Zur Ausgabe
Artikel 2 / 15

Bestimmte Verhaltensmuster lassen erkennen, ob Manager zueinander passen und gemeinsam erfolgreich arbeiten können Das Gleichgewicht bei der Entscheidungsfindung

Um festzustellen, ob Manager oder ein Managementteam den einzelnen Aspekten der Entscheidungsfindung gebührende Aufmerksamkeit widmen, schlägt Pamela Ramsden vor, zunächst das "Handlungsprofil" zu messen. Eine entsprechende Methode hat die britische Unternehmensberatung Warren Lamb Associates entwickelt. Entscheidungsfindungsprozeß und Führungsstil werden dabei in ausführlichen, strukturierten Interviews analysiert. Ziel der Untersuchung ist es, die Arbeitsbeziehungen im Management zu verbessern und bei der Auswahl von Führungskräften diejenigen mit angemessenem Führungsstil zu identifizieren.
aus Harvard Business manager 3/1982

PAMELA RAMSDEN ist Australierin und erwarb ihr Psychologiediplom an der University of Melbourne. Anschließend erhielt sie eine Zusatzausbildung in der Analyse nonverbalen Verhaltens am Laban Centre for Movement Analysis in London. Im Jahre 1971 wurde sie Partner von Warren Lamb Associates. Aufgrund ihrer Arbeit mit Managern und Managementteams entwickelte sie die Theorie der "Action Motivation".

Während der letzten dreißig Jahre haben Warren Lamb Associates erforscht, wie Manager Entscheidungen treffen. Wir haben allerdings nicht versucht, ein Idealmodel der Entscheidungsfindung zu entwickeln. Es war nicht unser Ziel, Managern zu sagen, wie sie entscheiden sollen, sondern herauszufinden, was sie wirklich tun, wenn sie entscheiden. Unsere Fragen lauteten: * Wie sehen die Denkprozesse von Managern tatsächlich aus, wenn sie Entscheidungen treffen? * Liegen "guten" und "schlechten" Entscheidungen auch "gute" und "schlechte" Denkprozesse zugrunde? Wir haben den Prozeß der Entscheidungsfindung bei über 10 000 Managern untersucht. Die Mehrzahl der Manager waren Briten, aber wir haben auch Führungskräfte aus Frankreich, Deutschland, Holland, Belgien, der Schweiz, Skandinavien, Finnland, den USA, Kanada, Malaysia und Singapur, Australien, Südafrika, Indien und der Karibik untersucht. Allen gemein ist, daß der Prozeß der Entscheidungsfindung drei Phasen durchläuft. Jede Phase wird von einer anderen geistigen Haltung gegenüber der Aufgabe charakterisiert. Die erste Phase haben wir als die der "Aufmerksamkeit" bezeichnet. Die Geisteshaltung, die diese Phase kennzeichnet, ist Interesse: der Wunsch, zu entdecken, herauszufinden, aufzuspüren, zu klassifizieren, die Tatsachen zu finden, den Blickwinkel zu erweitern, Alternativen zu entwickeln und das Problem oder die Situation von verschiedenen Seiten zu sehen. Die zweite Phase haben wir die der "Absicht" genannt. Die geistige Haltung, die dieser Phase zugrunde liegt, ist der Vorsatz: der Wunsch, ein Problem zu identifizieren, für Entschlossenheit und Bestimmtheit zu sorgen, Probleme in den Griff zu bekommen, die anstehenden Fragen zu bewerten und abzuwägen, einen Standpunkt zu beziehen und realistisch zu sein. Die dritte Phase haben wir mit dem Begriff "Zielorientierung" belegt. Die Geisteshaltung, die diese Phase charakterisiert, ist der Wunsch, Fortschritte zu machen, voranzukommen, die Aufgabe zu lösen, das Geschehen voranzutreiben und den richtigen Moment zum Handeln zu finden sowie den Handlungsschauplatz zu gestalten, um das Ziel und die Schritte, die dort hinführen, vor Augen zu haben und die einzelnen Schritte bis zum Ziel jeweils überprüfen zu können.

Entscheidungsgrundlagen

Unsere zweite wesentliche Entdeckung ist, daß einige Menschen dazu neigen, eine oder zwei Entscheidungsphasen ständig zu bevorzugen, während andere ihre geistigen Anstrengungen gleichmäßig auf alle Entscheidungsphasen verteilen. Das Untersuchungsmaterial zeigt, daß ein Manager trotz der scheinbar großen quantitativen Ungleichheit der geistigen Kräfte, die er jeweils auf die drei Entscheidungsphasen verwendet, überraschenderweise immer noch so lange ein effektiver Entscheidungsträger bleibt, wie er zumindest zehn Prozent seiner geistigen Kräfte auf jede einzelne Phase verwendet. Falls auf eine der drei Phasen weniger als zehn Prozent seiner Energie entfallen, läuft er Gefahr, persönlich Vorurteile in seinem Entscheidungsprozeß zu entwickeln, die ihn weniger effektiv sein lassen.

Sechs grundlegende Denkvorgänge
bei der Entscheidungsfindung

Wir haben herausgefunden, daß Manager in jeder der drei Phasen der Entscheidungsfindung zusätzlich zwei verschiedene Arten von Denkvorgängen vollziehen: 1. Geistige Anstrengung: Der Manager bemüht sich darum, die Informationen, die er erhält, einzuteilen und zu verstehen. Und er versucht, noch mehr Informationen zu bekommen. Darüberhinaus verwendet er die Informationen dazu, einen Handlungsplan zu entwickeln und die Handlung voranzutreiben. 2. Suche nach einer Perspektive: Der Manager bemüht sich um die Erweiterung seines Gesichtskreises über seine unmittelbare Situation hinaus, um eine bessere Perspektive zu erhalten. Er sucht nach Auswegen aus der jeweiligen Situation, um das Problem aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu sehen und damit seinen Horizont zu erweitern und verschiedene Ansichten einzubeziehen. Schließlich strebt er danach, über das Problem selbst hinauszugehen, um zu erkennen, wohin die Ereignisse führen und wie die Endergebnisse aussehen. Die Bezeichnungen, die wir diesen sechs grundlegenden Denkvorgängen gegeben haben, lauten wie folgt.

Während der ersten Phase (Aufmerksamkeit)

* "Untersuchung": die geistigen Anstrengungen, Informationen innerhalb eines vorbezeichneten Gebietes ans Licht zu bringen, zu sichten und zu klassifizieren. Ergebnis: systematische Forschung, Aufstellung und Definition von Maßstäben. * "Exploration": Suche nach einer Perspektive durch die Erweiterung des Gesichtskreises sowie die Entdeckung, die Einbeziehung und das Wahrnehmen von Informationen aus vielen Gebieten. Ergebnis: kreatives Brainstorming, Finden von Alternativen.

Während der zweiten Phase (Absicht)

* "Bestimmung": die geistige Anstrengung, Ziele aufzustellen, Entschlußkraft aufzubauen, Überzeugungen zu bilden und Absichten zu rechtfertigen. Ergebnis: Durchhalten auch bei Widerständen, Aufrechterhaltung der Moral. * "Bewertung": die Suche nach einer Perspektive durch Abwägen des Für und Wider, Abschätzung der Streitfragen, Erkennen einer ausgewogenen Sicht. Ergebnis: Verdeutlichung der Absichten, realistische Sicht von Tatsachen und Vorschlägen.

Während der dritten Phase (Zielorientierung)

* "Timing": die geistige Anstrengung, das Tempo der Durchsetzung zu bestimmen und den richtigen Zeitpunkt für die jeweilige Handlung zu finden. Ergebnis: Aufstellung einer Prioritätenliste für den jeweils günstigsten Zeitpunkt der Durchsetzung. * "Antizipation": die Suche nach einer Perspektive, um die aufeinanderfolgenden Phasen der Handlung wahrzunehmen und die Konsequenzen für jede Phase vorwegzunehmen. Ergebnis: Aufstellung von Zielen, Messen des Fortschritts und Neuerstellung von Zeitplänen.

Stil der Entscheidungsfindung

Neben ihrer Vorliebe für jeweils eine oder zwei Phasen der Entscheidungsfindung haben Manager extrem individuelle und oft stark ausgeprägte Präferenzen für einige der sechs Denkvorgänge bei der Entscheidungsfindung. Beispielsweise kann ein Manager die Angewohnheit haben, bis zu 45 Prozent seiner geistigen Energie in nur einen einzigen der sechs Denkvorgänge bei der Entscheidungsfindung zu stecken, während er auf einen der anderen Denkvorgänge lediglich zwei Prozent seiner Energie verwendet. Man stelle sich einen Manager vor, der 45 Prozent seiner geistigen Energie für die "Untersuchung" benötigt. Er verwendet fast die Hälfte seiner geistigen Kraft auf das Analysieren, Ausgraben und Klassifizieren von Informationen, die Suche nach immer mehr Informationen und die Definition von Kriterien. Wie man sich vorstellen kann, ist er von Details fasziniert und liebt nichts mehr, als sich in eine eingehende Untersuchung eines wahrscheinlich eng begrenzten Interessengebiets zu vertiefen. Zweifellos hat so ein Manager große Stärken, sofern man ihm den richtigen Platz zuweist, das heißt, ihn als einen Spezialisten behandelt und nicht von ihm erwartet, daß er die Rolle eines Generalisten übernimmt. Hieraus läßt sich ein Prinzip ableiten: Je extremer die Vorliebe eines Managers für einen oder zwei Denkvorgänge bei der Entscheidungsfindung auf Kosten der übrigen vier entwickelt ist, desto mehr hat er von einem Spezialisten an sich - und desto schwieriger wird es, ihm genau die richtige Position zuzuweisen. Wenn er jedoch die richtige Position hat, kann er auf seinem Gebiet außergewöhnlich brillant sein. Umgekehrt gilt folgendes: Je gleichmäßiger die Präferenzen eines Managers auf die sechs Denkvorgänge bei der Entscheidungsfindung verteilt sind, desto genereller ist sein Stil. Daher ist es leichter, für ihn eine Situation zu finden, in der er erfolgreich operieren kann. Andererseits ist es für so einen Manager schwer, wirklich hervorragend zu werden. Er muß eine technische oder fachliche Spezialisierung entwickeln, um der Tendenz seines Entscheidungsfindungsstils entgegenzuwirken, "Hans Dampf in allen Gassen" zu sein, aber kein Gebiet wirklich zu beherrschen. Neben den beiden Extremen des Ungleichgewichts und der Ausgewogenheit ist beim Entscheidungsstil praktisch jede Kombination von Vorlieben möglich. So gut wie jeder Entscheidungsfindungsstil kann effektiv sein, wenn zwei Faktoren gegeben sind: 1. Der Manager weiß selbst, wie er die Stärken seines individuellen Stils am besten einsetzt und wie er dessen Schwächen am besten vermeidet. Das eine Merkmal, das allen besonders effektiven und erfolgreichen Topmanagern, die wir angetroffen haben, gemeinsam ist, ist die intuitive Kenntnis ihres Entscheidungsfindungsstils und seine vollständige Umsetzung. Zugleich begreifen sie ihre Stärken und Schwächen und arbeiten am optimalen Einsatz ihrer Stärken und an der Vermeidung ihrer Schwächen. Was sie im allgemeinen wollen und besonders hoch bewerten, ist eine eindeutige Rückmeldung über sich selbst, um sich noch besser zu verstehen und zu erkennen. 2. Der zweite Faktor, der die Effektivität eines Managers garantiert, besteht in der Kompatibilität seiner Tätigkeit, seines Teams und seines Unternehmens mit dem ihm eigenen Entscheidungsfindungsstil, so daß er nicht gezwungen ist, einen anderen Stil anzunehmen, der nicht zu ihm paßt. Ich bin sicher, daß dem Leser zahlreiche Fälle von Managern bekannt sind, die in einer Position oder in einem Unternehmen überragend erfolgreich waren, aber in einer anderen Position oder einem anderen Unternehmen versagten. Es ist nicht der Manager, der sich verändert hat, sondern seine Situation. Als er erfolgreich war, paßten seine Position und seine Arbeitsumwelt zu dem ihm eigenen Entscheidungsfindungsstil. Als er keinen Erfolg hatte, bestand keine Übereinstimmung mehr.

Nicht nur eine Frage des Stils

Unsere Untersuchungen haben aber auch gezeigt, daß dies nicht nur eine Frage des"Stils" ist. Die einzelnen Manager hängen offensichtlich ganz außergewöhnlich an ihrer eigenen Abfolge des Entscheidungsfindungsprozesses. Die einzelnen Manager, insbesondere die in höheren Managementpositionen, die Verantwortung für wichtige Entscheidungen mit weitreichenden Wirkungen haben, "müssen" dazu imstande sein, den Entscheidungsprozeß auf ihre ihnen ganz eigene und für sie charakteristische Art zu absolvieren, und zwar entsprechend ihren Vorlieben für die verschiedenen Denkvorgänge bei der Entscheidungsfindung. Manager fühlen instinktiv, daß eine Entscheidung falsch und schlecht zustande gekommen ist, wenn man sie daran hindert, ihrem eigenen Entscheidungsprozeß zu folgen. Sie können dann Streßsymptome zeigen und sind mit Sicherheit weniger effektiv.

Erstellung eines Handlungsprofils

Aus dem Entscheidungsfindungsstil vieler Manager haben wir eine Methode zur Messung und Darstellung des individuellen Entscheidungsstils entwickelt, die wir als "Handlungsprofil" bezeichnen. Dieses Handlungsprofil zeigt an, wie eine Person ihre geistige Energie zwischen den drei Entscheidungsphasen Aufmerksamkeit, Absicht und Zielorientierung und auch zwischen den sechs Denkvorgängen Untersuchung, Exploration, Bestimmung, Bewertung, Timing und Antizipation aufteilt. Die Verteilung der geistigen Energie wird in Prozent ausgedrückt (Abbildung 1). Eine der interessantesten Eigenschaften des Handlungsprofils ist seine Effektivität bei der Vorhersage, wie Manager sich verhalten werden und ob sie unter bestimmten Umständen Erfolg oder Mißerfolg haben werden. Dieses in die Zukunft weisende Attribut des Handlungsprofils ergibt sich nicht nur aus dem Verständnis, das für die Frage genannt wird, wie die Entscheidungsfindungspräferenzen eines bestimmten Managers ihn eine spezielle Managementaufgabe angehen lassen werden, sondern auch aus dem Verständnis, das dafür entwickelt wird, wie eine Person interagieren und ihre Denkvorgänge anderen mitteilen kann beziehungsweise muß, während sie die Stufen der Entscheidungsfindung durchläuft.

Interaktion

Bei der Untersuchung der grundlegenden Denkvorgänge im Entscheidungsfindungsprozeß wurde uns bewußt, daß Manager auf verschiedenen Stufen ihres Entscheidungsprozesses die Initiative ergreifen, um ihre Denkvorgänge anderen mitzuteilen. Während ein Manager seine Gedanken immer auf der Stufe der Aufmerksamkeit eines Entscheidungsprozesses mitteilen mußte, schien ein anderer Manager seine Gedanken nicht eher mitteilen zu wollen, bis er die Stufe der Absicht oder der Zielorientierung erreicht hatte. Stellen Sie sich vor, daß Sie sich auf der Stufe der Aufmerksamkeit einer Entscheidung über den Kauf eines neuen Wagens befinden. Sie fangen gerade an, sich einen Überblick über das vorhandene Angebot zu verschaffen, sehen sich alle neuen Modelle an, an denen Sie vorbeifahren, werfen einen Blick in Vorführräume, und einige Modelle finden Ihr Interesse. Haben Sie das Verlangen, Ihre Gedanken jemandem mitzuteilen? Finden Sie, daß es Ihnen beim Nachdenken und der Entwicklung Ihres Interesses hilft, wenn Sie darüber reden? Oder meinen Sie, daß Sie es eigentlich vorziehen würden, sich weiterhin einen Überblick zu verschaffen, und zwar ganz in Ruhe, ohne sich von den Ideen und Vorschlägen einer anderen Person stören zu lassen? Wenn Sie lieber mit jemandem darüber sprechen würden, haben Sie wahrscheinlich eine Vorliebe für die "Mitteilung" während der Stufe der Aufmerksamkeit Ihres Entscheidungsprozesses. Wenn Sie aber der Ansicht sein sollten, daß Sie es vorziehen, nicht darüber zu sprechen, haben Sie wahrscheinlich eine Vorliebe für die "Privatheit" während dieser Stufe. Möglicherweise meinen Sie, daß es Ihnen weder auf das eine noch auf das andere ankommt, daß Sie nicht unbedingt das Gespräch mit einem anderen Menschen suchen würden, um Vorschläge einzuholen, daß es Ihnen aber auch nichts ausmachen würde, wenn jemand ein Gespräch über dieses Thema beginnen würde. Wenn dies der Fall sein sollte, sind Sie wahrscheinlich in der Art Ihrer Interaktion während der Stufe der Aufmerksamkeit "neutral", das heißt, Sie ergreifen nicht die Initiative, um Ihre Gedankengänge mitzuteilen, aber es stört Sie auch nicht, wenn ein anderer die Initiative ergreift. Andererseits kann es auch sein, daß Sie meinen, Sie sollten manchmal, unter gewissen Umständen, bestimmten Menschen Ihre Gedanken mitteilen, während Sie bei anderer Gelegenheit und bei anderen Leuten Ihre Gedanken unbedingt für sich behalten wollen. Wenn dies der Fall ist, sind Sie "vielseitig" hinsichtlich Ihrer Interaktionsbedürfnisse während der Stufe der Aufmerksamkeit in einem Entscheidungsfindungsprozeß, das heißt, Sie haben potentiell das Bedürfnis und die Fähigkeit, Ihre Gedanken mitzuteilen, aber ebenfalls und genauso stark auch das Bedürfnis und die Fähigkeit, zu einem anderen Zeitpunkt Ihre Privatheit aufrechtzuerhalten. Manager drücken alle diese Möglichkeiten in ihrem Stil der Interaktion mit anderen aus. Was vielleicht überrascht, ist die Tatsache, daß es keine unbedingte Übereinstimmung zwischen einem Interaktionsstil und dem grundlegenden Handlungsprofil und auch keine notwendige Übereinstimmung zwischen einer Stufe und der nächsten gibt. Zum Beispiel ist ein Manager, der eine große Vorliebe für die Stufe der Aufmerksamkeit in einem Entscheidungsfindungsprozeß aufweist, nicht unbedingt mitteilsam auf dieser Stufe. Genauso gilt, daß er nicht unbedingt alle seine Gedanken während der Stufe der Aufmerksamkeit für sich behält, wenn er nur eine geringe Präferenz für diese Stufe hat. Ebenso gilt, daß ein Manager, der auf der Stufe der Aufmerksamkeit besonders mitteilsam ist, auf der Stufe der Absicht oder der Stufe der Zielgerichtetheit nicht unbedingt genauso mitteilsam ist oder eben gerade doch. Genau wie beim grundlegenden Handlungsprofil ist auch hier jede Kombination möglich. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß jeder Mensch ein grundlegendes Handlungsprofil hat, das die ihm innewohnenden Vorlieben für die sechs Gedankenvorgänge während des Entscheidungsprozesses abbildet, und zusätzlich über einen Interaktionsstil verfügt, der den grundlegenden Entscheidungsstil wiederum modifiziert. Die Interaktion wird sowohl als das größtmögliche Potential verstanden, das eine Person hat, um jemand anders zur Teilnahme an seinem Denkvorgang während einer bestimmten Stufe zu bewegen, als auch das größtmögliche Potential, das eine Person hat, um andere Menschen von der Teilhabe an seinen Denkvorgängen während einer bestimmten Stufe auszuschließen (das heißt, Privatheit aufrechtzuerhalten). Das größtmögliche Interaktionspotential wird als Prozentsatz der Energie während einer bestimmten Stufe ausgedrückt, den diese Person mit anderen teilen oder für sich behalten kann (Beispiel in Abbildung 2).

Die intuitive Seite
der logischen Entscheidungsfindung

Eine weitere höchst interessante Entdeckung besteht darin, daß es zwar logisch zu sein scheint, bei der Entscheidungsfindung mit der Stufe der Aufmerksamkeit zu beginnen und sich dann durch die Stufe der Absicht zur Stufe der Zielorientierung vorzuarbeiten, dies aber mit Sicherheit keine allgemeingültige Regel ist. In Wirklichkeit "beginnen" die meisten Manager den Entscheidungsprozeß mit dem Denkvorgang, für den sie die stärkste Präferenz entwickelt haben. Sie nehmen dann die weiteren Denkvorgänge in der Reihenfolge ihrer persönlichen Vorliebe vor und können durchaus häufig zwischen den einzelnen Denkvorgängen hin- und herspringen. Mr. Street hat beispielsweise die größten Vorlieben für die Denkvorgänge Bestimmung und Timing. Er neigt dazu, den Entscheidungsprozeß mit dem Denkvorgang der Bestimmung zu beginnen. Er sucht ständig nach Dingen, die er als erster bewegen und als Pionier in Gang setzen kann. Wenn er ein potentielles Gebiet gefunden hat, das sich für ihn eignet, beginnt er mit dem Prozeß der Bestimmung, das heißt, er macht daraus einen Fall, um das Ziel noch stärker hervorheben zu können, das er bereits zu verfolgen beginnt. Andererseits kann er seinen Entscheidungsprozeß auch dadurch in Gang setzen, daß er instinktiv Gelegenheiten wahrnimmt, bei denen er einen raschen Fortschritt erzielen kann, was sich wiederum aus dem Timing-Bestandteil des Entscheidungsprozesses ergibt. Es ist möglich, daß er zunächst sehr häufig zwischen Bestimmung und Timing hin- und herschwankt. Diese Methode ist nicht direkt falsch. Sie ist sogar recht verbreitet unter den Unternehmern, die erfolgreich und handlungsorientiert sind. Solche Manager haben ganz offensichtlich um so mehr Erfolg, je mehr sie in einer Umgebung arbeiten, in der garantiert ist, daß andere die erforderlichen Nachforschungen und Untersuchungen anstellen, und in welcher dafür gesorgt wird, daß ständig gut aufbereitete Informationen zur Verfügung stehen. Noch wichtiger ist vielleicht die besondere Art, in der Mr. Street seinen Entscheidungsprozeß strukturiert und die ihm den intuitiven Sinn für gute Gelegenheiten, das präzise Timing für die Wahrnehmung dieser Gelegenheiten verleiht. Dieser intuitive Sinn für die Wahrnehmung sich bietender Chancen zum richtigen Zeitpunkt bildet die Grundlage der eigentlichen Stärke von Mr. Street als Entscheidungsträger. Wenn ihm diese Intuition entzogen und er gezwungen würde, sie durch "logische" Argumente zu ersetzen, wäre seine eigentliche Stärke bei der Entscheidungsfindung erheblich reduziert. Wenn aber dieser intuitive Entscheidungsprozeß durch die richtige Art komplementären Managementtrainings, komplementärer Technik, komplementären Wissens und komplementärer Erfahrung ergänzt wird, wird ein Manager gute Entscheidungen treffen.

Die Ausgangspunkte für den Entscheidungsprozeß
beeinflussen Arbeitsbeziehungen

Die besten Entscheidungen werden zweifelsohne dadurch erzielt, daß man die Entscheidungsträger dazu ermutigt, den für sie natürlichen "intuitiven" Entscheidungsfindungsstil zu entwickeln und somit die nur scheinbar unlogische Angewohnheit beizubehalten, den Prozeß mit dem Denkvorgang zu beginnen, für den sie die stärkste Präferenz haben. Es gibt jedoch ein schwerwiegendes Problem, das sich aus dieser Neigung von Managern ergibt, den Entscheidungsfindungsprozeß jeweils von verschiedenen Ausgangspunkten aus in Gang zu setzen. Dieses Problem tritt immer dann auf, wenn Manager versuchen zusammenzuarbeiten und gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Es spielt keine Rolle, welches Thema zur Diskussion steht. Überall dort, wo sich Meinungsverschiedenheiten ergeben, sind Manager in Wirklichkeit darüber verschiedener Meinung, wie man die Angelegenheit angeht oder angehen sollte. Der aufmerksamkeitsorientierte Manager möchte die Angelegenheit sorgfältig durchdenken, sich informieren, mehr Informationen einholen und gründlich die vorhandenen Alternativen in Betracht ziehen. Der absichtsorientierte Manager fühlt demgegenüber instinktiv, daß es in Wirklichkeit nur ein oder zwei Fragen und Probleme gibt, denen man konfrontiert ist und die man behandeln muß. Der eher zielorientierte Manager möchte dagegen alles einbeziehen, was zu einem bestimmten Zeitpunkt aktuell ist und in irgendeiner Weise zum Erfolg zu führen verspricht, und will die Aufgabe sofort in Angriff nehmen, während er die notwendigen Kurskorrekturen während des Ablaufs vornimmt. Grundsätzlich ist keiner dieser Denkansätze falsch, vorausgesetzt, daß sie durch Input von den anderen Denkansätzen ausbalanciert werden können. Gefahren ergeben sich jedoch oft, wenn Manager denken, daß sie über den "Inhalt" der Entscheidung streiten, und nicht merken, daß die Auseinandersetzung in Wirklichkeit über den "Prozeß" geführt wird, der der Entscheidung zugrunde liegt. Das Gesamtproblem der gemeinsamen Entscheidungsfindung wird noch dadurch kompliziert und erschwert, daß die Manager nicht allein an einem jeweils anderen Ausgangspunkt des Entscheidungsprozesses beginnen und ihn in verschiedenen Sequenzen ablaufen lassen wollen, sondern daß sie gleichfalls ihre Gedanken an verschiedenen Punkten und auf verschiedenen Stufen mitteilen oder für sich behalten wollen. Verdeutlicht wird das am Beispiel eines gemeinsamen Entscheidungsfindungsprozesses zweier Manager. Ihre Handlungsprofile sind in Abbildung 3 dargestellt.

Bill Lucas beginnt seinen Entscheidungsprozeß mit der Untersuchung und dem Timing. Das bedeutet, er fängt damit an, die Situation zu analysieren und instinktiv zu fühlen, wo Gelegenheiten für einen schnellen Fortschritt bestehen. James Little fühlt sich dagegen nur dann wohl, wenn er seinen Entscheidungsprozeß mit der Antizipation beginnen kann, also damit, in die Zukunft zu blicken, über die gegenwärtige Lage hinauszudenken und das letztendliche Ziel sowie die Chancen einschließlich aller Schritte und Handlungsstufen zu überblicken, die erforderlich sind, um schließlich das Ziel zu erreichen. Der eine ist demnach immer sehr gegenwartsbezogen und erstellt detaillierte, handlungsorientierte Analysen, um herauszufinden, welche Handlungen umgehend vorgenommen werden können, während der andere ständig die Zukunft im Auge hat und alle Probleme und zukünftigen Handlungsstufen voraussehen will. Ferner gibt sich Bill Lucas kaum Mühe, den Untersuchungs- oder Analysestand seiner Denkprozesse mitzuteilen. Er neigt vielmehr dazu, seine Gedanken dazu zu äußern, wie die auf der Analyse beruhenden Handlungen in Gang gesetzt und angemessen programmiert werden können. Auf der anderen Seite möchte James Little zunächst seine Antizipation vorstellen, seine Gedanken über die Probleme, die er voraussieht. Zu einem späteren Zeitpunkt möchte er seine Absichten über die Weiterverfolgung des Handlungsverlaufs und die Lösung der Probleme mitteilen, aber er ist auch nicht besonders darauf versessen, seine Untersuchung der Mittel, mit denen er die Entscheidung vorantreiben will, zu kommunizieren. Das klingt sehr komplex - und ist es wahrscheinlich auch. Alle Arbeitsbeziehungen sind in der Tat außerordentlich vielschichtig. Wenn man einmal darüber nachdenkt, ist es ein kleines Wunder, daß Arbeitsbeziehungen überhaupt funktionieren. Man muß es den sozialen Fähigkeiten der Menschen im allgemeinen und der Manager im besonderen zuschreiben, daß es ihnen letztendlich meistens doch gelingt, gemeinsame Entscheidungen zu erreichen. Aber Fehlschläge sind selbstverständlich recht häufig. Wenn sie sich ereignen, können sie für alle Betroffenen katastrophal sein. Die Vorzeichen der Katastrophe finden sich bereits am Anfang der Arbeitsbeziehungen von Bill Lucas und James Little. Lucas fing an, Little zu mißtrauen, und gewann den Eindruck, daß dieser sich zu viele Gedanken über seine Stellung machte. So fand es Little beispielweise nicht gut, daß Lucas als der jüngere sein Managing Director war. Außerdem hatte Lucas den Eindruck, daß Little versuchte, mit Beschwerden an ihm vorbei zu ihrem gemeinsamen Vorgesetzten zu gehen. Und was noch schwerer wog: Lucas hatte den Eindruck gewonnen, daß sein Kollege, wann immer er ihn bat, aktiv zu werden, negativ reagierte, immer über die Probleme redete, die das für ihn verursachen würde, und niemals Lust zu verspüren schien, nun endlich voranzukommen. Als wir mit beiden über die verschiedenen Entscheidungsfindungsprozesse redeten, wurde jedoch klar, daß Bill Lucas' Eindrücke die wirkliche Lage nicht richtig erfaßten. In diesem Fall waren Lucas und Little imstande, das Handlungsprofil als ein Mittel zum Verständnis für den Entscheidungsprozeß des jeweils anderen zu verwenden. Dadurch waren sie bald in der Lage, ihre bereits entwickelten Interaktionsfähigkeiten dazu zu benutzen, den gemeinsamen Entscheidungsprozeß wieder auf eine vernünftige geschäftsmäßige Grundlage zurückzuführen. Wenn ein gemeinsames Entscheidungsfindungsverhältnis in diesen Teufelskreis gerät, ist das für die betroffenen Personen frustrierend und schmerzhaft. Aber es ist noch viel wichtiger, daß dies ebenfalls zu einer extremen Verschwendung der teuren Zeit und Energie von Managern führt. Zum Zeitpunkt der Beratung hatte die fehlende Übereinstimmung zwischen den jeweiligen Entscheidungsfindungsprozessen von Bill Lucas und James Little die beiden lediglich vier ineffiziente einstündige Meetings gekostet - und eine dreiwöchige Verzögerung von Verbesserungsvorschlägen zur Kostensenkung, die Little vorantreiben sollte. Wenn das Topmanagement jedoch zugelassen hätte, daß die beiden unvereinbaren Entscheidungsstile weiter nebeneinander existiert hätten, wären die damit verbundenen Kosten für das Unternehmen eskaliert und hätten schließlich dazu geführt, daß Little entweder hätte versetzt oder entlassen werden müssen. Dies hätte aber wiederum hohe Extrakosten verursacht, die mit der Suche nach einem neuen Manager und den sechs bis zwölf Monaten, die er zur Einarbeitung und zum Erreichen seiner maximalen Effektivität benötigt hätte, verbunden gewesen wären. Es war relativ einfach, dieses Entscheidungsfindungsverhältnis zu reparieren, weil das Problem in dem Moment in Angriff genommen wurde, in dem es auftrat. Wenn man es jedoch sechs Monate oder noch länger zuläßt, daß ein solches Verhältnis in dieser Weise auseinandergeht, wird es in der Tat sehr schwierig, die komplexen Strukturen des gegenseitigen Nichtverstehens und des Mißtrauens zu entwirren, die sich in der Zwischenzeit aufgebaut haben.

Kontrolle des Ablaufs
der gemeinsamen Entscheidungsfindung

Manager können den Rahmen des Handlungsprofils als ein Mittel zur Kontrolle des Ablaufs gemeinsamer Entscheidungsfindungsprozesse benutzen, als ein Mittel, den Willen zur Zusammenarbeit bei allen Beteiligten aufrechtzuerhalten, während der Entscheidungsprozeß abläuft, und zwar entsprechend den jeweils individuellen Sequenzen und Verhaltensweisen. Auf eine höchst einfache und informelle Weise und mit einer Einsicht, die aus den Handlungsprofilen abgeleitet worden ist, können Manager lernen, sich mehr als üblich bewußt zu machen, an welchem Punkt ihres Entscheidungsprozesses sie sich zum jeweiligen Zeitpunkt befinden. Manager können sich ganz einfach gegenseitig davon in Kenntnis setzen, wo sie gerade stehen, und ihre bereits hochentwickelten sozialen Fähigkeiten dazu benutzen, Mittel und Wege zu finden, um ihren jeweiligen Stil und ihren jeweiligen Entscheidungsfindungsprozeß aneinander anzugleichen. Sie können leicht lernen, einander den notwendigen Spielraum zu gewähren, um ihre jeweils eigenen besonders geschätzten Gebiete zu verdeutlichen. Sie können ebenfalls lernen, ihre Kollegen mehr im Hinblick auf die von diesen besonders bevorzugten Denkvorgänge zu Rate zu ziehen, insbesondere dann, wenn dies zur Bereicherung eines anderen führt, der für den Denkvorgang wenig Vorliebe zeigt. Auf eine stärker formalisierte Weise können Führungskräfte den Rahmen des Handlungsprofils als ein Konferenzverfahren verwenden, um den Ablauf der gemeinsamen Entscheidungsfindung bei Managerkonferenzen zu kontrollieren.

Verfahren zur Entscheidungskontrolle

1. Stellen Sie eine Tagesordnung auf: Setzen Sie alle Diskussionspunkte auf die Liste, und lassen Sie sich von allen anderen Konferenzteilnehmern Diskussionspunkte nennen. 2. Sorgen Sie dafür, daß jeder Diskussionspunkt entsprechend der Stufe des Entscheidungsprozesses, auf der er sich befindet, gekennzeichnet wird. Sorgen Sie außerdem dafür, daß die Entscheidungsstufe jedes Diskussionspunktes in der Tagesordnung angegeben wird. Ein Diskussionspunkt kann sich zum Beispiel auf folgenden Stufen befinden: * Aufmerksamkeit: eine neue Idee, eine Untersuchung, ein Überblick; * Absicht: Anerkennung eines Bedarfs oder eines Problems, der starke Wunsch, eine Idee oder ein Ziel weiterzuverfolgen; * Zielorientierung: Programmierung von Details sowie der nächsten Schritte. 3. In der Konferenz: Während die Konferenz von Diskussionspunkt zu Diskussionspunkt vorrückt, sollten Sie von den betroffenen Personen eine Erklärung darüber fordern, was sie von der Konferenz im Hinblick auf das Vorrücken dieses Diskussionspunktes zur nächsten Stufe erwarten. * Der Teilnehmer wünscht möglicherweise, daß der Diskussionspunkt weiter auf derselben Stufe bleibt, und erwartet vom Team lediglich Beiträge auf dieser Stufe: "Ich interessiere mich für X und würde gern Ihre Ideen dazu hören." Der Teilnehmer fängt also auf der Aufmerksamkeitsstufe an und möchte auch dort bleiben. * "Ich bin mir ziemlich sicher, daß X für uns ein Problem ist. Ich möchte es mit Ihnen diskutieren, um herauszufinden, ob wir uns darüber einigen können, was zu tun ist." Der Teilnehmer fängt hier bei der Stufe der Absicht an und möchte auch dort bleiben. * "Ich habe mit der Ausarbeitung eines Aktionsprogramms für das Projekt X begonnen und hätte gern Ihre Hilfe zur abschließenden Festlegung der Details." Hier fängt der Teilnehmer bei der Stufe der Zielorientierung an und möchte auch dort bleiben. * Möglicherweise möchte der Teilnehmer aber auch, daß der Diskussionspunkt mit Hilfe und Beteiligung des Teams um ein oder zwei Stufen vorrückt. * Möglicherweise hängt er fest und sucht Hilfe, um zu einer früheren Stufe zurückzukehren. 4. Bringen Sie jeden Teilnehmer dazu, daß er klar sagt, welche Stufen er selbst erledigen möchte und auf welcher Stufe er die Beteiligung des Teams wünscht.

Gesamtfaktoren
bei der Entscheidungsfindung

Zusätzlich zu den grundlegenden sechs Denkvorgängen und dem Interaktionsstil gibt es drei weitere relevante Faktoren, die das Restprofil modifizieren. Die einzelnen Manager unterscheiden sich nämlich auch hinsichtlich der bloßen Zahl der Entscheidungsfindungsprozesse oder -zyklen, die sie ohne Mühe initiieren oder gleichzeitig bewältigen können. Anders ausgedrückt: Sie unterscheiden sich hinsichtlich der "Last" der Entscheidungsfindung, die sie tragen wollen und tatsächlich tragen können, ohne überlastet zu sein. Falls Sie jemals das Gefühl gehabt haben, daß Sie an zu viele Dinge gleichzeitig denken mußten, haben Sie erlebt, was wir als "Entscheidungsüberlastung" bezeichnen. Die übliche Weise, auf die Manager mit der Überlastung fertig werden, besteht darin, daß sie Entscheidungen auf die lange Bank schieben oder hinauszögern. Was sie in Wirklichkeit zu tun versuchen, ist eine Verteilung von Entscheidungen über einen längeren Zeitraum, damit sie nicht so viele Entscheidungen zur selben Zeit treffen müssen. Dies darf nicht mit dem Verhalten eines Managers verwechselt werden, der nicht überlastet, sondern ganz einfach nicht zu exaktem Timing fähig ist. Dieser Manager wirkt oft so, als ob er Entscheidungen hinauszögert oder auf die lange Bank schiebt, in Wirklichkeit will er nur den Augenblick der endgültigen Zielorientierung hinauszögern oder, besser gesagt, ihn nicht initiieren, nicht aber den gesamten Entscheidungsprozeß. Ein Manager, der auf dem Gebiet des Timing nicht gut ist, kann möglicherweise tatsächlich über einer großen Anzahl von Entscheidungen brüten, die alle durchgearbeitet worden sind, aber immer noch auf das letzte Wort warten, um sie weiterzuverfolgen. Im Gegensatz dazu ist ein Manager, der tatsächlich überlastet ist, mit einer großen Anzahl von Gesamtentscheidungen befaßt; also mit Angelegenheiten, denen er noch nicht seine Aufmerksamkeit schenken konnte und bei denen er noch nicht imstande gewesen ist, den Entscheidungsprozeß in Gang zu setzen. Offensichtlich gibt es das Gegenteil der Entscheidungsüberlastung, das man als "Entscheidungsunterlastung" bezeichnen kann. Dies kann normalerweise nur passieren, wenn Hindernisse in der Organisation einen Manager davon abhalten, so viele Entscheidungsfindungsprozesse zu initiieren, wie er gern möchte und sogar muß. Manager leiden unter einer enormen Frustration und Demotivation, wenn sie sich in dieser unangenehmen Lage befinden. Die Bezeichnung, die wir der Bereitschaft eines Managers zur Initiierung einer Anzahl von Entscheidungsfindungszyklen zur selben Zeit gegeben haben, lautet "Dynamik". Wir messen die Dynamik auf einer Skala von eins bis zehn. Dabei haben wir herausgefunden, daß das durchschnittliche Ergebnis für einen Manager in einer höheren Position sechs bis sieben lautet, während Topmanager ein Ergebnis von acht bis zehn Punkten erzielen.

Vor- und Nachteile von Managern,
die anpassungsfähig sind

"Anpassungsfähigkeit" ist eine Eigenart, über die viel geredet wird, die hoch gelobt und als Charakteristikum eines guten Managers als unabdingbar angesehen wird. Die meisten Manager verwenden diese Bezeichnung ziemlich locker, so daß sie alles und jedes bedeuten kann. Man verwendet sie für Manager, die erfolgreich in demselben Land und in derselben Branche von einem Unternehmen zum anderen wechseln; ebenso für Manager, die erfolgreich von einer Rolle (zum Beispiel der des Controllers) in einer großen Organisation in einem Land in eine andere (zum Beispiel die des General Managers) einer kleinen Tochterfirma in einem anderen Land mit einer radikal anderen Kultur überwechseln. Verständlicherweise wollen Führungskräfte unbedingt sicherstellen, daß ein Kandidat, der eine Veränderung seiner Position oder seiner Umwelt durchmacht, in der neuen Umwelt ebenfalls erfolgreich sein wird. Es wäre sicher wünschenswert, wenn Manager eine Art persönlicher Eigenschaft hätten, die garantieren würde, daß sie in jeder Situation erfolgreich sind, egal wie groß die Veränderung ist, die sie durchmachen müssen. Manager haben diese magische Eigenschaft Anpassungsfähigkeit genannt und suchen immer noch nach ihr wie nach dem Stein des Weisen, obwohl sie in Wirklichkeit wissen, daß sie nicht existiert. Führungskräfte können indes herausfinden, ob eine bestimmte Person in einer bestimmten veränderten Position erfolgreich sein wird, aber nicht durch die Frage, ob die betreffende Person anpassungsfähig ist oder nicht. Man kann die richtige Antwort dadurch finden, daß man im Rahmen des Handlungsprofils eine sorgfältige Analyse der gegenwärtigen beruflichen Situation dieser Person und der neuen Stellung und Umwelt durchführt, in die diese Person überwechseln soll. Es muß sichergestellt werden, inwieweit Entscheidungsstil beziehungsweise Handlungsprofil der betreffenden Person mit den Erfordernissen der gegenwärtigen Situation harmoniert und ob derselbe Grad der Harmonie in der neuen beruflichen Situation gegeben sein wird. Wenn man dazu noch analysiert, ob Management- und Fachwissen, Erfahrung und Fertigkeiten den Kandidaten dazu befähigen werden, mit der neuen Situation fertig zu werden, wird man zu einer annähernd genauen Vorhersage gelangen, ob er erfolgreich sein wird oder nicht. Andererseits gibt es einen Typ von Entscheidungsstil oder Handlungsprofil, der in der Tat den Manager befähigen wird, bei fast jeder Art von Job oder Situation erfolgreich zu sein. Es ist der ausgeglichene Stil, bei dem der Manager gleichmäßig verteilte Vorlieben für jedes der sechs grundlegenden Gebiete hat. Um es noch wahrscheinlicher zu machen, daß ein Manager mit ausgeglichenem Handlungsprofil sich nahezu jeder beruflichen Situation anpassen kann, benötigt er einen Interaktionsstil, der außergewöhnlich flexibel ist und ihn dazu befähigt, sich jeder Interaktionsumgebung anzupassen, in der er sich befindet. Dies erreicht er dadurch, daß er bereit ist, jeweils 50 Prozent seiner Denkvorgänge in jeder der drei Stufen des Entscheidungsprozesses mitzuteilen oder für sich zu behalten. Das bedeutet, daß er kommunizieren kann, wann immer es nötig ist, zurückgezogen und unabhängig sein kann, wann immer es erforderlich ist, und sich während der restlichen Zeit jeder beliebigen Interaktion anpassen kann, die von anderen initiiert wird. Falls er zusätzlich dazu sechs bis acht Punkte auf der Dynamikskala erreicht (nicht zu hoch, nicht zu niedrig), scheint er für fast jede Position außerordentlich gut geeignet zu sein. In der Realität existieren solche Manager tatsächlich. Sie werden fast immer für Leute gehalten, die ihre Position angemessen ausfüllen, wo immer sie auch sein mögen, aber sie scheinen selten wirklich hervorragend zu sein. Ein Unternehmen tut jedoch gut daran, derartige Manager zu identifizieren und vorzumerken, daß sie zum Nutzen des Unternehmens und auch zu ihrem eigenen Nutzen hin- und herversetzt werden können, um Lücken zu stopfen und Notfälle zu überbrücken. Nachdem wir die Bedürfnisse der Manager analysiert hatten, um vorhersagen zu können, ob eine Person beim Wechsel von einer beruflichen Situation zu einer anderen erfolgreich sein kann, wandten wir unsere Aufmerksamkeit der Frage zu, ob es einen Entscheidungsfindungsstil gibt, der zu Recht "anpassungsfähig" genannt werden kann. Wir fanden heraus, daß es Manager gibt, die diesen Stil haben - wenn sie nämlich in abnehmender Reihenfolge die größte Präferenz im Entscheidungsprozeß für die Stufe der Aufmerksamkeit, die nächstkleinere für die Stufe der Absicht und die geringste für die Stufe der Zielorientierung haben. Dabei ergab sich zudem, daß diese Personen dazu neigen, nicht bloß mit sehr unterschiedlichen Situationen zurecht zu kommen, wie es beim ausgeglichenen Entscheidungsstil der Fall ist, sondern weiter voranzugehen und ihre Art zu denken und zu funktionieren tatsächlich zu "ändern", manchmal in sehr grundlegender Weise, um sich der neuen Situation anzupassen. Diese Personen bemühen sich so wie die Menschen zu werden, die sie vorfinden, und sich genauso wie sie zu verhalten. Dies ist auf ihren Wunsch zurückzuführen, ein umfassendes Verständnis der jeweiligen Situation, in der sie sich befinden, zu erlangen, bevor sie das Bedürfnis verspüren, über diese Situation zu urteilen oder gar Handlungen vorzunehmen. Daher tendiert ihr Anpassungsprozeß dazu, langsam, aber stetig zu verlaufen. Wenn ein Unternehmen international expandieren und in verschiedenen Ländern mit ganz verschiedenen Kulturen operieren möchte, ist es nicht unbedingt angezeigt, daß alle Manager sich ganz an die Sitten und Gebräuche anpassen, die sie vorfinden. Falls Manager sozusagen wie die "Einheimischen" werden, muß dies nicht unbedingt den Interessen des Unternehmens förderlich sein. Wenn Manager aber andererseits ins Ausland gehen und die Sitten und Gebräuche der einheimischen Bevölkerung völlig ignorieren und auch noch erwarten, den Betrieb genauso wie zu Hause leiten zu können, dann besteht ebenfalls nur eine geringe Erfolgschance. Wir haben herausgefunden, daß diese Manager einen Entscheidungsfindungsstil haben, der dem des anpassungsfähigen Managers entgegengesetzt ist. Der nicht anpassungsfähige Manager hat die geringste Vorliebe für die Stufe der Aufmerksamkeit, zieht eher die Stufe der Absicht und am meisten die Stufe der Zielorientierung im Entscheidungsprozeß vor. Ein solcher Manager ist nicht anpassungsfähig, weil er bei Konfrontation mit einer neuen Situation zunächst einmal intuitiv aufspüren möchte, wo es Aussichten und Chancen für irgendeine Art von Fortschritt gibt, und dann vorankommen will. Weil er auch nicht gewillt ist, Zeit und Energie aufzuwenden, um der neuen Situation wirklich Aufmerksamkeit zu schenken und sie zu verstehen, muß er Handlungen auf der Grundlage seiner vergangenen Erfahrungen vornehmen. Von den Lösungen, die aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen funktioniert haben, erwartet er, daß sie hier ebenfalls greifen. Der Arbeitsstil des nicht anpassungsfähigen Managers kann allerdings auch große Vorteile mit sich bringen. Falls die neue Situation zufällig genau zu den Lösungen, die er in seinen vergangenen Positionen gelernt hat, paßt, wird er sich schnell in die neue Lage hineinfinden, rasch Maßnahmen ergreifen, die richtigen Lösungen durchsetzen und überragend erfolgreich sein. Der zweite Gesamtfaktor im Handlungsprofil ist also die "Anpassungsfähigkeit", die als Bereitschaft definiert wird, die eigene Haltung und Funktionsweise zu verändern, um sie mit einer neuen Situation in Einklang zu bringen. Wir klassifizieren sie als groß, mittel und gering. Schließlich haben wir bemerkt, daß Manager sich voneinander hinsichtlich des Grades unterscheiden, in dem sie sich mit der Handlung und der auf die Entscheidungsfindung bezogenen Aktivität, die in ihrer Umgebung stattfindet, identifizieren wollen. Einige Manager scheinen etwas zu haben, was als "Handlungsempathie" bezeichnet werden kann. Sie fühlen sich zur jeweiligen Aktion, die sich in ihrer Nähe und um sie herum ereignet, hingezogen und wollen involviert sein. Eine gute Methode, sich ein genaues Bild dieser Handlungsempathie zu verschaffen, besteht darin, sich eine Gruppe von Kindern vorzustellen, die zusammen spielen. Wenn ein Kind anfängt, im Kreis herumzulaufen, tun die anderen es ihm nach. Wenn ein Kind anfängt, in die Hände zu klatschen, klatschen die anderen auch. Alle Kinder identifizieren sich gern. Man kann auch sagen, daß sie sich gegenseitig mit ihrer Energie anstecken. Erwachsene scheinen diese Eigenart, sich identifizieren zu können, in unterschiedlichem Ausmaß beibehalten zu haben. Manager, die sich gern identifizieren, haben eine "kindliche" Spontaneität und Bereitschaft, sich von jeder Sache, die gerade läuft, begeistern zu lassen. Die "Identifikation" unterscheidet sich von der Interaktion der Mitteilung, denn während diese bedeutet, daß man seine Denkvorgänge anderen Menschen auf den verschiedenen Stufen eines Entscheidungsfindungsprozesses tatsächlich mitteilt, besteht die Identifikation einfach darin, ein verallgemeinertes Gefühl des Involviertseins und des Enthusiasmus hervorzubringen beziehungsweise darauf einzugehen. Die Identifikation erzeugt ein generelles Gefühl, daß "wir alle in einem Boot sitzen", ohne daß spezifische Denkvorgänge mitgeteilt werden. Der Fußballtrainer, der sich bemüht, seine Mannschaft vor dem Spiel aufzupeitschen und in Begeisterung zu versetzen, versucht, einen sehr hohen Grad an Teamidentifikation zu erzeugen. In einer weniger extremen Form kann ein Manager, dessen Identifikationsgrad hoch ist, einen Teamgeist, eine Teamidentität und ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl unter seinen Mitarbeitern erzeugen. Offensichtlich ist dies ganz besonders vorteilhaft für Verkaufsteams und hat auch auf vielen anderen Managementgebieten Vorteile. Der Manager, dessen Identifikationsgrad niedrig ist, wird ebenfalls nützliche Beiträge leisten, da er dazu neigt, sich fern und unnahbar zu halten, und daher objektiver sein kann, als seine Kollegen mit hohem Identifikationsvermögen. Zusammenfassend gesagt, gibt es drei Gesamtfaktoren im Handlungsprofil: * "Dynamik", auf einer Skala von eins bis zehn gemessen; * "Anpassungsfähigkeit", charakterisiert als hoch, mittel und niedrig; * "Identifikation", klassifiziert in hoch, mittel und niedrig.

Stärken und Schwächen
im Entscheidungsfindungsstil oder Handlungsprofil von Managern

Inzwischen ist es wahrscheinlich offensichtlich geworden, daß es Vor- und Nachteile bei vielen Aspekten der individuellen Entscheidungsstile gibt und daß es immer von den besonderen Bedürfnissen und Situationen abhängt, wie wertvoll ein bestimmter Manager mit einem bestimmten Handlungsprofil ist. Um noch genauer zu sein: In jedem Aspekt des Handlungsprofils eines Managers gibt es Stärken und Schwächen, sowohl bei den hohen als auch bei den niedrigen Graden im Handlungsprofil. Für Organisationen, die den größtmöglichen Nutzen aus den Entscheidungsfindungspräferenzen, die im natürlichen Verhaltensmuster ihrer Manager enthalten sind, erzielen wollen, ist es wichtig zu erkennen, daß auch ein als "niedrig" gemessenes Gebiet im Entscheidungsprozeß potentiell eine Stärke im gesamten Entscheidungsfindungsstil des Managers sein kann. Es ist wichtig, daß ein Unternehmen den einzelnen Manager ermutigt, den ihm eigenen Entscheidungsfindungsstil auszuleben, weil sonst sogar die von ihm stark bevorzugten Entscheidungsgebiete sich eher als Schwächen denn als Stärken erweisen. Der Schlüssel zum richtigen Einsatz des Managers, so daß sowohl die als niedrig als auch die als hoch eingestuften Gebiete im Handlungsprofil des Managers als Stärken funktionieren, liegt in der Genauigkeit, mit der ein Gleichgewicht zwischen der Rolle, die gewisse Entscheidungsgebiete erfordern, und dem Grad erzielt wird, in dem der Manager hohe Präferenzen auf diesen Gebieten hat. Kehren wir zu Oliver Street (Abbildung 1) zurück, um aus seiner geistigen Energie sowie seinem Mitteilungspotential und der Ausprägung der Faktoren Dynamik, Anpassungsfähigkeit und Identifikation ein Gesamt-Handlungsprofil zu erstellen (Abbildung 4).

Aus diesem Handlungsprofil lassen sich für den Entscheidungsstil von Oliver Street folgende Stärken und Schwächen ableiten:

Stärken

* Er ist ausdrücklich dynamisch (hoher Grad von Bestimmung, Timing und Dynamik). * Er hat einen ausgeprägten Trieb, das zu erreichen, was er sich in den Kopf gesetzt hat (hoher Grad von Bestimmung, mittlerer Grad von Antizipation). * Er hat keine Angst, unpopuläre Standpunkte zu vertreten und unpopuläre Handlungen vorzunehmen (niedriger Grad bei allen Aktivitäten, die darauf gerichtet sind, eine Perspektive zu gewinnen, nämlich Exploration, Bewertung, Antizipation). * Er hat keine Angst davor, mit seinem Standpunkt allein dazustehen und ihn gegenüber anderen oder gegen Widerstand durchzusetzen (hoher Grad von Bestimmung, recht niedriger Grad von Mitteilung auf allen Ebenen). * Er bekämpft Widerstand und kämpft auch danach weiter (hoher Grad von Bestimmung bei 50 Prozent Absichtsmitteilung). * Er braucht keine Unterstützung anderer (hoher Grad von Bestimmung, eher niedriger Grad von Mitteilung auf allen Ebenen).

Schwächen

* Er kann zu bestimmend sein. Er neigt dazu, seinen eigenen Standpunkt durchzudrücken, ohne die Standpunkte anderer miteinzubeziehen (niedriger Grad von Exploration). * Er kann möglicherweise unaufrichtig oder eigensüchtig aufgrund der Art seiner Handlungen wirken (70 Prozent Privatheit bei der Zielorientierung). * Viele Leute halten ihn möglicherweise für anmaßend (niedriger Grad von Perspektive auf allen Ebenen und niedriger Grad in der Mitteilung auf allen Ebenen). * Er ist kaum in der Lage, Alternativen hervorzubringen und zu bewerten (niedriger Grad von Exploration und Bewertung). * Er kann unrealistisch sein. Seine Entschlußkraft steht möglicherweise in keinem Verhältnis zur Bedeutung dieses Bedürfnisses (hoher Grad von Bestimmung bei niedrigem Grad von Bewertung). Angesichts dieser Stärken und Schwächen kann die Art von Aufgaben, für die er am besten geeignet ist, folgendermaßen definiert werden: 1. Es sollte eine Rolle sein, die bereits etabliert ist und festgelegte Grenzen, Parameter und Vollmachten hat. 2. Es sollte eine Rolle sein, die viel Pioniergeist und Überzeugungsfähigkeit erfordert. 3. Es sollte eine Rolle sein, die handlungsorientiert ist und konstruktiven Wettbewerbssinn zuläßt. 4. Es sollte eine Rolle sein, die ein großes Maß von Unabhängigkeit innerhalb vereinbarter Grenzen zuläßt. 5. Es sollte eine Rolle sein, die umfassend genug ist, um viele intensive Initiativen zur Entscheidungsfindung zuzulassen. 6. Es sollte eine Rolle sein, die ihrem Inhaber nicht abverlangt, seinen Horizont zu erweitern, Alternativen hervorzubringen oder eine große Anzahl verschiedener Gesichtspunkte miteinzubeziehen. 7. Die Rolle sollte keinen Diplomaten erfordern.

Nutzung der Stärken und Abwehr
der Schwächen, die sich aus einem bestimmten Handlungsprofil ergeben

Abgesehen davon, daß Unternehmen versuchen sollten, die jeweiligen Rollen für ihre Manager so angemessen wie möglich zu gestalten, gibt es viele andere Maßnahmen, die Führungskräfte selbst, ihre Kollegen und ihre Vorgesetzten treffen können, um das meiste aus dem eigenen Stil zu machen. Die Maßnahmen können darin bestehen, sich auf komplementäre Entscheidungsgebiete von Kollegen zu verlassen, bestimmte Arten von strukturierten Konferenzen durchzuführen, gewisse Disziplinen und Systeme zur Herstellung eines Gleichgewichts einzurichten, angemessene Komplementärtechniken zu lernen, gewohnheitsmäßig bestimmte Arten von Fragen zu stellen sowie gewisse kurzfristige Entwicklungserfahrungen zu machen.

Handlungsprofile decken verborgene
Vorurteile bei der Entscheidungsfindung im Topmanagement auf

Ein weiterer einzelner und höchst wichtiger Beitrag, den Handlungsprofile zum Funktionieren einer Organisation leisten können, bezieht sich auf die Spitze eines Unternehmens, den Managing Director oder Chief Executive und die Manager, die mit ihm zusammen versuchen, das Schicksal des Unternehmens zu beeinflussen und zu kontrollieren. Handlungsprofile können zur Prüfung benutzt werden, ob die Verbindung der Entscheidungsfindungsstile im Team in angemessener Weise alle sechs lebenswichtigen Gebiete des Entscheidungsfindungsprozesses abdeckt. Dies kann ganz einfach dadurch erreicht werden, daß man sich die Handlungsprofile der Topmanager vornimmt, ihre Punkte in jedem der sechs Entscheidungsgebiete addiert, den Durchschnitt ermittelt und schließlich überprüft, wie ausgeglichen das sich daraus ergebende Handlungsprofil des gesamten Teams ist. Wir haben bisher mehr als 400 verschiedene Topmanagementteams in verschiedenen Branchen und verschiedenen Ländern untersucht und dabei mehr und mehr Beweise für eine starke Korrelation gefunden, die zwischen den Problemen und Fehlschlägen eines Unternehmens auf der einen Seite und einer niedrigen Punktzahl (unter zehn Prozent) in einem oder mehreren Entscheidungsgebieten im Handlungsprofil des Topmanagements besteht. Einfach gesagt sieht es so aus, daß bei einem Abfall von einem der sechs lebenswichtigen Entscheidungsgebiete im Handlungsprofil des Topmanagementteams unter zehn Prozent das Unternehmen entweder Schwierigkeiten hat oder in Schwierigkeiten geraten wird. Abbildung 5 zeigt den Teamdurchschnitt der Führungsspitze einer kleinen Industriefirma. Das Unternehmen ist von vornherein schlecht konzipiert, zu ambitioniert aufgebaut und hat eine viel zu große Fabrik, um gut geführt werden zu können. Das Team, das aus fünf Managern besteht, ist bereits seit fünf Jahren im Amt und scheint nicht imstande zu sein, die bedrängte Lage des Unternehmens in irgendeiner Weise verändern zu können. Das verwundert nicht, wenn man weiß, daß das Team ein unentdecktes Vorurteil gegenüber dem Timing und der Bewertung bei der Entscheidungsfindung hat. Nur ein Manager erzielt beispielsweise einen Wert von 15 Prozent für Timing, alle anderen liegen noch viel niedriger. Während ein Manager allein sich bewußt und beständig darum bemühen kann, Maßnahmen gegen ein individuelles Ungleichgewicht zu ergreifen, ist es in einem Team aufgrund der bloßen Kombination der Energie, die aus den vernachlässigten Gebieten wegstrebt, für den einzelnen nahezu unmöglich, die mangelnde Balance zu korrigieren. Selbst wenn das Team sich gemeinsam darum bemüht, ist der natürliche Drang weg von dem ungeliebten Gebiet und hin zu den von allen vorgezogenen Gebieten nahezu unwiderstehlich. Es gibt jedoch einige Maßnahmen, die ergriffen werden können, um ein derartiges Ungleichgewicht zu überspielen. 1. Bewußtheit: Die Durchsicht und Diskussion der Handlungsprofile führt zu mehr Verständnis und bringt Manager dazu, Gebrauch von ihren Stärken zu machen und sich mehr auf die Stärken ihrer Kollegen zu verlassen. Die Vernachlässigung der eigenen Stärken und das unnötige Hervorheben der eigenen Schwächen wird eingeschränkt. Regelmäßige und organisierte Sitzungen oder Seminare zur Überprüfung, die Tagesordnungspunkte in der Weise behandeln, wie sie angesichts der Handlungsprofile geraten erscheinen, dienen der Aufrechterhaltung des Bewußtseins für ihre Anwendbarkeit. 2. Neue Mitarbeiter: Falls Mitglieder des Teams gehen oder neue Leute hinzukommen, kann die Gelegenheit dazu genutzt werden, das Gleichgewicht des Teams zu verbessern beziehungsweise Ungleichgewichte abzubauen. 3. Neubeschreibung von Rollen: Dem Mitglied, das auf dem Gebiet am stärksten ist, auf dem das Team als Ganzes am schwächsten ist, kann mehr Macht und Verantwortung auf diesem Gebiet gegeben werden. 4. Kontrollen: Systematische Kontrollen können dazu beitragen, ein Übermaß in einem Entscheidungsgebiet abzubauen, aber nur wenn eine höhere Autorität die Kontrollmaßnahmen ständig überwacht. 5. Lerntechniken: Das Erlernen einer angemessenen Technik kann das Fehlen eines Entscheidungsgebietes kompensieren, wenn das Team sie bei strikter Disziplin gegenüber sich selbst einsetzt. 6. Strategie: Die Unternehmensstrategie kann geändert werden, um den Entscheidungsfindungsstil des Unternehmens stärker auszunutzen. Möglicherweise muß auch die Zusammensetzung des Teams verändert werden, um es einer notwendigen Strategie anzupassen. 7. Mehr Einfluß für einzelne Manager: Es gibt Möglichkeiten, einem Mitglied des Teams, das eine Präferenz für ein Entscheidungsgebiet hat, die im Team zu schwach entwickelt ist, mehr Macht und Einfluß zu gewähren, ohne seine Rolle formal neu zu beschreiben (siehe Punkt 3). 8. Bildung kleinerer Einheiten: Man kann zwei oder mehr Mitglieder des Teams identifizieren, die zusammen auf einem bestimmten Entscheidungsgebiet ein besseres Gleichgewicht als das gesamte Team haben, und sie als Projektteam zur Behandlung des Entscheidungsgebietes einsetzen, das das Team in seiner Gesamtheit zu wenig beachtet. 9. Verwertung von Möglichkeiten zur verbesserten Komplementierung von Stärken: Hierbei handelt es sich um eine spezifische Anwendung von Punkt 1 (Bewußtheit). Das Ziel besteht darin, Funktionsweisen im Team zur besseren Nutzung des Potentials der einzelnen Mitglieder des Teams zu finden, damit diese sich auf Entscheidungsgebieten, auf denen einer stark und der andere schwach ist, gegenseitig ergänzen können. Eine drastischere Maßnahme besteht darin, eines der Mitglieder des Teams durch einen Manager zu ersetzen, der einen komplementäreren Stil hat. Im Fall von Conti Limited wurde dies auch getan. Die Situation war bereits so kritisch, daß der Managing Director in eine andere Position versetzt und durch einen Manager ersetzt wurde, der ein ausgleichendes Handlungsprofil hatte. Dieser Managing Director war imstande, das im Timing-Bereich bestehende Ungleichgewicht angemessen auszugleichen. Eine recht niedrige Präferenz des Teams für die Bewertung bestand jedoch weiter fort. Um dieses Gebiet zu verbessern, mußten gewisse Disziplinen und Techniken zur Identifizierung der gegenwärtigen Bedürfnisse und Probleme und das regelmäßige Niederschreiben des Für und Wider verschiedener Handlungsvorschläge institutionalisiert werden. Der neue Managing Director hatte eine sofortige und fast magische Wirkung auf das Team. Die Manager waren so erleichtert, daß jemand für sie die Initiative ergriff und die Führung auf diesem Gebiet übernahm, von dem sie intuitiv gewußt hatten, daß sie es nur mangelhaft bearbeiteten. Endlich sorgte jemand dafür, daß etwas geschah, trieb die Handlung voran und sorgte für Fortschritte in der Planung, die so lange vernachlässigt worden war. Je mehr wir mit Topmanagementteams arbeiten, desto mehr sind wir davon überzeugt, daß sich hinter vielen scheinbar unlösbaren Problemen ein unausgeglichenes Handlungsprofil des Topmanagements oder eines entscheidend wichtigen Fachteams verbirgt. Das Ungleichgewicht erzeugt ein unerkanntes Vorurteil, das die Manager ständig dazu veranlaßt, richtige Entscheidungen zu unterlassen oder zu übersehen, mit deren Hilfe sie Maßnahmen zur Lösung des Problems treffen könnten.

Pamela Ramsden
Zur Ausgabe
Artikel 2 / 15
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren