Einmal Himmel und zurück Neuer Markt - an diese Firmen erinnert sich kein Anleger gerne

14 Jahre nach dem Ende des Neuen Marktes schafft die Deutsche Börse ein neues Segment für Wachstumsfirmen und kleinere Unternehmen. Der Teilbereich soll zum 1. März 2017 an den Start gehen und den Entry Standard ablösen, wie Deutschlands größter Börsenbetreiber am Montag ankündigte. Hier ein Rückblick auf den "echten" Neuen Markt, der vor Jahren Anleger viel Geld kostete.

EM.TV
Das Unternehmen der Brüder Thomas (Bild) und Florian Haffa startete schon Ende der 1980er Jahre als Vermarkter von Merchandising-Rechten etwa des Spielwarenherstellers Nintendo oder des Deutschen Sportbundes. Ende der 1990er folgt der Börsengang. Die Aktie kommt 1997 zu umgerechnet 0,35 Euro an den Neuen Markt. Einige Monate später notiert EM.TV bei 120 Euro.

Es folgen große Deals: Für 1,3 Milliarden Mark (664 Millionen Euro) kauft EM.TV die Jim Henson Company (Muppets Show), für 3,3 Milliarden Mark werden 50 Prozent an der Formel-1-Vermarktung erworben. Kritiker halten die Preise für weit überhöht.

Der dann folgende Absturz gibt ihnen wohl recht: Im Jahr 2000 deutet sich allmählich das Ende der Herrlichkeit an. Die Jahresgewinnprognose von zunächst 600 Millionen Mark wird sukzessive zurückgenommen, am Ende steht ein Milliardenverlust zu Buche. Folge: Der Aktienkurs bricht ein, Investoren fühlen sich betrogen, Staatsanwälte ermitteln und erheben Anklage. 2003 werden die Brüder Haffa wegen Falschinformation über die Firmenlage zu hohen Geldstrafen verurteilt. Manch ein Beobachter hält die Strafe für viel zu gering.

Kabel New Media
Auch mit Kabel New Media geht es zunächst scheinbar steil bergauf: 1999 bringt Unternehmer Peter Kabel (l.) seine Firma an den Neuen Markt der Frankfurter Börse, zum Ausgabepreis von umgerechnet 6,15 Euro. Rund 26 Millionen Euro spült das in die Kassen des Internetdienstleisters mit Sitz im Hamburger Schanzenviertel.
Eine Zeit lang dreht Kabel ein großes Rad: Zu den Kunden zählen Top-Adressen der deutschen Wirtschaft wie BMW, Siemens, Karstadt oder Henkel. Kabel expandiert, gründet Niederlassungen in Wien und New York, kauft Firmen in Deutschland, England und Skandinavien. Zu Hochzeiten steigt die Zahl der Mitarbeiter auf bis zu 1000 und der Aktienkurs auf 80 Euro und mehr. An der Börse ist Kabel New Media zu der Zeit 1,3 Milliarden Euro wert jedenfalls auf dem Papier.

Als sich der Wind an den Märkten dreht, erwischt es jedoch auch Kabel New Media. Der Zusammenbruch kommt 2001: Die Aktie fällt binnen Jahresfrist um 90 Prozent, Mitarbeiter werden massenhaft entlassen, bis im Juni 2001 der Tiefpunkt erreicht ist: die Insolvenz.
Wie im Falle EM.TV für die Brüder Haffe hat das New-Economy-Abenteuer auch für Gründer Peter Kabel von Kabel New Media ein juristisches Nachspiel. Schon mehr als ein Jahr vor der Insolvenz soll er sich persönlich Berichten zufolge durch geschickte Aktienverkäufe 50 Millionen Euro gesichert haben. Nach Strafanzeigen erboster Investoren ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Insolvenzverschleppung. Erst gut sechs Jahre nach der Pleite werden die Ermittlungen gegen eine Geldauflage eingestellt Kabel gilt damit als unschuldig.

Intershop
Ein weiterer Highflyer des Neuen Marktes war Stephan Schambach (l.) mit seiner Intershop Communications AG (kurz: Intershop). Das Unternehmen, das Software-Lösungen für den E-Commerce anbietet, kam 1998 zum Ausgabepreis von umgerechnet gut 51 Euro an den Markt. Zwei Jahre später erreichte die Aktie ihr Allzeithoch bei mehr als 2100 Euro, Intershop war zu dem Zeitpunkt an der Börse mehr als elf Milliarden Euro wert. Auch in New York war die Firma inzwischen notiert.

Doch dann platzte die Dot-com-Blase an den Weltbörsen, und die Intershop-Aktie stürzte bis auf weniger als 1 Euro pro Stück. Anders als bei anderen gefallenen Stars endete die Geschichte in diesem Fall aber nicht mit der Pleite oder gar vor Gericht. Intershop gibt es bis heute. Zudem rief Firmengründer Schambach weitere teils erfolgreiche Unternehmen mit ähnlichen Geschäftsmodellen ins Leben. Vor einigen Monaten verkaufte er mit Demandware eine davon für 2,8 Milliarden Dollar an den SAP-Konkurrenten Salesforce. Schambach selbst strich bei dem Deal knapp 220 Millionen Dollar ein.

Rudolf Zawrel, der gebürtige Österreicher, der einst unter dem Namen Daniel David als Schlagersänger auftrat und als Chef von Gigabell vielen Anlegern noch negativ in Erinnerung sein dürfte, ist von der öffentlichen Bildfläche verschwunden. Nach einer Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung und seinem legendären Interview ("I have very little money left") soll er nun angeblich in Estepona bei Marbella leben.

Auch Pixelpark-Gründer Paulus Neef ist einer der ehemaligen Neuen-Markt-Stars. Anders als andere tauchte er nach dem Crash noch einmal aus der Versenkung auf. Und zwar mit einer eigenen Yogakette namens Unyte, für die Neef knapp 200.000 Euro von Crowdinvestoren einsammelte. Für Anleger ein Déjà vu: Alle fragen sich, wo das Geld geblieben ist, und Neef ist bereits weitergezogen.

Auch Matthias Schrader (l) und Oliver Sinner (r) gehören zu den Managern, die mit ihrer Firma SinnerSchrader zu Zeiten des neuen Marktes für Furore (und hohe Verluste bei Anlegern) sorgten ...

.. die Firma gibt es allerdings noch heute. Und Matthias Schrader steht noch immer an der Spitze ...

.. sein ehemaliger Kompagnon Oliver Sinner hat sich aus dem operativen Geschäft der Agentur hingegen bereits vor Jahren herausgezogen - ist nach eigenen Angaben aber immer noch zweitgrößter Anteilseigner. Geschäftslich aktiv ist er aber noch immer: Zum einen als Inhaber gleich mehrerer gastronomischer Betriebe im Osteseebad Grömitz und sowie als Investor im Immobilien und Digitalsektor ...