Matthias Müller lehnt sich gern weit aus dem Fenster und irritiert mit seinen Thesen mitunter die Autowelt. Hier eine Übersicht kontroverser und gewagter Aussagen des VW-Chefs - und was dafür spricht, dass er nicht ganz richtig liegt.
Müller-These Nr. 1: Unsere Elektroautos sind gut. Die Kunden sind Schuld daran, dass wir kaum welche verkaufen.
Der VW-Chef beschwerte sich im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS), die Kunden verhielten sich paradox: "Auf der einen Seite denken und handeln viele Deutsche im Alltag grün, wenn es aber um E-Mobilität geht, haben wir als Verbraucher spitze Finger." Am E-Auto-Angebot mangele es nicht, sondern an der Nachfrage.
Die These im Realitäts-Check: Volkswagen bietet bisher kaum attraktive Elektroautos an. Vor allem sind Modelle wie E-Golf oder E-Up trotz geringer Reichweiten etwa doppelt so teuer wie vergleichbare Verbrenner. Die früheren Konzernchefs Martin Winterkorn und Ferdinand Piëch haben Elektroautos zudem lange selbst schlecht geredet. Ein Batteriewagen könne nicht weiter als 150 Kilometer weit fahren, erklärte Winterkorn 2012. Vier Jahre später ist konsequenterweise VW einer von wenigen Herstellern, für die die Aussage tatsächlich (noch) zutrifft.
Müller-These Nr. 2: Beim Dieselskandal hat Volkswagen nicht gelogen.
Zu dieser Aussage ließ der VW-Chef sich in einem Interview in den USA hinreißen. Der Konzern habe lediglich "die Gesetze falsch interpretiert". Es handele sich um ein technisches, kein ethisches Problem. Müller relativierte die Aussagen später und bemängelte die schlechte Akustik im Raum während des Interviews.
Die These im Realitäts-Check: Volkswagen hat die US-Behörden lange mit fadenscheinigen Behauptungen abgespeist, als diese Wind vom Diesel-Betrug bekamen. Schon 2007 hat ein Audi-Ingenieur an einen größeren Kreis von Topmanagern im Konzern geschrieben, "ganz ohne bescheißen" gehe es bei den Dieselmotoren nicht. Da liegt ein ethisches Problem zumindest nahe.
Müller-These Nr. 3: Die Fahrer von VW-Dieseln in Europa sollen nicht entschädigt werden, weil sie keinen Schaden durch die Schummeleien haben.
"Den Kunden in Europa entsteht ja kein Nachteil, weder beim Verbrauch noch bei den Fahreigenschaften", sagte Müller der FAS.
Die These im Realitäts-Check: Tatsächlich haben die VW-Kunden in den USA größere Nachteile als Dieselfahrer in Europa. So lassen sich viele US-Wagen nicht ausreichend nachrüsten. Wie in Amerika dürfte es jedoch auch in Europa viele VW-Diesel-Kunden geben, die eigentlich ein umweltfreundliches Fahrzeug kaufen wollten und eine Dreckschleuder bekamen. Dass nun Fahrverbote für Diesel-Autos in vielen Städten drohen, dürfte den Wiederverkaufswert der Autos nicht eben steigern.
Müller-These Nr. 4: "Das autonome Fahren stellt für mich einen Hype dar, der durch nichts zu rechtfertigen ist."
Den bemerkenswerten Satz gab der Manager (als Porsche-Chef) vor der weltgrößten Automesse IAA 2015 in einem Interview mit der Fachzeitschrift "Auto Motor und Sport" zu Protokoll.
Die These im Realitäts-Check: Schon ein Dreivierteljahr vor Müllers Aussage fuhr ein Audi A7 autonom zur Technik-Messe CES in Las Vegas. Kein Wunder - auch Konzerne wie Google, Uber und Tesla arbeiten mit Hochdruck an selbst fahrenden Autos. Die neue Technik soll das Autofahren sicherer und komfortabler machen. Neue Mobilitäts- und Logistikkonzepte versprechen einen Milliardenmarkt. Die Branchenexperten von Oliver Wyman rechnen beispielsweise mit einem Roboterauto-Marktpotenzial von 200 Milliarden Dollar. Ex-Porsche-Chef Müller ist zu Gute zu halten, dass die von ihm damals umworbenen Sportwagenfahrer womöglich besonders gerne selbst lenken.
Müller-These Nr. 5: Tesla ist kein ernst zu nehmender Konkurrent.
Tesla könne sich mit Volkswagen nicht messen, sagte Müller im "FAS"-Interview: "Wollen wir VW ernsthaft mit Tesla vergleichen? Tesla verkauft im Jahr vielleicht 70.000 Autos, wir zehn Millionen." Zudem stellte Müller schon häufig heraus, dass Tesla hohe Verluste schreibe.
Die These im Realitäts-Check: Schon 2018 will Tesla 500.000 Autos bauen und sich damit im Premiumsegment als direkter Konkurrent von der VW-Tochter Audi etablieren. Ob es gelingt, ist offen, doch bisher hat Tesla-Chef Elon Musk alle geplanten Autos auf die Straße gebracht. Zudem gibt es Hunderttausende Vorbestellungen für den Wagen. Die Verluste fährt Tesla hauptsächlich wegen der hohen Investitionen in das neue Modell und die zugehörigen (Batterie-) Fabriken ein. Theoretisch kann es für Müller opportun sein, einen Konkurrenten wie Tesla öffentlich klein zu reden. Intern mag er anders vorgehen. Jedoch bleibt das Bild von einem Automanager hängen, der weltfremde Urteile über seine Branche abgibt - vor allem wenn es um künftige Herausforderungen geht.
Die These im Realitäts-Check: Tatsächlich haben die VW-Kunden in den USA größere Nachteile als Dieselfahrer in Europa. So lassen sich viele US-Wagen nicht ausreichend nachrüsten. Wie in Amerika dürfte es jedoch auch in Europa viele VW-Diesel-Kunden geben, die eigentlich ein umweltfreundliches Fahrzeug kaufen wollten und eine Dreckschleuder bekamen. Dass nun Fahrverbote für Diesel-Autos in vielen Städten drohen, dürfte den Wiederverkaufswert der Autos nicht eben steigern.
Foto: KAI PFAFFENBACH/ REUTERSDie These im Realitäts-Check: Schon 2018 will Tesla 500.000 Autos bauen und sich damit im Premiumsegment als direkter Konkurrent von der VW-Tochter Audi etablieren. Ob es gelingt, ist offen, doch bisher hat Tesla-Chef Elon Musk alle geplanten Autos auf die Straße gebracht. Zudem gibt es Hunderttausende Vorbestellungen für den Wagen. Die Verluste fährt Tesla hauptsächlich wegen der hohen Investitionen in das neue Modell und die zugehörigen (Batterie-) Fabriken ein. Theoretisch kann es für Müller opportun sein, einen Konkurrenten wie Tesla öffentlich klein zu reden. Intern mag er anders vorgehen. Jedoch bleibt das Bild von einem Automanager hängen, der weltfremde Urteile über seine Branche abgibt - vor allem wenn es um künftige Herausforderungen geht.
Foto: REUTERS/Tesla Motors