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Zukunft der Altersvorsorge: Was Experten sagen und raten

Foto: Amac Garbe

Altersvorsorge Lebensversicherer senken Zinsen auf breiter Front

Viele Lebensversicherte bekommen es in diesen Wochen schwarz auf weiß. Ihre Überschussbeteiligung sinkt 2012 erneut. Im Branchenschnitt fällt die Verzinsung auf 3,87 Prozent - der niedrigste Stand der Nachkriegsgeschichte. Die Rentenlücke wächst, Vorsorgesparer müssen nachbessern, um das Minus auszugleichen.

Hamburg - Erste Strichproben zur Deklarationsrunde Ende vergangenen Jahres hatten es bereits angedeutet. Die Lebensversicherer müssen der anhaltenden Niedrigzinsphase erneut Tribut zollen und senken ihre Überschussbeteiligung für das laufende Jahr 2012 auf breiter Front deutlich.

Nach einer Umfrage des "Hamburger Abendblatts" unter den 40 größten Anbietern, die zusammen 90 Prozent des Marktes abdecken, sinkt die Verzinsung der Sparguthaben auf 3,87 Prozent im Schnitt. Der Analysefachblatt der Assekuranz, Map-Report, dem bislang 40 Unternehmen geantwortet haben, kommt auf 3,93 Prozent. Map-Report rechnet allerdings mit dem Mittelwert aller Rechnungszinssätze. 2011 hatte die Branche die vertriebspsychologisch wichtige "Vier" vor dem Komma noch halten können: 4,08 Prozent betrug die Durchschnittsverzinsung. Im Jahr 2000 schrieben die Unternehmen ihren Kunden noch rund 7,2 Prozent gut.

Auch wenn einzelne Versicherungsvorstände im Interview mit manager magazin Online es anders interpretieren - da in diesem Jahr zugleich der Garantiezins auf 1,75 Prozent sinkt, verliert das Produkt Lebensversicherung weiter an Attraktivität. Mit nachhaltig steigenden Kapitalmarktzinsen und der Chance auf wieder höhere Gutschriften rechnet die Branche in den kommenden Jahren angesichts der anhaltenden Schuldenkrise in Europa selber nicht.

Auch wenn die Unternehmen bereit wären, bei der Kapitalanlage höhere Risiken für attraktivere Renditen einzugehen, bleiben ihre Möglichkeiten doch beschränkt. Denn ab dem Jahr 2013 müssen sie nach den neuen Eigenkapitalrichtlinien (Solvency II) risikoreichere Investments mit mehr Eigenmitteln unterlegen. Viele Lebensversicherer würden damit geradezu gezwungen, fortgesetzt in fest aber eben niedrig verzinste Papiere zu investieren - zum Beispiel vermeintlich sichere Staatsanleihen, wenden Kritiker ein.

Menschen, die ihre Altersvorsorgeplanung ausschließlich auf der Basis einer Renten- oder Kapitallebensversicherung aufgebaut haben, müssen jetzt zur Kenntnis nehmen, dass einstige Prognosen nicht mehr stimmen. Die Lücke zur gesetzlichen Rente, die die hochgerechneten Erlöse aus der Lebensversicherung ja eigentlich füllen sollten, ist in den vergangenen zwölf Jahren gewachsen.

Daraus lassen sich zwei Strategien ableiten: Entweder erhöht der Verbraucher seine Sparanstrengungen, um das angestrebte Versorgungsniveau zu erreichen. Oder er schränkt seinen Konsum eben im Alter stärker ein.

Künftig Zweiklassengesellschaft in der Lebensversicherung

Experten erwarten im Gespräch mit manager magazin Online aber zugleich, dass mehr Menschen trotz privater Vorsorge im Alter künftig noch Geld hinzuverdienen müssen. "Das steht zu befürchten. Gerade angesichts der demographischen Entwicklung, die ja nichts anderes bedeutet, als dass künftig immer weniger arbeitende Menschen immer mehr Rentner mitversorgen müssen", sagt Karl Matthäus Schmidt, Vorstandschef der Quirin Bank. Selbst in Kreisen leistungsstarker Lebensversicherer hält man dieses Szenario für immer wahrscheinlicher. "Die demographische Entwicklung erfordert flexiblere Lösungen als bisher. Eine Kombination aus Rente und Arbeitslohn ist denkbar", sagt etwa Debeka-Vorstandschef Uwe Laue im Interview.

Dabei dürfen sich Kunden mit Altverträgen und einem Garantiezins von 4 Prozent noch glücklich schätzen. Denn davon dürfen die Anbieter nur im drohenden Insolvenzfall und mit Erlaubnis der Finanzaufsicht Bafin abweichen. Dieser gilt seit der Beinahepleite der Mannheimer Leben zwar als äußerst unwahrscheinlich.

Nachhaltig sichere Alternativen sind rar

Fakt ist aber, dass Altkunden schwächerer Gesellschaften mit einem hohen Garantiezins künftig bei der Überschussbeteiligung besser gestellt sind als Neukunden. Denn so manchem Anbieter fällt es schwer, ausreichend Gewinne am Kapitalmarkt zu erwirtschaften, um bereits die durchschnittlichen Garantieverpflichtungen von 3,4 Prozent im Vertragsbestand zu bedienen. Zugleich schmilzen die Rücklagen, aus denen die Unternehmen in der Vergangenheit eine über dem Zinsniveau des Kapitalmarkts liegende Überschussbeteiligung mit finanziert haben, dahin. Einzelne Assekuranzvorstände und andere Experten denken deshalb bereits offen über abgespeckte Garantiezusagen nach.

Trotz aller Kritik an dem Produkt Lebensversicherung, insbesondere an seiner intransparenten Kostenstruktur, ist aber auch richtig, dass die Alternativen für eine dauerhaft sichere Altersvorsorge sehr beschränkt sind.

Die meisten international anlegenden Aktienfonds haben mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre im Schnitt eine jährliche Rendite von rund minus 1,4 Prozent abgeworfen, hat Map-Report nachgerechnet. Erst nach 20 Jahren wiesen sie in der Mehrzahl überhaupt positive Renditen aus, lägen von der Verzinsung der Lebensversicherer aber noch deutlich entfernt.

"Der Aktienmarkt bietet dem Amateuranleger jedenfalls keine Alternative zum Lebensversicherungsprodukt", ist Map-Report-Chef Manfred Poweleit überzeugt. Und noch ein Argument spreche für die Lebensversicherung: Im Gegensatz zu manchem Aktiensparer hat bislang kein Lebensversicherter in Deutschland einen Totalverlust erlitten.

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