Rentenversicherung Kapitalabfindung oder Rente?

Lebensversicherer propagieren gern die lebenslange Rente. Im Laufe der Jahre haben sie aber die einmalige Kapitalabfindung in der Rentenversicherung deutlich aufgehübscht. Manche sehen darin erste Anzeichen von "Panik".
"Nur Bargeld lacht": Anbieter von aufgeschobenen Rentenversicherungen haben die Kapitalabfindung attraktiver gemacht. Das hat Gründe, ist der Analysedienst Map-Report überzeugt.

"Nur Bargeld lacht": Anbieter von aufgeschobenen Rentenversicherungen haben die Kapitalabfindung attraktiver gemacht. Das hat Gründe, ist der Analysedienst Map-Report überzeugt.

Foto: Corbis

Hamburg - 1974 war die Welt noch in Ordnung. Deutschland wurde Fußball-Weltmeister und die Staatsverschuldung lag unter 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Leihte sich der Staat Geld, zahlte er noch ordentliche Zinsen: Zehnjährige Papiere warfen mehr als 10 Prozent Rendite ab.

Das waren goldene Zeiten für Lebensversicherer. Policen verkauften sich wie geschnitten Brot, Anbieter saugten sich mit hochprozentigen Anleihen voll und zahlten ihren Kunden über viele Jahre weltmeisterliche Renditen. Auch dann noch, als sich die Kapitalmarktzinsen zwischenzeitlich fast halbiert hatten.

Fast vier Jahrzehnte später hat sich prozentuale Staatsverschuldung in etwa vervierfacht. Die Politik der Notenbanken hat die Marktzinsen in den Keller gedrückt, sichere Anleihen werfen kaum noch Rendite ab, die Lebensversicherer zahlen ihren Kunden immer weniger aus.

Die klassische Rentenversicherung, die eine lebenslange Rente vorsieht und grundsätzlich keinen Todesfallschutz enthält, war damals noch weitgehend unbekannt. Das Geschäft machten die Vermittler vor allem mit der Kapitallebensversicherung, die zum Vertragsende einen dicken Batzen Geld abwerfen soll und eben auch das Todesfallrisiko während der Ansparphase mit absichert.

Bis zu 7 Prozent Rendite nach 20 Jahren

Seit Einführung der staatlich geförderten (Riester-)Rente und dem Wegfall der Steuerfreiheit der Kapitallebensversicherung spielt letztere im Neugeschäft nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Rentenversicherung hat ihr den Rang abgelaufen. Ein Vergleich von klassischer Rentenversicherung und Kapitallebensversicherung ist schwierig, da die Rentenversicherung in größerem Stil erst seit den 1990er Jahren verkauft wird, Anspar- und Verrentungszeit sich aber schnell auf fünf Jahrzehnte erstrecken können.

Der Analysedienst Map-Report hat jetzt einen 20-Jahresvergleich gewagt, indem er die Kapitalabfindungen von aufgeschobenen Renten und Kapitallebensversicherungen gegenüberstellt. Denn auch bei 1974 abgeschlossenen Rentenverträgen hatten die Kunden die Option, mit Vertragsende eine lebenslange Rente oder eine Kapitalabfindung zu wählen.

Ein 43-Jähriger der zwischen 1974 und 1994 jährlich 1200 Euro in eine aufgeschobene Rentenversicherung einzahlte - mithin 24.000 Euro - und am Ende die Kapitalabfindung wählte, konnte beim besten Anbieter rund 52.700 Euro einstreichen, sein Kapital also mehr als verdoppeln bei einer Vertragsrendite von 7,01 Prozent. Im Marktschnitt betrug die Kapitalabfindung rund 49.200 Euro bei 6,43 Prozent Vertragsrendite, rechnet Map-Report vor.

In diesem Jahr bekäme besagter Musterkunde nach 20 Jahren Laufzeit bestenfalls 45.400 Euro Kapitalabfindung (5,74 Prozent Vertragsrendite) und im Marktschnitt rund 40.330 Euro (4,72 Prozent) ausgezahlt. Der Absturz ist in erster Linie dem kontinuierlichen Verfall der Kapitalmarktzinsen geschuldet.

Anbieter fürchten Niedrigzinsen - und ein langes Leben ihrer Kunden

Auffällig ist aber: Warfen die Kapitallebensversicherungen 1994 in der absolut überwiegenden Mehrzahl mehr Ablaufleistung ab als die Kunden aufgeschobener Rentenversicherungen nach 20 Jahren erhielten, hat sich dieses Verhältnis 2013 nahezu umgedreht. In 26 von 28 Fällen liegt die rechnerische Kapitalabfindung der Rentenpolicen über den Ablaufleistungen der Kapitallebensversicherungen.

Man könnte vermuten, dieser "Überholvorgang" der Rentenpolicen ist darauf zurückzuführen, dass bei diesen Produkten grundsätzlich kein Prämienanteil für den Todesfallschutz abgezogen wird und deshalb die Kapitalabfindung höher ausfällt. Dieses Argument lässt Map-Report-Chef Manfred Poweleit nur bedingt gelten. Der Todesfallschutz in der Rentenversicherung dürfte die Anbieter vergleichsweise wenig kosten, sagt der Branchenkenner. Er glaubt vielmehr, dass die Lebensversicherer ihre Gestaltungsmöglichkeiten bewusst nutzten, um die Kapitalabfindungen in der Rentenversicherung gegenüber der KLV-Ablaufleistung besser aussehen zu lassen.

Aber warum sollten sie das tun? Werben die Versicherer doch gerade in der Niedrigzinsphase verstärkt mit dem Argument der lebenslang gezahlten Rente für ihre Produkte.

"Angesichts des kontinuierlichen Anstiegs der Lebenserwartung sind viele Anbieter bestrebt, statt lebenslanger Renten möglichst mehr Kapitalabfindungen und weniger Renten auszuzahlen, um das Risiko technischer Verluste zu begrenzen", ist Poweleit überzeugt. Dahinter steht eine einfache Erkenntnis: Je länger Versicherer Rente zahlen müssen, desto unwirtschaftlicher wird für sie ein Vertrag. Deshalb erhöhten sie die Kapitalabfindung, in der Hoffnung, dass die Kunden diese statt die Rente wählen.

Steigende Langlebigkeit macht Policen für Anbieter unwirtschaftlicher

Träfe diese Vermutung zu, Lebensversicherer würden ihre zentrale Kernkompetenz, die sie von Wettbewerbern etwa der Fondsbranche unterscheidet, nämlich Zahlungsströme und Risiken über Jahrzehnte zu kalkulieren, selbst in Frage stellen. Zweifel an der These Map-Reports sind auch aus einem anderen Grund erlaubt. Schon länger werfen einzelne Mathematiker der Branche vor, sie kalkuliere ihre Produkte mit einer viel zu hohen Lebenserwartung der Kunden, so dass diese schon steinalt werden müssten, damit sich das Produkt für sie lohnt.

Offensichtlich ist andererseits, dass die Branche von lebenslangen Rentengarantien zusehends abrückt, weil sie diese künftig mit mehr Eigenkapital unterlegen muss. Denn aus Sicht der Finanzaufsicht stellen Garantien in einer lang anhaltenden Niedrigzinsphase ein Risiko dar. Wählen die Kunden statt der lebenslangen Rente die Kapitalabfindung, vermindert dies aus Unternehmenssicht das Risiko und seine Verpflichtung, dafür mehr Eigenmittel zu reservieren. Das entlastet zugleich die Bilanz eines Anbieters.

Ob die Kunden selbst mit der Kapitalabfindung eine kluge Entscheidung treffen, ist unsicher. Denn eigentlich müssten sie die mit der gezahlten Abfindung alternativ zu erzielende Rendite der Rendite einer aufgeschobenen, lebenslangen Rente gegenüberstellen. Für letztere fehlen jedoch noch ausreichend empirische Daten, wie Map-Report feststellt.

Und schließlich hängt die Rendite einer Rente entscheidend von ihrer Zahldauer ab, also dem tatsächlich erreichten Lebensalter des Kunden. Insofern ist eine aufgeschobene Rente nicht nur eine Wette gegen den kalkulierenden Anbieter, sondern auch immer eine Wette gegen die Zeit.

Den Lebensversicherern jedenfalls scheint die zunehmende Langlebigkeit der Menschen in der anhaltenden Niedrigzinsphase mehr Kopfzerbrechen zu bereiten als noch vor Jahren. "Vereinzelt herrscht eine ziehmliche Panik, was die Kalkulierbarkeit des Langlebigkeitsrisikos angeht", berichtet Poweleit. Der Branchenkenner schließt jedenfalls nicht aus, dass die Anbieter die Kapitalabfindungen in der aufgeschobenen Rentenversicherung optisch hoch halten werden - zum Nachteil der Kapitallebensversicherung.

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