
Lead Forward Hat Ihr Vorgänger geführt wie Lord Voldemort?


Liebe Leserin, lieber Leser,
"Ich versuche alles, damit die Leute mir offen und ehrlich Feedback geben", erzählte mir eine Führungskraft. "Ich teile meine eigenen Unsicherheiten. Ich stelle Fragen. Ich versuche die stillen Kolleginnen und Kollegen einzubinden, aber ich habe das Gefühl, ich renne gegen eine Mauer." Die Mitglieder ihres Teams versuchten vor allem zu antizipieren, was die Chefin wolle – und ansonsten nicht weiter aufzufallen.
Mit Angst in Teams ist es manchmal wie mit dunklen Familiengeheimnissen. Auch wenn wir selbst wertschätzend und offen auftreten, können wir die Furcht, die unser Vorgänger verbreitet hat, vererbt bekommen. Wenn der alte Chef wie Lord Voldemort Angst und Schrecken verbreitet hat oder - etwas weniger blutig - über Druck, Manipulation und Kontrolle geführt hat, steckt die Angst noch immer hinter jedem Aktenschrank.
Überlegen Sie mal, welche Geschichten Sie an der Kaffeemaschine und auf der Firmenfeier hören. Sind darunter solche, in denen Menschen angebrüllt oder erniedrigt werden? Diese Erzählungen leben weiter, selbst wenn die Protagonisten das Unternehmen längst verlassen haben – oder wenn es sich um urbane Mythen handelt. "Wer ein Unternehmen verändern will, muss Ausdauer mitbringen", sagt Amy Edmondson, Harvard-Professorin und Mitbegründerin des Konzepts der psychologischen Sicherheit. "Sie müssen Vorbild sein – und die Geschichten umschreiben, die sich die Menschen erzählen."
Welche Geschichten erzählen sich Ihre Kollegen?
Bei Google werden Entwickler nach gescheiterten Projekten bewusst befördert – wegen der Skills, die sie gelernt haben. Aber eben auch, weil diese Beförderungen etwas über die Fehlerkultur des Unternehmens erzählen. Bei IBM wird bis heute eine Geschichte weitererzählt, die Jahrzehnte zurückliegt: Ein Manager hatte einen teuren Fehler gemacht (die Höhe des verursachten Schadens variiert, wie bei jeder überlieferten Geschichte. Mal sind es 50.000 Dollar, mal zehn Millionen Dollar). Sicher ist, dass der Manager zum damaligen IBM-Chef Tom Watson zitiert wurde und fest damit rechnete, entlassen zu werden. Doch Watson plauderte erst einmal.
"Können wir die Kündigung einfach hinter uns bringen?", soll der Manager den CEO gebeten haben. "Warum sollte ich Sie feuern?", fragte Watson. Und fügte hinzu: "Wir haben doch gerade viel Geld für Ihre Ausbildung ausgegeben."
Egal, ob es nun 50.000 oder zehn Millionen Dollar Verlust waren. Die Geschichte enthält eine wichtige Botschaft darüber, wie die Organisation mit Fehlern umgeht. Sie wurde – auch das ist entscheidend – bei IBM als glaubhaft empfunden und nicht als Lügenmärchen. Daher wurde sie weitergetragen.
Menschen erzählen sich Geschichten, seit es Lagerfeuer gibt. Sorgen Sie dafür, dass die Veränderungen, die Sie im Team anstoßen, auch wahrgenommen werden:
Teilen Sie (nach Absprache) Geschichten von Mitarbeitenden, die einen Fehler gemacht und daraus etwas Wichtiges gelernt haben.
Erzählen Sie Geschichten über Ihre eigenen Rückschläge.
Belohnen Sie Kollegen, die Ihnen eine schlechte Nachricht überbringen.
Mit jeder Geschichte schreiben Sie die Zukunft Stück für Stück neu.
Noch mehr zum Thema psychologische Sicherheit hören Sie in unserer aktuellen Podcast-Folge mit Amy Edmondson "Wie wir lernen, im Team über Fehler und Ängste zu sprechen". Die Folge finden Sie unter "Team A – der ehrliche Führungspodcast" in allen Podcast-Apps oder auf unserer Website.
Und noch ein Tipp zum Thema Karriere: Mein Kollege Lukas Schürmann von manage forward hat einen neuen E-Mail-Kurs zusammengestellt, wie Sie Ihr Gehalt klug verhandeln. Der Kurs ist kostenlos – zur Anmeldung geht es hier.
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Herzliche Grüße,
Antonia Götsch
Chefredakteurin Harvard Business manager

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