Von Eike Batista bis Gisele Bündchen So deutsch ist Brasiliens Wirtschaft

Als der Stromkonzern Eon 2012 in Brasilien einstieg, wurde Eike Batista noch als idealer Partner vorgestellt. Der Sohn einer Hamburgerin und eines brasilianischen Bergbauveteranen wuchs in Düsseldorf auf und studierte in Aachen, bevor er dem Goldrausch zum Amazonas folgte. Zwischenzeitlich galt er als siebtreichster Mensch der Welt. Heute ist sein Selfmade-Imperium zerfallen, Eon hat die Kontrolle seiner Stromfirma übernommen. Zur WM spielt Batista aber noch eine Rolle: als Miteigentümer des Finalstadions Maracanã.

Dass die Fifa das Alkoholverbot in Brasiliens Stadien für die WM kippte, liegt in seinem Interesse: Carlos Brito ist Chef des weltgrößten Getränkekonzerns AB Inbev, der neben Marken wie Beck's oder Corona auch das offizielle WM-Bier Budweiser braut. Dank dem Konzernsitz in Belgien ist AB Inbev die wertvollste Aktiengesellschaft der Euro-Zone, das Sagen haben aber Brasilianer wie der frühere Daimler-Manager Brito. Entstanden ist das Konglomerat aus der Fusion der brasilianischen Großbrauereien Antarctica und Brahma, die von deutschen und Schweizer Einwanderern gegründet wurden. Größter Aktionär ist der Schweiz-Brasilianer Jorge Paulo Lemann, nach Batistas Niedergang wieder der Reichste im Land.

Die Arena Fonte Nova in Salvador, wo das deutsche Team seinen Auftaktsieg gegen Portugal feierte, hat Odebrecht gebaut, ebenso wie einige weitere WM-Stadien. Für den Baukonzern, der 170.000 Menschen beschäftigt und sich zum Global Player aufschwingt, dient die Sportstätte dem Prestige - auch wenn Demonstranten jetzt Firmenbüros stürmen. Seit der Gründung 1944 sitzt die Familienfirma (heute geführt von Marcelo Odebrecht) in Salvador. Die Firmenchronik reicht aber bis 1856 zurück, als der Ingenieur Emil Odebrecht im Zug der deutschen Einwanderung nach Südbrasilien kam.

Ebenso wie Fußballlegende Pelé ein Symbol des Landes ist Oscar Niemeyer, einer der einflussreichsten modernen Architekten. Den deutschen Namen, der zum Markenzeichen wurde, hatte er von der Großmutter aus Hannover. Niemeyer, der 2012 mit 104 Jahren starb, hat neben dem kompletten Regierungsviertel Brasílias noch etliche andere Bauten mit charakteristischen Rundungen hinterlassen. Und noch immer wächst sein Werk: Das von Niemeyer entworfene Pelé-Museum in Santos wurde an diesem Montag eröffnet.

Gisele Bündchen führt seit sieben Jahren die "Forbes"-Rangliste der bestverdienenden Models an. Die in den USA lebende Brasilianerin hat sich neben lukrativen Werbeverträgen auch mit eigenen Modelabels eine unternehmerische Existenz aufgebaut. Bündchen stammt aus Horizontina nahe der argentinischen Grenze, wo auch noch ein Dialekt namens Riograndenser Hunsrückisch gesprochen wird. Aus der gleichen Gegend kommt auch Fußballlegende Dunga, genannt "der Deutsche".

Umsatzmäßig bedeutender sind die Beiträge deutscher Konzerne zur brasilianischen Wirtschaft. Volkswagen ist mit sechs Werken im Land vertreten, die ersten "Fuscas" (Käfer, wie hier WM-lackiert in Manaus) rollten 1953 nahe São Paulo vom Band. Der VW Gol führt seit 1987 die Bestsellerlisten an. Volkswagen verkauft in Brasilien mehr Autos als in Deutschland, auch wenn der Marktanteil dort nicht so hoch ist. Die Konzerntochter Audi baut jetzt auch ein Werk in Brasilien, ebenso wie die Wettbewerber BMW und Daimler.

Deutsche Wurzeln hat auch André Bier Gerdau Johannpeter. Wenn er nicht als Reiter Olympiamedaillen für Brasilien holt, führt er in Porto Alegre den Stahlkonzern Gerdau. Mit zahlreichen Zukäufen in Nord- und Südamerika ist Gerdau zum größten Langstahlproduzenten des Kontinents aufgestiegen, und zum größten Recycler: Gerdau setzt vor allem auf das Elektrostahlverfahren, für das Schrott statt Eisenerz als Rohstoff dient. Mit 19 Millionen Tonnen Jahresproduktion liegt Gerdau weit vor dem größten deutschen Hersteller ThyssenKrupp (12,5 Millionen). Firmenahn Johannes Heinrich Kaspar Gerdau kam 1869 als Bauernsohn von Hamburg nach Brasilien und stieg über den Einzelhandel zum Besitzer einer Nagelfabrik auf.

Die Modekette Lojas Renner zählt mit mehr als 200 Filialen zu den Größen im brasilianischen Einzelhandel. Auch Renner sitzt in Porto Alegre und führt seinen Namen auf deutsche Einwanderer zurück, hat mit der Gründerfamilie des 1888 bereits in Brasilien geborenen Textilfabrikanten Antônio Jacob Renner aber nicht mehr viel zu tun.

Im Bekleidungsgeschäft aktiv ist auch die Companhia Hering, die ebenso wie Gerdau oder Lojas Renner im brasilianischen Börsenindex Ibovespa notiert. Die 1880 von den Brüdern Bruno und Hermann Hering gegründete Firma produziert ihre Textilien immer noch in Blumenau, einer Hochburg der deutschstämmigen Brasilianer im südlichen Bundesstaat Santa Catarina. Die Geschäfte führt weiterhin die Familie Hering.

Der Flugzeughersteller Embraer wird nicht nur von Präsidentin Dilma Rousseff als urbrasilianische Erfolgsgeschichte gewürdigt. Einer der wenigen ernst zu nehmenden Verfolger der Branchenriesen Airbus und Boeing entstand aus den technischen Instituten der Luftwaffenbasis von São José dos Campos. Deutsche Aufbauhilfe gab es dabei auch: In den 50er Jahren konstruierte das Team des Bremer Luftfahrtunternehmers Henrich Focke die ersten brasilianischen Hubschrauber wie Beija-Flôr (Kolibri).

Kein Milliardenkonzern, aber dennoch eine Ikone der brasilianischen Wirtschaft und zumindest jedem Rio-Touristen geläufig ist H. Stern. Der auf Diamanten spezialisierte Juwelier geht auf den Edelsteinhandel von Hans Stern zurück, der als Jude 1939 vor den Nazis nach Brasilien floh. Sein Sohn Roberto steht heute an der Spitze des Unternehmens.

Auch Industriekonzerne wie Siemens, BASF oder Bosch sind seit Jahrzehnten mit eigener Produktion vertreten. Zu den neueren Zugängen zählt ThyssenKrupp mit dem 2010 eröffneten Stahlwerk nahe Rio de Janeiro. Diese größte deutsche Direktinvestition der jüngeren Geschichte verlief allerdings eher glücklos. Der Konzern versenkte mit Baukosten, Abschreibungen und Betriebsverlusten bisher mehr als zehn Milliarden Euro im Mangrovensumpf. Ein Verkaufsversuch scheiterte.

Umgekehrt sind Investitionen brasilianischer Unternehmen in Deutschland noch eher rar. Zu ThyssenKrupps Wettbewerber CSN gehört seit 2012 das Stahlwerk Thüringen in Unterwellenborn. Konzernchef Benjamin Steinbruch trägt zwar einen deutschen Namen, die im Textilgeschäft und dann über Privatisierungen staatlicher Eisen- und Stahlfirmen reich gewordene Familie stammt aber von russischen Juden ab.