Der deutlich gefallene Ölpreis treibt den Aktienmarkt weiter an. Nur der hohe Eurokurs dämpft die Kauflaune der Börsianer in Frankfurt ein wenig. Zudem hat die EZB ihre Wachstumsprognose für das laufende und kommende Jahr deutlich gesenkt.
New York/Frankfurt am Main - Der Dax hat erstmals in diesem Jahr über der 4200-Punkte-Marke geschlossen. Vor allem der überraschende Ölpreis-Sturz um drei Dollar in nur einer Nacht verlieh den Aktienmärkten Auftrieb und so konnte auch die anhaltende Schwäche des Dollars den Anlegern nicht die Stimmung verderben.
Der deutsche Leitindex kletterte bis Handelsschluss um 0,73 Prozent auf 4216 Punkte und damit auf den höchsten Stand in diesem Jahr. Der MDax verbesserte sich um 0,72 Prozent auf 5340 Zähler und der TecDax um 0,94 Prozent auf 517 Punkte.
"Der überraschend gute US-Auftragseingang im Oktober sowie der nachlassende Ölpreis veranlasst die Anleger zu Aktienkäufen", sagte ein Händler.
In den USA kämpften sich die Börsen nach einem schwachen Start ins Plus. Der Dow Jones gewann in den ersten zwei Handelsstunden um 0,2 Prozent auf 10.615 Zähler. Der Nasdaq Composite notierte auf 2154 Punkten, ein Plus von 0,8 Prozent.
Ölpreis auf Talfahrt
Thema des Tages an den Börsen in Deutschland und den USA war die anhaltend rasche Talfahrt der Ölpreise. Höhere amerikanische Lagerbestände für Heizöl und Rohöl trieben die Notierungen nach unten. Der Preis für Rohöl der US-Sorte WTI zur Januar-Auslieferung ist im Tagesverlauf am New Yorker Warenterminmarkt Nymex im elektronischen Handel um 65 Cent auf 44,84 Dollar je Barrel (159 Liter) gesunken. In London fiel der Preis pro Barrel der Nordseesorte Brent um 81 Cent auf 41,50 Dollar.
Am Vortag war der Rohölpreis in New York kräftig um 7,4 Prozent je Barrel eingebrochen. Seit dem Rekordhoch von 55,67 Dollar am 25. Oktober ist der Preis inzwischen um knapp 20 Prozent gefallen. Der New Yorker Heizölpreis war am Mittwoch um 6,3 Prozent und am Donnerstag noch einmal um 1,57 Prozent abgesackt.
Viele Hedgefonds und andere Öl- und Energiespekulanten zogen sich plötzlich vom Markt zurück und verstärkten die Verkaufswelle. Auch das wärmere Winterwetter im Nordosten der USA, die hohe Auslastung der amerikanischen Raffinerien und deutlich höhere Ölimporte in die USA wirkten sich ebenfalls preisdrückend auf den amerikanischen Ölmarkt aus.
Auch der Preis für Rohöl der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) ist wieder deutlich gefallen. Das Opec-Sekretariat in Wien gab den Preis mit 38,03 Dollar pro Barrel (159 Liter) an. Das war 1,74 Dollar weniger als am Vortag.
Schwache US-Konjunkturdaten, Euro auf Rekordhoch
Schwache Arbeitsmarktdaten aus den USA
Enttäuschend ausgefallen sind die aktuellen Konjunkturdaten aus den USA. Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe sind in der zurückliegenden Woche überraschend deutlich gestiegen. Sie seien um 25.000 auf 349.000 geklettert, teilte das US-Arbeitsministerium am Donnerstag in Washington mit.
Von CBS MarketWatch befragte Experten hatten im Durchschnitt mit 331.000 gerechnet. Im aussagekräftigeren Vierwochendurchschnitt legte die Zahl der Anträge um 4.250 auf 336.500 zu.
Euro auf Rekordkurs
Höhenluft schnupperte dagegen weiterhin der Euro. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag erstmals einen Euro-Referenzkurs von mehr als 1,33 US-Dollar ermittelt. Die Notenbank legte ihn mit 1,3314 US-Dollar nach 1,3294 US-Dollar am Mittwoch fest. Damit kostete ein US-Dollar 0,7510 Euro.
Am Devisenmarkt stieg der Euro am Morgen auf ein Allzeithoch bei 1,3385 US-Dollar. Bis zum Nachmittag sackte der Kurs auf 1,3324 US-Dollar ab. Spekuliert wurde am Markt über ein Eingreifen der Notenbanken zur Stärkung des Dollar. Bislang sei aber keine Intervention erfolgt, hieß es.
Die jüngsten Wechselkursschwankungen sind nach Einschätzung des EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet "nicht zu begrüßen". Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Trichet modifizierte damit am Donnerstag nach der Leitzinsentscheidung der EZB in Frankfurt zuvor gemachte Aussagen. Er hatte die Wechselkursbewegungen in jüngster Zeit bereits mehrfach als nicht willkommen bezeichnet. Die Währungshüter hatten zuvor mitgeteilt, die Leitzinsen in der Eurozone unverändert bei 2,00 Prozent zu belassen.
EZB senkt Wachstumsprognosen für 2004 und 2005
Die EZB hat wegen der hohen Ölpreise die Wachstumsprognose für das laufende und kommende Jahr deutlich gesenkt. In ihrer Projektion gehe die EZB von einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 1,6 bis 2,0 Prozent 2004 und von 1,4 bis 2,4 Prozent im kommenden Jahr aus, sagte Trichet in Frankfurt nach der Leitzinsentscheidung.
Bisher war ein Wachstum von 1,9 Prozent im laufenden und von 2,3 Prozent im kommenden Jahr prognostiziert worden. Für 2006 rechnet die EZB nun mit einem Wachstum zwischen 1,7 und 2,7 Prozent.
Bei der Inflationsentwicklung sei die Projektion für das laufende Jahr mit 2,2 Prozent unverändert geblieben. Für 2005 wurde sie von 1,8 Prozent auf 2,0 Prozent erhöht. Für 2006 rechnet die EZB mit einer Abschwächung des Preisauftriebs auf dann 1,6 Prozent.
Lufthansa im Höhenflug, Versicherer im Plus
Lufthansa im Höhenflug
Als prozentual stärkster Dax-Wert wurde angesichts des sinkenden Ölpreises die Aktie der Deutschen Lufthansa gehandelt. Das Papier der Fluggesellschaft gewann 3,63 Prozent auf 11,14 Euro. "Die Lufthansa hat bislang unter dem anhaltenden Höhenflug des Ölpreises und den damit einhergehenden hohen Kosten für Flugbenzin gelitten", sagte ein Börsianer.
Auch BASF-Titel rückten in den Fokus. Gerüchte über ein angebliches Angebot für die Schweizer Ciba Spezialitätenchemie sorgten zwischenzeitlich für Aufsehen. BASF wollte die Spekulationen nicht kommentieren. Die Aktie des Chemieunternehmens schloss um 0,13 Prozent leichter auf 51,93 Euro.
Versicherer im Plus
Versicherungsaktien waren sowohl im Dax als auch im MDax gefragt. Münchener Rück stiegen um 2,55 Prozent auf 88,71 Euro. Allianz gewannen 1,20 Prozent auf 95,87 Euro.
Hannover Rück belegten im MDax mit plus 1,51 Prozent auf 27,56 Euro einen der Spitzenplätze. Die Kurse wurden von guten Nachrichten des Konkurrenten Swiss Life angetrieben, hieß es im Handel. Die Schweizer hatten die Wachstumsziele bestätigt und wollen in den kommenden Jahren um mindestens ein Prozent stärker wachsen als der Markt. Börsenexperten sprachen von einer "sehr positiven" Entwicklung.
WCM-Aktien verloren 3,85 Prozent auf 1,25 Euro und waren damit der schwächste MDax-Wert. Die Beteiligungs- und Grundbesitz AG wird im kommenden Jahr im neuen Industriekonzern Klöckner aufgehen. Damit verbunden ist der Ausstieg aus dem Immobiliengeschäft. Der amerikanische Finanzinvestor Blackstone übernahm am Donnerstag für 1,39 Milliarden Euro die restlichen 31.000 Wohnungen von WCM.