Vor der Stichwahl Märkte fürchten offenbar weitere Präsidentschaft Erdoğans

Der amtierende türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan scheitert knapp an der absoluten Mehrheit. Ende Mai geht es in die Stichwahl. Für Investoren, die zuvor auf einen Machtwechsel gesetzt hatten, ist das ein Alarmzeichen.
Recep Tayyip Erdoğan: Der amtierende türkische Ministerpräsident hat die absolute Mehrheit zur Präsidentschaftswahl nur knapp verfehlt. Viele Investoren hatten offenbar mit einem Machtwechsel und Rückkehr zu einer normalen Wirtschaftspolitik gerechnet.

Recep Tayyip Erdoğan: Der amtierende türkische Ministerpräsident hat die absolute Mehrheit zur Präsidentschaftswahl nur knapp verfehlt. Viele Investoren hatten offenbar mit einem Machtwechsel und Rückkehr zu einer normalen Wirtschaftspolitik gerechnet.

Foto: ADEM ALTAN / AFP

Am Ende hat es für Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan nicht gereicht. 49,51 Prozent der Stimmen vereinte der amtierende türkische Präsident auf sich und verfehlte die absolute Mehrheit damit nur knapp, bestätigte der Wahlrat am Montagnachmittag. Sein Herausforderer und Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu kam den Angaben zufolge auf 44,88 Prozent. Nun soll Ende Mai eine Stichwahl entscheiden. Hatten die Märkte zuvor auf einen Machtwechsel und einen Sieg der Opposition in dem Land am Bosporus gesetzt, reagierten die Investoren nun stark verunsichert.

Am Aktienmarkt rutschte der türkische Leitindex ISE 100 in der Spitze um 6,7 Prozent auf unter 4500 Punkte ab. Zwischenzeitlich schrumpfte das Minus auf 2 Prozent, bevor das Börsenbarometer wieder unter Druck geriet und am Ende mehr als 6 Prozent einbüßte. Bankentitel gaben besonders nach, der Branchenindex rutschte zwischenzeitlich um mehr als 9 Prozent ab. Die türkische Lira fiel gegenüber dem Dollar auf ein Zweimonatstief, zuletzt wurde der Dollar mit 19,66 Lira gehandelt .

Türkische Dollar-Anleihen und Aktien brechen ein

Allerdings hätten staatliche Banken am Markt interveniert, um die Verluste zu begrenzen, berichtet die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Insider . Einer Schätzung von Bloomberg Economics zufolge beliefen sich die heimlichen Eingriffe der Zentralbank in den Markt in den vergangenen 16 Monaten auf fast 177 Milliarden US-Dollar. Analysten von JPMorgan Chase sowie HSBC aber auch von Goldman Sachs hatten vor der Wahl erklärt, dass die türkische Lira weiter stark abwerten werde. Sie halten einen Preis von bis zu 24 türkische Lira je Dollar für möglich.

Dollar-Anleihen der Türkei gehörten zu den größten Verlierern und die Kosten für den Schutz vor einem Zahlungsausfall stiegen sprunghaft an: Laut S&P Global Market Intelligence kletterten die Kosten gemessen in Basispunkten gegenüber dem Stand vom Freitag bei rund 100 Basispunkten auf bis zu 600 Basispunkte im Tagesverlauf an, was dem höchsten Stand seit sechs Monaten entspricht. Zuvor hatten Investoren noch auf einen Erfolg der Opposition und ein mögliches Ende von Erdoğans unorthodoxer Wirtschafts- und Währungspolitik gesetzt und damit eine Rallye bei Anleihen und Aktien angeheizt.

Investoren hatten auf Machtwechsel gesetzt

Kilicdaroglus Oppositionsbündnis hatte vor der Wahl versprochen, viele wirtschaftspolitische Eingriffe der derzeitigen Regierung rückgängig zu machen, eine ähnliche Zinspolitik wie in anderen Ländern einzuführen und einen wirklich unabhängigen Zentralbankchef zu ernennen. Erdoğan hingegen hatte seit 2019 drei Zentralbankgouverneure ausgetauscht. Erdoğan ist erklärter Gegner höherer Zinsen, seine Politik hat die schlimmste Inflationskrise seit Jahrzehnten in der Türkei ausgelöst und zu einem Abfluss internationalen Kapitals geführt.

Laut Hasnain Malik, Stratege bei Tellimer in Dubai, deute das besser als erwartete Abschneiden des Amtsinhabers und die sich abzeichnende Mehrheit seines Parteibündnisses im Parlament darauf hin, dass er die Stichwahl womöglich gewinnen könne. "Das ist eine große Enttäuschung für Investoren, die auf einen Sieg des Oppositionskandidaten Kilicdaroglu und die von ihm versprochene Rückkehr zur orthodoxen Wirtschaftspolitik hoffen", sagte Malik laut Bloomberg. Die Wochen bis zur Stichwahl würden auch am Kapitalmarkt von großer Unsicherheit geprägt sein.

rei
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