Allianz Die Gratwanderung
München/Hamburg Trotz neuer Details zur milliardenschweren Kapitalerhöhung der Allianz wollen Analysten keine Entwarnung geben. Die erwarteten 3,5 Milliarden Euro über die Ausgabe von 117 Millionen neuen Aktien dürften dem Konzern zwar kurzfristig helfen, die angeschlagene Kapitalbasis zu stärken. Damit sei die Allianz aber noch nicht über den Berg, hieß es einhellig. Andere forderten gar einen Strategiewechsel des Konzerns.
Berenberg rät zum Verkauf der Allianz-Aktie
Experten der Berenberg Bank erneuerten ihre Verkaufsempfehlung und sehen für den Titel kaum Potenzial nach oben. Die Gewinnverwässerung durch die Kapitalerhöhung verschlechtere die Bewertung. Der Druck durch die Ratingagenturen auf das Unternehmen dürfte vermutlich anhalten, hieß es am Donnerstag. Zudem erscheint ihnen die Aktie immer noch zu hoch bewertet. Das Kursziel taxiert die Bank auf 49 Euro.
Die Bankgesellschaft Berlin beließ ihr Allianz-Rating bei "reduzieren". Aus Sicht der Berliner ist bei der Kapitalerhöhung der Bezugspreis für die neuen Aktien die "spannendste Frage". Davon hängt schließlich ab, wieviel Geld die Allianz wirklich einspielen kann. Die Bezugsfrist beginnt nach Aussagen der Allianz am 15. April. Der Preis für die neuen Aktien werde "zeitnah" festgelegt, hieß es.
"Mehr Kapital allein reicht nicht aus, um den Wert für die Aktionäre zu erhöhen", kommentierte Dr. Carsten Zielke von WestLBPanmure im Gespräch mit manager-magazin.de. Nach Auffassung des Analysten sollten die Altaktionäre der Allianz kein Geld mehr in das Unternehmen stecken und zumindest einen Teil ihrer Bezugsrechte verkaufen.
Gewinn je Aktie könnte um bis zu 40 Prozent fallen
Mit einem Ausgabeabschlag von mehr als 50 Prozent zum Schlusskurs vom 19. März liege der Verwässerungseffekt des Gewinns je Aktie bei rund 33 Prozent, errechnete der Analyst. "Dies ist aus unserer Sicht sehr hoch." Berücksichtige man überdies, dass in Zukunft ein geschätzter Ergebnisbeitrag der Münchener Rück von 500 Millionen Euro im Jahr wegfalle, dürfte sich der Gewinn je Aktie im Schnitt sogar um bis zu 40 Prozent verringern.
Hintergrund ist, dass sich mit der Kapitalerhöhung auch die Gesellschafterstruktur ändern wird. Die Münchener Rück will sich nach jüngsten Meldungen nur in geringem Umfang an der Kapitalerhöhung beteiligen und ihren Anteil dadurch auf 15 Prozent senken.
Analyst sieht "Fehler in der Kapitalallokation"
Zwar verringere die Kapitalerhöhung nach Einschätzung des Experten Zielke zunächst die Gefahr, dass Ratingagenturen die Allianz weiter abstuften. Doch könne er sich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Allianz mit der Kapitalerhöhung auch frühere "Fehler in der Kapitalallokation" eingestehe. Schließlich habe die Allianz selbst eingeräumt, sie habe die Aktienquote zu spät abgesenkt.
Ein Sprecher der Allianz begründete die Kapitalerhöhung unlängst gegenüber manager-magazin.de, sie solle vor allem das Kreditrating sichern. Dies ist aus Sicht des Experten der WestLB Panmure zu wenig. Angesichts der hohen Inanspruchnahme der Kapitalmärkte sei ein Strategiewechsel bei der Allianz erforderlich.
Der Segen steigender Kurse
Dresdner Bank bleibt die Achillesferse
"Die Allianz sollte sich zu einer tiefgreifenden Neuausrichtung der Dresdner-Bank-Tochter durchringen", sagte Zielke. Zwar werde sich das Institut unter der neuen Führung von Herbert Walter mehr auf das Privatkundengeschäft konzentrieren. Gleichwohl hinge die Profitabilität der Bank von einer Aufhellung der gesamtwirtschaftlichen Lage ab. Ein Abflauen der Konkurse ist nach Einschätzung des Experten aber nicht in Sicht, so dass die Risikovorsorge für faule Kredite fortgesetzt das Ergebnis der Dresdner Bank belasten dürfte. "Vor diesem Hintergrund halten wir ein ausgeglichenes Ergebnis für die Bank in diesem Jahr für ambitioniert", sagte der Experte von WestLBPanmure weiter.
Überdies forderte der Analyst eine stärkere Bereinigung des Beteiligungsportefeuilles. Wenig Verständnis zeigte er vor diesem Hintergrund für den Poker um den 44-Prozent-Anteil der Allianz an Beiersdorf. Zwar hatte der Versicherer in der Vergangenheit signalisiert, seinen Besitz an dem Kosmetikkonzern bei einem guten Angebot verkaufen zu wollen, zugleich aber erklärt, er habe es damit nicht eilig.
Allianz sollte sich stärker von Beteiligungen trennen
Nach Ansicht von Zielke hätten sich aus dem Verkauf der Anteile rund 2,7 Milliarden Euro an Bewertungsreserven erlösen lassen. Sie hätten nicht nur die Eigenkapital-Bilanz des Versicherers deutlich verbessert. Aufgrund des damit verbundenen geringeren Bedarfs an Risikokapital hätte die Allianz zumindest keine Kapitalerhöhung in diesem Ausmaß vornehmen müssen, zeigte sich der Experte überzeugt.
Zugleich votierte der Analyst für eine stärkere Absenkung des Anteils an der Münchener Rück. Die Allianz hatte Anfang April erklärt, sie habe ihren Anteil an dem weltgrößten Rückversicherer im ersten Quartal auf knapp unter 20 Prozent von 22,4 Prozent reduziert. Dies sei zu wenig, um das Risikokapital deutlich zu drücken, erklärte Zielke. "Wir schließen daraus, dass die Allianz immer noch nicht daran denkt, ihre Strategie grundsätzlich in Frage zu stellen."
Die Aktie der Münchener Rück notierte am Donnerstag knapp über 72 Euro. Der Titel setzte damit zwar seinen Erholungkurs fort, war aber immer noch rund 40 Prozent weniger wert als zu Jahresbeginn.
Der Segen steigender Kurse
Was manche Experten als Risiko interpretieren, ist für andere eine "Perle", der man sich nicht so schnell entledigen dürfe. Natürlich wächst bei steigenden Märkten die Versuchung, das Beteiligungsportefeuille zu belassen wie es ist. Doch der Allianz kann im Grunde nichts Besseres widerfahren als eine Börse, die nachhaltig steigt.
Dies gilt auch für die Kapitalerhöhung. So berichtet die "FAZ", dass Londoner Bankenkreise bereits bei einem Allianz-Aktienkurses von rund 59 Euro einen Ausgabepreis für die neuen Aktien von 40 bis 45 Euro für möglich halten. Dann würden der Allianz anstatt der von den Emissionbanken garantierten 3,5 Milliarden Euro bis zu 5,3 Milliarden Euro zufließen.
Der Versicherer selbst hatte unlängst seinen Kapitalbedarf auf rund fünf Milliarden Euro beziffert. Sollten die Auguren in London recht behalten, könnte die Allianz womöglich sogar auf die ursprünglich geplante Anleihe in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro verzichten.
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