über relativ wenig Sozialprestige verfügt. Und darunter leiden viele Unternehmen und auch viele ihrer Mitarbeiter. Der Verfasser hat mit einem namhaften Psychologen vor nicht zu langer Zeit eine Reihe von Seminaren zur Persönlichkeitsbildung durchgeführt und dabei aus erster Hand erfahren können, wieviel Frustration, Verbitterung und Tendenz zur Neurose gerade im Lebensmitteleinzelhandel bei den kleinen und mittleren Unternehmern und deren Mitarbeitern vorhanden sind. Dies wirkt sich ohne Zweifel auf das Engagement für den Beruf und damit auf das Verkaufsklima aus. Der Kunde spürt es und fühlt sich nicht wohl. Um dieser Situation zu begegnen, muß bewußt gemacht werden, daß der Einzelhandel Partner seiner Kunden ist, daß er eine eigenständige Handelsleistung erbringt und für diese Leistung Anspruch auf eine angemessene Vergütung hat. Und es muß die Erkenntnis vermittelt werden, daß die heute für eine Tätigkeit im Einzelhandel erforderliche Qualifikation und das Sozialprestige in einem krassen Mißverhältnis stehen. In diesem Zusammenhang muß aber auch gesagt werden, daß der Einzelhandel sehr viel selbst dazu tun kann, sein Sozialprestige zu verbessern. Unternehmern und Mitarbeitern muß mehr Mut zu einem starken Selbstbewußtsein gemacht werden und dazu, dieses Selbstbewußtsein auch zu zeigen. Unterstützt werden diese Bemühungen schon seit geraumer Zeit von den Verbänden des Einzelhandels, die eine in die aufgezeigte Richtung zielende PR-Arbeit betreiben. Ganz bewußt wurde hier von Unternehmern und Mitarbeitern des Einzelhandels gesprochen. Erst wenn die Unternehmer das Problem erkannt haben, kann die erforderliche Bildungsarbeit bei den Mitarbeitern mit Erfolg ansetzen. Es kommt hinzu, daß die Unternehmer über die Entlohnung nachdenken müssen. Man muß es als Widerspruch bezeichnen, wenn auf der einen Seite an die Qualifikation der Mitarbeiter im Einzelhandel hohe Ansprüche gestellt werden, auf der anderen Seite die Lohn- und Gehaltstarife ziemlich am Ende der Skala der Berufe liegen. Auch wenn in vielen Fällen gute Mitarbeiter über Tarif bezahlt werden, droht hier eine negative Auslese. Das beginnt schon beim Nachwuchs.

Verhaltenstraining und Gesprächsführung

Der Mitarbeiter im Einzelhandel muß mit Menschen, mit seinen Kunden umgehen können. Er will sie durch Eingehen auf Ihre Wünsche und durch sachkundige Informationen zu einer Kaufentscheidung führen, mit der nicht nur er, sondern auch der Kunde zufrieden ist. Das ist eine sehr schwierige, aber auch ungemein reizvolle Aufgabe, denn jeder Kunde ist verschieden, reagiert anders als andere Kunden, will anders behandelt werden. Sicher bedarf es zur erfolgreichen Lösung dieser Aufgabe eines gewissen Talents, einer durch Kontaktfähigkeit gekennzeichneten Mentalität des Mitarbeiters. Es bedarf aber auch umfassender psychologischer Kenntnisse und der Fähigkeit, die eigene Menschenkenntnis fortlaufend und systematisch zu erweitern. Vorhandenes Talent muß also durch Erwerb von Kenntnissen verstärkt werden. In diesem Bereich der Bildungsarbeit muß zum Vermitteln von Wissen aber auch das Verhaltenstraining kommen, ein Training des Transfers des vermittelten Wissens in die Praxis der alltäglichen Arbeit. Ein guter Mitarbeiter wird dann nicht in erster Linie Ware verkaufen, sondern eine hinter der Ware stehende Idee und die Handelsleistung. Er wird statt Sekt den Genuß, statt Hautcreme die Schönheit und statt Obst und Gemüse die Gesundheit verkaufen. Es läßt sich immer wieder in der Praxis feststellen, daß ein geschultes Verhalten der Mitarbeiter den Kunden um so mehr positiv auffällt, je problemloser das geführte Sortiment ist, das dann auch überwiegend in Selbstbedienung angeboten wird. Immer mehr Einzelhandelsunternehmen, vor allem im Lebensmittelbereich, erkennen diesen Sachverhalt und versuchen durch Bildung und Training ihrer Mitarbeiter einen Vorsprung im Wettbewerb zu erringen. Mit guten Mitarbeitern kann man ein unverwechselbares Profil aufbauen. Mit Hilfe umfangreicher Scheinkaufstudien - worüber Salcher 2) berichtet - wurden in unterschiedlichen Branchen die folgenden Mängel bei den Mitarbeitern festgestellt: * Der Kontakt zum Kunden ist zu schwach - offensichtlich wird aus einem Mangel an Selbstverständnis heraus der Kunde nicht ausreichend als Partner erkannt und behandelt. * Die Produktargumentation ist nicht ausreichend * entweder fehlt es an warenkundlichen Kenntnissen, oder die vorhandenen Kenntnisse werden nicht in die Praxis des Verkaufsgespräches transferiert, beide Möglichkeiten sind denkbar. * Die Information des Kunden ist überwiegend unkritisch - es werden bestimmte Nachteile, die dem Kunden aus seiner Kaufentscheidung erwachsen könnten, verschwiegen, um den Kauf nicht zu gefährden. Oft wird man durch Angebotsalternativen irgendwelche Nachteile für den Kunden vermeiden oder mindern können. In der Regel wird man einen unkritisch beratenen Kunden nie mehr zu Gesicht bekommen. * Es wird mit zu hartem Druck verkauft - nicht wenige Verkäufer sind auf ihre Fähigkeit zum "hard selling" stolz, viele Kunden empfinden diese Fähigkeit als Aufdringlichkeit. Sie tun dann das Gegenteil von dem, was der Verkäufer erwartet: Sie entscheiden sich nicht für den Kauf, sondern für den Rückzug und den Weg zur Konkurrenz. * Die Mitarbeiter verhalten sich Kunden gegenüber ausgesprochen unfreundlich - Aggressionen werden am Kunden ausgelassen, er fühlt sich nicht als willkommener Partner, sondern eher als Zumutung, der ausführliche Gespräche unter den Mitarbeitern stört oder Müßiggang unterbricht. Eine zusätzliche Befragung der Mitarbeiter ergab in diesem Falle, daß Minderwertigkeitsgefühle der Grund für die aggressive Haltung waren. Salcher skizziert den erfolgreichen Mitarbeiter im Einzelhandel wie folgt: Er ist freundlich, er verfügt über ein solides Fachwissen, er ist aktiv, er hat ein ansprechendes Auftreten und er sorgt für eine verkaufsfördernde Atmosphäre um sich herum. In Übereinstimmung mit Salcher befindet sich Berger, wenn er besonders den discountierenden Vertriebsformen vorwirft, in der Vergangenheit und auch heute noch den Preis überbewertet zu haben. Er empfiehlt diesen Vertriebsformen, der Bildung und dem Verhalten ihrer Mitarbeiter mehr Aufmerksamkeit zu schenken und kreativ nach innovativen Möglichkeiten zu suchen, dem Kunden nicht nur Ware, sondern auch Einkaufserlebnisse zu verkaufen. 3) In allen drei geschilderten Bereichen ist im Einzelhandel also eine permanente und institutionalisierte Aus- und Weiterbildung erforderlich. Sie darf, was sich in der Praxis immer wieder beobachten läßt, nicht in wirtschaftlich schwieriger Zeit eingeschränkt oder gar eingestellt werden. Aus- und Weiterbildung ist die wirksamste Prophylaxe gegen ein mögliches Fehlverhalten der Mitarbeiter. Dem Einzelhandel bleibt nur der Weg des Vorbeugens, die Korrektur von Fehlverhalten ist so gut wie immer unmöglich.

Konsequenzen
für die Führungsstruktur

Die Führungsstruktur ist Teil, wir möchten sagen Grundlage der Organisationskonzeption eines Handelsunternehmens. Sie gehört also in den Bereich der Organisation und ist das Gegenstück zum Führungsverhalten. Da die Organisation und die von ihr ausgehenden Sachzwänge einen starken Einfluß auf die Motivation der Mitarbeiter ausüben, kann man ohne Bedenken von Führungsstruktur, ihr zugrunde liegenden Führungsprinzipien und von einem Führungssystem sprechen.

Der Begriff der Führungsstruktur

Im Mittelpunkt der Führungsstruktur steht die Entscheidungsstruktur, also die Frage: Wer entscheidet über was? Der jeweils festgelegten Entscheidungsstruktur müssen dann die Kommunikationsstruktur und die Struktur der Ergebniskontrolle entsprechen. Alle drei Strukturen müssen kongruent sein. Und alle drei Strukturen bilden zusammen die Führungsstruktur, wie wir sie verstehen und wie sie im folgenden dargestellt und bewertet werden soll. Es würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen, wollte man auch das Führungsverhalten erschöpfend darstellen. Aber es muß nachdrücklich darauf hingewiesen werden, daß die beste Führungsstruktur wirkungslos bleibt, wenn sie nicht durch ein humanes Führungsverhalten ergänzt wird. 4)

Die Gestaltungsalternativen
für die Führungsstruktur

Für die Gestaltung der Führungsstruktur stehen zwei Alternativen zur Verfügung, die Zentralisation und die Dezentralisation. Sie sind die beiden extremen und idealtypischen Gestaltungsalternativen. In der Praxis finden sich natürlich zwischen diesen beiden Extremen noch eine ganze Anzahl von Mischformen, die entweder zur Zentralisation oder zur Dezentralisation tendieren oder bei denen sich beide Extreme die Waage halten. Bei jeder Entscheidung für die Gestaltung der Führungsstruktur befindet man sich aber in einem Spannungsfeld zwischen den beiden Polen Zentralität und Dezentralität. Für den Einzelhandel ist kennzeichnend, daß sich die Frage nach Zentralisation oder Dezentralisation auf zwei Ebenen stellt. Einmal stellt sich diese Frage bei der Standortpolitik. Der Einzelhandel hat die Raumüberbrückungsfunktion wahrzunehmen. Er soll also seine Waren möglichst nahe an die Wohnungen der Verbraucher heranbringen. Der Verbraucher andererseits ist auch gar nicht bereit, bis zum Standort eines Einzelhandelsunternehmens jede beliebige Entfernung zurückzulegen. Daraus ergibt sich, je nach Branche unterschiedlich, für jedes Einzelhandelsunternehmen an einem Standort eine absolute Größenobergrenze, die durch die Ausdehnung des Absatzgebiets, die Zahl der Einwohner in diesem Gebiet, deren Kaufkraft und die Wettbewerbsverhältnisse bestimmt wird. Will ein Einzelhandelsunternehmen über diese Grenze hinaus expandieren, so muß es sich weitere Standorte suchen, muß seine Verkaufsfläche dezentralisieren und muß filialisieren. Die Wahrnehmung der Raumfunktion erzwingt also eine Dezentralisation, zumindest die Dezentralisation der Verkaufsfläche. In der betriebswirtschaftlichen Literatur findet sich dafür auch der Begriff Standortspaltung. 5) In welchem Maße diesem Sachverhalt auch eine dezentrale Führungsstruktur gegenübersteht, muß noch untersucht werden. Ein weiteres Mal stellt sich die Frage nach Zentralisation oder Dezentralisation innerhalb des einzelnen Unternehmens oder der einzelnen Filiale. Für den Erfolg eines Einzelhandelsunternehmens, so hatten wir bereits festgestellt, sind entscheidend die Beziehungen zwischen Mitarbeitern und Kunden am "point of sales". An diesem Punkt werden Kaufentscheidungen vorbereitet und dann getroffen. Der entscheidende Teil des Leistungsprozesses eines Einzelhandelsunternehmens läuft also auch dezentral ab. Das kann gar nicht anders sein, denn jedes Einzelhandelsunternehmen steht als Anbieter einer Vielzahl von Kunden gegenüber und muß sich mit jedem einzelnen Kunden beschäftigen, auch wenn eine größere Zahl von Kunden gleichzeitig im Verkaufsraum anwesend ist und kaufen möchte. Im Einzelhandel gibt es nur sehr wenige Verkaufsaktivitäten, die sich zentralisieren lassen. Kochvorführungen im Lebensmittelhandel und Modenschauen im Handel mit Damenoberbekleidung wären solche Ausnahmen, wo Kunden zu mehr oder weniger großen Gruppen zusammengefaßt und angesprochen werden können. Meist werden aber auch in diesen Fällen anschließende dezentrale Verkaufsgespräche erst zur Kaufentscheidung führen. Die Wahrnehmung der Raumfunktion und die zentrale Bedeutung des "point of sales" im einzelnen Unternehmen oder einzelnen Betrieb üben auf den Einzelhandel, so kann man ohne Übertreibung sagen, einen Zwang zur Dezentralisation aus. Wir können feststellen: Dem Einzelhandel ist eine starke Tendenz zur Dezentralisation immanent. Es stellt sich nur die Frage, ob sich diese Tendenz in der Praxis auf die Gestaltung der Führungsstruktur auswirkt.

Dezentralisation der Standorte -
die Organisationsformen

Der Einzelhandel hat parallel zu den Vertriebsformen unterschiedliche Organisationsformen entwickelt, um die organisatorischen Probleme der Dezentralisation der Standorte zu bewältigen. Abbildung l zeigt diese Organisationsformen, geordnet in eine Reihenfolge von der Dezentralisation zur Zentralisation. Für das an einem einzigen Standort tätige Einzelhandelsunternehmen stellen sich die Probleme der Standortdezentralisation nicht. Die beiden Gegenpole der Reihe sind also die Handelsgruppe und das Filialunternehmen, die anschließend noch eingehender betrachtet werden sollen. Für den Vergleich wurde das Einzelhandelsunternehmen in drei Entscheidungsbereiche gegliedert und deren Zuordnung zum Standort oder zur Zentrale untersucht. 1. Konstitutives Marketing: Alle Entscheidungen, die die Unternehmensverfassung betreffen und letztlich die Vertriebsform prägen, wie Entscheidungen zum Standort, zur Sortimentspolitik, zur Preisstrukturpolitik und zum Unternehmensprofil. 2. Operatives Marketing: Alle Entscheidungen zur Änderung oder Ergänzung des Sortiments im Rahmen der langfristigen Sortimentspolitik, Entscheidungen zur Preisablaufpolitik, zur Aktionspolitik und zur Werbung. 3. Operating: A\\e Entscheidungen, die die Bewegung oder Manipulation der Ware und die Sicherung der Betriebsbereitschaft des Verkaufsraums und der anderen Geschäftsräume betreffen. Die Handelsgruppen, gleich ob genossenschaftlicher oder privatwirtschaftlicher Prägung, entsprechen mit ihrer föderalistischen Struktur im Grund am besten der Tendenz zur Dezentralisation. Das einzelne Mitglied kann sich auf seinen Standort konzentrieren und dort engagiert und flexibel agieren. Die Entscheidungen zum konstitutiven Marketing sind weitestgehend an zentrale Institutionen delegiert, was der Gruppe ein einheitliches Auftreten in großen Absatzgebieten - unter Umständen in der gesamten Bundesrepublik - erlaubt und eine effektive Gemeinschaftswerbung ermöglicht. Operatives Marketing und Operating werden zum größten Teil selbst gestaltet; Funktionen, die hochqualifizierte Spezialisten besser wahrnehmen können, werden an zentrale Institutionen abgegeben, wie zum Beispiel die Buchführung und Steuerberatung. Trotzdem sind diese Handelsgruppen überraschenderweise mit ihrer Situation nicht restlos zufrieden. Die Zentralen klagen über Durchsetzungsprobleme, die Mitglieder über Reglementierung und zunehmende Entfremdung zwischen ihnen und dem Management der Zentralen .)6 Die Zentralen beneiden die straff organisierten Filialunternehmen und deren uneingeschränkte Durchgriffsmöglichkeit in das Regal der einzelnen Filiale an jedem Standort. Die Folge sind in jüngster Vergangenheit verstärkte Bemühungen um den Aufbau von Franchise-Systemen, die die Bindung zwischen Mitglied und Zentrale enger gestalten und die Durchsetzungsprobleme vermindern sollen. Zimmermann führt die Durchsetzungsprobleme zum überwiegenden Teil darauf zurück, daß die Handelsgruppen in ihren Marketingkonzeptionen der Betriebsgrößen- und der sich daraus ergebenden Betriebstypenheterogenität zu wenig Beachtung schenkten .)7 Mit dem Blick auf die Filialunternehmen als Leitbild wurde eine Betriebsgrößen- und Betriebstypenhomogenisierung angestrebt. Mit Hilfe dieser Politik wurden zwar große Erfolge erzielt. Ein knappes Drittel der Mitglieder einer bedeutenden Handelsgruppe erwirtschaftet heute zwei Drittel des Gruppenumsatzes im Einzelhandel. Aber zwei Drittel der Mitglieder mit einem Drittel des Gruppenumsatzes sind auch noch existent und zeigen oft eine erstaunliche Fähigkeit zum Überleben, weil sie keinem so unbarmherzigen Fixkostendruck ausgesetzt sind wie die großen Mitglieder. Erst seit kurzer Zeit sind Ansätze zu beobachten, die kleinen und mittleren Mitglieder als eigenen Vertriebstyp - und nicht als Mini-Supermarkt - zu betrachten und zu verstehen. Die Betriebsgrößenheterogenität wird also in die Marketingkonzeption einbezogen. Über all den Problemen, die in einer föderalistisch strukturierten Handelsgruppe immer wieder auftreten und auftreten werden und die nicht durch Anweisen gelöst werden können, sondern nur durch Überzeugen gelöst werden müssen, sollten Mitglieder und Zentralen dieser Handelsgruppen nicht die unbestreitbar großen Vorteile der Dezentralisation vergessen. Manchmal gewinnt man den Eindruck, die Handelsgruppen seien sich dieses Vorteils und damit ihrer Stärke nicht bewußt. Die Dezentralisation in Verbindung mit einer starken Kooperationsbereitschaft auf freiwilliger Basis wird die Handelsgruppen auch in Zukunft zu ernstzunehmenden Wettbewerbern machen. Ihre Organisationsform und damit auch Entscheidungsstruktur ist handelsspezifischer als die anderer Organisationsformen. Die Filialunternehmen waren in den letzten beiden Jahrzehnten sehr erfolgreich und konnten ihren Marktanteil erheblich ausweiten. Als Grund für diese Entwicklung wird sehr oft die straffe Organisation genannt, die kaum Durchsetzungsprobleme kennt. Ob dies stimmt, kann hier nicht eingehend untersucht werden. Zweifel sind angebracht. Die Filialunternehmen selbst sehen ihre straffe Organisation, Ausdruck einer starken Zentralisation, nicht nur positiv. Statt des Durchsetzungsproblems beschert sie ihnen Kommunikations- und Flexibilitätsprobleme. Man denkt immer wieder intensiv darüber nach, auf welche Weise man die Filialleiter motivieren und so flexibel machen könnte, wie es die selbständigen Kaufleute als Mitglieder einer Handelsgruppe sind. Die Filialleiter, in den Warenhauskonzernen die Abteilungsleiter, sind das Kernproblem dieser Organisationsform. Und bei der Lösung des Problems ist die starke Zentralisation ohne Zweifel ein nur schwer zu überwindendes Hindernis. Gerade die starke Zentralisation verursacht im Kampf mit den Wettbewerbern erhebliche Mängel an Flexibilität, zieht einen beachtlichen Aufwand für Kommunikation und Kontrolle nach sich und wirkt auf das mittlere Management grundsätzlich demotivierend. Diese Probleme werden sich mit einer Intensivierung der Weiterbildung der Filialleiter und Abteilungsleiter in den Warenhäusern allein nicht lösen lassen. Es ist deshalb kein Zufall, wenn über Möglichkeiten einer Dezentralisation nachgedacht wird. So hat die Horten AG vor geraumer Zeit berichtet, sie strebe eine Neuordnung ihrer Organisationsstruktur mit dem Ziel an, jeden Abteilungsleiter in den Stand zu versetzen, seine Abteilung wie ein selbständiges Fachgeschäft führen zu können - was eine Delegation von Entscheidungskompetenzen an den Abteilungsleiter, also Dezentralisation, voraussetzt. Und im Bereich der Lebensmittel-Filialunternehmen wird über die Privatisierung von Filialen und den Aufbau von Partnerschaftssystemen - zwischen Großhandel und Einzelhandel - nachgedacht." Auch dies sind Wege zur Dezentralisation. Mit den Kommunikationsproblemen im Filialunternehmen hat sich eingehend Naumann 9) befaßt. Er kommt zu dem Ergebnis, daß eine reibungslose Kommunikation die Grundlage für ein dezentrales Entscheidungssystem ist. Die Dezentralisation aber andererseits vermindert den erforderlichen Informationsfluß und damit auch seine Anfälligkeit gegen Störungen, macht ihn reibungsloser. Die Dezentralisation empfiehlt sich deshalb nicht nur aus der Sicht des Marketing, sondern auch aus kommunikationstheoretischer Sicht. Die Dezentralisation mit ihren Möglichkeiten der Verbesserung der Flexibilität am Standort und der Steigerung der Motivation des mittleren Managements wird es den Filialunternehmen erlauben, noch beachtliche Umsatzreserven auszuschöpfen. Die Zukunft der Filialunternehmen liegt also offensichtlich darin, ihre im Prinzip handelsunspezifische Organisationsform und Entscheidungsstruktur umzugestalten und in Richtung der Organisationsform Handelsgruppe weiterzuentwickeln. Zu viel Zentralisation hat dagegen in manchen Fällen in die Krise geführt.

Dezentralisation
im einzelnen Unternehmen/Betrieb - die Führungsprinzipien

Im einzelnen Einzelhandelsunternehmen und der einzelnen Filiale bei den Filialunternehmen, der zweiten Ebene der Führungsstruktur, stellt sich die Frage nach Dezentralisation oder Zentralisation zum zweiten Mal. Für die organisatorische Einbindung des Mitarbeiters in das Unternehmen - beim Filialunternehmen gilt dies auch für die detaillierte Einbindung des Filialleiters in das Gesamtunternehmen - stehen drei Führungsprinzipien als Gestaltungsalternativen zur Verfügung. Abbildung 2 zeigt diese Führungsprinzipien. 1. Administratives Führungsprinzip: Es beruht auf dem Grundsatz von Anweisen und Befolgen, beinhaltet keine Entscheidungskompetenz, nur Handlungsverantwortung; oft wird bei diesem Prinzip auch von autoritärer Führung gesprochen; autoritär gehört aber besser in den Bereich des Führungsverhaltens und bezeichnet einen Führungsstil. 2. Kooperatives Führungsprinzip: In einem mehr oder weniger begrenzten Rahmen wird Entscheidungskompetenz delegiert, zur Handlungs- tritt die Entscheidungsverantwortung. 3. Partnerschaftliches Führungsprinzip: Die übertragene Aufgabe besteht in der Erreichung ökonomischer Ziele, an deren Festlegung der Mitarbeiter mitwirkt, im Einzelhandel wären dies Umsatz-, Rohgewinn- und Kostenziele; alle zur Erreichung der festgelegten Ziele erforderlichen Entscheidungen können selbständig getroffen werden; die erzielten Ergebnisse werden beurteilt, nicht die Art und Weise, wie sie zustande kamen; das partnerschaftliche Führungsprinzip ist also eine Kombination von Mbo und Mbr. Für den Einzelhandel wäre ohne Zweifel das partnerschaftliche Führungsprinzip das typischste. Es wäre jedoch eine praxisferne Utopie, wenn man seine Anwendung bis zum letzten Mitarbeiter fordern wollte. Es gibt auch im Einzelhandelsunternehmen eine Vielzahl von Tätigkeiten, die zu ihrer Ausführung keiner Entscheidungskompetenz bedürfen und aus Kostengründen weniger qualifizierten Mitarbeitern übertragen werden müssen. Je mehr ein Mitarbeiter mit Kunden zu tun hat und je qualifizierter er ist, um so mehr Entscheidungskompetenzen sollten ihm aber übertragen werden.

Auf diese Weise könnten durch Dezentralisation auf der zweiten Ebene die Flexibilität und, was nicht gering geschätzt werden sollte, die Motivation der Mitarbeiter gefördert werden. Auf der zweiten Ebene ist offensichtlich der Zwang zur Dezentralisation nicht so stark wie auf der ersten Ebene, wo die Raumüberbrückungsfunktion Druck ausübt, indem sie eine Dezentralisation der Verkaufsflächen erzwingt. Anders kann eigentlich nicht erklärt werden, daß die Mehrzahl der Einzelhandelsunternehmen und der Filialen noch heute stark hierarchisch geprägt ist und das Prinzip der Zentralisation vorherrscht. Je größer die Unternehmen oder Filialen sind, um so zentralistischer die Entscheidungsstruktur. Im Bereich der Filialunternehmen, so hat es den Anschein, enden die Überlegungen zur Dezentralisation beim Filialleiter. Aber auch auf der zweiten Ebene, so muß festgestellt werden, hat ein Prozeß des Nachdenkens und Umdenkens begonnen.

Erschwerende Hindernisse
für die Dezentralisation

Die Bedeutung der Dezentralisation ist gerade im Einzelhandel sehr groß und es spricht vieles dafür, dieses Strukturprinzip zu verwirklichen. Trotzdem stellen sich der Dezentralisation immer wieder Hindernisse in den Weg, sind ihre Möglichkeiten noch längst nicht ausgeschöpft. Von besonderem Gewicht sind die drei folgenden, immer wieder in der Praxis feststellbaren Hindernisse.

Mangelnde Bereitschaft des Managements

Der Aufbau einer dezentralen Führungsstruktur setzt zunächst voraus, daß sich das Management mit dem Führungsproblem geistig auseinandersetzt, das Problem eindeutig erkennt und sich durch Weiterbildung mit den von der Theorie angebotenen Problemlösungen vertraut macht und diese Lösungen kritisch prüft. Dann aber muß die Bereitschaft folgen, die gewonnenen Erkenntnisse auch in die Praxis umzusetzen. Auch dafür bietet die Betriebswirtschaftslehre Hilfe an, man denke an die Methode der Organisationsentwicklung, die zwar langsam, aber doch sicher auch in der Bundesrepublik Boden gewinnt Ursache für mangelnde Bereitschaft ist eigentlich immer der Umstand, daß Dezentralisation intensivere Information und Delegation von Einfluß und Macht bedeutet. Es kann nicht mehr angewiesen, es muß überzeugt werden. 10) Ein sehr schwieriger Prozeß des Umdenkens für alle, die in hierarchischen Strukturen aufgewachsen sind.

Die Sorge um das Kontrollproblem

Besonders im Einzelhandel begegnet man häufig der Sorge, bei zu viel Dezentralisation könne ein Unternehmen oder eine Filiale unkontrollierbar werden. Wenn ein Unternehmen oder ein Unternehmensbereich, wie eine Abteilung oder eine Filiale, als kybernetischer Regelkreis organisiert werden und eine entsprechende kurzfristige Erfolgsrechnung aufgebaut wird, ist diese Sorge unbegründet. Abbildung 3 zeigt das Organisationsmodell eines Einzelhandelsunternehmens als kybernetischen Regelkreis. Der innere Regelkreis, der im Falle einer Filiale am Standort oder im Falle einer Abteilung innerhalb der Gesamtverkaufsfläche arbeitet, ist ohne Schwierigkeiten dezentral zu organisieren. Der äußere Regelkreis dagegen ist zentralisierbar. An den im äußeren Regelkreis getroffenen Entscheidungen sollten aber die Führungskräfte des mittleren Managements mitwirken können, zumindest an deren Vorbereitung. 11)

Qualifikation der Mitarbeiter

Je dezentraler eine Führungsstruktur gestaltet wird, desto höher muß die berufliche Qualifikation der Mitarbeiter und Führungskräfte sein. Diese Regel bedeutet im Einzelhandel, daß gute kaufmännische, unternehmensspezifisch organisatorische Kenntnisse und im mittleren Management Führungsqualitäten vorhanden sein müssen. Und im oberen Management, so muß man hinzufügen, müssen Kommunikations- und Führungsspezialisten vorhanden sein, die es verstehen, ihre fachlichen Entscheidungen überzeugend an alle Mitarbeiter des Unternehmens weiterzugeben. Von hier aus gesehen wird noch einmal die Bedeutung der Aus- und Weiterbildung deutlich. Bildung und Führungsstruktur sind eine Einheit, die sich nicht ohne Schaden für das Unternehmen auflösen läßt.

Zusammenfassung

Als Schumacher 1973 seine Überlegungen unter dem Motto "small is beautiful" veröffentlichte, setzte ein Prozeß des Nachdenkens über die Probleme der Unternehmensgröße und der Konzentration ein. 12) Fortschreitende Dezentralisation könnte sogar - auch diese Meinung ist zu vernehmen - die Voraussetzung für ein Überleben der sozialen Marktwirtschaft sein. 13) Die fortschreitende Miniaturisierung der elektronischen Datenverarbeitung wird den Prozeß der Dezentralisation sicher fördern und beschleunigen. Für den Einzelhandel bedeutet dies, daß in Zukunft weit mehr als bisher am Standort, in der Filiale und auch im kleineren Unternehmen, elektronische Intelligenz installiert werden kann. Das wird nicht nur die Kontrolle erleichtern, sondern in deren Gefolge die Möglichkeiten der dezentralen Entscheidung fördern, diese dezentral getroffenen Entscheidungen sicherer und flexibler machen. Für den Einzelhandel ist dies von besonderer Bedeutung. Weil ein Großteil der Mitarbeiter Bestandteil des Marketings ist, müssen diese Mitarbeiter fachkompetent und entscheidungskompetent sein. Dann können sie ihre Aufgaben am besten lösen. Sicher werden in Zukunft die Einzelhandelsunternehmen im Wettbewerb einen Vorsprung erreichen, die den besser ausgebildeten Mitarbeiter und die dezentralere Führungsstruktur besitzen.

Literatur

1) Langeard, Eric: "Grundfragen des Dienstleistungsmarketing", in: Marketing - Zeitschrift für Forschung und Praxis, 1981/4, S. 233ff. 2) Salcher, Ernst: "Tests mit Tarnkappe", in: manager magazin, 1981/1, S. 52ff. 3) "Wachstum durch mehr Phantasie", Interview mit Roland Berger, in: Food und Nonfood, 1980/12, S. 21ff. 4) Oehme, Wolfgang: "Führen durch Motivation", Essen, 1979. 5) Hansen, Ursula: "Absatz- und Beschaffungsmarketing des Einzelhandels", Göttingen 1976, S. 190ff. Der Begriff "Standortspaltung" - das wird auch von Hansen eingeräumt - ist nicht sehr glücklich gewählt; "Filialisierung" oder "Standortmarketing" sind bessere Begriffe. 6) Reischl, Hans: "Den Plänen müssen Taten folgen", in: Rewe-Echo, 1980/14, S. 22ff; Stubbe, Helmut: "Genossenschaftsmitglied", in: Genossenschaftsforum, 1980/9, S. 8ff. 7) Zimmermann, Peter: "Konsequenzen der Betriebstypenheterogenität für das genossenschaftliche Marketing", Göttingen, 1978. 8) "Entartung des Wettbewerbs", in: Lebensmittel-Zeitung, 25.6. 1982, S.19. 9) Naumann, Ulrich: "Kommunikationsprobleme im Filialbetrieb", Göttingen, 1975. 10) Greiner, Larry E.: "Die Macht teilen", in: manager magazin, 1982/4, S. 141ff; Rüßmann, Karl Heinrich: "Die Kosten der Hierarchie", in: manager magazin, 1982/8, S. 74ff. 11) Oehme, Wolfgang: "Unternehmensführung im Handelsbetrieb", Wiesbaden, 1977, S. 80ff. 12) Schumacher, E. F.: "Die Rückkehr zum menschlichen Maß", Hamburg, 1979; Kuenheim, Eberhard von: "Die Davids waren die Größten", in: manager magazin. 1982/1, S. 88f. 13) Vetter, Ernst Günter: "Marktwirtschaft - auch noch im Jahr 2000?", in: FAZ, 15.5.1982, S. 15.

Wolfgang Oehme
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