Kursrutsch "Tentakel der Kreditkrise greifen zu"
New York / Frankfurt am Main - Immer mehr Anleger ziehen sich, tief verunsichert durch die um sich greifende Finanzmarktkrise, vom Markt zurück: Der Dax gab am Donnerstag 2,4 Prozent ab und schloss auf Xetra bei 7.270 Punkten.
Weltweite Verkäufe - Handel zeitweise eingeschränkt
Neue Hiobsbotschaften aus den USA hatten am Donnerstag eine zweite, weltweite Verkaufswelle an den globalen Finanzmärkten ausgelöst. Händler sprachen teilweise sogar von panikartigen Verkäufen. Besonders an den asiatischen Märkten ging es steil bergab.
Nach bereits deutlichen Verlusten des Vortages gaben Dow Jones und Nasdaq Composite am Donnerstag weiter nach. Besonders im Dow Jones, der seit Mitte Juli mehr als 1100 Zähler nachgegeben hat, hat sich die Abwärtsdynamik beschleunigt.
Zeitweise verlor der Dow am Donnerstag 300 Punkte, ein Verlust von 2,5 Prozent. Der Nasdaq Composite verlor zeitweise 2,9 Prozent. Die New York Stock Exchange führte daraufhin Handelsbeschränkungen ein: In der Folge konnten die Indizes ihre Verluste wieder etwas verkleinern.
Bis 20 Uhr MEZ verringerte der Dow Jones seine Verluste auf 1,5 Prozent, während der Nasdaq Composite um 1,7 Prozent schwächer tendierte.
Baubeginne auf 10-Jahres-Tief
Zu den Sorgen um die landesweit größte Hypothekenbank Countrywide Financial kommen extrem schwache Daten vom US-Wohnungsmarkt hinzu. Die Zahl der Wohnbaubeginne in den USA ist im Juli um 6,1 Prozent auf das niedrigste Niveau seit mehr als zehn Jahren gesunken. Auch die Zahl der Baugenehmigungen - ein Barometer für den zukünftigen Häuserbau - sank im Juli um 2,8 Prozent und erreichte den tiefsten Stand seit elf Jahren.
Außerdem ist der Konjunkturindex der Federal Reserve Bank von Philadelphia ist im August unerwartet deutlich gesunken. Die Anzeichen, dass sich das Wachstum der US-Wirtschaft deutlich verlangsamt, mehren sich.
Countrywide nimmt 11,5 Milliarden Dollar Kredite
An der Wall Street hatten zuvor Spekulationen über eine drohende Insolvenz von Countrywide Financial die Runde gemacht. Countrywide kündigte an, zur Verbesserung der Liquiditätslage eine Kreditlinie über 11,5 Milliarden Dollar komplett in Anspruch zu nehmen. Die Kreditlinie werde von 40 der weltweit größten Banken bereitgestellt, erklärte das Unternehmen am Donnerstag.
"Das ist ein globales Problem, das betrifft nicht nur die USA", kommentierte Händler Angel Mata von Stifel Nicolaus Capital Markets in Baltimore. "Die Nachrichten werden einfach immer schlechter, die Tentakeln der Kreditkrise greifen um sich."
Fed setzt dem Markt zwei Geldspritzen
Die amerikanische Notenbank hat dem Geldmarkt am Donnerstag in zwei Schritten weitere 17 Milliarden Dollar Liquidität zukommen lassen. Vor Eröffnung der Wall Street waren es 5 Milliarden, am Nachmittag noch einmal 12 Milliarden Dollar.
Damit hat die Fed innerhalb von Wochenfrist den Geldmärkten insgesamt 67 Milliarden Dollar kurzfristige Liquidität verfügbar gemacht. Spekulationen auf eine baldige Zinssenkung erteilte ein Mitglied des Offenmarktausschusses der Notenbank jedoch eine Absage.
Dax tiefrot - Risikomanagement gefragt
Dax tiefrot - Risikomanagement ist Gebot der Stunde
Am deutschen Aktienmarkt hatte bereits am Vormittag Ausverkaufstimmung geherrscht.
Zu den Titeln mit den größten Abschlägen gehörten die Titel der Deutschen Börse, von MAN , Continental und DaimlerChrysler : Alles Werte, die seit Januar besonders gut gelaufen sind. Händler werten dies als Indiz, dass immer mehr Anleger Risikomanangement betreiben und verbleibende Gewinne sichern.
Auch institutionelle Investoren spielen derzeit "Value at Risk" Modelle durch und drücken auf Grund der starken Kursschwankungen auf den Verkaufsknopf, um verbleibende Gewinne zu sichern.
Auch im MDax und im TecDax gerieten besonders die Anlegerlieblinge der vergangenen Monate unter Druck. Viele Werte schlossen zwischen 5 und 10 Prozent im Minus.
Deutsche Bank unter Druck
Am deutschen Aktienmarkt wurde Händlern zufolge mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt, dass die Deutsche Bank einen US-Immobilienfonds wegen Zahlungsverzug verwarnt haben soll. "Hierbei geht es um Kredite in der Größenordnung von insgesamt 140 Millionen Dollar", so ein Marktteilnehmer. Die Aktie verlor 2 Prozent auf 91 Euro.
Hypo Real rutscht um mehr als 5 Prozent
Hypo Real Estate rutschten um 5,8 Prozent auf 36,85 Euro ab. Neue Nachrichten zu dem Wert seien nicht bekannt, aber hier gelte einfach das Motto "raus", denn der Titel sei im Dax sicher derjenige, der am stärksten mit Immobilien assoziiert werde, erläuterten Händler. Entsprechend stark falle die Reaktion auf die US-Hypothekenkrise aus.
Im Finanzsektor sorgten erneut Hiobsbotschaften aus den USA für schlechte Stimmung: Dieses Mal waren es Spekulationen über Finanzprobleme bei der Hypothekenbank Countrywide Financial (Kurswerte anzeigen). KKR trennte sich unter großen Verlusten von einem Immobilienpaket. In Tokio verloren daraufhin die Aktien der zweitgrößten japanischen Bank Mizuho Financial vorübergehend mehr als 7 Prozent, bevor sie sich später bei einem Minus von 1,5 Prozent stabilisierten.
Finanztitel stürzen ab
Dax-Finanztitel stürzen ab
Auch die deutschen Finanzwerte traf die Angst vor weiteren Folgen der Krise besonders stark: Die Aktie der Hypo Real Estate gab zeitweise 7 Prozent ab. Die Commerzbank-Aktie brach um 2,8 Prozent ein, die der Deutschen Börse um knapp 10 Prozent.
Alle Dax-Titel notierten im Minus. Vergleichsweise stabil hielten sich die Titel von Eon : Die Analysten von Goldman Sachs hatten nach Aussage von Händlern das Kursziel für den Titel auf 132 von 130 Euro angehoben.
Die Aktien von Volkswagen (VW) verloren 1,6 Prozent auf 144,75 Euro und zählten damit noch zu den besten Werten im Leitindex. Der Autobauer prüft einem Pressebericht zufolge eine Verlagerung seines US-Firmensitzes in Detroit. Neben den Kosten und Schwierigkeiten bei der Suche nach qualifiziertem Personal spiele auch die Lage des Standorts eine Rolle, schreibt die "Financial Times Deutschland". "Unsere Kunden sind nicht in Detroit, sie sind in New York, Washington oder San Francisco", sagte ein Manager dem Blatt.
MDax: Anlegerlieblinge enorm unter Druck
Im Nebenwerteindex MDax verloren 14 Titel jeweils mehr als 5 Prozent an Wert, darunter die Favoriten der vergangenen Monate wie Wacker Chemie , Salzgitter , Kloeckner, Kali und Salz sowie SGL Carbon . "Anleger ziehen die Reißleine und sichern verbleibende Gewinne", sagte ein Händler.
Auch die Titel von Lanxess gaben mehr als 6 Prozent ab. Der Chemiekonzern ist im zweiten Quartal wegen Abschreibungen in Millionenhöhe unerwartet tief in die Verlustzone gerutscht.
Umsatz und Ebitda des Chemiekonzerns fielen zwar etwas besser als vom Markt erwartet aus, nach Steuern kam es jedoch wegen einmaliger Kosten zu einem Verlust.
Aktien der Aareal Bank stemmten sich als einzige gegen den Trend. Das Institut hat und seine Ergebnisprognose für das laufende Jahr angehoben. Analyst Michael Dunst von der Commerzbank bestätigte seine Einstufung mit "Buy" beim Kursziel 43 Euro.
TecDax: Solartitel werden durchgereicht
Der TecDax hat sich am Donnerstag im Einklang mit dem Gesamtmarkt sehr schwach präsentiert. Das Technologiewerte-Barometer gab bis zum Nachmittag knapp 5 Prozent ab.
Solarwerte und Nordex sehr schwach
Vor allem bei Solarwerten kam es zu Gewinnmitnahmen. So gerieten Aktien von ErSol Solar Energy , Conergy , Solarworld und QCells unter die Räder.
Aktien von Nordex rutschten um 9 Prozent ab. "Nordex ist bei solch negativen Vorgaben regelmäßig besonders schwach", sagte ein Börsianer. Einen Großauftrag aus Großbritannien sah ein anderer Marktteilnehmer in einer ersten Einschätzung jedoch grundsätzlich positiv. Die Meldung werde vom Marktumfeld allerdings überschattet, zumal auch keine finanziellen Details genannt würden, sagte er.
Papiere von QSC verbilligten sich um 6,30 Prozent auf 3,87 Euro. JP Morgan hat die Einschätzung der Aktien von "Neutral" auf "Underweight" herabgestuft und das Ziel von 5,60 auf 3,80 Euro gesenkt.
Der Euro blieb in Fernost weiter unter Druck und notierte bei 1,3421 Dollar beziehungsweise 155,86 Yen. Der Dollar kostete 116,14 Yen und gab damit ebenfalls nach.
manager-magazin.de mit Material von dpa-afx und reuters