Union will Vorsorgepflicht für alle Altersvorsorgepflicht für Selbständige - aber wo?

Die Union will Millionen Selbständige zur Altersvorsorge verpflichten. Mit dem Vorstoß rennt sie bei Gewerkschaften und Arbeitgebern offene Türen ein. Über das Wie und Wo dürfte aber heftig gestritten werden. Dabei ist auch zu hinterfragen, ob die private und betriebliche Altersvorsorge überhaupt noch ein Auskommen im Alter garantieren können.
Rund drei Millionen Selbständige in Deutschland (Stand 2014) unterliegen keiner Rentenversicherungspflicht. Sie zahlen also weder in die gesetzlichen noch in berufständische Kassen ein. Viele von ihnen, so ist zu befürchten, werden später dem Steuerzahler zur Last fallen. Das will die Politik jetzt mit einer Versicherungspflicht für alle Selbständige abwenden

Rund drei Millionen Selbständige in Deutschland (Stand 2014) unterliegen keiner Rentenversicherungspflicht. Sie zahlen also weder in die gesetzlichen noch in berufständische Kassen ein. Viele von ihnen, so ist zu befürchten, werden später dem Steuerzahler zur Last fallen. Das will die Politik jetzt mit einer Versicherungspflicht für alle Selbständige abwenden

Foto: DPA

Die Altersvorsorgepflicht für Selbständige - als Ursula von der Leyen noch Arbeitsministerin war, brachte sie das Thema erstmals auf den Tisch. Bis zu 400 Euro jeden Monat sollte jeder Selbständige unter 30 Jahren in eine Vorsorge einzahlen. Alle anderen sollten nachweisen, ob sie genügend zur Seite legen, damit sie im Alter mindestens das Niveau der Grundsicherung erreichen.

Die Idee der "Zwangsrente" war wieder schnell vom Tisch, das Problem damit aber nicht beseitigt. Denn die Hälfte der heute auf staatliche Grundsicherung angewiesenen Menschen hat keine Rentenansprüche - weder aus einer privaten, noch aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Auch aus diesem Grund nehmen die Rentenexperten der Union einen neuen Anlauf, wollen die Vorsorgepflicht für Selbständige durchsetzen, berichtet die "Bild". Dabei sollen die Selbständigen die Wahl haben: Entweder zahlen sie in die gesetzliche Rentenversicherung ein, was die langfristigen Probleme der Kasse angesichts der demographischen Entwicklung lindern könnte, weil die Einnahmebasis der gesetzlichen Rentenversicherung damit verbreitert wird.

Oder die Selbständigen würden verpflichtet, eine "armutsfeste Altersvorsorge" nachzuweisen, wobei sie das Absicherungsmodell frei wählen können. Für die zweite Lösung macht sich vor allem die Versicherungswirtschaft stark, könnten dann doch die unter Druck stehenden Lebensversicherer mit zusätzlichen Beiträgen rechnen. Schon länger votiert die Branche dafür, dass mehr Menschen die staatliche geförderte Riester-Rente in Anspruch nehmen dürfen.

Gewerkschaften und Arbeitgeber stimmen zu - die Konsequenz ist eine andere

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) selbst will im Herbst ein Rentenreform-Konzept vorlegen. Dafür sammelt sie derzeit in drei Expertenrunden Anregungen und Vorschläge aus relevanten Gruppen von Wirtschaft und Politik. Bekannt ist, dass die Ministerin vor allem die betriebliche Altersversorgung stärken will, sie steht aber auch innerparteilich unter Druck: Viele Genossen verlangen, das gesetzliche Mindestniveau von 43 Prozent des Durchschnittseinkommens über das Jahr 2030 hinaus festzuschreiben oder sogar anzuheben.

Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände stützen die Pläne einer Versicherungspflicht für Selbständige. Während die Gewerkschaften die Selbständigen bei der gesetzlichen Rentenversicherung eingegliedert wissen wollen, votieren die Arbeitgeber gegen ihre "zwangsweise Einbeziehung" in die gesetzliche Rente. Wie die Freiberufler einer Vorsorgepflicht nachkommen, sollte ihnen überlassen bleiben, heißt es in einem aktuellen Positionspapier  der Arbeitgeberverbände (BDA).

Für den umgekehrten Fall befürchten die Arbeitgeber, dass die damit entstehenden Rentenansprüche in einem ohnehin schrumpfenden System nicht mehr zu finanzieren seien auf lange Sicht.

Sind private und betriebliche Altersversorge die bessere Lösung?

Die Frage scheint derzeit also weniger zu sein, ob sondern wie und wo Millionen Selbständige künftig vorsorgen sollen und in welcher Höhe. Die Diskussion darüber, ob sie mit ihren Beiträgen künftig die Kassen der gesetzlichen Rentenversicherung oder die der Versicherungswirtschaft oder gar beide füllen sollen, dürfte dabei noch an Schärfe gewinnen. Denn was eine "armutsfeste" Altersvorsorge jenseits der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen muss, darüber lässt sich trefflich streiten.

Denn die dauerhafte Niedrigzinsphase hat große Löcher in die private und betriebliche Altersversorgung gerissen. Nach wie vor hohe Kosten machen dann so manches Produkt sogar zum Verlustgeschäft, wenn kaum noch Überschüsse fließen.

Das Problem: Anders als von den Schöpfern der privaten Altersvorsorge gedacht, werden die Ansprüche aus einer Riester-Rente das fallende Niveau in der gesetzlichen Rente nicht mehr ausgleichen können. Ohnehin zahlt mindestens ein Fünftel der 16 Millionen Riester-Sparer keinen Cent mehr in den Vertrag ein. Auch müssen Millionen Riester-Sparer mit Niedrigeinkommen damit rechnen, dass später der Staat durch Anrechnung bei der Grundsicherung zugreift.

Erste Pensionskassen senken Verzinsung für laufende Verträge drastisch

Zugleich senken bereits erste Pensionskassen in ihrer Not die Verzinsung für bestehende Betriebsrentenverträge. Bei der "Neue Leben "Pensionkasse" zum Bespiel werden 80.000 Arbeitnehmer im Schnitt 16 Prozent weniger Betriebsrente erhalten als erwartet. Ob dieses Beispiel unter den weit mehr als 100 Pensionskassen in Deutschland Schule machen wird, ist noch nicht abzusehen. Es ist aber ein Warnschuss.

In anderen Fällen, wo es sich die Arbeitgeber leisten können, schießen sie Geld in die konzern- oder betriebseigene Vorsorgekasse der Beschäftigten nach, um die Ansprüche der Beschäftigten längerfristig abzusichern. Verpflichtet sind die Unternehmen dazu nicht.

Welche Regierung auch immer mehr Menschen künftig zur Altersvorsorge zwingen will, sollte sich jedenfalls aus gutem Grund von den Einflüsterern der Vorsorgeindustrie nicht vor den Karren spannen lassen.

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