Folgen der Zinssenkung Staaten gewinnen, Sparer verlieren

EZB-Chef Mario Draghi hat die Leitzinsen im Euro-Raum auf das niedrigste Niveau seit Bestehen der Gemeinschaftswährung gesenkt. Die Notenbank hat damit ihr schärfstes Schwert im Kampf gegen die Rezession gezückt. Doch die Waffe sei stumpf geworden, sagen Kritiker der Zinssenkung. Ihr Argument: Das billige Geld erreicht wegen der Kreditklemme im Süden des Währungsraums die dortigen Mittelständler nicht. Zugleich wachse in Deutschland die Gefahr einer Immobilienblase. Wer kann sich als Gewinner der Zinssenkung fühlen und wer als Verlierer? Ein Überblick.

Gewinner I - Banken:
Viele marode Banken von Griechenland bis Spanien hängen bereits am Tropf der EZB, da ihnen andere Institute am Markt
kein Geld leihen. Nun können sie sich in Frankfurt noch günstiger zum Leitzins mit Liquidität eindecken. Doch die verschärften Anforderungen an Banken im Rahmen von Basel III - den neuen Kapitalvorschriften - könnten sie eher dazu verleiten, ihr Polster zu stärken anstatt großzügiger Unternehmenskredite auszureichen.

Gewinner II - Exporteure
Die Exportwirtschaft der Euro-Zone könnte etwas Auftrieb erhalten. Denn der Wechselkurs des Euro wird durch die
Zinssenkung tendenziell gedrückt und die Wettbewerbsposition der europäischen Firmen auf den Weltmärkten damit gestärkt. Zuletzt
hat Japan mit einer aggressiven Geldpolitik den Yen auf Talfahrt geschickt.

Gewinner III - Der Bund
Das niedrige Zinsniveau sorgt dafür, dass der Bund sich bereits jetzt so günstig verschulden kann wie nie zuvor. Die geldpolitische Lockerung der EZB dürfte Deutschland, das in der Krise von seinem Status als sicherer Hafen profitiert, tendenziell weitere Entlastung bei der Refinanzierung bescheren.
Allerdings hängen sinkende Kapitalmarktzinsen nur mittelbar mit der Zentralbank-Entscheidung zusammen, die in einem Umfeld
niedriger Inflation und tiefer Rezession in der Euro-Zone getroffen wurde. Wer dem Bund derzeit für zehn Jahre Geld leiht, bekommt lediglich knapp 1,3 Prozent Zinsen im Jahr garantiert. Die nach wie vor als sicher geltenden Bundesanleihen sind so
begehrt, dass Investoren bei einigen Papieren sogar eine Prämie zahlen.

Gewinner IV: Aktionäre und Hausbesitzer
Auch den europäischen Aktienmärkten dürften niedrigere Zinsen Aufwind verschaffen, da andere Anlageklassen wegen der
niedrigen Zinsen kaum Rendite abwerfen.
Häuslebauer: Die niedrigen Zinsen werden die Flucht in das 'Betongold' voraussichtlich verstärken. Wer etwa Immobilien in Städten wie Hamburg, Stuttgart, München, Frankfurt oder den Trend-Bezirken Berlins besitzt, kann auf Wertsteigerungen hoffen.

Verlierer I - Sparer und Sparkassen:
Die Einlagen auf den Sparkonten werfen künftig noch weniger ab. Liegt der gebotene Zins unter der Inflationsrate, wird ein
Teil des auf dem Konto ruhenden Vermögens von der Geldentwertung aufgefressen. Die Sparneigung der Deutschen fiel im April auf
einen historischen Tiefstand, wie die Gesellschaft für Konsumforschung in ihrer Verbraucher-Umfrage herausfand. Kein
Wunder, dass Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon bereits vor dem Zinsbeschluss warnte: "Noch mehr und noch billigeres Geld
vermindert den Anreiz zum Sparen."
Das Geschäftsmodell der Sparkassen, Spareinlagen als Kredite auszureichen, ist zwar stabil. Die Niedrigzinspolitik der EZB hinterlässt Experten zufolge aber zunehmend Spuren in der Bilanz der Geldhäuser.

Verlierer II - Lebensversicherer und Pensionskassen:
Diese Investoren stehen nach der Zinssenkung im Regen. Denn viele Pensionsfonds und Versicherer stecken einen Großteil ihrer Gelder in festverzinsliche Anlagen. Mit Bundesanleihen lassen
sich aber nur noch sehr niedrige Renditen erzielen. Der Präsident des deutschen Versicherer-Verbandes GDV, Alexander
Erdland, warnt vor negativen Folgen eines niedrigeren Leitzinses für die private Altersvorsorge: 2012 verzeichneten die
Lebensversicherer seinen Angaben zufolge für ihre Kunden zinsbedingte Mindereinnahmen von vier Milliarden Euro.