Das Wort der Wirtschaft Reaktionen auf die Wahl

"Den Worten müssen jetzt Taten folgen", sagte Achim Berg, Deutschland-Chef von Microsoft, zu manager-magazin.de "Die neue Bundesregierung muss die Staatsverschuldung in den Griff bekommen und eine Innovations-Offensive starten. Bessere Bedingungen für Forschung und Entwicklung sind der Schlüssel für ein moderneres Deutschland."

"Das größte Problem Deutschlands und der neuen Bundesregierung ist es, mit den Folgen der zurückliegenden schweren Rezession zurechtzukommen", analysiert Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer im Gespräch mit manager-magazin.de. "Die bürgerliche Koalition wird die Bemühungen der Großen Koalition fortsetzen müssen, zusammen mit den anderen westlichen Staaten einen stabilen Ordnungsrahmen für die internationalen Finanzmärkte zu schaffen, um zu verhindern, dass sich die Finanzkrise wiederholt", schreibt der Volkswirt der neuen Regierung ins Stammbuch.

Helaba-Chefökonomin Gertrud Traud sieht die neue Regierung "vor der Herkulesaufgabe, den Haushalt zu sanieren, ohne zugleich das Wachstum abzuwürgen". Gegenüber manager-magazin.de mahnt die Ökonomin, "dabei sollte nicht zuerst an der Steuerschraube gedreht werden, vielmehr sollten die Ausgaben auf den Prüfstand". Neben den derzeit im Fokus stehenden konjunkturellen Aspekten müssten "die weiterhin vorhanden strukturellen Defizite abgebaut werden: angefangen von einer umfassenden Prüfung der Subventionen bis zur einer tatsächlichen Reform des Gesundheitswesens".

"Deutschland braucht jetzt eine handlungsfaehige Koalition für Innovation und Nachhaltigkeit", fordert SAP-Chef Leo Apotheker gegenüber manager-magazin.de. "Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken durch mehr nachhaltiges Wirtschaften, mehr Investitionen in Köpfe und moderne Infrastrukturen und die Erschließung von neuen Wachstumsfeldern. Ich hoffe sehr, dass die neue Bundesregierung dafür IT als Querschnittstechnologie und Treiber der Wissensgesellschaft noch offensiver nutzt und stärker fördert, damit Deutschland gestärkt aus der Krise hervorgeht."

Franz Fehrenbach, Vorsitzender der Geschäftsführung von Bosch: "Ich begrüße das klare Votum des Wählers, denn wir brauchen insbesondere in dieser schwierigen Zeit eine handlungsfähige Regierung. Deutschland steht weiter vor der besonderen Herausforderung, die Folgen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise zu bewältigen. Ich bewerte es als besonders positiv, dass die deutsche Bevölkerung trotz der schwierigen Probleme mehrheitlich ein klares Votum zur sozialen Marktwirtschaft abgegeben hat. Das verpflichtet alle gesellschaftlichen Gruppen zu verantwortlichem Handeln. Von der neuen Bundesregierung erwarte ich klare und verlässliche Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland sowie eine weitere konsequente Vertiefung der internationalen Zusammenarbeit."

Die künftige Bundesregierung wird nach Ansicht des Chefs der Wirtschaftsweisen Wolfgang Franz an harten Einschnitten in das Sozialsystem nicht vorbeikommen. "Die Bundesregierung wird Grausamkeiten begehen müssen, erst recht, wenn sie wie vor der Wahl versprochen die Steuern senken will", sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrates. Zudem bleibe abzuwarten, ob nicht doch "an der einen oder anderen Stelle kleine Steuererhöhungen unausweichlich sein werden", sagte Franz. Eine erneute Erhöhung der Mehrwertsteuer sei dafür "ein heißer Kandidat". Er forderte unter anderem eine kräftigte Kürzung "unnötiger Subventionen im Umweltbereich" und weitere Einschnitte in soziale Leistungen.

Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn rät der künftigen Regierung zu Steuersenkungen auf Pump. "Die Steuersenkungen werden kommen, und ich halte sie für angebracht", sagte der Chef des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) am Montag zu Reuters TV. Die alte Regierung habe mit den milliardenschweren Konjunkturprogrammen die Rezession erfolgreich bekämpft. "Es wäre ein großer Fehler, mit dieser Verschuldungspolitik jetzt schon aufzuhören, denn diese Krise ist noch nicht überwunden." Einsparungen an anderer Stelle zur Finanzierung von Steuersenkungen wären "Gift für die Konjunktur". Als wichtigste wirtschaftspolitische Aufgabe zu Beginn der Amtszeit der neuen Regierung nannte Sinn die Bewältigung der Bankenkrise. Der Staat müsse sich vorübergehend an den Banken beteiligen.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hat die künftige schwarz-gelbe Bundesregierung zur Senkung von Steuern und Abgaben als mittelfristiges Ziel aufgefordert. Schon vorher lasse sich ein einfacheres und gerechteres Steuersystem umsetzen, schrieb Hundt in einem Gastbeitrag für das "Hamburger Abendblatt". Als oberste Priorität nannte Hundt die Sicherung der Liquidität von Unternehmen. "Ich habe die Sorge, dass die Probleme eine flächendeckende Kreditklemme eintritt, welche die wirtschaftliche Erholung behindert", warnte er.

Das Ergebnis sei "kein Freibrief, aber eine Verpflichtung" für die Wahlsieger, meint der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel. "Steuersenkungen sind von der FDP versprochen und von der CDU angekündigt worden", sagte Keitel in der ARD. "Wir werden gemeinsam daran arbeiten, den Staatshaushalt zu konsolidieren, und das geht mit einer Strategie nach vorn mit Bildung, mit Forschung und Entwicklung, mit Wachstum insgesamt für die Wirtschaft. Spielräume werden eng werden. Aber das darf nicht der Grund sein, dass wir strukturelle Probleme bei der Besteuerung bis nach dieser Legislaturperiode aufschieben. Wir müssen wirklich handlungsfähig bleiben."

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat ein "100-Tage-Sofortprogramm" für wachstumssichernde Reformen gefordert. Das Programm sollte, wie DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann am Montag erklärte, unter anderem Korrekturen an der Unternehmens- und der Erbschaftsteuerreform der großen Koalition sowie Flexibilisierungsschritte am Arbeitsmarkt enthalten. "Außerdem ist es jetzt Zeit für einen Kassensturz." Eine Erhöhung von Steuern und Abgaben werde strikt abgelehnt. Die "kalte Progression" der Einkommensteuer müsse beseitigt werden.

Patrick Adenauer, Präsident des Verbandes "Die Familienunternehmer", fordert von den Partnern der Koalitionsverhandlungen schnelles Handeln, zum Beispiel Korrekturen bei den Unternehmenssteuern und Abschaffung der kalten Progression. Es wäre fatal, wenn jetzt mit Blick auf die Wahlen in Nordrhein-Westfalen im nächsten Jahr wichtige Sanierungsschritte unterblieben. Eine mögliche Mehrheit von Schwarz-Gelb auch im Bundesrat muss als seltenes Zeitfenster für eine Wachstumspolitik und eine Rückkehr zur Sozialen Marktwirtschaft sofort genutzt werden. Denn auch jetzt gilt: Man kann an die nächste Wahl denken. Oder an die nächste Generation."

Die Bundesregierung steht nach Ansicht des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) vor der Herausforderung, die voraussichtlich weiter steigende Arbeitslosigkeit trotz eines nur geringen Wirtschaftswachstums zurückzuführen. "Die neue Bundesregierung muss den Faden der Agenda 2010 wieder aufnehmen", erklärt BVR-Präsident Uwe Fröhlich. "Die Defizite in der öffentlichen Infrastruktur stellen eine weitere Wachstumsbremse dar. Das jahrelang vernachlässigte Straßen- und Schienennetz benötigt Investitionen über das Jahr 2010 hinaus. Auch der Stärkung des Forschungsstandortes Deutschland muss größere Priorität eingeräumt werden."

Das Ergebnis ist eindeutig: Deutschland will Angela Merkel weiter als Bundeskanzlerin und traut einer bürgerlichen Regierung eher zu, das Land erfolgreich aus der Finanz- und Wirtschaftskrise zu führen, sagte Handwerkspräsident Otto Kentzler der "FTD".

Der Zentralverband des deutschen Baugewerbes forderte von der neuen Regierung, dass die bisherigen Konjunkturpakete für die Kommunen in ähnlicher Form weitergeführt werden sollten. "Damit wird die Investitionskraft der Kommunen gestärkt, das kommt der Infrastruktur und damit der regionalen Wirtschaft zu Gute", sagte Hauptgeschäftsführer Karl Robl der "FTD". Der Verband verlangt zudem eine Entlastung des Mittelstandes, unter anderem über die Senkung der Lohnnebenkosten.

Für den Verband freier Kfz-Händler bestimmt die Erfahrung mit der kurz vor der Wahl ausgelaufenen Abwrackprämie den Ausblick. BVfK-Vorstand Ansgar Klein verband seinen Glückwunsch an Merkel und Westerwelle "mit der Hoffnung auf stabilere Verhältnisse für den deutschen Autohandel".

"Die Wahlen in Deutschland sind für die Finanzmärkte als positiv zu klassifizieren", meint Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank. "Die Variante 'Schwarz-Gelb' wird von den Märkten als auch der Öffentlichkeit als Signal für eine Belebung der Kernprozesse der Wirtschaft interpretiert. Damit ergibt sich unterschwellig ein positiver Grundton für den Euro aber auch für die Aktienmärkte."

"Für die Finanzmärkte selbst erwarte ich wenig Bewegung", sagt Hans-Jörg Naumer von Allianz Global Investors im Gespräch mit manager-magazin.de. "Zum einen ist der Heilungsprozess von der Finanzmarktkrise das dominierende Thema, zum anderen werden etwa zwei Drittel der Umsätze der Dax- und MDax-Werte im Ausland erzielt". Die Bundesregierung sollte auch die eher strukturellen Themen wie eine breitere Mitarbeiterkapitalbeteiligung nicht aufschieben. Vor allem die demografische Entwicklung erfordere dies. "Während der Einkommensstrom aus Humankapital zurück geht, muss er durch Einkommen aus Sachkapital ersetzt werden", ist der Leiter der Kapitalmarktanalyse von Allianz Global überzeugt.

"Wir wünschen uns, dass Informationstechnologie und Kommunikation jetzt viel weiter oben stehen auf der politischen Agenda", sagt Cisco-Deutschland-Chef Michael Ganser zu manager-magazin.de. "Deutschland braucht eine Netzwerkinfrastruktur von Weltklasseformat. Wir wüschen uns auch, dass bei großen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Themen eine neue Form von Dialog zwischen Politik und Unternehmen oder Bürgern gefunden werden kann. Ich würde mir eine stärkere Führungsrolle und Vorreiterrolle des Öffenltichen Sektors und der Politk wünschen bei der Adaption neuer Technologien."

"Die neue Koalition sollte die Regierungsbildung für eine Reform der Bundesministerien nutzen", sagte der Präsident des Hightech-Verbandes Bitkom, August-Wilhelm Scheer. "Deutschland braucht ein starkes Innovationsministerium, in dem die Kompetenzen für Wirtschaft, Forschung und Technologien zusammengefasst werden. Das Bildungsministerium könnte sich dann voll und ganz darauf konzentrieren, Deutschlands Bildungssystem auf einen internationalen Spitzenplatz zu bringen. Perspektivisch sollte der Bund wieder mehr Kompetenzen in der Bildung von den Ländern bekommen." Scheer schlug ein "Programm 100 mal 100" vor, um 100 jungen Hightech-Unternehmen über die Umsatzschwelle von 100 Millionen Euro zu helfen. "Der Zuspruch für die Piratenpartei zeigt, dass die Internetpolitik der alten Bundesregierung Lücken hat", sagte Scheer weiter.

Fondsmanager Karl Huber von der Unicredit-Tochter Pioneer Investments sieht Vorteile nur für Aktien ausgewählter Branchen, in erster Linie die großen Stromkonzerne wegen einer möglichen Verlängerung der Restlaufzeiten von Atomkraftwerken. Der Investmentexperte geht davon aus, das viele Unternehmen Restrukturierungen, die sie aufgrund der Bundestagswahl zurückgestellt hätten, nun vornehmen würden: "Unter der neuen Koalition von CDU und FDP werden es die Firmen hiermit wohl etwas leichter haben."

Die deutsche Solarbranche erwartet nach dem Regierungswechsel keine durchgreifenden Veränderungen bei der staatlichen Förderung der Ökobranche. "Sowohl die CDU als auch die FDP haben sich ganz klar zum Erneuerbare-Energien-Gesetz bekannt", sagte Solarworld-Chef Frank Asbeck am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. Die FDP und allen voran Parteichef Guido Westerwelle wüssten genau um die Hochtechnologie in der Photovoltaik und um die mittelständisch geprägte Branche. Asbeck, Gründungsmitglied der Grünen, verwies zudem auf seine jüngste Forderung, die staatlichen Solarsubventionen stärker als im Gesetz vorgesehen zu reduzieren. An der Börse gerieten die Solarwerte am Montag unter Druck, die klassischen Energiekonzerne legten zu.