US-Börsenschluss Nervös nach Chrysler-Insolvenz
New York - Die Unsicherheit über die Folgen des Chrysler-Insolvenzantrages dämpfte den aufkeimenden Optimismus über den Zustand der Wirtschaft. Überraschend gute Unternehmenszahlen und Konjunkturdaten hatten zuvor die Händler bei Laune gehalten.
Der Dow Jones brach nach der Bekanntgabe der Chrysler-Entscheidung ein und schloss 0,2 Prozent im Minus bei 8168 Punkten. Der breiter gefasste S&P-500 gab ebenfalls seine anfänglichen Gewinn ab und notierte knapp unter seinem Vortagesschluss bei 872 Zählern. Der Aufschlag an der Technologiebörse Nasdaq halbierte sich auf 0,3 Prozent. Der Index erreichte 1717 Punkte.
"Wenn ein großes US-Unternehmen Insolvenz beantragt, dann will man erst einmal sehen, was für eine Art von Konkurs das ist", sagte Angel Mata von Stifel Nicolaus Capital in Baltimore. "Die Leute warten erst einmal ab." Chrysler will nur wenige Wochen unter Gläubigerschutz arbeiten und sich in dieser Zeit sanieren. Anschließend hofft die ehemalige Daimler-Tochter dank einer Allianz mit Fiat wieder auf erfolgreiche Zeiten. Autoaktien profitierten von der Entwicklung bei dem vom Finanzinvestor Cerberus beherrschten Konkurrenten: Die Kurse von General Motors und Ford legten um 5,5 und 8 Prozent zu.
Die Händler orientierten sich ansonsten an den Hoffnungsschimmern, die die rezessionsgeplagte Wirtschaft zunehmend aufhellen. Der an den Finanzmärkten stark beachtete Einkaufsmanagerindex aus dem Großraum Chicago stieg im April unerwartet stark um fast neun Zähler auf 40,1 Punkte. Damit ist das Konjunkturbarometer ein gutes Stück näher an die Wachstumsschwelle von 50 Zählern herangerückt, auch wenn die Geschäfte weiterhin schrumpfen. Besonders bei den Neuaufträgen hellte sich die Lage kräftig auf.
Zudem ging die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in der Woche zum 25. April zurück und fiel geringer aus als erwartet. "Es gibt Anzeichen dafür, dass die Daten nicht mehr schlechter werden", sagte Börsenexperte Peter Bockvar von Miller Tabak & Co. "Die nächsten Monate werden wahrscheinlich besser aussehen als die vergangenen sechs Monate, und das wird dem Arbeitsmarkt helfen." Auch US-Notenbankchef Ben Bernanke sieht Anzeichen für eine mögliche Stabilisierung der Konjunktur. Das Tempo des Schrumpfungsprozesses lasse offenbar nach, erklärte Bernanke nach der Zinssitzung am Mittwochabend. So habe sich der Konsum, die wichtigste Säule der US-Wirtschaft, stabilisiert.
Auf Unternehmensseite gab vor allem der Chemieriese Dow Chemical dem jüngsten Konjunkturoptimismus neue Nahrung. Nach einem Milliardenverlust Ende 2008 wies der Rivale von Weltmarktführer BASF für das erste Quartal überraschend einen kleinen Gewinn aus. Zudem sieht Konzernchef Andrew Liveris erste Signale für eine Abschwächung des weltweiten Wirtschaftsabschwungs. Die Dow-Chemical-Aktie schoss um gut 18 Prozent in die Höhe. Der Cornflakes-Hersteller Kellogg konnte dank Einsparungen und stärkeren Umsätzen mit seinem Quartalsgewinn die Erwartungen übertreffen. Die Aktie legte 6,6 Prozent zu.
Aber es gab auch Verlierer: Dem Ölriesen Exxon Mobil macht der weltweite Rückgang der Ölnachfrage im Zuge der Wirtschaftskrise zu schaffen. Der Konzern verfehlte mit seinem Quartalsgewinn die Markterwartungen. Die Aktie gab 1,8 Prozent nach. Der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble bekam zu Jahresbeginn die gewachsene Sparsamkeit der Verbraucher zu spüren. Sein Umsatz schmolz, P&G-Papiere verloren rund 1,5 Prozent.
Dax im Plus
Gestützt auf kräftige Kursgewinne des Index-Schwergewichts BASF hat der Dax den zweiten Tag in Folge zugelegt. Er beendete den Xetra-Handel 1,4 Prozent höher bei 4769,45 Punkten. Im Vergleich zum Vorwochenschluss gewann er damit 1,4 Prozent. Seine Monatsbilanz sah sogar noch besser aus. Mit einem Plus von 16,8 Prozent war der April für den Leitindex der beste Börsenmonat seit sechs Jahren und der viertbeste überhaupt.
Der MDax stieg am Donnerstag um 2,3 Prozent auf 5565,28 Stellen. Der TecDax zog um 3,6 Prozent auf ein Sechs-Monats-Hoch von 589,62 Zählern an und der SDax gewann 0,9 Prozent auf 2684,65 Punkte.
"Obwohl wir noch mitten in der Finanzkrise stecken, sieht es derzeit ganz gut aus", sagte Chefhändler Fidel Helmer von Hauck & Aufhäuser. "Wir haben einen sehr freundlichen Börsenmonat April hinter uns und die Nachrichtenlage von Unternehmens- und Konjunkturseite verbessert sich." So seien etwa die jüngsten Zahlen der Deutschen Bank ebenso erfreulich ausgefallen wie Industrieproduktionsdaten aus Japan und ein gestiegenes US-Verbrauchervertrauen. Auch die Aussagen der US-Notenbank (Fed) vom Vorabend, denen zufolge sich die Konjunkturaussichten in den USA seit März aufhellen, stützten die gute Stimmung.
Überraschend gute Zahlen schoben die BASF-Aktie mit plus 7,25 Prozent auf 28,54 Euro an die Dax-Spitze. Ein starker Nachfrageeinbruch ließ den Chemiekonzern zwar schwach ins neue Jahr starten, bei den Ergebniskennziffern übertraf er die Erwartungen der Analysten aber deutlich. Ein Händler sagte: "Bis auf den Umsatz sind alle Daten besser ausgefallen als erwartet und verglichen mit den Marktschätzungen sehen vor allem die Ergebnisse auf der Gewinnebene wirklich gut aus." Das Quartalsergebnis liege über seinen und den Markterwartungen, schrieb Commerzbank-Analyst Stephan Kippe in einer Studie. Er beließ die Aktie auf "Buy" mit einem Kursziel von 40 Euro.
MAN konnte mit seinen Quartalszahlen ebenfalls positiv überraschen, was die Titel um 3,18 Prozent auf 47,36 Euro steigen ließ. Der Nutzfahrzeug- und Motorenhersteller schrieb trotz der Absatzkrise bei den Lastwagen im ersten Quartal schwarze Zahlen, stellt sich aber auf eine lange Krise ein. Analyst Dirk Nettling von der Commerzbank hob vor allem das überraschend starke operative Ergebnis sowie die Auftragsentwicklung bei den Nutzfahrzeugen positiv hervor.
Papiere von Fresenius Medical Care verteuerten sich im Einklang mit dem Gesamtmarkt um 1,53 Prozent auf 29,89 Euro. Der zu Fresenius gehörende Dialysespezialisten steigerte Gewinn und Umsatz und peilt für das laufende Jahr eine weitere Verbesserung an.
Von einem Händler hieß es, die Zahlen seien besser als erwartet. Der Dax-Neuling Fresenius profitierte von den jüngsten Zukäufen und verdiente ebenfalls mehr als im Vorjahr. Konzernchef Ulf Schneider zeigte sich weiter zuversichtlich für 2009 und bestätigte die Umsatz- und Ergebnisziele für das Geschäftsjahr. Die Aktie gab zuletzt dennoch um 0,31 Prozent auf 38,98 Euro nach.
Lufthansa im Steigflug
Für Lufthansa-Titel ging es nach weiteren Details zu dem bereits am Mittwoch vor Handelsschluss vorgelegten Quartalsbericht um 3,68 Prozent auf 9,725 Euro hoch. Die größte deutsche Fluggesellschaft flog zwar erstmals seit drei Jahren wieder in die roten Zahlen und rechnet für das Gesamtjahr mit sinkenden Umsätzen und einem signifikanten operativen Ergebnisrückgang.
Der Vorstand geht aber weiter davon aus, im Gesamtjahr ein "deutlich positives operatives Ergebnis" erzielen zu können. Zudem stellte das Unternehmen eine Reduzierung das Flugangebot im Interkontinentalbereich in Aussicht. Nach eigener Darstellung spürt die Lufthansa auch noch keine Auswirkungen der Schweinegrippe auf ihr Passagiergeschäft.
ThyssenKrupp-Papiere drehten nach einem freundlichem Start mit 1,04 Prozent auf 16,22 Euro ins Minus. Händler verwiesen auf Sorgen um die Gewinnentwicklung des Stahlkonzerns, die das Papier als einen der wenigen Dax-Werte ins Minus drücken. Ein Händler sagte: "Aktuell werden Spekulationen über eine drohende Reduzierung der Unternehmensziele am Markt herumgereicht."
Die Finanz- und Wirtschaftskrise belastete den Halbleiter-Zulieferer und Chemiekonzern Wacker Chemie nicht ganz so stark wie befürchtet. Die Aktie sprang mit plus 16,14 Prozent auf 76,72 Euro an die MDax-Spitze. Die Bilanz fiel einer ersten Händlereinschätzung zufolge gemischt aus. Während der Gewinn und der Umsatz positiv überrascht hätten, klinge der Ausblick eher vorsichtig. Ein Börsianer sagte aber: "Nach zuletzt schlechten Nachrichten aus dem Sektor ist es gut, dass Wacker keine negative Überraschung präsentiert hat."
Im TecDax setzte die Wirtschaftsflaute dem jüngst in den Index abgestiegenen Halbleiter-Konzern Infineon weiter zu. Obwohl das Unternehmen nun pessimistischer als bisher auf das gesamte Geschäftsjahr blickt, sah ein Händler den Ausblick "besser als erwartet". Zudem streicht das Unternehmen mehr Stellen als erwartet. Die Aktie stieg um 1,32 Prozent auf 1,925 Euro. Titel des Zahlungsabwicklers Wirecard profitierten laut Händlern von besser als erwartet ausgefallenen Zahlen und gewannen 2,01 Prozent auf 6,09 Euro.
manager-magazin.de mit Material von Nachrichtenagenturen