Sanieren oder zerlegen Wer will was im Streit um Thyssenkrupp

Die Fusion der Stahlsparte von Thyssenkrupp mit Tata Steel Europe steht kurz vor dem Abschluss. Zur Ruhe kommt der Ruhr-Konzern deswegen aber noch lange nicht - nun sorgt eine Attacke des US-Hedgefonds Elliott für Unruhe Die wichtigsten Akteure und ihre Interessen im Überblick:

Paul Singer (rechts), Gründer des US-Hedgefonds Elliott, baut nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg derzeit einen Minderheitsanteil an Thyssenkrupp auf. Der aktivistische Investor, so heißt es, dränge auf die Zerschlagung des Konzerns und auf die Absetzung von Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger (links). Elliott ist nicht der einzige Investor, der die Zerschlagung des Industriekonzerns fordert ...

Der amtierende Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger kann immerhin als Erfolg verbuchen, dass es den Konzern überhaupt noch gibt. In seiner Amtszeit seit 2011 wurden die verlustreichen Stahlwerke in Brasilien und den USA verkauft und die Überschuldung Thyssenkrupps knapp abgewendet. Nach jahrelangem Ringen hat Hiesinger sich auch mit dem indischen Tata-Konzern auf die Fusion der jeweiligen europäischen Stahlgeschäfte ab Anfang 2018 geeinigt, um Kosten zu sparen und Kapital für Investitionen in renditestärkere Sparten freizumachen. Dass wieder etwas steigende Stahlpreise neuerdings auskömmliche Margen ermöglichen, "davon lassen wir uns nicht blenden", beharrt Hiesinger.

Der schwedische Finanzinvestor Cevian mit seinem Deutschland-Chef Jens Tischendorf im Thyssenkrupp-Aufsichtsrat ist mit knapp 20 Prozent zweitgrößter Aktionär. Der wohlwollende Begleiter der Linie Hiesingers schlägt inzwischen aber radikalere Töne an. Cevian-Gründer Lars Förberg bemängelt öffentlich, Hiesingers Strategie habe nicht annähernd die versprochenen Gewinnmargen gebracht. Man warte seit vier Jahren darauf. Nun sollten auch die lukrativen Sparten wie das Aufzuggeschäft vom Konzern gelöst werden. Einzeln seien die Thyssenkrupp-Teile mehr wert als das Ganze. Unmittelbar vor der Hauptversammlung 2018 schmähte er die Konzernzentrale gar als "Wasserkopf". Mit seinem Antrag auf Zerschlagung des Konzerns konnte sich Cevian jedoch nicht durchsetzen.

"Eine Zerschlagung des Konzerns ist überhaupt kein Thema", versicherte Aufsichtsratschef Ulrich Lehner im Dezember im "Handelsblatt" - und schlug scharfe Töne gegenüber Cevian an: Dieser "schade dem Unternehmen". Der frühere Henkel-Chef ist Multiaufsichtsrat, er führt auch das Kontrollgremium der Deutschen Telekom und setzt auf Konsens.

Noch mehr gilt das für Ursula Gather, die als Chefin der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung die Ankeraktionärin darstellt. Rendite und die (allmählich wieder fließenden) Dividenden sind wichtig für die Kulturarbeit der Stiftung im Ruhrgebiet, zugleich gilt Gather aber auch als Garantin für den Bestand des letzten großen Industriekonzerns im Revier. Nun zieht die Rektorin der Technischen Universität Dortmund auch persönlich in den Aufsichtsrat - und könnte Cevian dort Paroli bieten.

Oliver Burkhard verdankt seine Berufung zum Vorstand von Thyssenkrupp der IG Metall, die er früher in Nordrhein-Westfalen führte - eine Besonderheit der Montanmitbestimmung. Das half Burkhard sicher, die heikelste Aufgabe in Hiesingers Team zu bewältigen: die über die Stahlfusion aufgebrachten Arbeiter zu beruhigen. Kurz vor Weihnachten 2017 konnte Burkhard ein Paket präsentieren, das zumindest die Gewerkschaft ruhig stimmt - mit Beschäftigungsgarantien bis 2026 und einem bis dahin garantierten Thyssenkrupp-Anteil von 50 Prozent an dem Joint-Venture sowie Mindestsummen an Investitionen.

ThyssenKrupp-Betriebsratschef Wilhelm Segerath hatte anfangs klare Kante gegen Thyssen-Tata gezeigt: "Das machen wir nicht mit." Es gehe Hiesinger nur darum, Schulden und Pensionsverpflichtungen außerhalb der Bilanz abzulagern, dafür werde die Wurzel des Konzerns gekappt und die Zukunft der Stahlproduktion zur Disposition gestellt. Inzwischen sieht es nach mehreren Protestwellen mehr nach Mitgestaltung aus - im Aufsichtsrat steht es nicht mehr Kapitalseite gegen Arbeitnehmer, sondern alle gegen Cevian; vielleicht hat der härtere Druck Cevians Hiesinger auch geholfen, die Arbeitnehmer in seine Arme zu treiben. In den Werken soll im Januar über das Abkommen abgestimmt werden.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat von Anfang an kapitalfreundliche Signale gesendet: Thyssenkrupp habe durch die Fusion mit Tata die Chance, "mehr Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen". Sogar die Standortfrage - Thyssenkrupp Tata Steel Europe soll in den Niederlanden residieren - tat der Landespolitiker lapidar ab: "Ich hätte mir gewünscht, dass das Unternehmen hier bleibt." Laschet zieht nun auch ins Kuratorium der Krupp-Stiftung ein. Zu Cevian äußerte er sich bisher nicht.